Widerstand im NS-Regime

Ein Beispiel von Selbstmord als Demonstration des Widerstandes könnte man aus einer anderen Epoche anführen, ich denke da an Cato, der sich in Utica umbrachte, als Caesar vor den Toren stand. Zu befürchten hatte er ja eigentlich nichts, da Caesars Milde sprichwörtlich war...
 
Gast schrieb:
Soweit mir bekannt, wurde ausser in Japan der Selbstmord nie als "letzter Widerstand" gewertet.

Es scheint eher so das fehlgeleitete Deutsche sowie Verbündete(Dänen,Schweden, Ukrainer und Balten die in der Waffenss dienten) in Berlin und in den letzten Tagen des NS-Regimes zu Tausenden lieber den Selbstmord wählten, als in russische oder amerikanische Kriegsgefangenschaft zu gehen, dies zog sich wie ein roter Faden durch alle Schichten der deutschen Bevölkerung.
Weshalb es auch recht schwierig ist einen Zeitzeugen zu befragen welcher wirklich 100%ig auf dieses aus heutiger Sicht verabscheuungswürdige Regime eingeschworen war.
Was für Psychologen wohl recht interessant werden könnte, zu erforschen, wie sich ein ganzes Volk und dessen Verbündete sich fast kollektiv auf so einen Wahnsinn einlassen konnte.

Mir erscheint Selbstmord eher als der letzte Ausweg aus "Schande" oder Gefangennahme aber nie als letzter Widerstand.

Mir ist auch nicht bekannt ob oder inwieweit der deutsche Widerstand dem Weg gefolgt ist, als Zeichen des Widerstandes Selbstmord zu begehen.
Ich denke aber das die deutsche Presse einen solchen nachgewiesenen Sachverhalt längst ausgeschlachtet und verfilmt hätte.

Generell teile ich zwar Deine Gedanken zum Selbstmord (siehe mein Posting) allerdings wird das in manchen Teilen der Welt anders gesehen (wobei man ganz klar von Legitimationsmotiven sprechen müsste). Eine weitere Ausführung würde allerdings zur aktuellen Politik führen.
 
Warum sollten Sie das verschwinden lassen?

Sophi Scholl und Ihre Gruppe waren während der NS-Zeit verurteilte Landesverräter, in den Augen der damaligen Zeit und der damaligen Weltanschauung der letzte Dreck unter den Füssen, in den Augen der NS-Fanatiker das allerletzte.

Heute bei näherem Hinsehen werden sie als Helden verehrt und gefeiert.
Und ihre Hinterbliebenen haben auch Briefe und Fotos aufgehoben und können heute Stolz sein das diese jungen Menschen, im Gegensatz zu fast allen anderen erkannt hatten, was eigendlich gespielt wurde.

Dies wird auch von der Presse in jedweder weise genutz, warum sollten also nicht die Hinterlassenschaften von "Märtyrern" welche auf diese Weise Widerstand leisteten von der Presse genutzt werden?
Wie gesagt, wenn auch nur der leisete Hauch einer Chance bestünde das derartiges Vorhanden oder Greifbar wäre, wäre es in den letzten 60 Jahren gefunden oder zur Entnazifizierung von Deutschlang genutzt worden. Sei es im Westen oder im Osten.
 
Mercy schrieb:
Na na na, das ist so nicht richtig.

Sehr difizil wird es hier:
http://www.geschichtsforum.de/showpost.php?p=134852&postcount=13

Das war für den gläubigen Christ sicher keine leichte Entscheidung, denn soweit ich weiß (ich bin nicht Bibelfest) ist die Selbsttötung klar eine schwere Sünde gegen Gott. Jahrhundertelang wurden schließlich Selbstmörder nicht einmal in geweihter Erde bestattet und es hieß sie kommen in die Hölle.

Der Ehemann einer Arbeitskollegin hat sich vor einigen Monaten umgebracht, die Witwe bekam von evangelischen Pfarrer eine Absage. Er lehnte es ab die Totenrede zu halten. So wurde es uns zumindest berichtet.

Kaiser Wilhelm II dachte auch an Selbstmord nach der Revolution, scheute aber davor zurück, weil er sich als Christ nicht versündigen wollte.
 
Noch mal ein andere Aspekt zu diesem Thema: wenn es um Widersatnd im Dritten Reich geht wird meist die "Weiße Rose" genannt! Als ich mich damit genauer Beschäftig habe (und unter anderem auch den Film "Sophie Scholl" gesehen habe) ist mir aufgefallen, dass sich Sophie wohl in gewisser Weise geopfert hat. Sie hätte dem Todesurteil vielleicht entgehen können, doch sie wollte genau so hart bestraft werden wie ihr Bruder Hans. Ist das nicht auch eine Art Selbstmord? Und hier betrachte ich das ganze tatsächlich als Widerstand, oder was meint ihr?? Übrigens: Sophie und Hans Scholl waren überzeugte Christen!
 
Lizz schrieb:
Sie hätte dem Todesurteil vielleicht entgehen können, doch sie wollte genau so hart bestraft werden wie ihr Bruder Hans. Ist das nicht auch eine Art Selbstmord? Und hier betrachte ich das ganze tatsächlich als Widerstand, oder was meint ihr?? Übrigens: Sophie und Hans Scholl waren überzeugte Christen!

[talar anzieh]Das ist kein Selbstmord, man kann es als Opfertod beschreiben, also eher ein Martyrium. Sicher keine Sünde...sonst würden viele Märtyrer nicht verehrt oder heilig gesprochen[/talar anzieh]
 
Nein, das Christentum (wie die meisten Religionen) lehnt Selbstmord als Eingriff in Gottes Plan ab. Selbstmord ist eine (bei allen Konfessionen) schwere Sünde.
Das wir im NT ja auch durch den Selbstmord von Judas unterstrichen.

Die einzige Religion die Selbstmord "erlaubt" ist der Jüdische Glauben, wenn auch nur in besonderen fällen. Diese sind in etwar diese: Wenn man zur Inzucht gezwugen wird und wenn man seinen Glauben abschwören soll bzw. Gott verleugnen. Da gab es noch mehr glaub ich.
Man darf auch Massada nicht vergessen.
 
Lord Raglan schrieb:
Nein, das Christentum (wie die meisten Religionen) lehnt Selbstmord als Eingriff in Gottes Plan ab. Selbstmord ist eine (bei allen Konfessionen) schwere Sünde...

Ob Selbstmord religiös legitimiert sein kann, ist in diesem Zusammenhang m. E. ohne Belang.
Ich finde, man sollte von einer Widerstandsdefinition ausgeht, die die Intention des Handelns zum Hauptkriterium nimmt, nämlich den NS zu bekämpfen, in welcher Form und mit welchem Erfolg auch immer.
In diesem Sinn ist Ursis Beispiel eine Form von Widerstand und auch ein Selbstmord, um sich der Unterstützung oder auch nur Duldung des NS-Systems zu entziehen, wenn Anderes, z. B. Exil, nicht machbar ist. Wenn ein Wissenschaftler sich also umbrachte, um nicht für die Nazis arbeiten zu müssen, war das selbstverständlich eine Form von Widerstand.
Ob es nicht effektivere Möglichkeiten gegeben hätte, ist eine andere Frage und müsste im konkreten Fall untersucht werden.
Allerdings sind mir im Moment solche Fälle von Selbstmord nicht bekannt.
Ich will aber mal suchen.
 
Selbstmord als politischer Protest ist in der europäisch-amerikanischen Kultur zwar nicht üblich, kommt aber vor. Siehe etwa den tschechischen Studenten Jan Palach, der sich 1969 aus Protest gegen die Invasion der CSR verbrannt hat ... oder der ostdeutsche Pfarrer Oskar Brüsewitz, der in den 1970ern gleiches in der DDR tat. Beide eindeutig mit dem Motiv, gegen herrschende Zustände zu protestierne.

Außerdem ziegen beide Fälle, dass diese Form des Protest nur Sinn macht (soweit sie Sinn machen), wenn es es eine Öffentlichkeit gibt .. wo nicht, ist es nur eine reine Geste, die wegen zensierter Medien unbeachtet bleiben muß (auch wenn sie menschlich verständlich sein kann).
 
Lizz schrieb:
Noch mal ein andere Aspekt zu diesem Thema: wenn es um Widersatnd im Dritten Reich geht wird meist die "Weiße Rose" genannt! Als ich mich damit genauer Beschäftig habe (und unter anderem auch den Film "Sophie Scholl" gesehen habe) ist mir aufgefallen, dass sich Sophie wohl in gewisser Weise geopfert hat. Sie hätte dem Todesurteil vielleicht entgehen können, doch sie wollte genau so hart bestraft werden wie ihr Bruder Hans. Ist das nicht auch eine Art Selbstmord? Und hier betrachte ich das ganze tatsächlich als Widerstand, oder was meint ihr?? Übrigens: Sophie und Hans Scholl waren überzeugte Christen!

Woher weisst du das Sophie Scholl gleich hart bestraft werden wollte wie ihr Bruder?

Ihre Tätikeit, das Verteilen der Flugblätter, war Widerstand, aber die Hinrichtung war ein Mord im Namen eine verbrecherischen Regimes. Denn sie hat ja nicht selber das Fallbeil betätigt um sich umzubringen.

Selbstmord ist nach meinem Befinden, wenn man sich selber umbringt und nicht wenn man von jemanden anderes umgebracht wird.

Nach dem was Du geschrieben hast, müssten dann ja alle zum Todeverurteilten Widerstandskämpfer Selbstmörder sein.
 
Lord Raglan schrieb:
Nein, das Christentum (wie die meisten Religionen) lehnt Selbstmord als Eingriff in Gottes Plan ab. Selbstmord ist eine (bei allen Konfessionen) schwere Sünde.
Ich will das Thema nicht ausweiten, es hat eine lange Geschichte. Der deutsche kath. Erwachsenen-Katechismus:
In der pastoralen Praxis wurde deshalb in früherer Zeit Menschen, die sich das Leben genommen hatten, die kirchliche Beisetzung verweigert. In das neue Rechtsbuch der Katholischen Kirche (CIC) ist diese Anordnung nicht mehr aufgenommen worden...

http://dbk.de/katechismus/scripte/kate_suche2.pl?Zeilen_nummer=283&Wert1=suizid&Wert2=cic&band=2

http://dbk.de/katechismus/
 
Beide Noch eine berühmte Persönlichkeit, die auf der Flucht Selbstmord beging: Walter Benjamin.

Ich würde Selbstmord im Dritten Reich nicht als Form des Widerstands sehen. Aus Sicht der Nationalsozialisten konnten sie nur froh sein, wenn sich Oppositionelle selber umbrachten - dann brauchten sie sie nicht mehr verfolgen, der Tod drohte ohnehin vielen Gegnern Hitlers. Dennoch kann es sein, dass manche Personen ihren Selbstmord als Protest sahen. Am ehesten würde ich das im Falle von Ernst Udet so sehen, der aber wohl auch als Generalluftzeugmeister überfordert war. Ebenso - wieder Luftwaffe - im Fall von Hans Jeschonnek, der vor seinem Selbstmord noch eine Denkschrift an Hitler sandte. Beide waren aber Systemvertreter und keine Widerständler.

Aufgrund anderer Fälle würde ich sogar sagen, die Nazis hatten eine Affinität zum Selbstmord. Zumindest pflegte das Regime einen gewissen Todeskult, bei dem in bestimmten Situationen der Selbstmord ethisch höher anzusehen war als das Weiterleben. Hitler bekam ja einen Wutanfall, als er erfuhr, dass sich Paulus und viele andere Generale in Stalingrad nicht umgebracht hatten, sondern in Gefangenschaft gingen. Und dann der "Nero"-Befehl - Selbstmord am eigenen Volk, dass im Rassenkampf scheiterte und des Überlebens nicht mehr wert waren?
 
Ashigaru schrieb:
Aufgrund anderer Fälle würde ich sogar sagen, die Nazis hatten eine Affinität zum Selbstmord. Zumindest pflegte das Regime einen gewissen Todeskult, bei dem in bestimmten Situationen der Selbstmord ethisch höher anzusehen war als das Weiterleben. Hitler bekam ja einen Wutanfall, als er erfuhr, dass sich Paulus und viele andere Generale in Stalingrad nicht umgebracht hatten, sondern in Gefangenschaft gingen. Und dann der "Nero"-Befehl - Selbstmord am eigenen Volk, dass im Rassenkampf scheiterte und des Überlebens nicht mehr wert waren?

Das ist unbestritten. Wenn man überhaupt von Selbstmord als Form des Widerstandes sprechen kann, muß man trennen in den Tod für oder wider das Regime.
Und auch das führt beim Weiterdenken zu neuen Fragen: Wenn ich mich als mit dem Regime Unzufriedener selbst töte, fördere ich dann nicht den Weiterbestand gerade dieser Zustände in vielen Fällen, weil ein Gegner weniger da ist?
 
Setzt ein Widerstandskämpfer nicht alles daran, gegen ein System vorzugehen, dass gegen seine Überzeugung ist und erhofft sich von seinen Bemühungen erfolg?

Ich glaube nicht, dass Selbstmord Widerstand ist. Selbst wenn es ein Protest ist, dann fehlt beim Selbstmord doch eine direkte, messbare Wirkung nach aussen.
 
Seres schrieb:
Ich glaube nicht, dass Selbstmord Widerstand ist. Selbst wenn es ein Protest ist, dann fehlt beim Selbstmord doch eine direkte, messbare Wirkung nach aussen.

Ist das Fehlen in einer (wichtigen) Position nicht auch eine Wirkung?
Zum Beispiel, hätte sich Wernher von Braun umgebracht um nicht an den V-Waffen mitzuarbeiten, hätte das nicht zumindest die Entwicklung erheblich verzögert?
 
Seres schrieb:
Setzt ein Widerstandskämpfer nicht alles daran, gegen ein System vorzugehen, dass gegen seine Überzeugung ist und erhofft sich von seinen Bemühungen erfolg?

Ich glaube nicht, dass Selbstmord Widerstand ist. Selbst wenn es ein Protest ist, dann fehlt beim Selbstmord doch eine direkte, messbare Wirkung nach aussen.

Das sehe ich auch so.

Es ist zwar so dass der Widerstandsbegriff sehr weit ausdehnbar ist und das die Historiker noch keine wirklich einheitliche Definition für den Widerstand im Dritten Reich gefunden haben. Da der Widerstand von einfachem Verweigern des H Grusses bis zum Attentat alles beinhaltet, kann man diesen Begriff auch nicht so genau definieren. Aber Selbstmord kommt bei den verschiedenen Ansätzen und Thesen nicht vor.
 
Arne schrieb:
Ist das Fehlen in einer (wichtigen) Position nicht auch eine Wirkung?
Zum Beispiel, hätte sich Wernher von Braun umgebracht um nicht an den V-Waffen mitzuarbeiten, hätte das nicht zumindest die Entwicklung erheblich verzögert?

Schlaue Menschen haben gegenüber dummen einen Vorteil: Sie können sich dumm stellen... Aus deinem Grund würde doch niemand Selbstmord begehen. Eher würde so ein Mensch sein Wissen verheimlichen, es sei denn, er würde unter Druck gesetzt, aber das sind schon zu viele wenn und abers.

Ich glaube in Schorndorf (oder war es irgend eine andere Stadt im Remstal) hatte jemand (ne Lokalgröße von irgendwas, keine Ahnung mehr, wie der Mann hiess), der im NS-Apparat tätig war, Selbstmord begangen, da er teilweise jüdisches Blut in sich hatte... So jedenfalls meine ehem. Geschichtslehrerin.
 
Seres schrieb:
Ich glaube in Schorndorf (oder war es irgend eine andere Stadt im Remstal) hatte jemand (ne Lokalgröße von irgendwas, keine Ahnung mehr, wie der Mann hiess), der im NS-Apparat tätig war, Selbstmord begangen, da er teilweise jüdisches Blut in sich hatte... So jedenfalls meine ehem. Geschichtslehrerin.

Da vermute ich mal eher die Angst vor der Entdeckung und dem Untergang im selbst gemachten Sumpf oder die Schmach dem eigenem Ideal nicht zu entsprechen. Das ist keinesfalls Widerstand.
 
Aber wenn ihr zu dem Schluss kommt, dass Selbstmord keine unmittelbare Wirkung hat, so kann man doch auch die Flucht ins Exil nicht als Widerstand bezeichnen. Oder würdet ihr hier einen Unterschied machen?
 
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