Hallo Arne Alexander!
Ich war bisher der Meinung, dass der Begriff „Deutscher Michel“ die Übersetzung eines „Miel Aleman“ sei, wie spanische Truppen (ich glaube Tilly's) den schwäbischen Reiterführer Michel Obentraut (Abentraut?) genannt haben sollen.
Ob er so ein gemütlicher Herr war, dass er das Vorbild für den Schlafmützenträger mit dem Bierkrug sein kann, das weiss ich nicht. Der Bezug scheint mir auch recht dünn, aber so hab ich's vor vielen Jahren gelernt.
Mir schien eigentlich wahrscheinlicher, dass er von irgendeinem Humanisten erfunden wurde, der sich diesen Faulpelz als Symbol einer „Teutschen Nation“ ausgedacht haben könnte, einer Nation, die sich schlafmützig in Kleinstaterei verzettelte. Aber wer da in wohl in Frage käme???
Aber zu Deinem Gewärsmann für eine Identität „Wotan=St.Michael=Deutscher Michel“ :
Fällt Dir da nicht auf, dass sich da nirgends Quellenverweise für recht kühne Behauptungen finden?
Aber zu Deiner Textprobe:
(Alle Zitate in Kursive)
Zitat; "christenthum, Volksglaube und Volksbrauch. Geschichtliche Entwicklung ihres Vorstellungsgehalts" von Julius Lippert, Berlin 1882
Der Herr Lippert meint also:
Zitat; "Den Archangelus übersetzte sich der Germane asl Engelsfürsten, und so sah er in Michael wieder nur seine 'Herzog', der sich von einem Irmin oder Vodan in gar nichts unterschied - auch den Schimmel musste der Herzog haben.
Die Überlieferung kennt zwölf Engelchöre beginnend mit Cherubim und Seraphim. Erzangel (Michael) und Engel sind die letzten, untzesten. Irgendwo zwischen den Rängen 10 und 3 finden sich auch „Fürsten“ und „Herrschaften“, Michael gehört nicht dazu. Das ganze Konzept, die ganze „Engelei“ stammt aus der persischen Mythologie ( die „Amaesa Spantas“), und deswegen kämpft Michael, der beim Propheten Daniel gegen den „Engelprinzen des persischen Reiches“ und kommen die Engel in den Apokryphen und gnostischen Schriften viel häufiger vor als im alten Testament. Im Neuen Testament gibt’s Engel nur in der „Geheimen Offenbarung“ , wo Michael Satan aus dem Himmel wirft, samt seinen Engeln.Das ist eine Anleihe beim persischen Dualismus, der den Hebtäern eigentlich fremd war.
Basis der Missionierung war sicher eine zudammengestrichene „Biblische Geschichte“ und vielleicht, die vier Evangelien.So ein predigender Wanderer durch die germanische Wildnis hatte bestimmt krinr Bibliothek bei sich. Vielleicht hat er erzählt, dass ein Engel mit Feuerschwrt das Paradis hüte, aber bestimmt nichts, was an die „Herzöge“ des Herrn Lippert erinnern kann.
Zitat: Dass er ein 'Engel' sein sollte, störte die Vorstellung nicht, Geister waren jene Herzöge auch.
„Geister waren jene Herzöge auch“ Soso? Widukind, der Sachsenherzog, Tassilo; der Bayern-Herzog (der sich aber selbst als souveräner König sah), das waren also „Geister“? Der Herzog als Territorialherr ist erst im 9.Jh bekannt, als Feldherr ist er eine Übernahme des römischen „Dux“, vorher hiessen solche Leute „Heerkönig“und auch die waren keine „Geister“ !! (Die Entwicklung hängt mit dem Entstehen des Feudal-Systems zusammen.
Zitat: Dass er nach der aus der Apokalypse und verwandten Schriften leicht zu construirenden Legende ein grosser Drachenkämpfer war und Abenteuer hinter sich hatte, gab Vertrauen zu ihm.
In der Apokalypse schlägt (nicht tötet)Michael zwar den „Drachen“ (Apoc.14, 3-11) aber der wird im gleichen Absatz als „Satan, der Widersacher“ definiert. (wieder iranischer Dualismus, der im katholischen Christentum der Missionare eigentlich nichts zu suchen hatte.) Und „Abenteuer hinter sich“ hatte Michael nie!!
Azitazt; llerdings war der Michael, den die Bekehrer brachten, nicht ganz derselbe, den die Bekehrten aufnahmen, aber auch jener war ja schon nach Daniel ein Volksherzog gewesen.
Die Missionare haben bestimmt nicht mit dem abseitigen Daniel geatbeitet Und Lippert zitiert diesen falsch.Ein „Volksherzog“ kommt da nicht vor. Der stammt aus Lipperts Hirn.
'Zitat: Herzog Michael' begleitete fortan die deutschen Fahnen und zu ihm schrie das Volk in der Schlacht, ...
Das Reichsheer war unter Michaels Schutzn gestellt (sein Bild wae auf der Reichs-Sturm-Fahne) aber nicht das ganze Volk, denn „Reich“ und „Deutsche“ waren geographisch nicht deckungsgleich
Zitat:. Die fremde Gelehrsamkeit liess die Theologie wohl nicht erkennen, dass in diesen Vorstellungen der alte Ahnencult ganz ungebrochen fortlebte.
Da musste erst Herr Lippert kommen!!!
Zitat: Spräche das alte Schlachtlied 'o heros invincibilis' nicht an einer einzigen Stelle von der Christenheit, so könnte dieses Lied trotz seiner Latinisirung jedem Heidengott gesungen worden sein; denn das hervorgehoben wird, Michael ziehe hinter sich die grosse Zahl der Streiter des Himmels, das ist gerade ein recht heidnischer Zug.
WIESO ???
Zitat: Das machte den Geist zum Gotte, dass er über Geister gebot, dasselbe was den Mann zum Herren machte. Es ist noch zu beachten, dass die Deutschen, denen fortan der 'Michel' anhing, wie einstmals den Hermunduren der 'Irmin' und nachmals den Cechen der 'Wenzel', diese heidnisch-christliche Stellung besetzten, ehe sich ein Landsmann dafür qualifizirt hatte."
Da Lippold zwar über eine stramm wuchernde deutschnationale Phantasie verdügt, aber nicht den geringsten kritischen Geist, kann ich ihn auch nicht „Herr Lippolt“ nennen, sondern bloß sagen „Mannomann, welcher Stuss“.
Arne Alexander
Eigentlich bin ich Dir ganz dankbar dafür, dass Du den Lippold hier vorgestellt hast.Ich bin im Laufe meiner Lektüre auf eine ganze Reihe solcher Federhelden gestossen, die alle zunächst recht überzeugend klangen (z. B. Heribert Illig), bis man sich mit der einen oder anderen Tatsache näher beschäftigt. Dann rubbeln sie sich auf, wie ein alter Pullover von einem kleinen Löchlein aus.
Ich erspar Dir und mir hier die (mögliche) Diskussion um Wotan-Odin, die eher in den Thread „Germanische Mythologie gehört“. Mit Michael aber hat das bestimmt nichts zu tun.
Nix für Ungut!
BOIORIX