Juden haben sich mehrheitlich? seit der Zerstörung des Tempels im Jahr 70, vor allem aber seit dem Ansiedlungsverbot in Jerusalem durch Kaiser Hadrian im Jahr 135 in alle Himmelsrichtungen zerstreut.
Du erwähnst die Tempelzerstörung des Jahres 70 und gehst kommentarlos drüber. Ist Dir klar, dass das das einschneidendste Ereignis in der Geschichte der jüdischen Religion war? Da wurde nicht etwa halt ein besonders wichtiges Heiligtum der jüdischen Religion zerstört, sondern der einzige Ort, an dem dem einzigen Gott Anbetung und Opfer dargebracht werden konnten. Mit der Zerstörung des Tempels wurde das jüdische Priestertum aus der Geschichte ausradiert.
"Mit der Zerstörung des Zweiten Tempels von Jerusalem im Jahr 70 n. d. Z. begann eine neue Ära in der Entwicklung des Judentums, die sich tiefgreifend auf seine sämtlichen Formen, die bis heute überlebt haben, auswirkte. Wahrscheinlich konnte damals kein Jude auch nur ahnen, wie tiefgreifend sich seine Religion infolge der Tempelzerstörung verändern sollte.
[...]
Die Einnahme Jerusalems im Jahr 70 n. d. Z. veränderte die Beziehungen zwischen dem römischen Staat und den Juden unwiderruflich. Gleichgültig, ob der Tempel absichtlich oder aus Versehen zerstört wurde - als es geschehen war, behandelte die neue kaiserliche Dynastie unter ihrem Oberhaupt Vespasien die Zerstörung als Wohltat für den Frieden im römischen Reich. [...] Juden erhielten künftig von Rom nicht mehr die Erlaubnis, in Jerusalem Gott mit Opfern und Gaben zu verehren. Sämtliche Juden waren stattdessen ab jetzt verpflichtet, der kaiserlichen Staatskasse eine Sondersteuer zu entrichten, deren ursprünglicher Verwendungszweck der Wiederaufbau des Tempels des Jupiter Capitolinus in Rom war. Einst hatten die Juden Privilegien für die Ausübung ihrer angestammten Religion genossen; jetzt blieb ihnen nur noch der schwache Trost, die Teilnahme an religiösen Riten ablehnen zu dürfen, die sich an andere Götter richteten."
(Martin Goodman, Die Geschichte des Judentums: Glaube, Kult, Gesellschaft)
Souverän und lebendig erzählt Martin Goodman die 4000 Jahre umfassende Geschichte des Judentums. Anschaulich und klar schildert er die religiösen Vorstellungen und Praktiken einer der großen Weltreligionen. Die einzigartige und packende Globalgeschichte einer vibrierenden und vielseitigen...
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Vgl. Ingomar Weiler: Titus und die Zerstörung des Tempels von Jerusalem – Absicht oder Zufall? In: Klio 50 (1968).
"fertur Titus adhibito consilio prius deliberasse, an templum tanti operis everteret. etenim nonnullis videbatur, aedem sacratam ultra omnia mortalia illustrem non oportere deleri, quae servata modestiae Romanae testimonium, diruta perennem crudelitatis notam praeberet. at contra alii et Titus ipse evertendum in primis templum censebant, quo plenius Iudaeorum et Christianorum religio tolleretur"
("Es wird berichtet, Titus habe einen Kriegsrat einberufen, um zu erwägen, ob er ein so großartiges Bauwerk wie den Tempel zerstören solle. Etlichen schien es zwar, dass es nicht anginge, ein über alles Sterbliche berühmtes Gotteshaus zu vernichten, welches als Zeugnis römischer Mäßigung dienen könnte, als Ruine jedoch ein bleibendes Zeichen der Grausamkeit böte. Andere hingegen, und auch Titus selbst waren der Meinung, dass der Tempel vor allem zerstört werden müsse, um die Religion der Juden und Christen möglichst vollständig wegzuraffen.")
(Dass Sulpicius Severus die Christen hier noch mit unterbringt, dürfte seiner spätantiken Sichtweise geschuldet sein; er muss aber ältere Quellen zur Verfügung gehabt haben.)
Im römischen Reich wurden sie jedoch, anders als die Christen, toleriert. Doch das änderte sich, nachdem die christliche Religion zur Staatskirche avancierte und neben sich keine andere Religion mehr duldete.
Quatsch mit Soße.
"Die Kaisergesetze gewährleisteten körperliche Unversehrtheit, Schutz vor Beraubung und Schutz der Privatwohnung. Parallel zur christlichen
audientia episcopalis ist auch ein jüdisches Schiedsgericht in Zivilsachen erlaubt bei Einverständnis beider Prozessparteien. In religiösen Fragen hatten die jüdischen Vorsteher (
primates,
patriarchae) das alleinige Entscheidungsrecht. Den Juden verboten waren Ehen mit Christen sowie die Polygamie. Testamente, deren Erblasser zum Judentum konvertiert war, hatten keine Rechtswirkung und konnten, allerdings nur innerhalb von fünf Jahren, angefochten werden. Die Religionsausübung betreffende Regelungen bestanden meistens in Privilegien: Judentum war eine
religio licita mit Versammlungsfreiheit; der jüdische Klerus wurde steuerlich wie der christliche behandelt; hier spielte vor allem die Kuriatspflicht eine Rolle: Waren Kleriker anfangs unter Konstantin von Kuriatslasten befreit, mussten sie ab 383 u. Z.vorher ihre Verpflichtungen erfüllt haben, bevor sie Kleriker werden konnten. Der jüdische Patriarch war vor übler Nachrede geschützt und durfte, mit einer kurzen Unterbrechung im Westen, die „Patriarchensteuer“ einziehen, ähnlich also der alten Tempelsteuer, bis nach Aussterben des Patriarchats das Geld in die Staatskasse floss. Synagogen genossen staatlichen Schutz und waren frei von Einquartierungen; der Sabbat und andere jüdische Feiertage wurden respektiert. Dem stehen beschränkende Vorschriften entgegen, die verstärkt nach der Entmachtung des Patriarchen Gamaliel 415 u. Z. auftraten: Apostasie vom Christentum zum Judentum ist verboten [...] Die schiedsrichterliche Funktion des Patriarchen ist ab 415 u. Z. auf Juden beschränkt. [...] Der Neubau von Synagogen wird verboten, und jüdische Feste wie das Purimfest durften nicht in Verspottung des Christentums ausarten. [...] Unter den wirtschaftlichen Maßnahmen ist der Besitz und die Beschneidung von Sklaven ein zentrales Thema. [...] Beschneidungsverbot an nichtjüdischen Sklaven, eine bereits in vorchristlicher Zeit bestehende Vorschrift [...] Kauf- und Beschneidungsverbot von nichtjüdischen Sklaven [...] Grundsätzlich existierte also ein Besitzrecht an christlichen Sklaven, sofern diese sich zum Zeitpunkt des betreffenden Gesetzes bereits in jüdischem Besitz befanden und ihren Glauben weiterhin ausüben konnten. [...] Zu Beginn des 5. Jahrhunderts beginnt die Reihe der Berufsverbote für Juden im Staatsdienst."
Karl Leo Noethlichs, Der rechtliche Status der Juden im römischen Reich - Tradition und Wandel in der römischen Judengesetzgebung vom 2. Jahrhundert v. u. Z. bis zum 6. Jahrhundert u. Z., in: "Religio licita?" Rom und die Juden, hrsg. Görge K. Hasselhoff und Meret Strothmann, Berlin 2017