Die Frage ist doch in sich unsinnig, wenn wir davon ausgehen, dass nicht geklärt sei, ob die Indogermanen als Gemeinschaft jemals existiert haben. Mit der Annahme, sie hätten existiert, meinen wir doch gerade die Sprachgemeinschaft. Eine Konstruktion à la Belgien oder Kanada, ein Volk, zwei Sprachen, ist eine abstrakt entstandene Konstruktion, nicht etwas gewachsenes.
Ich persönlich halte die Vorstellung, es gebe zwar indogermanische Sprachkennzeichen, diese hätten aber nur mit technologischen Neuerungen und ihrer Übernahme durch andere Völker zu tun, für wenig wahrscheinlich. Es ist ja nun nicht so, dass den indogermanischen Sprachen speziell das Fachvokabular der Land- und Viehwirtschaft gemeinsam wäre. Es ist gerade auch das Vokabular für noch grundlegenderes, wie Mädchen, Tochter, Vater, Mutter. Das beschreibt aber gerade Begrifflichkeiten, die andere Kulturen, die Technik übernommen haben sollen, sicherlich schon hatten. Zudem würde eine reine Vokabularübernahme nicht zur Übernahme grammatikalischer Strukturen führen. Aber gerade Ähnlichkeiten in grundlegenden grammatikalischen Strukturen sind nach meiner Kenntnis durchaus kennzeichnend für indogermanische Sprachen. Eine Übernahme grammatikalischer Strukturen bei Beibehaltung des Wortschatzes mag es zu einem gewissen Teil vom Lateinischen zum Deutschen gegeben haben; bedingt durch normierende Effekte, die von lateinkundigen Geistlichen ausgingen, die die Sprache erstmals in Schriftform gepresst haben. Eine derartige Wirkung halte ich ohne Schriftlichkeit aber für kaum denkbar.
Wenn hier also gefragt wird, wie die Indoeuropäer sich untereinander verständigten, dann würde ich sagen, zunächst ganz problemlos (noch eine Sprachgemeinschaft), mit der Zeit immer stockender (mit abnehmender Häufigkeit der Kontakte) und schließlich war es dann irgendwann kaum noch möglich, ohne die Sprache des anderen als Fremdsprache zu erlernen (nachdem man viele Generationen völlig getrennt voneinander gelebt hatte).