Lieber Zeitzeuge,
auch ich habe die Entstehung und das vergehen der DDR mitbekommen. Wenn auch meistens von außen, wenn ich nicht gerade zu Besuch bei meiner Verwandtschaft oder diese zu Besuch bei uns war.
Zuerst das Positive über die DDR: Das Leben war dort bedeutend ruhiger, als z.B. im aufgeregten Frankfurt/M. Die Menschen und vorallem die Mädels kamen mir viel natürlicher vor, als die Zicken, welche hier herumlaufen. Dass es nur vier bis fünf Wurstsorten gab, konnte ich bei meinen Ansprüchen glänzend ertragen.
Nun das Negative: Ich war noch keine fünf Minuten im Arbeiter- und Bauernstaat, da hatte ich mich mit den Grenzaorganen in Marienborn schon an den Köpfen. Ich konnte nicht genau auf den Pfennig sagen, wieviel Westmark ich dabei hatte und wurde einer Leibesvisitation unterzogen, wobei man bei mir eine Quittung über einen neugekauften Opel-Kadett fand. Man hielt mich dann gleich für einen Kapitalisten und meinte ich würde Ostgeld schmuggeln. Das habe ich aber nie getan, weil man mir etwas Verbotenes gleich an der nasenspitze ansieht.
Ich protestierte gegen eine solche Behandlung und sagte, dass mir so etwas bei der Einreise in andere Länder nicht passiert wäre. Warauf man mir drohte, mich gleich zurück zu schicken.
Außerm lernte ich in dem Dorf bei meinen Verwandten, Neundorf Kreis Staßfurt ein Mächen kennen und lieben. Die Abreise war für sie und mich eine Katastrophe. Sie weinte, ich konnte Tränen noch gerade unterdrücken.
Die DDR erzielt bei mir sehr zwiespältige Gefühle. Ich weiß nur, dass heute der Kontakt zur ostdeutschen Verwandtschaft fast eingeschlafen ist. Wer daran Schuld hat, wer weiß es?