Scorpio
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Wer an den Galgen gehört, kann nicht ersaufen, so sagten sie, die kleinen und großen Banditen. Entgegen literarischen Vorstellungen, war in der Realität wenig Platz für "edle Räuber", "Verbrecher aus verlorener Ehre" oder "Sozialbanditen". Wen hätte man schließlich auch noch ausrauben können, wenn man da besonders wählerisch gewesen wäre. Natürlich gab es bedeutende Banditen, die auch tatsächlich viel erbeutet haben, reich gestohlen hat sich aber keiner von ihnen. Die meisten hatten ohnehin wenig Talent zum Sparen und verjubelten ihre Beute häufig in Bordellen. Innerhalb der Scharen der Betteljuden, Vaganten, Schausteller und Zigeuner existierte eine Subkultur, die sich stolz selbst "Kochemer" (die Weise nannte, die in den Kulturcode des Fahrenen Volkes eingeweiht war und einen hohen Grad an kriminellem Know How besaß. Wie groß ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung war, ist unsicher, die Schätzungen gehen von 5-15%. Diese Zahlen sind aber leichter zu behaupten, als zu beweisen, genaues weiß man nicht. Nie wäre aber im 19. Jahrhundert das Kinderspiel "Räuber und Gendarm" so populär geworden, niemals das Rotwelsch in der Umgangs- und Vulgärsprache so sprachbildend geworden, wenn nicht diese Kochemer nicht einen zahlenmäßig bedeutenden Anteil gestellt hätten. Das war durchaus so etwas, wie eine "Gegengesellschaft", nur sollte man sich davor hüten, den Begriff überzustrapazieren.
Räuberbanden waren durchaus keine verschworenen Gemeinschaften. Einig war man sich nur in der Ablehnung der legalen Gesellschaft. Viele Räuber waren sich durchaus nicht immer grün, die lieben Kollegen hauten sich übers Ohr und gingen nicht selten aufeinander los. Gar so chaotisch, wie die Kriminalisten sie beschrieben, können die Banditen aber auch nicht gewesen sein, existierten manche Banden doch über 20 Jahre.
Aus Romanen und Filmen kennen wir übliche Topoi der Räuberromantik: Kühne Gestalten, die sich um einen, womöglich aristokratischen Hauptmann scharen. Kühn mögen die historischen Banditen ja gewesen sein, ob sie wenn man sich Spitznamen wie Grindkopf, Stutzohr, scheeler Friedrich u.a. ansieht, wird man sich fragen, ob sie auch fotogen waren. Jedenfalls waren sie deutlich schäbiger gekleidet, als es moderne Kostümberater suggerieren. Banden mit einem herausragenden Anführer waren überaus selten, in der Gaunersprache gibt es gar kein Wort für Anführer. Meist dominierten einige erfahrene Haupträuber. Beim Coup, dem Masematten, kommandierte der, der sich am besten in der Gegend auskannte. Die Frauen der Gauner spielten eine wichtige Rolle als Fluchthelferinnen und mancher Bandit wurde erst durch seine "Beihalterin" in die höheren Weihen eingeweiht. Bei Frauen schreckten die Obrigkeiten vor Hinrichtungen zurück, so daß erfahrene Gaunerinnen ihr Know How weitergeben konnten. Eine fränkische Gaunerin suchte sich ihre Galane selbst aus und wenn sie genug von ihnen hatte, ließ sie sie von ihrem Nachfolger umbringen. So etwas galt aber selbst unter Kochemern als unerhört.
Nickel List sorgte 1699 durch einen spektakulären Kirchendiebstahl in Celle für Aufsehen. Er hatte die Güldene Tafel, einen Reliquienschrein der von Heinrich dem Löwen stammte beraubt. Er praktizierte den laut- und gewaltlosen Einbruch mit Nachschlüsseln. Sein Zeitgenosse Lips Tullian rühmte sich, Gewalt nicht zu scheuen, doch konnte er nicht lange aktiv sein, da er die meiste Zeit im Gefängnis saß. Krummfingers Balthasar war um die Mitte des 18. Jahrhunderts in Franken, Sachsen und Böhmen aktiv. Er führte ein eigenes Siegel, trug als Zeichen seiner Chefwürde ein Brecheisen und verlieh an seine Leute fiktive Adelstitel, meines Wissens wurde er nie erwischt. Friedrich Schwahn, genannt Sonnenwirtle arbeitete in Schwaben mit verschiedenen jüdischen Banditen zusammen, er wurde zum Vorbild für Schillers Erzählung "Der Verbrecher aus verlorener Ehre". Ein ungewöhnlicher Bandit war Mathias Klostermayer, alias der "bayrische Hiesl". Er war Anführer einer Wildererbande und stammte nicht aus der Vagantenschicht, sondern aus den bäuerlichen Unterschichten. Er war um 1770 in der Gegend um Augsburg aktiv. Ein sehr erfolgreicher Bandit war der Zigeuner Hannikel, der fast 20 Jahre aktiv war. Er tarnte seine Leute als französische Marodeure und überfiel oft Juden. Er wie auch der Zigeuner Gallantho, der um 1720 in Hessen aktiv war, waren beide sehr brutal. Der Schinderhannes wurde an anderer Stelle schon vorgestellt.
Legendär waren die Mersener Bocksreiter, die um 1780 in der Gegend um Maastricht so gewagte gewaltlose Einbrüche verübten, das das Volk sie mit dem Teufel im Bunde glaubte. Doch die am besten organisierte Bande war die Große Niederländische Bande, die zwischen 1790 und 1805 ihren Höhepunkt erreichte. Alte Veteranen waren noch in den 1820er ahren aktiv. Die Gründungsmitglieder waren fast ausschließlich Juden. Von Winshooten bei Groningen zogen der alte Moyses Jakob und sein Schwiegersohn Abraham Picard die Fäden. Der Einzugsbereich reichte von Belgien über die Niederlande, Nordfrankreich das Rheinland bis nach Bayern, Hessen und Niedersachsen. Niemals wurden sie dort aktiv, wo sie wohnten, das Zielobjekt war oft 100 km entfernt. Charakteristisch war die Überfalltaktik auf Gutshöfe und ganze Dörfer, getarnt als französische Marodeure. Die Chefs, die als Abzeichen ihrer Würde ein Brecheisen trugen, reisten standesgemäß zu Pferd oder in Kutschen an. Die Türen wurden mit einem Baumstamm aufgerannt. Durch die französische Justiz bedrängt, wendeten sich die Niederländer nach Meersen bei Maastricht, später ins Rheinische. Wem die Obrigkeit auf den Fersen war, der fand in Mersen später in Eckederoth Unterschlupf, wo der Amtmann falsche Pässe verkaufte. In diesem Ort stifteten die Banditen eine Schule und eine Synagoge. Waren anfangs die meisten Mitglieder Juden, so verbündeten sie sich später mit Christen. Mathias Weber, alias Fetzer, Damian Hessel, genannt Studentchen, ein ehemaliger Gymniasiast und Mathieu Rouhet, genannt der Major waren einige der bekanntesten. Der Major war ein so geschickter Ausbrecher, daß er in einem französischen Gefängnis seinen Ausbruch verschob, um ein Drama zu vollenden, das seine Lebensgeschichte enthielt.
In der Forschung ist eine vieldiskutierte Frage, warum das organisierte Bandenwesen etwa um 1811-1815 nach einer mehr als fünfzehnjährigen Blütezeit ziemlich abrupt verschwand. Lag es an den Justizreformen und der verbesserten Fahndung, oder war vielmehr die Mediatisierung und Beseitigung der Klein- und Kleinststaaten dafür verantwortlich, die den Räubern die Schlupfwinkel nahm? Vielleicht aber lag es vor allem an der Pauperisierung der Bevölkerung durch die Napoleonischen Kriege. Denn wo nichts zu holen war, konnten auch die kühnsten Banditen nicht mehr viel erbeuten.
Räuberbanden waren durchaus keine verschworenen Gemeinschaften. Einig war man sich nur in der Ablehnung der legalen Gesellschaft. Viele Räuber waren sich durchaus nicht immer grün, die lieben Kollegen hauten sich übers Ohr und gingen nicht selten aufeinander los. Gar so chaotisch, wie die Kriminalisten sie beschrieben, können die Banditen aber auch nicht gewesen sein, existierten manche Banden doch über 20 Jahre.
Aus Romanen und Filmen kennen wir übliche Topoi der Räuberromantik: Kühne Gestalten, die sich um einen, womöglich aristokratischen Hauptmann scharen. Kühn mögen die historischen Banditen ja gewesen sein, ob sie wenn man sich Spitznamen wie Grindkopf, Stutzohr, scheeler Friedrich u.a. ansieht, wird man sich fragen, ob sie auch fotogen waren. Jedenfalls waren sie deutlich schäbiger gekleidet, als es moderne Kostümberater suggerieren. Banden mit einem herausragenden Anführer waren überaus selten, in der Gaunersprache gibt es gar kein Wort für Anführer. Meist dominierten einige erfahrene Haupträuber. Beim Coup, dem Masematten, kommandierte der, der sich am besten in der Gegend auskannte. Die Frauen der Gauner spielten eine wichtige Rolle als Fluchthelferinnen und mancher Bandit wurde erst durch seine "Beihalterin" in die höheren Weihen eingeweiht. Bei Frauen schreckten die Obrigkeiten vor Hinrichtungen zurück, so daß erfahrene Gaunerinnen ihr Know How weitergeben konnten. Eine fränkische Gaunerin suchte sich ihre Galane selbst aus und wenn sie genug von ihnen hatte, ließ sie sie von ihrem Nachfolger umbringen. So etwas galt aber selbst unter Kochemern als unerhört.
Nickel List sorgte 1699 durch einen spektakulären Kirchendiebstahl in Celle für Aufsehen. Er hatte die Güldene Tafel, einen Reliquienschrein der von Heinrich dem Löwen stammte beraubt. Er praktizierte den laut- und gewaltlosen Einbruch mit Nachschlüsseln. Sein Zeitgenosse Lips Tullian rühmte sich, Gewalt nicht zu scheuen, doch konnte er nicht lange aktiv sein, da er die meiste Zeit im Gefängnis saß. Krummfingers Balthasar war um die Mitte des 18. Jahrhunderts in Franken, Sachsen und Böhmen aktiv. Er führte ein eigenes Siegel, trug als Zeichen seiner Chefwürde ein Brecheisen und verlieh an seine Leute fiktive Adelstitel, meines Wissens wurde er nie erwischt. Friedrich Schwahn, genannt Sonnenwirtle arbeitete in Schwaben mit verschiedenen jüdischen Banditen zusammen, er wurde zum Vorbild für Schillers Erzählung "Der Verbrecher aus verlorener Ehre". Ein ungewöhnlicher Bandit war Mathias Klostermayer, alias der "bayrische Hiesl". Er war Anführer einer Wildererbande und stammte nicht aus der Vagantenschicht, sondern aus den bäuerlichen Unterschichten. Er war um 1770 in der Gegend um Augsburg aktiv. Ein sehr erfolgreicher Bandit war der Zigeuner Hannikel, der fast 20 Jahre aktiv war. Er tarnte seine Leute als französische Marodeure und überfiel oft Juden. Er wie auch der Zigeuner Gallantho, der um 1720 in Hessen aktiv war, waren beide sehr brutal. Der Schinderhannes wurde an anderer Stelle schon vorgestellt.
Legendär waren die Mersener Bocksreiter, die um 1780 in der Gegend um Maastricht so gewagte gewaltlose Einbrüche verübten, das das Volk sie mit dem Teufel im Bunde glaubte. Doch die am besten organisierte Bande war die Große Niederländische Bande, die zwischen 1790 und 1805 ihren Höhepunkt erreichte. Alte Veteranen waren noch in den 1820er ahren aktiv. Die Gründungsmitglieder waren fast ausschließlich Juden. Von Winshooten bei Groningen zogen der alte Moyses Jakob und sein Schwiegersohn Abraham Picard die Fäden. Der Einzugsbereich reichte von Belgien über die Niederlande, Nordfrankreich das Rheinland bis nach Bayern, Hessen und Niedersachsen. Niemals wurden sie dort aktiv, wo sie wohnten, das Zielobjekt war oft 100 km entfernt. Charakteristisch war die Überfalltaktik auf Gutshöfe und ganze Dörfer, getarnt als französische Marodeure. Die Chefs, die als Abzeichen ihrer Würde ein Brecheisen trugen, reisten standesgemäß zu Pferd oder in Kutschen an. Die Türen wurden mit einem Baumstamm aufgerannt. Durch die französische Justiz bedrängt, wendeten sich die Niederländer nach Meersen bei Maastricht, später ins Rheinische. Wem die Obrigkeit auf den Fersen war, der fand in Mersen später in Eckederoth Unterschlupf, wo der Amtmann falsche Pässe verkaufte. In diesem Ort stifteten die Banditen eine Schule und eine Synagoge. Waren anfangs die meisten Mitglieder Juden, so verbündeten sie sich später mit Christen. Mathias Weber, alias Fetzer, Damian Hessel, genannt Studentchen, ein ehemaliger Gymniasiast und Mathieu Rouhet, genannt der Major waren einige der bekanntesten. Der Major war ein so geschickter Ausbrecher, daß er in einem französischen Gefängnis seinen Ausbruch verschob, um ein Drama zu vollenden, das seine Lebensgeschichte enthielt.
In der Forschung ist eine vieldiskutierte Frage, warum das organisierte Bandenwesen etwa um 1811-1815 nach einer mehr als fünfzehnjährigen Blütezeit ziemlich abrupt verschwand. Lag es an den Justizreformen und der verbesserten Fahndung, oder war vielmehr die Mediatisierung und Beseitigung der Klein- und Kleinststaaten dafür verantwortlich, die den Räubern die Schlupfwinkel nahm? Vielleicht aber lag es vor allem an der Pauperisierung der Bevölkerung durch die Napoleonischen Kriege. Denn wo nichts zu holen war, konnten auch die kühnsten Banditen nicht mehr viel erbeuten.