Wie plausibel: Von 1871 bis nach 1914 in einem Schritt?

Viele Dinge tauchen in meinem Post erstmal nicht auf, weil es a.) nur ein Post ist statt drei und b.) auch nicht so lang... könnten wir evtl. versuchen relativ nahe am Thema zu diskutieren, die Posts daher wesentlich kürzer halten und dadurch die Diskussion am Leben halten? Ist wirklich höflich-freundlich, nicht vorwurfsvoll gemeint, aber ich komme mir grade so vor, als hätte ich nach einem 2minütigen Redebeitrag einen 2stündigen Antwortvortrag bekommen, in dem mir vorgeworfen wird, zahllose Punkte nicht angesprochen zu haben...

Du schreibst dass ich Bismarcks Denken & Handeln durcheinanderwerfe. Nun, bzgl. Bismarcks Denken - es gibt keine Möglichkeit in seinen Kopf hineinzuschauen. Wir können uns nur darauf stützen, was er gesagt, geschrieben und gemacht hat. Und ich sehe bei Bismarck eine konstante anti-französische Haltung. Natürlich hat er manchmal auch pragmatisch mit Frankreich zusammengearbeitet, aber sein Herz hing sicher nicht an diesem Land.

Um dies nur an einem Beispiel festzumachen:
Nach der Schlacht von Sedan 1870 versuchte der französische Unterhändler mit Bismarck einen relativ günstigen Deal herauszuschinden - freier Abzug des französischen Heeres; dafür würden diese Franzosen garantieren nicht mehr gegen die preußisch-deutsche Allianz zu kämpfen. Augenzeugen zufolge musste sich der französische Unterhändler dann eine äußerst ausführliche Tirade Bismarcks anhören, bei der dieser die französische Geschichte der vorangegangenen 100 Jahre zerpflückt hat und sowohl die Kultur als auch die Politik des Landes vollkommen niedergemacht und kein gutes Haar daran gelassen hat. Er muss mehr oder weniger mit den Worten geschlossen haben, dass er einem Volk, welches in den letzten 80 Jahren diverse Regierungen per Revolution zum Teufel gejagt hat, kein Wort glaubt, weswegen der Unterhändler seine Garantien und Versprechungen vergessen darf.
Nachzulesen in "70/71" von Klaus-Jürgen Bremm.

Es kann natürlich sein, dass Bismarck immer mit geschlagenen Gegnern so umgegangen ist, allerdings war die Behandlung Österreichs 1866 meines Wissens nach wesentlich konzilianter. Ich vermute, dass sich in diesem Moment die ungefilterte Haltung Bismarcks bzgl. Frankreich gezeigt hat, da es keinerlei taktischen Nutzen mehr gab zurückhaltend zu sein.

Kann natürlich sein, dass ich hier zuviel hineininterpretiere und aus den anti-französischen Handlungen Bismarcks eine anti-französische Grundhaltung mache. Aber wenn man jahrzehntelang anti-französisch handelt (das ging ja nach 1871 schließlich mit der Isolierung Frankreichs im Bismarck'schen Bündnissystem weiter), kann man dann wirklich überrascht sein, wenn man bei der entscheidend handelnden Person eine anti-französische Grundhaltung vermutet? Das soll ja kein Vorwurf an Bismarck sein, einfach nur eine Feststellung.
 
So viel ich weiß, wurden die französischen Offizieren freigelassen. Sie mussten versichern, das sie in diesem Krieg nicht mehr die Waffen gegen Preußen erheben. Moltke bestand auf die Gefangennahme der französischen Armee.
Bismarcks führte gegenüber General Wimpffen aus, das er ein Problem mit dem Versprechen einer Nation hätte, das in den vergangenen 80 Jahren sechs ihre Regierungen gestürzt habe und keinerlei Respekt vor gewachsenen Institutionen zeige. Das ist sicher keine Freundlichkeit, zeigt aber auf, weshalb Bismarck eben misstrauisch war.
Diese Episode taugt m.E. nach nicht, um Bismarck oder Wilhelm I. eine antifranzösische Einstellung nachzuweisen.
 
Lassen wir also die potentiell anti-französische Haltung von Bismarck und Wilhelm I. als eine Meinungsäußerung von mir stehen.
Über Meinungen kann man doch diskutieren. Deswegen sind wir ja auch hier.
Die Frage für mich ist im Prinzip, ob Bismarck tatsächlich "anti-französisch" handelte oder eigentlich "nur pro-preußisch". Ich hatte darauf hingewiesen, dass ich die Beziehungen zwischen Preußen und Frankreich vor 1866 für nicht sonderlich belastet halte. Der Bruch kam 1866. Mit der Annexion von Elsass-Lothringen war sich Bismarck klar, dass man sich dauerhaft Frankreichs Feindschaft zuzog, und er deswegen versuchte, in der Zeit danach Frankreich diplomatisch zu isolieren, damit es nicht zu einem Albtraum der Koalitionen kommt.

Ich frage mich, wollte Bismarck 1870/71 die Annexion von Elsass-Lothringen von sich aus oder hat man auf ihn eingewirkt, dass es dazu kommt. Das Ganze hat nur noch bestenfalls am Rande mit dem Thema des Threaderstellers zu tun. Ich habe mal einen neuen Thread dazu aufgemacht.
 
Viele Dinge tauchen in meinem Post erstmal nicht auf, weil es a.) nur ein Post ist statt drei und b.) auch nicht so lang... könnten wir evtl. versuchen relativ nahe am Thema zu diskutieren, die Posts daher wesentlich kürzer halten und dadurch die Diskussion am Leben halten? Ist wirklich höflich-freundlich, nicht vorwurfsvoll gemeint, aber ich komme mir grade so vor, als hätte ich nach einem 2minütigen Redebeitrag einen 2stündigen Antwortvortrag bekommen, in dem mir vorgeworfen wird, zahllose Punkte nicht angesprochen zu haben...

Du schreibst dass ich Bismarcks Denken & Handeln durcheinanderwerfe. Nun, bzgl. Bismarcks Denken - es gibt keine Möglichkeit in seinen Kopf hineinzuschauen. Wir können uns nur darauf stützen, was er gesagt, geschrieben und gemacht hat. Und ich sehe bei Bismarck eine konstante anti-französische Haltung. Natürlich hat er manchmal auch pragmatisch mit Frankreich zusammengearbeitet, aber sein Herz hing sicher nicht an diesem Land.

Doch, es gibt eine Möglichkeit in Bismarck seinen Kopf hinein zu schauen, weil er uns immerhin eine Fülle an zeitgenössischen Briefen und Schriftstücken, hinterlassen hat, die darüber in Teilen recht wirksam Auskunft geben und die im Gegensatz zu seinen Memoiren auch nicht rückwirkend beschönigend geglättet sind.

Was das Weitere angeht, ich nehme das durchaus nicht als persönlichen Angriff, aber du hast einmal die Fässer "Italien" und "Polen" aufgemacht und wenn man sie aufmacht, dann sollte man sie, meine ich, inklusive der Perspektiven ihrer Auswirkungen, auch ausführlich behandeln.

Um dies nur an einem Beispiel festzumachen:
Nach der Schlacht von Sedan 1870 versuchte der französische Unterhändler mit Bismarck einen relativ günstigen Deal herauszuschinden - freier Abzug des französischen Heeres; dafür würden diese Franzosen garantieren nicht mehr gegen die preußisch-deutsche Allianz zu kämpfen. Augenzeugen zufolge musste sich der französische Unterhändler dann eine äußerst ausführliche Tirade Bismarcks anhören, bei der dieser die französische Geschichte der vorangegangenen 100 Jahre zerpflückt hat und sowohl die Kultur als auch die Politik des Landes vollkommen niedergemacht und kein gutes Haar daran gelassen hat. Er muss mehr oder weniger mit den Worten geschlossen haben, dass er einem Volk, welches in den letzten 80 Jahren diverse Regierungen per Revolution zum Teufel gejagt hat, kein Wort glaubt, weswegen der Unterhändler seine Garantien und Versprechungen vergessen darf.
Nachzulesen in "70/71"
von Klaus-Jürgen Bremm.

Gut, was war denn ereignishistorisch in diesen Tagen passiert? In Frankreich wird Napoléon III. für abgesetzt erklärt, die 3. Republik wird ausgerufen und wenn man den Blick dann auf das Jahr 1871 erweitert, dass sich die Regierung Thiers auch hält, ist durchaus keine ausgemachte Sache.
Insofern, sehe ich mindestens in dieser Hinsicht Bismarcks Standpunkt als durchaus berechtigt an.

Wenn man einen Frieden verhandelt, ist es durchaus letgitim wissen zu wollen, mit wem man das eigentlich tut, ob diese Regierung Chancen hat, die kommenden paar Jahre irgendwie zu überstehen oder ob deren Lebensdauer möglicherweise in Wochen und Monaten bemessen werden kann, während man sich nicht darauf verlassen kann, dass gegebene Versprechen dann noch irgendetwas wert sind.

Dazu muss man nicht mal verfeindet sein. Als Anfang 1917 das Regime Nikolaus II. Stürzt und dann die provisorische Regierung, erst unter dem Fürsten Lwow, dann unter Kerenskij, werden bei den Entente-Mächten selbstverständlich Zweifel laut, wie verlässlich dieser Verbündete eigentlich noch ist.


Das Bismarck auch sonst in dieser Zeit ziemlich erregt ist, liegt auch daran, dass er um diese Zeit herum, den Eindruck gewinnt, dass die eigentliche Tirebfeder dieses Krieges, das französische Volk sei, nicht der, mittlerweile in Gefangenschaft geratene Kaiser der Franzosen.
Und dass dieser Krieg, kein Krieg im Stile eines Kabinettskrieges mehr ist, den man mal eben mit ein paar Federstrichen beenden konnte.

Es kann natürlich sein, dass Bismarck immer mit geschlagenen Gegnern so umgegangen ist, allerdings war die Behandlung Österreichs 1866 meines Wissens nach wesentlich konzilianter. Ich vermute, dass sich in diesem Moment die ungefilterte Haltung Bismarcks bzgl. Frankreich gezeigt hat, da es keinerlei taktischen Nutzen mehr gab zurückhaltend zu sein.
Der erste Unterschied liegt schonmal darin, dass er im Falle Österreichs wusste, mit wem da verhandelt wurde. In Österreich gab es keine Revolution und keine sich aufschwingende Volksregierung, die dann mit reichlich nationalistischem Getöse zur Levée en masse trommelte, sondern es gab eine weiterhin im Sattel sitzenden kaiserliche Regierung, die diesen Krieg im Stile eines Kabintttskrieges liquidieren konnte.

Es gab 1866/1867 zwischen Preußen und Österreich auch keine nationalistische Presse, die die eigene Bevölkerung zum Hass auf die andere Seite auftrommelte. Das verhält sich beim Krieg gegen Frankreich durchaus anders.

Ich hatte mich auch dazu schon eingelassen, der Frieden, auf den Gesamtkonflikt betrachtet, den Österreich 1866/1867 kredenzt bekam, war alles andere, als besonders konziliant. Es musste Holstein und Venetien an Preußen und Italien abtreten und war damit mal eben sowohl aus dem deutschsprachirgen, mindestens aber aus dem norddeutschen Raum und aus der italischen Halbinsel als Einflussfelder herausgefolgen.
Die territorialen Zugewinne Preußens aus diesem Krieg hielten sich mit Holstein, zwar in Grenzen, was Territorien betrifft, die Österreich an Preußen abzutreten hatte, nichtsdesto weniger war dieser Friedensschluss für Österreich langfristig ein Debakel.
Nichts desto weniger, war die Kaiserlich-Österreichische Regierung bereit die Kröte zu schlucken, die für Preußen und Italien geforderten Territorien zu schlucken und die Sache zu beenden.

Sieht in Frankreich anders aus. Auch die Regierung Thier weigert sich bis weit nach 1871 hinein, irgendwelchen territorialen Konzessionen zuzustimmen, stattdessen wird die französische Öffentlichkeit weiter zum Volkskrieg und wohl teilweise auch Partisanenkrieg aufgetrommelt.
Hätte die französische Regierung im Herbst 1870, ein ernsthaftes Angebot gemacht, mit allen möglichen Mitteln versucht die eigene Presse zu maßregeln, nicht weiter zu Mobilisation und Volkskrieg aufgerufen und das Elsass abgeschreiben, hätte sie den Frieden sicherlich haben und wenigstens den Verlust der lothringischen Gebiete vermeiden können.
 
2.

Und wenn wir bei Bismarcks Exkursen in die Geschichte Frankreichs sind. Schauen wir uns die doch mal an.

Hatte man nicht etwa von französischer Seite, als man 1814 und 1815 sehr milde Friedensbedingungen bekam, die Frankreich alle in den vorherigen Jahrhunderten gemachten territorialen Gewinne bestätigte, teilweise (würtembergisch Möpelgard) auch noch welche aus der Zeit der Revolutionskriege, damals die Zusage erhalten, dass es keine weiteren franzsöischen Expansionsversuche in Europa geben würde?

Hat genau 15 Jahre gehalten die Zusage, bis die Vereinigten Niederlande in die Brüche gingen und Frankreich Anstalten machte, sich die Wallonie einverleiben zu wollen. Hielt nach diesem Zwischenspiel nochmal 10 Jahre bis zur Rheinkriese, als von französischer Seite her deutsches Bundesterritorium gefordert und mit Krieg gedroht wird. Hält von da aus 9 Jahre bis zum besprochenen Krieg in Italen, durch den Frankreich, wenn auch in Absprache und Beuteteilung mit Sardinien-Piemont wieder expandiert. Hält von da aus dann wieder 7 Jahre bis zum Krieg Preußens gegen Österreich, wo man in den Kompensationsüberlegungen dann auf irgendwas aus dem Bereich Wallonie, Luxemburg und südliches Rheinland schielt.

Wenn man sich das vor Augen führt, bin ich der Meinung, dass eine Haltung, die hinterfragt, wer denn solche Versprechen glauben sollte, ohne weitere Sicherheiten, zumal von einer Regierung, von der man nicht weiß, ob sie das Jahresende denn überlebt, während die Öffentlichkeit aufgepeitscht wird, ist nicht so ganz unberechtigt.


Kann natürlich sein, dass ich hier zuviel hineininterpretiere und aus den anti-französischen Handlungen Bismarcks eine anti-französische Grundhaltung mache. Aber wenn man jahrzehntelang anti-französisch handelt (das ging ja nach 1871 schließlich mit der Isolierung Frankreichs im Bismarck'schen Bündnissystem weiter), kann man dann wirklich überrascht sein, wenn man bei der entscheidend handelnden Person eine anti-französische Grundhaltung vermutet? Das soll ja kein Vorwurf an Bismarck sein, einfach nur eine Feststellung.

Das wesentlich größere Problem sehe ich darin, dass du Bismarcks Haltung im Bezug auf Frankreich hier vollkommen aus einer Situation konstruierst, in der sich Preußen mit Frankreich im Krieg befindet und somit natürlich der Feind ist.
Und dass ganze dann noch frei von einer Betrachtung der sonst herrschenden öffentlichen Meinung.

Auch die Argumentation mit der politischen Isolierung Frankreichs ist schön einseitig gehalten. Hatte denn vorher während des Krieges zwischen Österreich und Preußen sich Frankreich nicht etwa mit Österreich darauf verständigt, zu dessen Gunsten die Füße still zu halten und sich für den Fall eines Österreichischen Sieges mit selbigem nicht zufällig darauf geeinigt, dass in diesem Fall Venetien an Frankreich abgetreten würde, damit dieses durch Weitergabe an Italien das politische Verhältnis zu selbigem, würde etwas reparieren können, dass Frankreich dafür ein paar Grenzkorrekturen im Rheinland würde durchsetzen können und was darauf hinausgelaufen wäre, dass Österreich sich dann kompensatorisch in Richtung Schlesien hätte bediehnen können?

War das etwa keine politische Isolation Preußens betrieben damals durch Frankreich und Österreich?

Wenn Bismarck sich auf Zeit keinen von beiden ins Boot geholt hätte, was hätte eigentlich Österreich und Frankreich, die nun beide eine Rechnung mit Preußen offen hatten, davon abgehalten, sich gegen Preußen zu verbünden und den nächsten Krieg anzufangen?
Einfach mal als Frage in den Raum geworfen.

Ne, aus Bismarcks einlassungen, während des aktiven Krieges, ohne Kontextbetrachtung und der diplomatischen Isolation Frankreichs eine grundsätzlich frankreichfeindliche Haltung machen zu wollen, ist ein bisschen dünn.
Da finden sich wie angemerkt auch genügend Gegenbeispiele und ganz aus der Luft gegriffen, ist die obige Bismarcksche Einlassung mindestens im Hinblick auf perspektivische Sicherheiten durchaus nicht.
 
Der erste Unterschied liegt schonmal darin, dass er im Falle Österreichs wusste, mit wem da verhandelt wurde. In Österreich gab es keine Revolution und keine sich aufschwingende Volksregierung, die dann mit reichlich nationalistischem Getöse zur Levée en masse trommelte, sondern es gab eine weiterhin im Sattel sitzenden kaiserliche Regierung, die diesen Krieg im Stile eines Kabintttskrieges liquidieren konnte.
Hast Du hierbei auch die ungarische Frage mit einbezogen?
 
Ja gut, dann hab' ich halt keine Ahnung. Is' gut jetzt.

Es geht doch nicht darum Recht oder Ahnung zu haben oder nicht. Wahrheiten gibt es in der Geschichte selten und das meist kann man interpretieren und diskutieren, dafür ist das Forum ja da.

Es geht einfach um den Ansatz.

Bismarck war von 1862-1890 fast 30 Jahre lang der Mann, der die außenpolitischen Geschicke Preußens mehr oder weniger leitete.
In dieser Zeit musste er auf verschiedene Situationen reagieren und mit verschiedenen Seiten paktieren.

Aus diesen 30 Jahren dann um sein Verhältnis zu Frankreich bewerten zu wollen, ausgerechnet ein aus dem Zusammenhang gerissenes Zitat aus einem Zeitabschnitt zu wählen, in dem sich der Deutsch-Französische Krieg zuspitzte und daraus dann eine antifranzösische Grundhaltung machen zu wollen, ist methodisch einfach mehr als gewagt.

Auch dann auf die auf Isolation Frankreichs abzielende Bündnispolitik abzustellen, wenn man vorher selbst noch in Spiel gebracht hatte, dass man eine Grundhaltung von taktischen Zügen unterscheiden müsse, dem ich im Übrigen an und für sich zustimme.

Wenn man das aber tut, müsste man es auch konsequent machen und nicht bei jedem Schritt, der gegen Frankreich ging den Stempel "antifranzösische Grundhaltung" und bei jedem Schritt, der Frankreich entgegen kam den Stempel "nichts als Taktik" drüber zu packen.

Entscheidungen auf dem Feld der außenpolitik, sind, egal wie sie ausfallen, zuforderst immer erstmal taktischer Natur, vor allem, wenn sie konsequent sind.
Würde jemand versucht haben Außenpolitik auf Grund von von persönlichen Sentiments zu machen, würde es ausgesehen haben, wie unter KWII, wo dann jede Laus, die dem Mann über die Leber lief zu einer Kursänderung führte, bei der dann nichts konzeptionell sinnvolles mehr heraus kam.

Von diesem Standpunkt her, würde ich methodisch einfach sagen, dass man, wenn man nicht Bismarcks taktische Implikationen, sondern seine persönliche Meinung zu Frankreich sehen will, man sich systematisch seine private Korrespondenz anschauen müsste und zwar verstärkt diejenige aus der Zeit, in der Frankreich gerade keine Rolle spielte, die die Aufgabenfelder Bismarcks direkt betraf, auf die er reagieren musste und die dann dementsprechend durch tagesaktuelle Entwicklungen eingetrübt sein kann.

Wie oft, hast du dich schon über irgendeinen Verwandten oder Nachbarn, der dir gerade irgendwelche Probleme macht lauthals abreagiert, in Worten und Äußerungen, die du so nie gemeint hast und von der Situation lösgelöst so nicht bringen würdest.
Stell dir mal vor, du wärst preußischer Ministerpräsident und wärst dauernd von Leuten umgeben, die jedes Wort, dass du von dir gibst mitschreiben oder das jederzeit anderen gegenüber wörtlich oder paraphrasiert wiedergeben könnte.
Was meinst du, wie lange, wenn man diese Umstände nicht bedenkt, es dauern würde, bis der erste auf die Idee käme, dass das Verhältnis zwischen dir und deinem Nachbarn oder Verwandten wirklich vollkommen zerstört und am Ende sein müsse, obwohl dem vielleicht gar nicht so ist?
 
Hast Du hierbei auch die ungarische Frage mit einbezogen?
Natürlich gab es die Unruhen und die Nationalbewegung in Ungarn.
Aber die setzte ja nicht die Wiener Regierung ab und rief einen Österreichisch-Ungarischen Volkskrieg gegen Preußen aus, sondern bildete zur Wiener Regierung einen Gegenpol, der Wien veranlassen musste, möglichst schnell Frieden zu machen, damit man sich selbst halten konnte.

Das hätte sich in Frankreich vielleicht ähnlich verhalten, wäre Napoléon III. nicht in Gefangenschaft geraten und hätte die kaiserliche Regierung weiter bestanden und wäre darauf angewiesen gewesen, mit Preußen schnell Frieden zu machen um dann im Verein mit Preußen den Sieg der Revolution verhindern zu können.

Aber das entsprech ja bereits im Herbst 1870 nicht mehr der Lage, dazu hätte Napoléon III. handlungsfähig, d.h. wenigstens auf freiem Fuß sein müssen.
 
Aber auch dahinter standen sehr oft taktische Interessen und wie am Beispiel der Berliner Konferenz gesehen, er war auch duchaus bereit gegen Russlands Interessen zu handeln, wenn er der Meinung war, dass dies preußen-deutschland dienlich war.

Meinst du den Berliner Kongress?

Wenn ja, ist hierzu anzumerken, das Petersburg den Engländern eigentlich schon vorher in London, vor Beginn des Kongresses, alles wesentlich zugestanden hatte.
 
.4. Russisch-Japanischer Krieg, Endedet mit Niederlage Russland und Revolution, dessen Nachwirkungen Österreich zur Annexion Bosniens und der Herzegowina nutzt, woraus die Bosnische Annexionskrise Entstand.

Waren die Bemühungen zweier ehrgeiziger Außenminister zunächst nicht erst einmal der Versuch in Rahmen einer bilateralen Verständigung die Verhältnisse auf dem Balkan, selbstverständlich im jeweils eigenen Machtinteresse, zu ordnen? Die außenpolitischen Ziele dienten doch beiden Ministern doch ganz gewiss auch einer innenpolitischen Stabilisierung, die sich sowohl Aehrenthal als auch Iswolsky für ihre beiden Reiche erhofften. Also für Russland nach den Verlust von Port Arthur und der Mandschurei die Verlagerung des Schwerpunktes seiner Kriegsmarine ins Schwarze Meer und die Öffnung der Meerengen. Und für Österreich-Ungarn eben die Annexion von Bosnien und der Herzegowina, welches noch de jure unter der Herrschaft des Sultans standen. Das war der Gedanke.
 
Hallo,

meine frage lautet: Wie plausibel ist eigentlich die These, dass die Gründung des zweiten deutschen Kaiserreichs (1871 bis 1918) direkt zum 1. Weltkrieg führte?

Gar nicht plausibel. Die Zukunft war 1871 vollkommen offen und es führte keine Autobahn in den Ersten Weltkrieg.

Die auswärtige Politik des Kaiserreichs kann man wenigstens in zwei Abschnitte aufteilen. Bis 1890 Bismarckzeit. Politik der Saturiertheit.
Dann Kaiserzeit. Eine Politik, die sich sehr stark von der Bismarcks unterschied. Man war nicht mehr mit dem Erreichten zufrieden. Man wollte ein großes Kolonialreich, man wollte eine große Flotte, man wollte Weltmacht sein. Bei diesem anspruchsvollen Wünschen und Vorstellungen hätte es bloß einer ganz anderen Außenpolitik bedurft, sicher nicht der Schaukelpolitik, und deutlich kompetenteres Personal in der Wilhelmstraße.

Aber man war nicht allein auf der Welt und auch andere Großmächte hatten Zielvorstellungen. Es gab. genügend Möglichkeiten den Kurs zu wechseln.

Aber die anderen Großmächte waren auch nicht zahm.
 
4. Russisch-Japanischer Krieg, Endedet mit Niederlage Russland und Revolution, dessen Nachwirkungen Österreich zur Annexion Bosniens und der Herzegowina nutzt, woraus die Bosnische Annexionskrise Entstand.

Eine weitere katastrophale Folge des russisch-japanischen Krieges, war, das der Kult der Offensive bestätigt wurde; schließlich hat der Angreifer das Feld als Sieger verlassen. Vorherrschende Meinung unter den Fachleuten war, ist die Bereitschaft von Inkaufnahme von Verlusten vorhanden, dann können eben auch befestigte Feldstellungen genommen werden; selbst bei einem ungünstigen Zahlenverhältnis von Angreifer zum Verteidiger. Ergebnis siehe Erster Weltkrieg.
 
Eine weitere katastrophale Folge des russisch-japanischen Krieges, war, das der Kult der Offensive bestätigt wurde; schließlich hat der Angreifer das Feld als Sieger verlassen.
so weit mir bekannt, verblüffte die lange Standhaftigkeit der Festungsbaustelle Port Artur die Militärs, insbesondere jene Fraktion, die sich vom Festungsbau abkehren wollte, erhielt Gegenwind - - tatsächlich erwiesen sich die russ. Stellungen mit ihren neuartigen MG-Nestern, gesplitteter Aufteilung etc. als unerwartet zäh. Die Lehren aus Port Artur schlugen sich dann in Anlagen wie Metz & Diedenhofen (jüngste Anlagen um 1908-15), Modlin (1908-12/14), Mainz, Sereth-Linie, Graudenz, Boyen/Seenplatte usw. nieder.
Der ideologische Kult der Offensive mit dem Schlagwort "beschleunigter Angriff" war schon gut anderthalb Jahrzehnte vor Port Artur verbreitet und wie sich oftmals erwies eher ungerechtfertigt.
 
Als Quelle diente Kronenbitter, Krieg in Frieden. Ein ausgewiesener Fachmann.

Und wenn da Lehren gezogen wären wie erklärst du denn das Offensivverhalten im Ersten Weltkrieg aller Landstreitkräfte mit den entsetzlichen Opferzahlen?
 
wie erklärst du denn das Offensivverhalten im Ersten Weltkrieg aller Landstreitkräfte mit den entsetzlichen Opferzahlen?
eine denkbare Ursache ist ideologisch-doktrinäre Überheblichkeit - diese Ursache wirkt retrospektiv umso wahrscheinlicher, als man im Krieg früh genug das sich festfahren an Frontsystemen erfahren musste (diese Fronten mit ihren Schützengräben, Artillerie- & Beobachtungspositionen entsprachen dem passageren Feldausbau der Festungsfronten/zonen, wenngleich sie auch nicht deren geschicktere Geländeauswahl vorab einbeziehen konnten und in der Festigkeit die Stahlbetonstützpunkte der Panzerfronten/Festen natürlich nicht erreichten - aber wie sich zeigte, genügte der stetige Feldausbau nebst Aufklärung und Sperrfeuer nebst Fernartillerie, um schneidige Hurra-Angriffe schnell abzuweisen)
Nebenbei: diese schmerzlichen Erfahrungen während des Kriegs lassen den menschenverachtenden Unsinn, Verdun anzugreifen, umso beschämender erscheinen. Nur wenige der modernen Großfestungen und Defensivpositionen wurden angegriffen, die paar Hurra-Erfolge gegen veraltete Festungen schürten freilich das Feuer weiter (immer stramm vorwärts mit dem beschleunigten Angriff) - na ja, Ossowiec und Verdun zeigten, dass selbst lang andauernder massivster Einsatz nicht zum Erfolg führte.
 
Die russische Armeeführung hatte auch nicht gerade durch hohe Kompetenz überzeugt. Logistik war katastrophal; die Transsiberische Eisenbahn konnte die ihr gestellte Aufgabe nicht erfüllen und die Japaner waren bei der Überquerung des Yalu erfolgreich.
 
Die russische Armeeführung hatte auch nicht gerade durch hohe Kompetenz überzeugt.
Das trifft für den russ.-jap. Krieg 100% zu!!
Nebenbei: sie waren auch nicht fähig, Port Artur genügend auszustatten (Munition, Geschütze) und waren nicht in der Lage, zur sehr lange (!!) abgeschnittenen belagerten Festung ein Entsatzheer zu schicken - aber dann "buhu der böse Japaner hat unsere Festung mit moderner brit. Artillerie putt gemacht" heulen
 
Wichtig für den Ausgang des Krieges dürfte u.a. die große Schlacht bei Mukden gewesen sein. Der Angreifer Japan griff mit 280.000 Soldaten die 340.000 russischen Verteidiger an. Die Russen verfügten über 800 Kanonen, bei den Japanern waren des deutlich weniger. Anzahl der Maschinengewehre weiß ich nicht. Jedenfalls haben die Japaner klar gesiegt.
 
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