Wie sind die Kelten entstanden und wo kommen sie her?

Ja das stimmt. Aber man kann Stammesorganisation und Föderation auch als Staat bezeichnen. Man kann Stammeshäuptlinge als Könige bezeichnen. Man kann penibel mündlich weitergegebene Normen als Rechtscode bezeichnen und man kann Druiden zu Vergobreten umbenennen, die dann von den Römern Magistrate genannt werden.
In der Haeduerhauptstadt Bibracte gibt es ja auch so eine Art römisches "Domus" mitten in der traditionell keltisch geprägten Stadt, wo man sich vielleicht mit den römischen Gästen auf Augenhöhe fühlte. Habe ich grade in einer Doku gesehen.
https://www.zdf.de/dokumentation/zd...racte-galliens-vergessene-hauptstadt-100.html
 
Die Vergobreten wurden jährlich gewählt, also kann das nicht einfach ein Synonym für Druide gewesen sein.
 
Der Begriff "Kelten" ist für mich nicht greifbar. Wie kann man einen Vergleich herstellen zu Galliern, Germanen?? Die Antwort wäre:es sind eine Menge unterschiedlicher Stämme; trifft aber auf Germanen auch zu. Im Hinterkopf habe ich, daß Kelten angefangen von Gallien bis zu den Galatern in Anatolien auftreten.

Lassen sich Kelten von ihrer Verbreitung her als homogenes Volk bezeichnen?
Seit meiner Schulzeit versuche ich eine Einordnung.Vielleicht sehe ich nur den Baum vor lauter Blättern nicht.

Für eine kleine Einordnung bin ich dankbar, allerdings bleibe ich den Latinern treu;)
 
Wie so oft in der Archäologie, ist Graben eine gute Grundlage für Wissensgewinn:
Die Entstehung einer Sprache ist keine Ethnogenese. Zwei unterschiedliche Ethnien oder Völker können dieselbe Sprache sprechen.

Die Griechen nannten alle Völker von Frankreich bis Rumänien Kelten. Und natürlich die Galater in Kleinasien.

Dank Cäsar 'wissen' wir, dass allein zwischen Pyräneen und Rhein zahlreiche Stämme lebten, die in vier Großethnien eingeteilt werden konnten: Aquitanier, Gallier, Belger und Germanen. In Britannien sind später Belger, Caledonier und andere "keltische" Stämme erwähnt. Wir wissen von verschiedenen keltischen Sprachen, aber nicht wieviele es waren oder welcher Stamm welche sprach. Wir wissen auch, dass nicht alle als Kelten bezeichneten Stämme Kelten waren und nicht alle davon keltisch Sprachen.

Es hilft auch nicht Hallstadt- oder Latène-Kultur einfach als keltisch zu apostrophieren.

Schriftquellen fehlen für eine Zeit, die früh genug wäre, um die Frage einer keltischen Ethnogenese zu klären. Ein Gruppenbewusstsein, egal ob aus Fremd- oder Eigensicht kann nicht aus anderen Quellen erschlossen werden.

(Spätere Sagen beschreiben nur das Bewusstsein der Zeit ihrer schriftlichen Fixierung.)

Gemeint ist wahrscheinlich folgendes:
Die Idee, es habe eine "keltische Ethnogenese" gegeben, wird schon seit längerer Zeit in Zweifel gezogen und mittlerweile in der Wissenschaft nahezu einhellig abgelehnt:


Die Erfindung der Kelten

PS: Ich habe in der Suchfunktion des Geschichtsforums (die Lupe oben rechts) einfach nur die Begriffe "Ethnogenese" und "Kelten" (durch Leerzeichen getrennt) eingegeben: Man findet spannende ältere Diskussionen.

Ich weiß wenig über die Kelten, auch wenn ich jeden Tag an Resten keltischer Tätigkeit vorbeigehe, und freue mich um so mehr, aus den Artikeln von @Biturigos etwas über sie zu erfahren.
 
Zuletzt bearbeitet:
Der Begriff "Kelten" ist für mich nicht greifbar. Wie kann man einen Vergleich herstellen zu Galliern, Germanen?? Die Antwort wäre:es sind eine Menge unterschiedlicher Stämme; trifft aber auf Germanen auch zu. Im Hinterkopf habe ich, daß Kelten angefangen von Gallien bis zu den Galatern in Anatolien auftreten.

Lassen sich Kelten von ihrer Verbreitung her als homogenes Volk bezeichnen?
Homogenes Volk wohl nicht, aber zumindest hatten sie wohl eng verwandte Sprachen.

Im Übrigen kann man eigentlich nicht zwischen Kelten, Galliern und Galatern unterscheiden. "Galater" ist die griechische Bezeichnung für die lateinischen "Gallier". So nannte etwa der griechisch schreibende Polybios auch die Kelten Norditaliens und Galliens, die wir als "Gallier" kennen, "Galater"; umgekehrt der lateinisch schreibende Livius die Kelten in Kleinasien, die wir als "Galater" kennen, "Gallier". Der Ausdruck "Kelten" wiederum wurde in beiden Sprachen gebraucht. Dass wir heute die Kelten Norditaliens und im heutigen Frankreich als "Gallier" bezeichnen, wird wohl damit zu tun haben, dass wir über sie vor allem aus lateinischen Quellen Bescheid wissen und diese Gebiete auch selbst romanisiert wurden; dass wir die Kelten Kleinasiens "Galater" nennen, u.a. mit dem (im Original griechischsprachigen) Neuen Testament, in dem sie vorkommen.
 
Frage von Heinz :

Wie sind die Kelten entstanden und wo kommen sie her?
Nun ist diese Frage von Heinz im ganz alten, im März 2004 relaunchten Forum vor nunmehr über 21 Jahren gestellt worden. Aber immer wenn ich lese "wie entstand Volk XY" ist es mir ein Bedürfnis mit "Also, da sind die Bienchen und die Blümchen...." zu antworten.
Antwort von Lemmingin :

Hallo Heinz!

Der Untertitel von Gerhard Herms "Kelten" trifft es wohl - Das Volk, das aus dem Dunkel kam (oder so ähnlich).
Der Spiegel besprach Gerhard Herms 1975, sprach von "neuer Ceramik" (ein Wortspiel aus Keramik und dem Autor Ceram (< Marek, Kurt Wilhelm)), weil Ceram mit seinem Stil Archäologie popularisierte:

Bei Herms Kelten-Buch wird das alte Ceram-Rezept besonders deutlich: Wissen und Unterhaltung. Der Leser wird nicht überfordert, und am Ende hat er das Gefühl, ohne Anstrengung etwas gelernt zu haben.​
Freilich, der ernsten Wissenschaft, den Historikern und Ethnologen ist die »Neue Ceramik« ein Graus, und deren Boom ist ihnen nicht ganz geheuer. So bescheinigt der FU-Hethitologe Volkert Haas dem Hethiter-Buch von Lehmann schlicht »Laienhaftigkeit überall da, wo historisches Verständnis einsetzen müßte«. Es sind eben Bücher »von Laien für Laien verfaßt«, meint Haas, und er nennt damit auch einen Grund für ihren Erfolg, den Econ im Frühjahr mit den »Hunnen' fortsetzen will.​
(Zitat aus: Der Spiegel, Ausgabe vom 10.08.1975, online: Neue Ceramik , durch OCR-Text-Scan wird Herm leider oft mit *Herrn wiedergegeben, was verwirrend ist)​

Mir persönlich würde schon der Untertitel Das Volk das aus dem Dunkel kam ausreichen, das Buch nicht für voll zu nehmen. Aber auch dies spricht nicht gerade für den Herm:
Dankeschön von Heinz :

Vielen Dank liebe Lemmingin,
das Buch von Gerhard Herm besitze ich. In Kapitel VI wird auch auf Atlantis und die Seevölker eingegangen. Laut Herm begann alles an der Wolga. Nur viel weiter hat mich das auch nicht gebracht.

Der Begriff "Kelten" ist für mich nicht greifbar. Wie kann man einen Vergleich herstellen zu Galliern, Germanen?? Die Antwort wäre:es sind eine Menge unterschiedlicher Stämme; trifft aber auf Germanen auch zu. Im Hinterkopf habe ich, daß Kelten angefangen von Gallien bis zu den Galatern in Anatolien auftreten.
Im Übrigen kann man eigentlich nicht zwischen Kelten, Galliern und Galatern unterscheiden. "Galater" ist die griechische Bezeichnung für die lateinischen "Gallier". So nannte etwa der griechisch schreibende Polybios auch die Kelten Norditaliens und Galliens, die wir als "Gallier" kennen, "Galater"; umgekehrt der lateinisch schreibende Livius die Kelten in Kleinasien, die wir als "Galater" kennen, "Gallier". Der Ausdruck "Kelten" wiederum wurde in beiden Sprachen gebraucht. Dass wir heute die Kelten Norditaliens und im heutigen Frankreich als "Gallier" bezeichnen, wird wohl damit zu tun haben, dass wir über sie vor allem aus lateinischen Quellen Bescheid wissen und diese Gebiete auch selbst romanisiert wurden; dass wir die Kelten Kleinasiens "Galater" nennen, u.a. mit dem (im Original griechischsprachigen) Neuen Testament, in dem sie vorkommen.
Hierzu auf Caesar verweisen:

Gallia est omnis divisa in partes tres, quarum unam incolunt Belgae, aliam Aquitani, tertiam qui ipsorum lingua Celtae, nostra Galli appellantur. Hi omnes lingua, institutis, legibus inter se differunt.​
Gallien ist in drei teiel geteilt, in dem einen Teil eben die Belger, in einem anderen die Aquitaner und im dritten diejenigen, die in ihrer eigenen Sprache Kelten, in unserer (lateinischen) Gallier genannt werden. Alle diese unterscheiden sich in Sprache, Sitten und Gesetzen von einander.​

Lassen sich Kelten von ihrer Verbreitung her als homogenes Volk bezeichnen?
Seit meiner Schulzeit versuche ich eine Einordnung.Vielleicht sehe ich nur den Baum vor lauter Blättern nicht.

Für eine kleine Einordnung bin ich dankbar, allerdings bleibe ich den Latinern treu;)
Man kann anhand von Ortsnamen schon festmachen, dass es ein Verbreitungsgebiet gab, das zu verschiedenen Zeiten vom böhmischen Becken über die Alpen und Norditalien über weite Teile Süddeutschlands und Frankreichs bis hin nach Portugal und auf die britischen Inseln reichte.

Man kann auch archäologische Kulturen ausmachen etwa die Hallstatt-Kultur, die über den Übergang von der Bronze- in die Eisenzeit reicht und die eisenzeitliche La Tène-Kultur. Es gibt eine hohe Korrelation zwischen als keltisch identifizierbaren Ortsnamen und diesen archäologischen Kulturen.
Allerdings: Die heute keltischen Sprachgebiete in Irland, der irischen See, Wales und Schottland sind nie von der La Tène- oder gar der früheren Hallstattkultur berührt worden und die als "keltisch" apostrophierten archäologischen Kulturen sind auch nicht deckungsgleich mit dem linguistisch als "keltisch" apostrophierten Befund. Sie überlappen sich.


Edit: Ein Teilzitat ist abhanden gekommen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Der Begriff "Kelten" ist für mich nicht greifbar. Wie kann man einen Vergleich herstellen zu Galliern, Germanen?? Die Antwort wäre:es sind eine Menge unterschiedlicher Stämme; trifft aber auf Germanen auch zu. Im Hinterkopf habe ich, daß Kelten angefangen von Gallien bis zu den Galatern in Anatolien auftreten.

Lassen sich Kelten von ihrer Verbreitung her als homogenes Volk bezeichnen?
Seit meiner Schulzeit versuche ich eine Einordnung.Vielleicht sehe ich nur den Baum vor lauter Blättern nicht.

Für eine kleine Einordnung bin ich dankbar, allerdings bleibe ich den Latinern treu;)
Das ist auch nicht einfach für den Laien zu verstehen, weil "wir" für viele Fragen wahrscheinlich keine Antworten erhalten werden. Inspiriert von einem Text aus dem Tagungsband Boier zwischen Realität und Fiktion - The third life of the Boii von Jan Kysela würde ich vom mehrfachen Leben "der Kelten" sprechen. Kysela schreibt eingangs in seinem Referat, "Unlike other contributors to these proceedings, I am not really interested here in the Boii themselves, i.e. neither in the inhabitants of Central Europe in the last centuries B.C. who called themselves Boii (if there actually was anyone who did so), nor in the peoples mentioned as ‘Boii’ by the Greek and Roman authors (and these latter are in my opinion not necessarily the same as the former). My interest will be rather in the third incarnation of Boii, i.e. those (re)constructed by archaeologists and historians from references to the ‘Boii mentioned’ (i.e. the second ones) and from the material remains of those who are believed to have been the actual Boii (i.e. the first ones).

Kysela geht es also um die Rekonstruktion der Boier durch die Geschichtswissenschaften und Archäologie, analog dazu kann man auch von einer wissenschaftlichen Rekonstruktion "der Kelten" ab der Neuzeit sprechen, parallel jedoch auch eine nationale ideologische Rezeption (z.B. in Frankreich, in Tschechien, Großbritannien, Bretagne) , eine esoterische und mythologische Rezeption (Neopaganismus), eine folkloristische (Bretagne, Irland) und noch moderner eine europäische.

Im Vorwort des voluminösen und gediegenen Begleitbandes zur großen Keltenausstellung in Stuttgart "Die Welt der Kelten- Zentren der Macht- Kostbarkeiten der Kunst" 2012/2013 schreib der damalige Bundespräsident Joachim Gauck zwar zu Beginn "Streng genommen wissen wir nichts über sie. Die Kelten: Ihr Name taucht in griechischen und römischen Schriften auf...Sie selber, die Kelten oder die, die unter dem Namen in der Geschichte aufgetaucht und wieder verschwunden sind, haben nichts geschrieben." um dann am Schluß die europäische Kultur zu bewundern: "Wir staunen vor dem Fremden, vor der anderen Kultur, die noch nicht kennt, was Europa später prägt: Rom und das Christentum."

Im Vorwort der Verantwortlichen wird einleitend gleich die europäische Dimension abgesteckt:"Von Irland bis Italien, von der Atlantikküste bis ans Schwarze Meer erstrecken sich über weite Teile Europas die Relikte einer Kultur, deren Träger in den antiken Schriftquellen als Kelten oder Gallier identifiziert werden können. In einzelne Stämme oder Stammesverbände gegliedert, bildete die "keltische" Bevölkerung keine Nation, besaß aber Gemeinsamkeiten in Kunst und Handwerk sowie allen Anschein nach auch in Religion und Sprache. Südwestdeutschland gilt zusammen mit der Schweiz und Ostfrankreich als "Wiege keltischer Kultur" und steht seit Jahrzehnten im Zentrum der internationalen Keltenforschung."

Wir hier möglicherweise der Volksbegriff durch den der Kultur ersetzt? Welchen rezeptiven Eindruck hinterlässt diese europäische Rekonstuktion einer europäischen "Hochkultur" vor dem römischen Reich bei den 185.000 BesucherInnen der Ausstellung? (Ich war übrigens begeisterter Besucher, alleine vor dem Original des Kalenders von Coligny zu stehen, oder dem Gundestrupkessel hat sich gelohnt).

Es wird ohne Umschweife in der Werbung von "den Kelten" gesprochen, und auch in den Medien wird kurzerhand von der Kelten-Ausstellung gesprochen. Wer sind denn diese "Kelten"? Bei den Stuttgarter Nachrichten sind es die sagenumwobenen Kelten, die Stuttgart erobern, "Fürsten, Krieger, Kunsthandwerker" (aber auch Fürstinnengräber) werden bewundert und bestaunt. Diese "Kelten" hatten eben "alles": eine Elite, Krieger, und Gold in rauern Mengen (Schätze wie aus dem Märchen). Bauern und Sklavenhandel stehen nicht im Mittelpunkt der Rezeption, (allerdings gibt es Artikel von WissenschaftlerInnen im Begleitband), daher bin ich der Meinung, dass der eigentliche Diskurs trotz der Wissenschaftlichen Rekonstruktion funktioniert: wenn Bernhard Maier in einer Kelten-Dokumentation des ZDF im Interview (immer nur kurz, damit der und die durchschnittliche ZuschauerIn nicht überfordert wird) sagt, dass die Kelten kein Volk waren, und kurz später der Sprecher wieder vom "Volk der Kelten" spricht, dann arrondiert die Archäologie und Geschichtswissenchaften nur den modernen Diskurs archaischer Macht und eines vorchristlichen, goldenen Zeitalters.

Anscheinend funktioniert so auch Tourismus mit "den Kelten".
"Keltisches‹ wird seit langem in unterschiedlichster Weise rezipiert und gedeutet – ob in touristischen Angeboten wie »Druidenwanderwegen«, im ›keltischen‹ Neuheidentum oder in zahllosen populärwissenschaftlichen Darstellungen einer angeblich homogenen prähistorischen Kultur. Seit vielen Jahren fällt eine Facette dabei besonders auf: der angeblich aus prähistorischen Zeiten überlieferte ›keltische Baumkreis‹ bzw. Baumkalender (auch als Baumhoroskop bezeichnet). Gemeint ist die moderne Vorstellung, Menschen in der Urgeschichte hätten einzelne Baumarten und deren angebliche Eigenschaften jeweils bestimmten Perioden des Jahres zugewiesen.... die Grundlage des Horoskops eine (direkt oder indirekt) ins Deutsche übersetzte Fassung der »Horoscopes gaulois« , welche die französische Journalistin Paula Delsol 1971 für die Modezeitschrift »Marie Claire« erfunden hatte, nebst ebenso erfundenen »arabischen«, »tibetischen«, »chinesischen« sowie anderen Horoskopen."
Andreas G. Heiss & Jutta Leskovar Der ›keltische Baumkalender‹ – Zur Entwicklung und Rezeption eines Mythos

Es ist also ursprünglich ein Lifestyleprodukt der 70er Jahre, so die AutorInnen der Kritik, das seine Vorbilder in Robert Graves und James Georg Frazer hat. Das häufig nur implizite Benutzen in neopaganen Werken und weniger explizite Erläutern eines Keltenbegriffes dient der Beweisführung des hohen Alters und Ursprünglichkeit der (angeblich) kulturellen Relikte wie der Baumhoroskope und stereotyper Vorstellungen "Keltischer Religion" oder "keltischer Naturnähe".

"Bis zum Jahr 2010 waren in Österreich, so ergab eine Internet-Recherche, wenigstens 23 Baumkreise aktiv gepflanzt worden, die mit dem Begriff ›keltisch‹ verbunden waren. Einige wenige waren auf Initiativen von Hotel- und Thermenbetreibern entstanden; der überwiegende Teil stand in Zusammenhang mit Wanderwegen bzw. bestimmten Gemeinden (Leskovar 2010, 142) und war dementsprechend vermutlich großteils von der öffentlichen Hand finanziert. An einer wissenschaftlich fundierten Quellenlage oder der Kritik aus Fachkreisen besteht wenig bis kein Interesse. Bäume zu pflanzen stellt an sich eine hauptsächlich positiv konnotierte Handlung dar – dem (interessierten) Laien sollte dabei jedoch die Information zukommen, dass »die Kelten« sich nicht in der ihnen unterstellten Art mit Bäumen befassten." Der ›keltische Baumkalender‹ – Zur Entwicklung und Rezeption eines Mythos, 2013

"Die Kelten" - oder ihr viertes Leben heute - scheinen moderne Bedürfnisse und Sehnsüchte zu erfüllen, vielleicht sogar wissend zu erscheinen, auch wenn es nur scheinbares bzw. projeziertes Wissen ist - der Wissende ist eingeweiht, fühlt sich als Neopaganer mit Initiatoationsriten aufgenommen in einen vorgeschichtlichen Bund. Oder machen sich in regionaler Werbung als Lokalkolorit und "ein bischen Bildungsprogramm" nicht schlecht.

Birkhan 2009: H. Birkhan, Nachantike Keltenrezeption. Projektionen keltischer Kultur. Wien: Praesens 2009
Hofeneder 2015: A. Hofeneder, Heilige Haine der Kelten in der antiken Literatur. Kultrealität versus literarischer Barbarentopik. In: K. Sporn/S. Ladstätter (Hrsg.), Akten des Kolloquiums »Natur – Kult – Raum«, Salzburg, 20.–22. Jänner 2012.
 
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Im Vorwort des voluminösen und gediegenen Begleitbandes zur großen Keltenausstellung in Stuttgart "Die Welt der Kelten- Zentren der Macht- Kostbarkeiten der Kunst" 2012/2013 schreib der damalige Bundespräsident Joachim Gauck zwar zu Beginn "Streng genommen wissen wir nichts über sie. Die Kelten: Ihr Name taucht in griechischen und römischen Schriften auf...Sie selber, die Kelten oder die, die unter dem Namen in der Geschichte aufgetaucht und wieder verschwunden sind, haben nichts geschrieben."
Da kann man ja drüber streiten, was Gauck da geschrieben hat. Klar, wir haben keine großen keltischen Werke, aber wir haben ja durchaus gallische Textzeugnisse. Gut, vielleicht nicht von den "deutschen" Kelten. Aber von den "französischen" und "englischen" Kelten (ich rede nicht von Cornwall, Wales, Schottland, Irland, Man... Bretagne) durchaus.
 
Da kann man ja drüber streiten, was Gauck da geschrieben hat. Klar, wir haben keine großen keltischen Werke, aber wir haben ja durchaus gallische Textzeugnisse. Gut, vielleicht nicht von den "deutschen" Kelten. Aber von den "französischen" und "englischen" Kelten (ich rede nicht von Cornwall, Wales, Schottland, Irland, Man... Bretagne) durchaus.
Ich interpretiere wohlwollend, dass Herr Gauck damit aussagen wollte, dass Ethnographien, Religionsgeschichten oder Geschichtswerke fehlen, die von keltisch Sprechenden über die Keltike geschrieben wurden. Ohne die griechischen Werke würden wir die kleinräumigen archäologischen Differenzen und kulturellen Gemeinsamkeiten rein archäologisch kaum entschlüsseln können. Griechenland wäre "ein Buch mit sieben Siegeln", gäbe es nur archäologische Funde, um die Vergangenheit zu erklären.
 
@Biturigos , das war ausgesprochen lehrreich.
Es handelt sich um ein "Volk", das sich über Indizien erklärt. Anders kann ich es nicht für mich erklären.
Bin jetzt offline, allerdings liegst du jetzt falsch, warum, kann ich mir nicht erklären: in aller Kürze: "die Kelten" gab es nicht.
Die Kelten gab es nie!* Sinn und Unsinn des Kulturbegriffs in Archäologie und Keltologie - Raimund Karl, 2004
Die Erfindung der Kelten, Prof. Dr. Sabine Rieckhoff, 2007, Die Erfindung der Kelten

Zum nachlesen auch: Vorgeschichte der Kelten

Diskussion von 2015 in diesem Forum.
 
Die Erfindung der Kelten......Rieckhoff, habe ich gelesen. Bielefeld gibts auch nicht.....Wilsberg.
Ich kann schon erklären, warum ich falsch liege:a)kein Historiker b)keine besonderen Kenntnisse über das Thema Keltenc)ich kann mir kein Thema in 2 Minuten erschließen, und wenn ich falsch liege, muß ich das hinnehmen. Zumindest weiß ich jetzt mehr
 
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Zumindest war die Sprache der Galater in Kleinasien z.B. mit der der Gallier in Gallien verwandt.

Wenn man mal nicht annehmen will, dass es ein "Kelten-Gen" gab, lässt sich das "Keltentum" wohl am ehesten über die Sprache definieren und abgrenzen, jedenfalls eher als z.B. über materielle Hinterlassenschaften oder genetische Verwandtschaft.

Eine 100%-ige Übereinstimmung aller in der Überlieferung als "Kelten"- Bezeichneten mit "Keltisch"-Sprechenden wird man nicht erwarten können, aber wohl doch eine sehr große Schnittmenge.
 
Zumindest war die Sprache der Galater in Kleinasien z.B. mit der der Gallier in Gallien verwandt.

Wenn man mal nicht annehmen will, dass es ein "Kelten-Gen" gab, lässt sich das "Keltentum" wohl am ehesten über die Sprache definieren und abgrenzen, jedenfalls eher als z.B. über materielle Hinterlassenschaften oder genetische Verwandtschaft.

Eine 100%-ige Übereinstimmung aller in der Überlieferung als "Kelten"- Bezeichneten mit "Keltisch"-Sprechenden wird man nicht erwarten können, aber wohl doch eine sehr große Schnittmenge.

Wenn wir Analogien ziehen zwischen den keltischen Kriegs- bzw. Raubzügen auf dem Balkan bis nach Kleinasien und späteren, ähnlichen Ereignissen wie dem Zug der Kimbern&Teutonen oder der "Völkerwanderung", dann können wir auch dort davon ausgehen, dass eine sehr inhomogene, kaum zu definierende Kriegerschar dort unterwegs war.

Ob die alle die gleiche Sprache sprachen, von woher sie kamen oder wohin sie gingen wissen wir nicht näher.

Wenn "Boiorix" als Anführer der "Boier" soviel bedeutet wie "Kriegsherr(Warlord)" der "Kriegerschar", so erinnert mich das an Attilas bunte Truppe.

Dass man dort eine keltische Sprache sprach, wahrscheinlich. Ob es Kelten waren? Und was sie noch so sprachen?
 
Zuletzt bearbeitet:
Zumindest war die Sprache der Galater in Kleinasien z.B. mit der der Gallier in Gallien verwandt.

Wenn man mal nicht annehmen will, dass es ein "Kelten-Gen" gab, lässt sich das "Keltentum" wohl am ehesten über die Sprache definieren und abgrenzen, jedenfalls eher als z.B. über materielle Hinterlassenschaften oder genetische Verwandtschaft.

Eine 100%-ige Übereinstimmung aller in der Überlieferung als "Kelten"- Bezeichneten mit "Keltisch"-Sprechenden wird man nicht erwarten können, aber wohl doch eine sehr große Schnittmenge.

Das Thema hatten wir vor 10 Jahren ausführlich besprochen:

Der Satz "wer keltisch spricht ist Kelte" trifft (leider) nicht zu: die Lepontier sprachen ein Protokeltisch, gehörten in der späten Bronzezeit zur Golaseccakultur und benutzten die etruskische Schrift. Sie wurden auch in den Schriftquellen nie zu "den Kelten" gerechnet oder so bezeichnet.

" Die Anfänge der Sprachwissenschaft lagen nicht zufällig bei Gelehrten, die sprachlichen Minderheiten angehörten, wie der schottische Humanist George Buchanan (16. Jahrhundert), der bretonische Mönch Paul-Yves Pezron und der walisische Konservator Edward Lhuyd (beide 17. Jahrhundert). Buchanan sprach nur vorsichtig von einer „gallischen“ Sprache der Ureinwohner Britanniens. Pezron dagegen war von Anfang an fest davon überzeugt, dass die bretonische Sprache (von der wir heute wissen, dass sie im 5. Jahrhundert n. Chr. aus Britannien eingeführt worden ist) ein überlebendes Zeugnis von Caesars Celtae sei. Aufgrund der Ähnlichkeit zwischen dem Bretonischen und dem Walisischen waren für ihn daher auch die Waliser Abkömmlinge von Kelten. Damit wurden die Kelten zum ersten Mal in ihrer Geschichte über Sprache definiert, denn nun galt, wer „keltisch“ sprach, war ein „Kelte“. Diese Schlussfolgerung war schlicht falsch, denn keltisch sprachen auch antike Ethnien die ausdrücklich nicht als Kelten galten, wie zum Beispiel die Bewohner der Britischen Inseln (Britanni), Nordfrankreichs (Belgae) und der südlichen Provence (Liguri)."
Spurensuche. Kelten oder was man darunter versteht... Prof. Dr. Sabine Rieckhoff, 2012

Heute, im dritten und vierten Leben "der Kelten" verstehen sich Regionen als "keltisch", in denen nie eine keltische Sprache gesprochen wurde. Siehe Karte, aus dem Text von Rieckhoff - leider fehlerhaft, weil in Britannien ebenfalls inselkeltische Sprachen gesprochen wurden - und um es noch komplizierter zu machen, es gab ökonomische, religiöse und politische Verbindungen zwischen Britannien und Gallien, und zusätzlich eine kleinteilige Einwanderung festlandkeltischer Gruppenaus Nordgallien und Belgerland in den Süden Englands (Arras - und Aylesfordkultur) : aufmerksame LeserInnen von Cäsars Gallischem Krieg wird nicht entgangen sein, dass Cäsar als seinen Gesandten den belgischen Atrebaten Commius voraussendet, der "in dieser Gegend sehr angesehen war" (IV, 21). Der größte Teil der britannischen Bevölkerung, die Pretannoi /Pretani der älteren griechischen Quellen, wurden von Cäsar nie als Gallier oder Kelten bezeichnet, sondern als Barbaren,
 

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