Wiederholt sich Geschichte? (zyklischer Geschichtsverlauf)

Aktuell gibt es möglicherweise eine solche Regelmässigkeit zu beobachten: Die hegemoniale Ordnung der internationalen Staatenbeziehungen wird in nahezu gleichmässiger Abfolge in kriegerisches Chaos gestürzt.
Was wäre daran nun eine zyklische Regelmäßigkeit?

Natürlich hatte es immer wieder Kriege gegeben, die bestehende Konstellationen umwälzten, aber insofern es bis weit ins letzte Jahrhundert hinein keine internationale Ordnung gab, die den Krieg als Mittel der Politik weltweit ächtete (dem Briand-Kellogg-Pakt, der in den 1920er Jahren die Ächtung des Krieges formal postulierte, waren durchaus nicht alle Staaten beigetreten, anders als bei der heutigen Konstruktion im Rahmen der UN), kann man das nur bedingt als Störung des Systems betrachten.
Mindestens bis zum 1. Weltkrieg wurde unter den staatlichen Akteuren Krieg als legitimes Mittel der Politik und damit als Teil der internationalen Staatenbeziehung, nicht etwa als deren Störung betrachtet.

Eine weltweite Odrnund oder jedenfalls eine Ordnung mit einem solchen Anspruch, die gemäß ihren eigenen Statuten Krieg nicht mehr als Teil einer natürlichen Weiterentwickung und Bestandteil der Ordnung selbst betrachtet, ist erst nach 1945 entstanden.


Dies begleitet von ideologischen Auseinandersetzungen - Der 30-jährige Krieg war nicht der letzte 30-jährige Krieg.
Aber hatte der in seinen Ursachen und Strukturen so viel mit ideologie zu tun? Oder war der nicht eher ein Machtkampf der Habsburger um die Behauptung der Vorherrshaft im Reich und auf europäischer Ebene im wesentlichen ein Hegemonialkonflikt, zwischen Frankreich und Habsburg (im besonderen die span. Linie)?
Dagegen den 30-Jährigen Krieg primär als Religionskrieg oder ideologischen Krieg aufzufassen, spricht schon der Umstand, dass die Kriegsparteien in dieser Hinsicht duchaus heterogen waren.
Z.B. unterstützt das lutherische Kursachsen den Großteil des Konfliktes über die Habsburger und die katholische Liga, während auf der anderen Seite des katholische Frankreich die Aufgebote der portestantsichen Schweden mitfinanzierte und mit diversen lutherischen und reformierten Reichsständen gegen den katholischen Kaiser paktierte.

Deswegen würde ich nicht nur die Französische Revolution und die Novemberrevolution vergleichen, sondern das Aufeinanderfolgen von Protestantismus und Katholizismus, als Gegensatz von Autorität und den Anfängen liberalen Denkens,
Darf ich an der Stelle einmal fragen, was am Protstantismus jetzt besonders liberal (gewesen) ist?

War Luther, der sich im Bauernkrieg auf die Seite der Fürsten schlug und in Teilen seiner Schriften schlimmer gegen die Juden wütete, als weite Teile des alten katholischen Klerus besonders liberal oder gar antiautoritär?

Waren die calvinistischen Bilderstürmer die nicht dulden wollten, dass Teie der katholisch gebliebenen Bevölkerung an ihren Bilder- und Heiligentraditionen festhalten wollten und deswegen versuchten deren Grundlagen zu zerstören, besonders liberal?

War der Umgang der nonkonformistischen reformierten Gruppen in den englischen Kolonien Nordamerikas mit den dortigen Ureinwohnern besonders liberal?

Jedenfalls war da keine liberale Deke mit einem tatsächlich universalistischen Anspruch vorhanden, sondern allenfalls deer Anspruch auf liberale Freiheiten für die eigene Gruppe, die aber gerne durchaus auf Kosten aller anderen Gruppen gehen durften, für die keine Freiheit vorgesehen war.
Das kann man etwa am Beispiel der Situation vor dem US-amerikanischen Unabhänigkeitskrieg festmachen, als sich die amerikanischen Siedler derüber beklagten, dass die englische Krone die Westausdehnung der Kolonien nach jenseits der Appalachen untersagt hatte und damit de facto verboten hatte, den Ureinwohnern dort das Land zu nehmen und sie zu verdrängen, wie das östlich der Appalachen passiert war.
Das hielt die britischstämmige Bevölkerung in den Kolonien für eine tyrannische Zumutung, weil es ihr faktisch das Recht nahm dort nach eigenem Verständnis Eigentum zu erwerben, während die gleiche Gruppe aber das Recht der Ureinwohner auf Eigentum kategorisch bestritt, denn sonst hätte das mit dem Aneignen und Vertreiben ja auch nicht so gut funktioniert.


Ähnlich der Konflikt zwischen Aufklärung und Absulotismus der im Wiener Kongress endet, aber natürlich nicht grundsätzlich aufgelöst wird. Aber die Herrschaftskonflikte werden durch die neue Ordnung auf der Basis von Regeln ausgeglichen.
Mit Blick etwa auf Friedrich II. in Preußen oder Jospeh II. in Österreich, welcher grundsätzliche Konflikt? Ein guter Teil der Herrscher Europas schaffte es durchaus die Aufklärung in den eigenen absolutistischen Herrschaftsanspruch einzubauen.
Und einige Monarchen dieser Zeit dürften in der Tat aufgeklärter und liberaler gewesen sein, als ein Großteil ihrer Untertanen, wenn man sich etwa anschaut, wie viel Gegenwind Joseph II. bekam, als er veruchte die Leibeigenschaft zu kippen und die Rechte und Privilegien der katolischen Kirche deutlich zurück zu drängen.

Auch inhaltlich käme die Frage ob es so etwas wie einen Konflikt zwischen Absoulutismus und Aufklärung gibt, schon sehr darauf an, auf welche Aufklärer man sich denn nun im einzelnen bezieht.
Bei einem Montesquieu, der stark auf Gewaltenteilung abzielte, wird man sicher argumentieren können, das sich das nicht mit einem absolutistischen Herrschaftsanspruch verträgt und daher der absolutistische Gedanke weg müsste.
Genau so könnte man sich aber auch auf Thomas Hobbes und seinen "Leviathan" berufen um den Absolutismus zu rechtfertigen.

Und wenn man den Konflikt so unterstellen möchte, warum dann 1815 als Wendepunkt und nicht 1848 oder für Österreich und Russland weitergehend die 1860er Jahre?

Die Ideologien des 19.Jahrhunderts waren Sozialismus und Nationalismus
Ich würde beide eher im 20. Jahrhundert verorten, mindestens aber den Sozialismus, der im 19. Jahrhundert zwar in den theoretischen Schriften begründet wird, aber eigentlich erst nach der Jahrhundertwende massenwirksame Resonanz erfährt.

Der Nationalismus ist in den meisten Ecken Europas etwas früher drann, aber in der nicht eurozentrischen, globalen Perspektive, wenn man über das gesamte Jahrhundert spricht, ist das wahrscheinlich allenfalls in den letzten 1-2 Dekaden, in denen dieses Paradigma anfägt eine bestimmtende Ideologie im Weltmaßstab zu werden.

Die Ideologien des 19.Jahrhunderts waren Sozialismus und Nationalismus, der konkrete Konflikt war aber einer zwischen Mächten die immer in ein einem multipolaren Gleichgewicht stabilisiert wurde.
Stabilisiert worden ist die Ordnung wahrscheinlich vor allem dadurch, dass die europäischen Mächte ihre expansiven Machtpotentiale auf andere Weltregionen richtete statt gegeneinander, dass darf man im Hinblick auf die Wiener Fridensordnung nicht übersehen.
Sehr wahrscheinlich erlebte Europa vor allem im ausgehenden 19. Jahrhundert vor allem deswegen relativ ruhige Zeiten, weil die vorhandenen Gewaltpotentiale exportiert werden konnten und anderswo die Widerstände geringer waren.

Die Weltkriege wären aus dieser Perspektive so etwas wie ein dritter Kampf um globale Hegemonie, die in der bipolaren Weltordnung des kalten Kriege endete.
Den zweiten Weltkrieg wird man so betrachten können, den Ersten eher nicht.
 
Der Versailler Vertrag reichte nicht aus!
Natürlich nicht. Der Versailler Vertrag war ja auch keine fertig entworfene Friedensordnung, die sich mit der Regelung sämtlicher offenen Fragen überhaupt befasst hatte. Die ganzen Probleme Osteuropas z.B. die blutigen Konflikte um das territoriale Erbe des Osmanischen Reiches, des russischen Zarenreiches und Teile des Habsburgerreiches, waren ja überhaupt nicht Gegenstand der Pariser Vorortverträge und so weit sie es doch waren, wurde von Anfang an nichts oder wenig getan um die getroffenen Beschlüsse dort auch durchzusetzen.
Das lag allerdings nicht daran, dass das Vertragswerk insgesamt unzureichend gewesen wäre oder dass Umsturz der ganzen Angelgenheit irgendeine quasigesetzliche Notwendigkeit gewesen wäre, sondern weil nach der Erschöpfung des Krieges auch den Siegermächten die Mittel fehlten um in diesem gewaltigen Raum Ordnung zu schaffen.

Im Hinblick auf Deutschland hatte man einfach den Fehler gemacht, das Land zu schwer zu belasten, als dass es ohne weiteres hingenommen wurde und es nicht schwer genug zu treffen um Revanche von vorn herein zu verhindern.

Und dann kommt noch dazu dass man seinerzeit die falschen Leute appeased hat. Hätte man auch nur die Helfte von dem, was man Hitler zugestand um sich den Frieden zu erkaufen 10 Jahre vorher Stresemann zugestanden um einer Revisionspoitik mit friedlichen Mitteln ein paar erfolge zu bescheren, dann wären Europa Hitler und Weltkrieg Nr. 2 möglicherweise ersprat geblieben.

Was in Versailles beschlossen wurde, musste durchaus nicht in einen neuen Krieg führen.

Mich würde interessieren wo wir jetzt stehen, also ob wir am Anfang eines dann vierten 30-jährigen Krieges mit ungewissem Ausgang stehen?
Schon deswegen nicht, sofern wir von Europa reden, weil die vorhandenen Großmächte wegen der nuklearen Potentiale ja gerade großen Wert darauf legen nicht direkt gegeneinander zu kämpfen.

Sofern wir auf der abstrakten Ebene davon ändern, dass sich die internationale Ordnung wandelt, nun, dass ist eigentlich immer der Fall.
Technologische Änderugen, die neue Ressourcen relevant werden lassen, z.B. untergraben permanent die Verteilung der wirtschaftlichen Macht der internationalen Akteure und den wirtschaftlichen Verschiebungen folgen andere Verschiebungen, weil der daraus gewonnene Wohlstand natürlich in militärisches Potential oder kulturelle Macht und anderes umgemünzt werden kann.

In diesem Sinne, kann Ordnung nicht statisch gedacht werden, sondern eine funktioniernde Ordnung könnte allenfalls ein Moderationsprozess sein, der sich in gewissen Abständen den Veränderungen anpasst.

Man könnte durchaus behaupten, dass die Wiener Ordnung nach 1815 zum Teil ein durchaus gelungener Moderationsprozess war, weil es immer wieder gelang, dadurch kleinere Veränderungen, wie etwa ein unabhängiges Belgien, ein geeintes Italien oder die Unabhängigkeit der Balkanstaaten anzuerkennen, das System auszubalancieren und in seiner Gesamtheit zu erhalten.
Ähnliches ist zum Tiel mit der Appeasement-Politik vor dem 2. Weltkrieg versucht worden, nur da hatte man es mit Hitler eben mit einem Akteur zu tun, der nicht bereit war innerhalb des Systems zu bleiben, wenn er Vorteile einstreichen konnte, sondern der es auf den großen Bruch anlegte.

Einen vergleichbaren Akteur, der mit Gewalt das gesamte europäische Mächtesystem zerstören und kippen wollte, hatte es aber vorher nicht in dieser Form gegeben, selbst bei Napoléon würde ich eine solche geplant Absicht eher negieren, obwohl das Ergebnis nah drann war, allerdings hatten einen Großteil der Kriege, deren Ergebnis das war andere Mächte vom Zaun gebrochen, nicht Frankreich.

Der einzige Akteur, der mir einfiele, der es tatsächlich darauf anlegte, nicht sich selbst irgendwie innerhalb eines etablierten Systems ein größeres Stück vom Kuchen zu sichern, sondern der es darauf anlegte das System (in diesem Fall das des Augsburger Religionsfriedens und der Machtverteilung im Heiligen Römischen Reich) komplett umzuwerfen, wäre Friedrich V. v. der Pfalz.
Das aber nicht auf gesamteuropäischer Ebene.
 
Zuletzt bearbeitet:
hii, also ich hätte da mal eine Frage zum zyklischen Geschichtsverlauf. Gibt es wirklich Beispiele dafür, dass sich Geschichte theoretisch wiederholen kann? Also zum Beispiel: Man nehme die Französische Revolution und vergleiche sie mit der Novemberrevolution 1918.
Also ich weiß das Oswald Spengler ein Vertreter dieser ansichten war, aber gibt es da vlt. noch mehr?
Oder ein gutes Buch zum Thema der Geschichtszyklen?

Es gibt ein Zitat von Karl Marx, Marx hat es geschrieben unter dem Eindruck des Staatsstreichs von Napoleon III.

Marx bezieht sich auf Hegel: Hegel bemerkte irgendwo dass alle großen Tatsachen und Ereignisse sich gewissermaßen zweimal ereignen. Er hat vergessen, zu erwähnen das erste Mal als Tragödie, das zweite Mal als Farce."


Ein zyklisches Geschichtsbild vertrat auch Nicolo Machiavelli. In den "Discorsi" geht Machiavelli davon aus, dass gesellschaftspolitische Institutionen unvollkommen sind, Menschliche Unbeständigkeit, Unvollkommenheit und Vergesslichkeit nennt er als Hauptgründe dafür, dass sich geschichte in gewissen Zyklen wiederholt. Am Anfang steht die Tyrannenherrschaft, diese entwickelt sich zur Monarchie, die Monarchie zur Aristokratie und Oligarchie und schließlich zur Demokratie. Die Demokratie zersetzt sich nach dem Tod ihrer Gründer, die Macht wurde muissbraucht, es kam erneut zu Mord, Plünderung, Aufruhr und Not, bis man durch die Not gezwungen, auf Anraten eines weisen Mannes oder angesichts der Gefahren eines regellosen Zustands von neuem zur Monarchie zurückkehrte. Dies ist der Kreislauf, in dem sich alle Staatsgebilde seit Anbeginn der Zeit gedreht haben, drehen und drehen werden."

Das Fazit, das Machiavelli im 3. Buch der Discorsi sopra la prima deca di Tito Livio zieht ist Folgendes:

Um vorauszusehen, was sein wird, , muss man betrachten, was gewesen ist, denn die handelnden Personen auf der Bühne der Welt haben stets dieselben Leidenschaften, und so muss dieselbe Ursache stets die gleiche Wirkung zeigen."

Die älteste Vorstellung oder eine der ältesten eines zyklischen Geschichtsbilds findet sich schon in der Bibel, im Prediger Salomo. Prediger Salomo 1, 1-

"Es ist alles nichtig, sprach der Prediger, es ist alles nichtig.
Was hat der Mensch für Gewinn von aller seiner Mühe, die er unter der Sonne hat?
Ein Geschlecht vergeht, das andere kommt, die Erde aber bleibt immer bestehen.
Die Sonne geht auf und unter und läuft an ihren Ort, dass sie von dort wieder aufgehe.
Der Wind geht nach Süden und dreht sich nach Norden und wieder herum an den Ort, wo er anfing.
Alle Wasser laufen ins Meer, doch wird das Meer nicht voller.
An den Ort, an den sie fließen, fließen sie immer wieder.
Alles reden ist so voll Mühe, dass niemand damit zu Ende kommt.
Das Auge sieht sich niemals satt, und das Ohr hört sich nicht satt.
Was geschehen ist, eben das wird hernach sein.
Was man getan hat, eben das tut man hernach wieder, und es geschieht nichts Neues unter der Sonne.
Geschieht etwas, von dem man sagen könnte: "Sieh das ist neu!"
Es ist längst vorher auch schon geschehen, in den Zeiten, die vor uns gewesen sind.
Man gedenkt derer nicht, die früher gewesen sind und derer, die noch später sein werden.

In Kapitel 3 schließt der Prediger:

"Was geschieht, das ist schon geschehen, und was sein wird, ist auch schon längst gewesen,
und Gott holt wieder hervor, was vergangen ist.

Prediger Salomo 3, 15

Oswald Spenglers Der Untergang des Abendlandes ist durchaus reizvoll zu lesen. Von Oswald Spengler angeregt, hat Arnold Toynbee in den 1930er Jahren ein geschichtsphilosophisches Werk vorgelegt, das sich mit den Voraussetzungen des Aufstiegs und Verfalls von Kulturen beschäftigt. Toynbee porträtiert unzählige Zivilisationen und geht deren Aufstieg und Niedergang nach und versucht dabei gewisse Gesetzmäßigkeiten auszumachen.

Auch wenn Toynbee nicht allgemeinverbindliche Gesetzmäßigkeiten für den Aufstieg und Verfall von Zivilisationen entwickelt, sind die essayartigen Artikel doch sehr reizvoll zu lesen, reizvoller als Spengler.

Arnold Toynbees A Study of History the Fall and Decline of Civilizations ( Arnold Toynbee, Aufstieg und Verfall der Kulturen) ist in vielen Antiquariaten nicht allzu teuer zu haben, und es gibt auch eine DTV-Ausgabe.
 
Dass eine "Wiederholung der Geschichte" im strengen Sinne nicht möglich ist, wurde ja oft schon gesagt.
Aber der Blick auf konkrete historische Fakten und Vergleiche scheinen mir hier nicht weiter zu helfen.
Noch weniger Argumentationen mit Mathematik, z.B. Ermittlungen von 97 % oder X % Übereinstimmung oder so.
Entscheidend scheinen mir vielmehr zweierlei zu sein:
Was meinen die – durchaus nicht dummen – Leute, wenn sie sagen, dass sich die Geschichte wiederholt?
Und dann die Einsicht, dass es MUSTER sind und typische SITUATIONEN und KONSTELLATIONEN bzw. FIGURATIONEN, die sich so oder ähnlich wiederholen (können), VARIATIONEN dabei keinesfalls ausgeschlossen.
Dem würde ich absolut zustimmen.
 
Dass eine "Wiederholung der Geschichte" im strengen Sinne nicht möglich ist, wurde ja oft schon gesagt.
Aber der Blick auf konkrete historische Fakten und Vergleiche scheinen mir hier nicht weiter zu helfen.
Noch weniger Argumentationen mit Mathematik, z.B. Ermittlungen von 97 % oder X % Übereinstimmung oder so.
Entscheidend scheinen mir vielmehr zweierlei zu sein:
Was meinen die – durchaus nicht dummen – Leute, wenn sie sagen, dass sich die Geschichte wiederholt?
Und dann die Einsicht, dass es MUSTER sind und typische SITUATIONEN und KONSTELLATIONEN bzw. FIGURATIONEN, die sich so oder ähnlich wiederholen (können), VARIATIONEN dabei keinesfalls ausgeschlossen.
Dem würde ich absolut zustimmen.
Also am Ende sind es sich ähnelnde Krisen auf die Menschen reagieren und die Reaktionsmuster ähneln sich dabei häufig.
 
Was meinen die – durchaus nicht dummen – Leute, wenn sie sagen, dass sich die Geschichte wiederholt?
@Leopold unter diesen Leuten befanden sich sogar einige Genies! Ich zitiere ein solches:
Ein Jüngling liebt ein Mädchen,
Die hat einen andern erwählt;
Der andre liebt eine andre,
Und hat sich mit dieser vermählt.

Das Mädchen heiratet aus Ärger
Den ersten besten Mann,
Der ihr in den Weg gelaufen;
Der Jüngling ist übel dran.

Es ist eine alte Geschichte,
Doch bleibt sie immer neu;

Und wem sie just passieret,
Dem bricht das Herz entzwei.
Heinrich Heine :)
 
Was meinen die – durchaus nicht dummen – Leute, wenn sie sagen, dass sich die Geschichte wiederholt?
Und dann die Einsicht, dass es MUSTER sind und typische SITUATIONEN und KONSTELLATIONEN bzw. FIGURATIONEN, die sich so oder ähnlich wiederholen (können), VARIATIONEN dabei keinesfalls ausgeschlossen.
Dem würde ich absolut zustimmen.
Naja, natürlich sind Muster vorhanden und zwar so deutlich, dass sich aus diesen Mustern Modelle oder Begriffe mit Modellcharkter ableiten lassen, was wir durchaus auch tun.

Nimm zum Beispiel den Begriff "Revolution". Der beschreibt abstrakt einen politischen oder sozialen Umbruch innerhalb einer Gesellschaft und es gibt ihn am Ende vor allem deswegen in unserem Sprachgebrauch, weil es abstrakt gesehen solche Umbrüche immer wieder gegeben hat, die es sinnvoll erscheinen lassen einen Begriff einzuführen und zu verwenden, der das wenigstens abstrakt und modellhaft beschreibt.

Das problem bei abstrakten und modellhaften Begriffen ist allerdings, dass sie, wenn man sie so verwendet nur eine Betrachtung aus relativ großer Distanz und mit reltaiv wenig detaillierten Schattierungen zulässt, weil die Abatraktion nicht den Schluss auf ein Einzelereignis zulässt.


Man könnte das vielleicht philosophisch mit Platons Ideenlehre und der Unterordnung von einer Fülle von Gegenständen unter eine einzelne übergeordnete Idee/Kateogie verdeutlichen:

Ein Tisch kann quadratisch sein, rechteckig, oval oder rund, er kann dazu gedacht sein um daran zu stehen oder zu sitzen, er kann vier Beine haben oder sechs oder acht etc.

Der begriff "Tisch" kann also als Idee fungieren um darunter diverse Objekte, die unbestreitbar sehr verschiden sein können und deren Gemeinsamkeiten sich vielleicht darin erschöpfen, dass man sich irgendwie darum versammeln oder etwas darauf ablegen kann.

Diese eigenschaft des Begriffs "Tisch" als einer Idee, die mit einer Objektgruppe verbunden ist, die sorgt aber auch gleichzeitig dafür, dass der "Tisch" als Objekt schlechthin für uns bildlich überhaupt nicht vorstellbar ist, sondern vorstellbar sind nur die verschiedenen Objekte, die wir diesem Begriff unterordnen, während der Begriff selbst aber unbstimmt bleibt.

Das lässt sich auf andere Dinge übertragen.

Die Französische Revolution kann man unter den Begriff "Revolution" wie auch die "Oktorberrevolution" 1917 in Russland, oder den Fall der Berliner Mauer und das Ende der DDR Anfang der 1990er Jahre.

Aber wenn das alles in ihrer Verschiedenheit Gegenstände der übergeordneten Vorstellung einer "Revolution" sind, denn fällt es schwer außerhalb abstrakkter Definitionsversuche den Gegenstand der Revolution schlechthin zu bennenen oder vorzustellen.


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Nun kann man im Sinne zyklischer Geschichtsvorstellungen natürlich alle Gegenstände die zur Idee passen sammeln, das auswerten und zum Beispiel zu dem Schluss kommen, dass es gemäß vorhandener Aufzeichnungen im Schnitt alle X Jahre zu einer Revolution kommt und Revolution somit ein zyklisch widerkehrendes Phänomen sei.

Nur ist das im genommen heiße Luft, weil dann streng genommen mit einer gegenständlich nicht konkret benenn- oder verallgmeinerbaren Idee argumentiert wird, der gegenständlich greif- und untersuchbare Phänomene, die sich aber sehr stark voneinander unterscheiden lediglich zugeordnet sind.


Ob es sinnvoll sein kann so zu verfahren oder nicht, hängt sehr stark von der Disziplin ab, in der man sich bewegt.

Im Bereich von Philosophie und politiktheoretischen Modellen, kann das villeicht als Erklärungshilfe Sinn machen. Im Hinblick auf Geschichte als fachlicher Disziplin, die von der konkreten Beschäftigung mit direkt benennbaren Ereignissen lebt nicht.
Ganz einfach, weil hierfür der konkrete Einzelfall, der in thoretischen Modellen eher ein störendes Element ist große Wichtigkeit besitzt.

Deswegen sind Personen, die im Sinne zyklischer Geschichtsverläufe argumentiert haben nicht dumm, sondern einfach in anderen Disziplinen unterwegs und arbeiten oder arbeiteten stark mit politischen oder philosophischen Theorien oder versuchen oder versuchten Geschichte oder die Erkenntnisse der Geschichtsschreibung mit so etwas zu verbinden um sie aus dem Methodenset einer anderen Disziplin heraus zu erklären.
 
@Shinigami. Ihre ausführlichen Erläuterungen treffen genau und zeugen von Kompetenz und gründlichen methodologischen Reflexionen. Mit Platons "Ideen" verlagern Sie die Frage nach "Wiederholungen der Geschichte" auf eine andere Ebene – nämlich die der Notwendigkeit, Beobachtungen und also auch historische Ereignisse unter allgemeine Begriffe (bzw. Ideen) zu fassen. Indem wir verschiedene Ereignisse unter dieselben allgemeinen Begriffe ( wie z.B. "Revolution") subsumieren, schaffen wir die geistigen Voraussetzungen für die Einsicht, dass sich die Geschichte in gewisser Weise wiederholt.
Wie gesagt, sind es nicht die unendlich komplexen historischen Wirklichkeiten, die sich wiederholen, sondern nur Muster, Situationen, Konstellationen und Figurationen. Dazu gehören wohl auch "Archetypen": typische Rollenbilder und Formen von Konflikten, die es wahrscheinlich auch zu anderen Zeiten und in anderen Kulturen gegeben hat und gibt. Wenn man Geschichte(n) zu verstehen versucht, muss man lernen, sie zu erzählen, und man kann sie nur erzählen, wenn man auf solche "Archetypen" zurückgreift.
Andererseits kann eine aufgeklärte Geschichtswissenschaft gerade darin bestehen, die unbewusst fungierenden Archetypen bewusst zu machen und den mit ihnen verbundenen Versuchungen (zu moralisieren, skandalieren, politisieren, vereinfachen, idealisieren, romantisieren, dramatisieren etc.) zu widerstehen. Aber wenn man all die spannenden Dramatisierungen, Moralisierungen etc. weglässt, bleibt am Ende vielleicht nichts mehr übrig, das uns interessiert ...
 
Ganz einfach, weil hierfür der konkrete Einzelfall, der in thoretischen Modellen eher ein störendes Element ist große Wichtigkeit besitzt.
Die einzelnen Ereignisse sind per Definition singulär, aber "Wichtigkeit" scheint mir eine Art strukturierender Code zu sein. Also Ereignisse sind etwa so etwas wie ein "blinder Fleck" der nichts unterscheidet, weil die Zahl der singulären Ereignisse unendlich gross ist. Beobachtet wird also die historische Relevanz, wobei wir bei so etwas wären, wie wenn man sagt ein Ereignis sei "ein historisches Ereignis".

Ich behaupte die Gewichtsmetapher ist etwas ähnliches wie die Wiederhohlung oder der Zyklus: Die Ereignisse der französischen Revolution bekommen nur durch ihren Zusammenhang mit dieser ihr Gewicht. Es scheint aber von grossem methodischem Wert zu sein, möglichst viele historische Singularitäten zu kennen.

Nach einer Theorie des Linguisten George Lakoff besteht Sprache, also auch Geschichtsquellen, grundsätzlich aus Metaphern. Das sind keine poetischen Bilder, sondern die Alltagssprache basiert nach dieser Metaphernanalyse auf begrenzten Möglichkeiten etwas zu verbergen oder zu beleuchten. Ich will und kann das hier nicht umfänglich ausführen.

Die historische Relevanz wird also ständig innerhalb dieser metaphorischen Qualität, die die Sprache im allgemeinen hat, reproduziert. Eher abstrakte Begriffe müssen durch diese Metaphern, die auch auf der begrenzten Vorstellungsfähigkeit des Menschen bezüglich der physischen Welt beruhen, konkretisiert werden.

Meiner eigenen Ansicht nach lassen sich diese Sprachbilder, nachdem man sie innerhalb der Quellentexte analysiert hat, wieder zu allgemeinen "Weltbildern" synthetisieren, die dann in etwa so aussehen wie physikalische Grundmodelle, Yin und Yang und die Wandlungsphasen, System/Umwelt oder eben Archetypen.
Die Kontroverse besteht folglich doch aus einem Gegensatz von Grundmodellen: Urknall und grenzenlose Entwicklung, Expansion, Fortschritt oder grundsätzlich zyklische weil vergängliche Existenz.
 
Die einzelnen Ereignisse sind per Definition singulär, aber "Wichtigkeit" scheint mir eine Art strukturierender Code zu sein. Also Ereignisse sind etwa so etwas wie ein "blinder Fleck" der nichts unterscheidet, weil die Zahl der singulären Ereignisse unendlich gross ist. Beobachtet wird also die historische Relevanz, wobei wir bei so etwas wären, wie wenn man sagt ein Ereignis sei "ein historisches Ereignis".

Ich behaupte die Gewichtsmetapher ist etwas ähnliches wie die Wiederhohlung oder der Zyklus: Die Ereignisse der französischen Revolution bekommen nur durch ihren Zusammenhang mit dieser ihr Gewicht. Es scheint aber von grossem methodischem Wert zu sein, möglichst viele historische Singularitäten zu kennen.

Nach einer Theorie des Linguisten George Lakoff besteht Sprache, also auch Geschichtsquellen, grundsätzlich aus Metaphern. Das sind keine poetischen Bilder, sondern die Alltagssprache basiert nach dieser Metaphernanalyse auf begrenzten Möglichkeiten etwas zu verbergen oder zu beleuchten. Ich will und kann das hier nicht umfänglich ausführen.

Die historische Relevanz wird also ständig innerhalb dieser metaphorischen Qualität, die die Sprache im allgemeinen hat, reproduziert. Eher abstrakte Begriffe müssen durch diese Metaphern, die auch auf der begrenzten Vorstellungsfähigkeit des Menschen bezüglich der physischen Welt beruhen, konkretisiert werden.

Meiner eigenen Ansicht nach lassen sich diese Sprachbilder, nachdem man sie innerhalb der Quellentexte analysiert hat, wieder zu allgemeinen "Weltbildern" synthetisieren, die dann in etwa so aussehen wie physikalische Grundmodelle, Yin und Yang und die Wandlungsphasen, System/Umwelt oder eben Archetypen.
Die Kontroverse besteht folglich doch aus einem Gegensatz von Grundmodellen: Urknall und grenzenlose Entwicklung, Expansion, Fortschritt oder grundsätzlich zyklische weil vergängliche Existenz.
Find ich als Gedanken interessant, auch wenn ich nicht glaube, dass dieses Modell einen praktischen Nutzen für die Geschichtswissenschaft hat.
 
Was meint man eigentlich mit „wiederholt sich“?

Was da mal Thukydides (* um 454 v.Chr - † zwischen 399 oder 396 v.Chr) gesagt haben soll - Die Geschichte ist eine ewige Wiederholung - kann ich leider nicht nachlesen.
In meiner Bibliothek der Antike habe ich leider keine Bücher von ihm.
 
Die einzelnen Ereignisse sind per Definition singulär, aber "Wichtigkeit" scheint mir eine Art strukturierender Code zu sein. Also Ereignisse sind etwa so etwas wie ein "blinder Fleck" der nichts unterscheidet, weil die Zahl der singulären Ereignisse unendlich gross ist. Beobachtet wird also die historische Relevanz, wobei wir bei so etwas wären, wie wenn man sagt ein Ereignis sei "ein historisches Ereignis".
Aber die historische Relevanz wiederrum liegt sehr stark im Auge der jeweligen, die Geschichte betrachtenden Disziplin oder auch Teildisziplin der Geschichtsschreibung.

Ein Rezipient der klassischen deutschen Nationalgeschichte oder der Militärgeschichte mag die Schlacht von Königgräz 1867 für einen hochrelevanten Wendepunkt halten, für einen Wirtschaftshistoriker wiederrum, dürfte vollkommen uninteressant sein, wohingegen für einen Wirtschaftshistoriker der deutsche Zollvein hochinteressant ist, der einen Militärhistoriker nicht wirklich tangieren muss, oder allenfalls als abseitiges Randthema.

Zu behaupten man könnte historische Relevanz und Irrelevanz ohne weiteres von einander trennen, setzt vorraus zu behaupten, dass man alle Teildisziplinen in ihren Details übersieht und daher diese Zuschreibungen objektivieren und von subjjektiven Perspektiven trennen kann.

Ich behaupte die Gewichtsmetapher ist etwas ähnliches wie die Wiederhohlung oder der Zyklus: Die Ereignisse der französischen Revolution bekommen nur durch ihren Zusammenhang mit dieser ihr Gewicht.
Das hängt von der Perspektive ab.
Machen wir es etwa an der Deklaration der allgemeinen Menschenrechte fest. Die wurden erstmals in Zusammenhang mit der französischen Revolution formuliert und hängen so, was Frankreich betrifft, natürlich untrennbar damit zusammen.
Anderswo wurden sie später völlig unabhängig von der französischen Revolution nachgeahmt, übernommen oder nachempfunden.
Nun wird man aber nicht behaupten können, dass die Nachahmungen kein Gewicht und keine für sich stehende Bedeutung besäßen, nur weil sie nicht mehr im ürsprünglichen Zusammenhang der französischen Revolution stehen.
 
Nun wird man aber nicht behaupten können, dass die Nachahmungen kein Gewicht und keine für sich stehende Bedeutung besäßen, nur weil sie nicht mehr im ürsprünglichen Zusammenhang der französischen Revolution stehen.
Ja, das führt zu einem weiteren Problem bzw. Thema: Warum wiederholt sich die Geschichte? Und was bringt Menschen, Kulturen und Gesellschaften dazu, die Geschichte zu wiederholen? Dabei kann Nachahmung, Orientierung an Vorbildern, gewiss eine Hauptrolle spielen. Wie überhaupt Lernen großenteils auf Nachahmung beruht (Bandura: Lernen am Modell). So kann man die Geschichte als Lernprozess auffassen, worin Menschen bzw. Gesellschaften sich an Vergangenem, wie sie es jeweils interpretieren, orientieren. Entweder negativ, z.B.: das Schicksal der Weimarer Republik soll sich mit der Bundesrepublik nicht wiederholen. Oder positiv: großartige Leistungen der Vorfahren werden als Maßstäbe und Ziele genommen, denen man nacheifert ...
 
Ja, das führt zu einem weiteren Problem bzw. Thema: Warum wiederholt sich die Geschichte? Und was bringt Menschen, Kulturen und Gesellschaften dazu, die Geschichte zu wiederholen? Dabei kann Nachahmung, Orientierung an Vorbildern, gewiss eine Hauptrolle spielen. Wie überhaupt Lernen großenteils auf Nachahmung beruht (Bandura: Lernen am Modell). So kann man die Geschichte als Lernprozess auffassen, worin Menschen bzw. Gesellschaften sich an Vergangenem, wie sie es jeweils interpretieren, orientieren. Entweder negativ, z.B.: das Schicksal der Weimarer Republik soll sich mit der Bundesrepublik nicht wiederholen. Oder positiv: großartige Leistungen der Vorfahren werden als Maßstäbe und Ziele genommen, denen man nacheifert ...

Ich bin mit diesem Beitrag nicht so ganz einverstanden. Es ist schon richtig, dass Lernen viel mit Nachahmung zu tun hat und in manchen Sprachen scheibar sogar dasselbe Wort ist. So behauptete zumindest der Trauzeuge meiner Schwester mir gegenüber mal etwas sorgenvoll, dass in China kopieren und lernen dieselbe Vokabel sei, weswegen die Chinesen beim Thema Plagiat moralisch ganz anders aufgestellt seien, als Europäer (er ist für seine Firma häufiger mal in China, kennt sich dort also ein wenig aus, aber ob das mit den Vokabel so stimmt, weiß ich nicht, zumindest aber ist es plausibel). Bei Kindern kann man das gut beobachten, dass sie aus Wiederholung/Nachahmung lernen: Bei Kleinkindern, Kindergartenkindern, Grundschulkindern und auch noch Unterstufenschülern sukzessive abnehmend, hingegen Erfahrungswissen steigend. Natürlich wird das nie ganz aufhören das Nachahmungslernen, aber es nimmt im allgemeinen Lernprozess mit steigendem Alter weniger Raum ein. Und du selbst bringst ja auch ein Bsp. für Lernen anhand von Erfahrungswissen.
Ich schrieb es letzte Tage schon: Oft reagieren die Menschen auf ähnliche Krisen mit ähnlichen Verhaltensweisen. Das sieht dann vielleicht oberflächlich betrachtet aus, wie eine Wiederholung der Geschichte.

Nehmen wir mal Bsp. die Sunk Cost Fallacy, gutes Geld schlechtem hinterherwerfen: Eine Firma hat investiert. Die Investition trägt aber nicht. Ein Reinfall.
Vernünftige Reaktion: Akzeptanz, dass es eine Fehlinvesition war, abschreiben.
Natürliche Reaktion: Weiter investieren, um die ursprüngliche Investition doch noch zu retten.

Das Gleiche im Militärischen: Isonzoschlacht: Die Italiener haben sich die Köppe eingerannt, aber die italienische Führung hat Battalion um Battalion gegen die Österreicher angeschickt, um nicht den Familien der zuerst Gefallenen sagen zu müssen, dass ihre Söhne umsonst gestorben waren. Der Effekt aber war, dass der Blutzoll am Ende die ursprünglichen Verluste um ein Vielfaches überstieg.

Das passiert immer wieder, ist aber keine Wiederholung von Geschichte, sondern die Wiederholung ähnlicher Rezepte auf ähnliche Krisen. Oft bedarf es eben eines gewissen Durchringens und einer gewissen Größe, um zuzugeben, dass das bisherige Rezept falsch war und man die Strategie radikal ändern muss. Gemäß dem bekannten Social Media-Meme mit dem fälschlich Einstein zugesprochenen Satz Die Definition von Wahnsinn ist, immer wieder das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten. Richtiger wäre: Die Definition von Sunk Cost Fallacy ist, immer wieder das Gleiche zu tun - dem eskalierenden Commitment zu folgen - und dabei andere Ergebnisse zu erwarten.
 
Ich schrieb es letzte Tage schon: Oft reagieren die Menschen auf ähnliche Krisen mit ähnlichen Verhaltensweisen. Das sieht dann vielleicht oberflächlich betrachtet aus, wie eine Wiederholung der Geschichte.
Das hatte ich mir wohl gemerkt und bin vollkommen einverstanden. Deckt sich ja auch mit der Wiederholung von Mustern, Schemata, Archetypen, Konstellationen etc. vs. Wiederholung konkreter Ereignisse.
Wenn man bejaht, dass es in dieser Hinsicht wiederkehrende Muster gibt, stellt sich natürlich die Frage nach den tieferen Ursachen: Was bewegt Menschen und Kulturen zu solchen Wiederholungen? Und ja, Sie haben recht, nicht nur Nachahmung und Lernen von richtigen oder falschen Vorbildern kann eine Erklärung liefern, sondern auch Nichtlernen: immer dieselben Fehler machen. Das leuchtet ein. Dann wären die Ursachen der Wiederholungen wenn nicht in Gesetzmäßigkeiten und einer "Logik" kultureller und sozialer Entwicklungen, dann vielleicht in gewissen Konstanten im "Wesen" und der "Natur" des Menschen zu suchen?
 
Dabei kann Nachahmung, Orientierung an Vorbildern, gewiss eine Hauptrolle spielen. Wie überhaupt Lernen großenteils auf Nachahmung beruht (Bandura: Lernen am Modell). So kann man die Geschichte als Lernprozess auffassen, worin Menschen bzw. Gesellschaften sich an Vergangenem, wie sie es jeweils interpretieren, orientieren. Entweder negativ, z.B.: das Schicksal der Weimarer Republik soll sich mit der Bundesrepublik nicht wiederholen. Oder positiv: großartige Leistungen der Vorfahren werden als Maßstäbe und Ziele genommen, denen man nacheifert ...
Naja, das hat ein paar Probleme.

"Negatives lernen", sprich zu lernen, was besser zu unterlassen ist, ist nartürlich blöderweise so gut wie nie rekonstruierbar. Es sei denn natürlich, man hat in irgendeiner Form private Aufzeichnungen eines Entscheidungsträgers, aus denen sich Entscheidungen auf genau dieser Grundlage rekonstruieren lassen.

Und das andere große Problem ist eben, dass wenn man davon absieht, den singulären historischen Einzelfall zu betrachten und sich an abstrakten Begriffen und Kategorien abarbeitet, man eben am Ende alle möglichen widersprüchlichen Lehren aus der Geschichte ableiten kann.


Z.B. man könnte aus der französischen Revolution ableiten, dass hohe Besteuerung der Bevölkerung zu politischer Instabilität und Aufständen oder Revolutionen führen kann, daher zu vermeiden sei.
Man könnte aber auch aus der Vorgeschichte des amerikanischen Unabhängigkeitskrieges den Schluss ziehen, dass niedrige Besteuerung/Abgabenbelastung/Zollbelastung der Bevölkerung verderblich sei, weil diese sich daran gewöhnt, beginnt sich einzubilden, dass sie ein Recht deraruf habe von wirtschaftlichen/finanziellen Forderungen des Staates weitgehend unbehelligt zu bleiben und bereits zum Aufruhr neigt, wenn ihr zugemutet wird, wenigstens für einen Teil der öffentlichen Sicherheit etc. mit aufzukommen.

Wenn man die historischen Details wie im Fall Frankreich das Korrespondieren der Steuererhöhungen mit schlechten Ernten und Verteuerung der Lebensmittelpreise und das Anwachsen der wirtschaftlichen Belastung für die Bevölkerung über das von der Krone verlangte Maß hinaus, durch das System der Steuerpacht etc. nicht berücksichtigt und im Fall der 13 Kolonien die speziellen Eigenheiten in Sachen Repräsentatonsrecht Großbritanniens, und den losen Zusammenhang des Nordamerikanischen Kolonialreichs mit der Krone, aber nicht mit dem Parlament in Westminster nicht berücksichtigt, sondern abstrakt betrachtet, kommt man zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen in einer Frage, die im Prinzip keine Regel zulassen.

Man könnte das auch auch an anderen Beispielen festmachen. Nehmen wir die Frage, was kann ein Herrscher am besten tun, um an der Macht zu bleiben und nicht durch starke sozial und wirtschaftliche Veränderungen entmachtet zu werden?

Man könnte sich hier auf die preußischen Könige im 19. Jahrhundert berufen und formulieren, dass die eine relativ kluge Strategie des schrittweisen partiellen Machtverzichts und der Reform fuhren, die ihnen die Macht lange erhielt und möglicherweise noch länger erhalten hätte, wenn nicht der 1. Weltkrieg dazwischen gekommen wäre.

Man könnte aber auch an Hand des Beispiels des russischen Zaren Alexander II. argumentieren, dass diesen all sein Reformehrgeiz und seine progressiven Ansätze nicht davor bewarten von Teilen seines Volkes verachtet und am Ende ermordet zu werden und daraus den Schluss ziehen, dass ein knallhart reaktionärer und restriktiver Kurs möglicherweise mehr Erfolg gebracht hätte.
Deutlicher wird das vielleicht, wenn man das 20. und beginnende 21. Jahrhundert betrachtet und sieht, wie in der Sowjetunion/Russland, Gorbatschow, der mit der Zeit gehen, Reformen und mehr Räume für Freiheiten lassen wollte am Ende entmachtet wurde, während im heutigen Russland Putin, der sich mit aller Macht dagegen stemmt, relativ fest im Sattel sitzt?

Was wäre nun also aus der Geschichte darüber zu lernen, wie ein Herrscher in unruhigen Zeiten am Besten an der Macht bleibt?

Sollte er versuchen mit den Kräften die Auf Veränderung drängen einen Kompromiss zu suchen, wie es etwa der Preußenkönig Friedrich Wilhelm IV. Tat, als er die Truppen aus Berlin abziehen ließ, öffentliche Ehrbezeugung für die Toten der vorrangegangenen Barrikadenkämpfe leistete und eine einigermaßen liberale Regierung ernannte (um dann reelativ kurze Zeit später nach Beruhigeung der Situation einen eher reaktionären Kurs einzuschlagen)?
Oder sollte er im Interesse des Machterhalts ganz anders reagieren, und sich etwa am jetztigen russischen Präsidenten ein Beispiel nehmen und jegliche opposition mit brutalstmöglichen Mitteln bekämpfen?

Beide Strategien können offensichtlich erfolgreich sein, wenn man sie auf abstracta reduziert.

Genau so könnte man aber auch Alexander II. und Gorbatschow als gescheiterte Reformer oder auf der anderen Seite den französischen König Charles X. oder vielleicht auch Metternich als Hardliner, die sich gegen viele Neuerungen abzuschirmen oder im Fall Charles X. gar bereits realisierte Veränderungen rückabwickeln wollten, als Beispiele dafür heranziehen, das Kampf gegen die Transformation der Grundlagen einer Gesellschaft und die Gesellschaft an und für sich nicht gewinnbar ist.

Könnte man also vor diesem Hintergrund im Stil eines Fürstenspiegels oder vielleicht im Stil eines Machiavelli (wobei Machiavelli zeitweise durchaus ein Auge für den Einzelfall hatte, wenn er über Cesare Borgia schrieb und darüber, warum dieser scheiterte) einem Herrscher auf der Basis abstrakter Betrachtungen jenseits des Einzelfalls und seiner Besonderheiten guten gewissens zu einer Strategie im Umgang mit Veränderungen oder Revolutionsprävention raten?
Wo doch Friedrich Wilhelm IV. mit Reformversprechend und Milde durch kam, Alexander II. und Gorbatschow aber nicht, während Putin sich eher mit Gewalt und Kampf gegen die Veränderungen zu halten scheint, womit Charles X. in Frankreich aber scheiterte?

Ich meine nein. Obwohl ich der festen Überzeugung bin, dass man aus der Geschichte lernen kann, weil sich historische Singularitäten zwar nie vollständig widerholen, aber doch zuweilen Situationen auftreten, die einander stark ähneln, so dass man möglicherweise mit dem Vergleich mit 1 oder 2 historischen Ereignissen mit ähnlichen Voraussetzungen sinnvoll arbeiten kann um mögliche Perspektiven abzuschätzen.

Das hat aber nur ein Wert, wenn man sich mit den einzelnen Faktoren und ihrem Gewicht beschäftigt und auch nur dann, wenn sie sich materiellen Grundbedingungen nicht allzustark verändert haben was den Rekurs einer zu weit entfernten Vergangenheit zur Ableitung von Möglichkeiten und Wahrscheinlichkeiten und den Versuch lange Zyklen zu konstruieren aber ausschließt, weil die Veränderungen zu groß werden.

Man kann vielleicht aus Ereignissen des vergangen Jahrhunderts Beispiele einzelne Beispiele heraussuchen, aus denen man im Verglich zu aktuellen Situationen sinnvolle Schlussfolgerungen ableiten kann, aber wenn man darüber weit hinausgeht, dann taugt das nichts.
 
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Ein derartiger „Lernprozess“ scheint in der jüngeren Vergangenheit in der Tat stattgefunden zu haben: 2005 kam es ausgerechnet in Kirgisistan, der „liberalsten“ zentralasiatischen Diktatur, zu einer erfolgreichen Revolution. Kirgisistan war der einzige Staat der Region, in dem echte Oppositionsparteien und unabhängige Medien zugelassen waren. (In seinen Nachbarländern waren und sind zwar auch verschiedene Parteien zugelassen, faktisch aber nur regimetreue.) So konnte sich die Opposition gegen das Regime organisieren und auch ihre Anliegen kommunizieren.
In der Folgezeit zogen die anderen Potentaten in Nachfolgestaaten der Sowjetunion die Zügel eher noch straffer.
 
@Shinigami, ich hatte nicht bedacht, dass man von historischen Ähnlichkeiten (um nicht von "Wiederholungen" zu reden) nicht einfach auf Lernprozesse schließen kann. Solange sich keine Belege, biographische Anhaltspunkte o.ä. finden, kann man ja nur spekulieren, ob sich ein Politiker / Machthaber / Entscheider / eine Regierung irgendwie an geschichtlichen Ereignissen bzw. Vorbildern orientiert und Lehren daraus gezogen hat.
Andererseits versucht man ja seit eh und je, aus der Geschichte zu lernen – auch dies wiederholt sich in gewisser Weise. "Those who do not history are doomed to repeat its mistakes," Gordon W. Allport. Wir Deutschen versuchen, die Fehler von Weimar, des Nationalismus, Rassismus und Faschismus zu vermeiden, setzen also alles daran, damit die Geschichte sich NICHT wiederholt ...
 
@Shinigami, ich hatte nicht bedacht, dass man von historischen Ähnlichkeiten (um nicht von "Wiederholungen" zu reden) nicht einfach auf Lernprozesse schließen kann. Solange sich keine Belege, biographische Anhaltspunkte o.ä. finden, kann man ja nur spekulieren, ob sich ein Politiker / Machthaber / Entscheider / eine Regierung irgendwie an geschichtlichen Ereignissen bzw. Vorbildern orientiert und Lehren daraus gezogen hat.
Naja, es gibt ja durchaus Fälle von politischen Entscheidungsträgern, von denen bekannt ist, dass sie ein sehr einschlägiges Interesse an Geschichte haben/hatten, oder von denen Tagebücher und ähnliche Aufzeichnungen vorhanden sind, die relativ glaubhaft solche Gedanken nahelegen.
Und es gibt sicherlich auch Situationen, bei denen man davon ausgehen kann, dass historische Rekurse eine Rolle für bestimmte Entscheidungen spielten, auch ohne das direkt fassbar ist.

Ein schönes Beispiel hierzu wäre wahrscheinlich die britische Appeasement-Politik gegenübr Hitler.
Die hatte sicherlich zum Teil etwas damit zu tun, dass man in Großbritannien allgemein der Ansicht war, dass der Versailler Friedensvertrag von 1919 zu weit gegangen war.
Diese Politik wird aber vor allem auch dann verständlich, wenn man sich klar macht, dass sie von Akteuren betrieben wurde, die miterlebt hatten, wie 20-30 Jahre zuvor ihre Vorgänger durch überzogenen Egoismus, eigennützige Prinzipienreiterei und Verbortheit in eigentlich minderbedeutenden Fragen und Krisen permanent am Rand eines großen Krieges standen und 1914 Europa in die Katastrophe führten von der es sich bis in die 1930er Jahre hinein nicht wirklich erholt hatte.
Da bestand zweifellos bei Chamberlain und seinen Mitstreitern der Wunsch aus den Fehlern die von den Kabinetten Balfour, Campbell-Bannermann und Asquith gemacht wurden zu lernen und nicht wieder durch überzogene eigene Interessenpolitik und Unnachgiebigkeit, in einen großen europäischen Krieg gezogen zu werden.

Man kann an das Beispiel aber natürlich die Frage stellen, ob diese Lehre, so verständlich es war sie zu ziehen, richtig war, oder ob dieser Versuch aus der Geschichte zu lernen, sich am Ende als fataler Irrtum erwies, weil blöderweise die Details der Einzelfälle falsch eingeschätzt oder nicht genügend berücksichtigt wurden, namentlich, dass Hitler eben nicht einfach nur ein neuer Bülow oder Bethmann-Hollweg oder Wilhelm II. war, der einfach nur bei den Großmächten mitspielen und auch ein Stück vom Kuchen haben wollte, sondern dass man es hier mit einem fundamental anderen Akteur zu tun hatte, der es darauf anlegte mit allem bisher dagewesenen zu brechen.


"Those who do not history are doomed to repeat its mistakes," Gordon W. Allport.
Aber kann man das Denken in abstrakten Modellen ohne genügnde Berücksichtigung der mit den Modellen inkompatiblen Details in disem Sinne als "doing history" bezeichnen? Das ist, denke ich, die interessantere Frage.

Wir Deutschen versuchen, die Fehler von Weimar, des Nationalismus, Rassismus und Faschismus zu vermeiden, setzen also alles daran, damit die Geschichte sich NICHT wiederholt ...
Wenn das Ergebnis dieses Versuchs darin besteht (ich bitte die tagespolitische Äußerung zu entschuldigen), dass eine als in Teilen rechtsextrem eingestufte Partei bei der letzten Wahl landesweit an die 20% holte, ganz ohne verlorenen Weltkrieg, Millionen von Witwen, Waiseen und Kriegsversehrten, Reparationsproblematik, zeitweilige internationale Finanzaufsicht, Hyperinflation, Besetzung von Teilen des Landes oder mit 1929 und folgend vergleichbarer akuter Weltwirtschaftskrise und damit verbundener veritabler Massenarbeitslosigkeit über das gewöhnliche Maß hinaus und wenn man konstatieren muss dass selbst, wenn man die Linkspartei als einwandfrei vollständig Republik- und Demokratietreu einstuft, an die 25% der Bevölkerung mit AfD und BSW Parteien gewählt haben, bei denen man wirklich Bauchschmerzen bekommen kann, wenn nicht muss, bezweifle ich irgendwie, dass da im Hinblick auf das "wie", was die Vermeidung angeht, das Richtige gelernt wurde.

Angesichts der momentanen Entwicklung kann der Schluss daraus eigentlich nur lauten, dass entweder die Mechanismen nicht mehr vergleichbar mit denen der 1930er Jahre sind, weil sich die Grundlagen der Gesellschaft zu sehr geändert haben oder dass die Mechanismen die in den 1920er und 1930er Jahren zum Erstarken der extremen Rechten geführt haben nie richtig verstanden wurden, oder aber das aus Bequemlichkeitsgründen richtige gezogene Lehren nicht befolgt werden.

Das wäre das traurige Fazit, ich möcht nicht wissen, wie es in diesem Land politisch aussähe, wenn es ähnlich schwerwiegende Hypotheken zu tragen hätte, wie die Weimarer Republik, trotz der Bemühungen Lehren zu ziehen.
 
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