Flach- & Steilfeuergeschütze
Das Problem ist, dass diverse Begriffe für diverse Geschütze in der Antike einen Bedeutungswandel durchmachten, was verwirrend ist und auch in Übersetzungen nicht immer berücksichtigt wird.
Ein sehr wichtiger Hinweis, sonst reden wir aneinander vorbei.
Also, um mit einer Balliste Mauerkronen beschießen zu können, müßte das Teil einen Schwenkbereich von grob 60° nach oben haben, also für Steilschüsse geeignet. Das sehe ich aber bei allen Modellen, Zeichnungen und Beschreibungen nicht. Die zeigen alle ein Gerät für Flachschüsse. Also ist so eine Balliste was für den direkten Beschuß...
Genau in diesem Sinne habe ich bisher den Begriff auch genutzt. Ebenso Moosbauer, den ich zitierte
MoosbauerS242 schrieb:
Torsionsgeschütze wurden zu verschiedenen Zwecken gebaut: Zum einen verschossen die zweiarmigen Geschütze (Sing.: scorpio oder catapulta) Pfeile, sie konnten aber auch für den Einsatz mit steinernen Kugeln konzipiert sein. Solche Kugeln wurden zumeist von einarmigen Geschützen (Sing.: onager) geschleudert. In diesem kurzen Überblick werden nur Pfeilgeschütze behandelt
Am Harzhorn konnten durch Sondengänger nur Metallteile („Pfeilgeschosse“) gefunden werden, soweit nicht zusätzlich gegraben worden ist. Meines Wissens wurden auch keine anderen Geschosse gefunden, die von Kriegsmaschinen hätten verschossen werden können. Nicht einmal Schleuderbleie*, wie in Kalkriese. Oder weis jemand mehr?
Die Bezeichnung Torsionsgeschütz bezieht sich nur auf das Wirkprinzip für die Beschleunigung des Geschosses, nicht direkt auf die Art der Flugbahn oder die Art des Geschosses. Ähnlich dem Unterschied zwischen einer Feldkanone (flache Flugbahn) und einem Steilfeuergeschütz (Haubitze: besser Mörser) sind die Einsatzmöglichkeiten unterschiedlich. Bei Torsionswaffen hatten Flachbahngeschütze zwei Wurfarme um das Geschoss sehr stark, und gleichmäßig zu beschleunigen. Auch bei Verwendung von steinernen Geschossen bleiben Flugbahn und Einsatzart prinzipiell gleich, da große Gewichte wohl kaum sinnvoll auf diese Weise verschossen werden konnten. Vielleicht daher die irritierende Verwendung des Begriffes onager bei Ammianus Marcellinus, die Ravenik angesprochen hat? Meinte Ammianus zweiarmige Flachbahngeschütze, die Steine verschossen?
@Flachbahngeschütze /
scorpio:
Wilfried & Bdaian haben die allgemeinen Grundbedingungen für den Einsatz eines
scorpio (s.o.) schön zusammengefasst. Sinnvoll konnten nur Lebewesen damit bekämpft werden, keine architektonischen Gebilde von einiger Festigkeit… Bei einer Belagerung oder Feldschlacht hatten sie den Vorteil einer sehr hohen Treffergenauigkeit bei „gesteigerter“ Reichweite gegenüber anderen Waffen.
Gegenüber der Frühen Kaiserzeit hatten sich die scorpio baulich bereits zu Zeiten von Trajan verändert. Ich verstehe das so: Ursprünglich standen die beiden dicken Trosionsbündel sehr eng nebeneinander, ziemlich in der Mitte. Dieser Spannrahmen war sehr kompakt und bestand vor allem aus Bronze. Ich vermute mal, dass sie dadurch leichter durch Maultiere und Legionären transportiert, und vor Ort zusammengebaut werden konnten. Die Lafette bestand aus vorgefertigten, verzapften Bauteilen. Im unten (wieder einmal) verlinkten Artikel des Spiegel ist diese Bauweise auf den Bildern zu sehen. Die dort erwähnten Hochgeschwindigkeitsaufnahmen waren auch in Braunschweig zu sehen… Auf die übertrieben reißerische Wortwahl haben bereits Andere hingewiesen…
Torsionsgeschütze: Römische Horrorwaffen im Wettertest Ausgegraben - SPIEGEL ONLINE
Auf der Trajanssäule findet sich die spätere Bauweise abgebildet. Anstelle des kompakten Spannrahmens aus Bronze wurde nun viel breiter gebaut. In Orsova hat man einen solchen Rahmen für ein Turmgeschütz gefunden. Er besteht nun aus Eisen und am Ende des Rahmens waren die Torsionsbündel angebracht (siehe link). So ähnlich, aber deutlich kleiner, stellt man sich die Geschütze vor, die am Harzhorn zum Einsatz gekommen sein dürften. Für das Geschütz von Osrova werden wohl auch diverse andere, abweichende Konstruktionsmerkmale diskutiert. Dieser Spannrahmen ist sehr groß und unhandlich – ob man die Waffen deshalb auf Karren montierte?
http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/1/10/Balista_Cluj_Museaum.JPG
@Steilfeuergeschütze /
onager
Es gab auch antike Steilfeuergeschütze, die Moosbauer (o.a.) als
onager angesprochen hat. Die Wurfkraft wurde ebenfalls mittels des Torsionsprinzips erzielt. Sie waren meist Einarmig, so wie man sich ein Katapult vorstellt. Bei Wiki findet sich eine anschauliche Skizze. Damit wurden üblicherweise auch große Steine geschleudert. Die Zielgenauigkeit war sicherlich geringer, aber es kam dabei auf die Wucht des Aufpralls als Waffenwirkung an, sowie auf das Gewicht der verschossenen Munition. Solche Waffen sind gegen unbewegliche, architektonische Ziele effektiv und können über Mauern hinweg schießen. Auch sie gehörten zum Arsenal einer Legion. Laut Wiki sollte jede Legion über 10 solcher Geschütze verfügt haben. Zumindest bei Belagerungen dürften diverse verschiedene Modelle zum Einsatz gekommen sein. Je nach Größe waren diese Waffen recht flexibel in der Bandbreite ihrer Munition. Bdaian hat bereits auf römische Belagerungstechniken hingewiesen.
File:Roman Onager.jpg - Wikimedia Commons
Bei Kate Gilliver „Auf dem Weg zum Imperium“ finden sich zahlreiche Hinweise auf den Einsatz von Geschützen durch die römische Armee zu diversen Anlässen. Sie unterscheidet ihrem Ansatz getreu weitgehend zwischen den zu unterschiedlichen Einsatzzwecken üblichen Geschoss- & Einsatzarten, also zwischen „Wurfgeschützen und Bolzenschussgeräten“ und lässt sich über die Bauweise nicht weiter aus. Interessant ist die Notiz über Flavius Josephus, der von der unterschiedlichen Wahrnehmung der Waffen erzählt. So hätten die Verteidiger den mächtigen Lärm der Abschüsse registriert und durch die Fluggeräusche der schweren Steine diese oft im Flug ausmachen und einander warnen können. Den Abschuss der Bolzen habe man hören können, sie aufgrund ihrer Geschwindigkeit aber kaum ausmachen- geschweige denn ihnen ausweichen können. Ammianus berichte von der Schlacht gegen die Perser bei Amida (Diyabarkir), wo beide Seiten Geschütze einsetzten. Die römischen Bolzengeschütze seien so gefürchtet gewesen, dass allein ihre (leeren!) Abschussgeräusche ausgereicht hätten, die Perser von einer weiteren Verfolgung der Römer abzuhalten, denen ein nächtlicher Ausfall missglückt war. Allgemein nennt sie einige Spezialmunition ("Seuchenträger", Töpfe mit Schlangen..., vor allem diverse Brandgeschosse…
@Trebuchet: Diese Waffen waren halt keine Torsionsgeschütze und gelten als Mittelalterlich. Prinzipiell sind es auch „Steilfeuergeschütze“.
@Oxybele: Zwar Antik und vielleicht sogar älter als diese (?) sollte es eigentlich kein Torsionsgeschütz sein, sondern eher eine Art überdimensionierte Armbrust, besser ein riesiger Kompositbogen. Ich würde sie von der Waffenwirkung her wie ein
scorpio ansprechen wollen. Vielleicht hat auch Flavius Josephus diese Bezeichnung als ein antikisierendes, aber damals im Osten bekanntes Wort einfach für die wohl leistungsfähigeren Torsionswaffen weiter verwendet? Denn mit dem Aufkommen des
scorpio / Balliste sollen diese Waffen von den Schlachtfeldern verschwunden sein.
* Schleuderbleie wurden nicht von Maschinen verschossen, sie waren Munition für Einzelsoldaten, die mit einer Schleuder bewaffnet waren – um Missverständnisse auszuschließen