Wiederholt sich Geschichte? (zyklischer Geschichtsverlauf)

@Shinigami, das sehe ich ähnlich. Der Vergleich mit Weimarer Verhältnissen hinkt gewaltig, aber wird benutzt, um Ängste zu schüren und Wähler zu manipulieren. Ein solches Schreckgespenst einer möglichen "Wiederholung der Geschichte" hat wohl mehr mit politischer Rhetorik zu tun als mit der historischen Wirklichkeit von damals und heute.
 
Die Situation ist mit der, in der sich Deutschland Anfang der 30ger Jahre befand, nicht zu vergleichen, allerdings sind es die Methoden und die Rhetorik der besagten "politischen Richtung" durchaus. Von daher scheinen eher bestimmte Methoden innerhalb der Geschichte immer ähnlich zu sein
 
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Auch in den USA wird ja nun diese Methodik angewandt.

Um nicht zu weit vom Thema abzuschweifen, im Umgang mit politischen Gegnern sehen wir heute ja durchaus Parallelen mit der Endphase der römischen Republik. Auch hier wurde ja letztlich der Ton immer Rauer und der Rahmen der Dinge, die man nicht tut immer weiter verschoben.

Das scheint allerdings nicht zyklisch zu sein, sondern wohl eher in der "Natur der Dinge" zu liegen.
 
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Eigentlich ein ganz passables Beispiel, wieso sich Geschichte nicht wiederholt und man aus ihr somit auch nur recht begrenzt lernen kann. Trotz mancher äußerlicher Parallelen unterscheiden sich die politischen Systeme der USA und der späten römischen Republik nämlich fundamental:
1. Die römische Republik verfügte über keine ausgearbeitete Verfassung. Es gab nur verschiedene Einzelgesetze mit Verfassungscharakter, die im Laufe der Jahrhunderte aus konkreten Anlässen heraus entstanden waren und kein aufeinander abgestimmtes Ganzes bildeten. Das meiste war ohnehin nur ungeschriebenes Gewohnheitsrecht. Vor allem gab es auch keine Gerichtsbarkeit, die über die Rechtmäßigkeit des Handelns von Magistraten hätte befinden (und sie gegebenenfalls einbremsen hätte) können. => Was sich einzelne Politiker herausnehmen konnten, hing nur davon ab, ob sie die Macht hatten, damit durchzukommen.
2. Es gab in Rom keine allgemeinen Wahlen zu gesetzgebenden Körperschaften. Der römische Senat war kein gewähltes Parlament. Zwar setzte er sich in der späten Republik aus gewählten Quaestoren zusammen, wurde insofern also zumindest indirekt gewählt, allerdings konnten die Senatoren nicht abgewählt (sondern allenfalls von den Censoren gefeuert) werden. Somit waren und fühlten sich die römischen Senatoren (trotz anderslautender Bekundungen) nur sehr beschränkt dem Volk verantwortlich. Vor allem ältere Senatoren, die ihre Ämterlaufbahn bereits hinter sich hatten, also nicht mehr auf die Gunst des Volkes angewiesen waren, konnten agieren, ohne sich im Mindesten um die Wünsche der Wähler kümmern zu müssen und natürlich ohne befürchten zu müssen, bei der nächsten Wahl abgewählt zu werden.
3. Es gab in Rom keine politischen Parteien, die sich kollektiv vor den nächsten Wahlen hätten fürchten müssen, sondern nur Einzelpersönlichkeiten. Diese vernetzten sich zwar mit anderen, aber im Grunde war jeder für seine Karriere allein verantwortlich und musste nicht von einer Partei „nominiert“ oder Ähnliches werden.
4. Vor allem aber kann man die Gouverneure der US-Bundesstaaten nicht mit den promagistratischen Provinzstatthaltern der späten Republik vergleichen.
5. Truppen werden in den USA nicht von einzelnen Politikern ausgehoben und sind auch nicht an diese gebunden bzw. von diesen abhängig, um besoldet und nach Dienstende versorgt zu werden.

Am ehesten Parallelen sehe ich nur in der Rolle des Geldes in der Politik. Hier wie da braucht man eine Menge davon, um politisch Karriere machen zu können, und wird entsprechend von Geldgebern abhängig.

Im Übrigen ging es nicht nur in der Endphase der römischen Republik rau zu. Harte politische Auseinandersetzungen (insbesondere die sog. „Ständekämpfe“) gab es immer wieder, auch politisch motivierte Morde oder Hinrichtungen politischer Gegner sowie (wenn man der Überlieferung glaubt) Umsturzversuche. Lediglich zwischendurch gab es immer wieder innenpolitisch etwas ruhigere Phasen, bis ungelöste Probleme und Konflikte erneut hochkochten. Wirklich neu waren in der späten Republik nur die offen ausgetragenen Bürgerkriege.
 
Auch in den USA wird ja nun diese Methodik angewandt.

Um nicht zu weit vom Thema abzuschweifen, im Umgang mit politischen Gegnern sehen wir heute ja durchaus Parallelen mit der Endphase der römischen Republik. Auch hier wurde ja letztlich der Ton immer Rauer und der Rahmen der Dinge, die man nicht tut immer weiter verschoben.

Das scheint allerdings nicht zyklisch zu sein, sondern wohl eher in der "Natur der Dinge" zu liegen.
Würde ich nicht unterschreiben und bei den fundamentalen Unterschieden kann ich @Ravenik nur zustimmen.

Allerdings würde ich meinen, dass man Teile der politischen Stimmung in den heutigen USA möglicherweise mit der politischen Krise am Ende der 1850er Jahre vergleichen könnte.
Wenn man sich mal ein wenig damit beschäftigt, in welcher Manier in den Südstaaten im unmittelbaren Umfeld der Sezession die Washingtoner Regierung beschimpft wurde und in welcher Weise im Besonderen Lincoln unterstellt wurde um jeden Preis die Sklaverei abschaffen und sich dafür nötigenfalls über die Verfassung hinwegsetzen zu wollen, obwohl dieser deutlich versprochen hatte, die Sklaverei, wo sie bereits bestand zu achten und auch die bestehende Rechtsordnung zu akzeptieren.*
Wenn man wollte, könnte man im Vergleich dieser Episode mit der derzeitigen Situation möglicherweise mal über die historische Bedeutung von Fake-News für die politische Kultur und Entwicklung der Vereinigten Staaten und Verfassungskrisen dort nachdenken, zumal weite Teil der Verfassung und des damaligen politischen Systems noch Bestand haben.
Ähnlich könnte man sich, was die USA angeht auch mit den Auswirkungen auseinandersetzen, die es mit sich brachte oder bringt, wenn die politischen Parteien oder Interessengruppen versuchten oder versuchen über die Beeinflussung des Supreme Court und Verfassungsklagen vor diesem Gesetzsänderungen zu erreichen, für die es in den beiden Kammern des Congress keine politischen Mehrheiten gibt, was zwar effektiv funktioniert, aber von Teilen der Bevölkerung natürlich als illegitim betrachtet wird und zu einem entsprechenden Aufschrei führt.

In dier Hinicht könnte man vielleicht die Auswirkungen des Dread-Scott-Urteils von 1857 auf die öffentliche Meinung, dass faktisch den Missouri Compromise von 1820 für verfassungswidrig erklärte und damit direkt in die Rechtsstzung der Vereinigten Staaten auf Bundesebene eingriff, mit dem jüngeren Beschluss des Supreme Court von 2022 vergleichen, mit dem das Abtreibungsrecht in den USA gekippt wurde.
Auch im Hinblick auf die Kompromittierung des Supreme Court und dessen Reputation und Legitimität als Verfassungsorgan der Vereinigten Staaten, in den Augen der Öffentlichkeit.

Das zum Beispiel würde ich möglicherweise für einen sinnvollen Vergleich halten, aus dem sich vielleicht etwas lernen ließe.
Allerdings sehe ich auch hier wieder keine Zyklen, weil eine derartig starke Verbindung der Frage der Besetzung oder Neubesetzung des Supreme Courts eher ein Ausnahmmerscheinung zu sein scheint (jedenfalls ist das mein Eindruck).
Im Fall Dread Scott und der Sklavereiproblematik war es nämlich pikanter Weise so, dass der Supreme Court, der über die Parxis der Befreiung von Sklaven qua Grenzübertritt und Aufenthalt in einem Bundesstaat, in dem die Sklaverei verboten war (darauf berief sich Scott, der seinen verstorbenen führeren Besitzer mit dessen Zustimmung in entsprechend Staaten beglitet hatte um seine Freiheit einzuklagen) entschied, mehrheitlich mit Südstaatlern bsetzt war.
Damit nicht genug, führte mit Roger B. Taney ein Richter den Vorsitz über die Verhandlung, der selbst aus dem Sklavenstaat Maryland stammte und dessen Familie mit dem Tabakanbau ein Vermögen gemacht hatte, der zwar nicht in dem Ausmaß mit der Sklaverei verquickt war, wie die Baumwollwirtschaft im Süden, dem man aber natürlich ohne weiteres unterstellen konnte der Großlandwirtschaft und der Sklavenhalterlobby durchaus nahe zu stehen.
Um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, scheint auch der damalige President-elect James Buchanan hinter den Kulissen jedenfalls versucht zu haben auf einen der aus dem Norden kommenden Richter, nämlich Robert Cooper Grier Einfluss auszuüben und diesen auf die Linie der aus dem Süden stammenden Richter zu bringen.
Man konnte also damals den Eindruck haben, dass ein Tribunal aus der Interessengruppe der Sklavenstaaten zusammengerufen wurde um über einen Fall, der die Entlassung von Sklaven betraf an der Legislative vorbei ins Rechtsgefüge des Bundes und die Praxis der Bundesstaaten einzugreifen und das ganz noch unterstützt von einem gewählten, zukünftigen Präsidenten.

Möglicherweise mit dem Kalkül, dass wenn der Supreme Court zu einem Urteil kommen würde, der die bisherigen Regelungen der Sklavenfrage durch den Bund oder die Praxis der Einzelstaaten, die sich weigerten die Bestimungen des "fugative slave acts" auszuführen, für verfassungswidrig zu befinden, dass politischen Druck von der Legislative nehmen und die Sklavenfrage im günstigsten Fall von der politischen Agenda nehmen würde, weil die Regieerung dann natürlich gegenüber den Sklavereigegnern darauf verwisen konnte, keine Bundesstaatliche Regelung zur Beendigung der Slaverei erlassen zu können, da dies verfassungswidrig sei.
Das Kalkül hier lief also wahrscheinlich darauf hinaus die Justiz und den Supreme Court als politischen Blitzableiter zu instrumentalisieren und gleichzeitig die Sklavenhalter im Süden zu beschwichtigen und den Zorn der Abolitionisten weg von der Regierung hin zur Justiz umzuleiten, ohne selbst aktiv Politik im Sinne der Südstaaten auf Ebene der Legislative macheen zu müssen.


Diese Form von Einflussnahme auf die Justiz und ihr Organe und die Auswirkungen kann man möglicherweise mit der jüngern Praxis der Besetzung des Supreme Court mit Exponenten bestimmter Interessengruppen vergleichen, die von der Regieung Trump (I) ja sehr bewusst vorgenommen wurde, wie man unterstellen darf.
Insofern wie gesagt, könnte man sich zum Beispiel darüber Gedanken machen, wohin dass für die Reputation und Legitimität der Justizorgane möglicherweise längerfristig führenn kann und hier den historischen Vergleich bemühen.









* Eine Verfassungsänderung, bzw. ein Zusatzartikel zum Verbot der Sklaverei hätte eine Zweidrittelmehrheit im Senat vorrausgesetzt und überdies von 3/4 der Bundesstaaten ratifiziert werden müssen um in Kraft gesetzt werden zu können, beides was mit legalen Mitteln nicht zu machen, weil die Sklavenstaaten entsprechende Sperrminoritäten/faktisch Parität besaßen.
Die Formung neuer Bundesstaaten aus den Territories oder bereits bestehenden Bundsstaaten zur künstlichen Herbeiführung entsprechender Mehrheiten im Senat und unter den Bundesstaaten, wäre ebenfalls nicht nötig gewesen, da der Beitritt neuer Bundesstaaten zur Union vom Senat abgesegnet werden musste, was schon im den fällen Missouris und Kaliforninens zu Blockaden der Aufnahmeanträge durch die Sklavenstaaten und zähen Verhandlungen, wie zum teil komplizierten Kompromissen geführt hatte, die Teilung von Bunesstaaten, wie der 1820 erfolgten Teilung von Massachusetts, hätte darüber hinaus eine Zustimmung ds Bundesstaates selbst erfordert und nicht einfach durch den Bund angeordnet werden können.
So lange im Congress die Aufnahme neuer Staaten kategorisch blockiert werden konnte und die Slavenstaaten hier eine Sperrminorität hatten, änderte auch der Kansas-Neebrasca-act erstmal nichts daran, dass sich die Gewichte im Senat nicht derart verschieben ließen.
 
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Für mich war bisher und bleibt die Historie ein ewiger Lernprozess.

Eine (zyklische) Wiederholung sehe ich nicht. Welche historischen Prozesse von anno dunnemal wiederholen sich denn da zyklisch?
 
Für mich war bisher und bleibt die Historie ein ewiger Lernprozess.

Eine (zyklische) Wiederholung sehe ich nicht. Welche historischen Prozesse von anno dunnemal wiederholen sich denn da zyklisch?

Ein zyklischer Wiedergänger ist zumindest die Klage, dass die Jugend verroht, keine Sitten und keine Manieren mehr hat und vor den Altvorderen keinen Respekt.

Aus Babylonien, aus dem alten Athen, aus Rom sind solche Klagen aus der Antike überliefert. Nun gehe ich auf die Sechzig zu, und manchmal erwische ich mich selbst dabei, dass ich von alten Zeiten schwärme. Von Zeiten, als Schlägereien und Messerstechereien noch ritualisierter abliefen, als man sich nach einer Schlägerei die Flossen schüttelte, statt dem Unterlegenen zehnmal vor den Kopf zu treten, bevor man ihn anspuckt und die Tat mit dem geraubten Handy filmt.

Die Vorwürfe, die der Jugend gemacht werden, sind aber fast die gleichen, die man schon unserer Generation in den 1980ern machte. In den 1980ern hieß es No Future.

Da kann man zwischen Punks der 1980er, zwischen den Sex Pistols und den Zirkeln, in denen Arthur Rimbaud verkehrte, durchaus Parallelen ausmachen. Selbst die Parole war die gleiche: "No Future!"

Die Libertins der Belle Epoque aus den 1880er Jahren hatten die gleiche Parole wie die Punks der 1980er Jahre, sie sprachen nur "no future" Französisch aus statt Englisch
 
Ein zyklischer Wiedergänger ist zumindest die Klage, dass die Jugend verroht, keine Sitten und keine Manieren mehr hat und vor den Altvorderen keinen Respekt.
Das ist meines Erachtens eher ein durchgehendes Merkmal der fortgeschrittenen Neuzeit. Früher ehrte man die Alten (wenigstens gab es diese Tendenz). Mit dem Beginn der Moderne und der sie leitenden Idee des unendlichen Fortschritts (Alain de Benoist) ergab sich eine andere Konstellation: nun wähnten sich die Jungen als fortgeschritten und die Alten als rückständig. Dadurch ließen sie es an Respekt vermissen. Dies hat Peter Sloterdijk in seinem Werk "Die schrecklichen Kinder der Neuzeit" meisterhaft beschrieben.

Aber damit wir nicht zu weit von Thema abkommen: die Frage nach "Wiederholungen der Geschichte" gewinnt an Brisanz, wenn man sie mit der Idee des Fortschritts kontrastiert oder kreuzt. Dann weitet sich die Zyklik zur spiralförmigen Entwicklung. Das passt dann zur Idee eines historischen Lernprozesses und des "Fortschritts der Vernunft", an den Hegel und seine Nachfolger glaubten.
 
Das ist meines Erachtens eher ein durchgehendes Merkmal der fortgeschrittenen Neuzeit. Früher ehrte man die Alten (wenigstens gab es diese Tendenz).
Ob das wirklich so war oder ob das nicht eher nur ein Ideal war, dem die Realität nicht entsprach? Die relativ häufig zu findenden Aufforderungen, die Eltern oder auch generell die „Alten“ zu ehren, könnte man auch so interpretieren, dass dem in der Praxis eher nicht entsprochen wurde. Wenn etwas ohnehin befolgt wird, braucht man nicht immer wieder dazu zu ermahnen.
 
Ich würde das Verhalten von Jugendlichen nicht unbedingt diesem Thema hier zuordnen und gleich gar nicht als einer zyklische Wiederholung der Geschichte.

Lausbubenstreiche gab es wohl zu jeder Zeit und passend in die Zeit wo diese auftraten.
 
Das ist meines Erachtens eher ein durchgehendes Merkmal der fortgeschrittenen Neuzeit. Früher ehrte man die Alten (wenigstens gab es diese Tendenz). Mit dem Beginn der Moderne und der sie leitenden Idee des unendlichen Fortschritts (Alain de Benoist) ergab sich eine andere Konstellation: nun wähnten sich die Jungen als fortgeschritten und die Alten als rückständig.
Der Umstand, das die Intellektuellen der Rennaissance/der FNZ den Begriff des "Mittelalteraltes" prägten um sich deutlich von dem Alten abzugrenzen und teilweise ziemlich über die vorherigen Verhältnisse und früheren Denkweisen vorheriger Generationen heruziehen, zum Teil mit deutlich übertriebenen Darstellung um sich selbst in ein besseres Licht zu stellen, wiederspricht mindestens mal der Vorstellung dass in dieser Beziehung ein qualitativer Umbruch erst im letzten Jahrhundert stattgefunden habe.
Ich würde sagen, wenn man von diesem Modell ausgehen möchte (ich für meinen Teil halte eher wenig davon) dann fand der Bruch spätestens im 16. Jahrhundert statt.

Das Problem, dass ich mit diesem Modell habe, ist allerdings das der Fiktionen Vergangenheit.

Denn über weite Teile der Geschichte stand dem Großteil der Bevölkerung ja Blick in die Vergangenheit über die eigene Lebenserfahrung hinaus, lediglich in Form erzählter Überlieferung und Mythen zur Verfügung, die überhaupt nicht verifizierbar waren.
Teils weil es einfach keine Aufzeichnungen gab, teils, weil die Bevölkerung zum Großteil Iilliterat war oder die alten Sprachen in denen über die Vergangenheit berichtet wurde nicht verstanden.

Also ehrteen sie nicht eigentlich die Vergangenheit und ihre Ahnen, sondern ihre Vorstellungen und Legendenbilder, wie die Vergangenheit und die Ahnen wohl gewesen sein mögen.

Nun könnte man aber einwenden, das Verehrung einer spekulativen, nicht mehr erleb- und erfassbaren Vergangenheit sich im Grunde auf einer ähnlichen Ebene bewegt oder bewegen kann, wie etwa die Faszination für fiktive Romanfiguren in der modernen Belletristik, Sci-fi und Fantasy, jedenfalls wenn es über sakrale Dinste für die unmittelbaren eigenen Vorfahren in Form von Totenritualen etc. hinausgeht.
Aber auch die sind im Prinzip kein auf die Vormoderne beschränktes Phänomen.

Auch wenn das in Europa, wenn man von Dingen, wie der reinen Grabpflege mal absieht eher keinen Platz mehr hat, wirf mal einen Blick auf diverse asiatische Kulturen, in denen das bis heute praktiziert wird. Z.B. Japan, wo Ahnenkult in gwissen Grenzen noch heute Teil der Shinto-Traditionen ist.

Über die Verbreitung gibt es sehr verschiedene Zahlen, zumal sich diese Traditionen auch mit anderen religiösen/philotophischen/kultischen Auffassungen verbinden kann aber es findet dort in einer Gesellschaft, die definitiv in der Moderne angekommen und durchaus auch recht fortschrittsbejahend ist, weiterhin statt.

Dadurch ließen sie es an Respekt vermissen. Dies hat Peter Sloterdijk in seinem Werk "Die schrecklichen Kinder der Neuzeit" meisterhaft beschrieben.
Also das ist definitiv kein neues Phänomen, dass jedenfalls Teile der Jugend wenig Respekt vor bestimmten Konventionen hatte.

Schau dir die Gebräuche und Sitten der studentischen Burschenschaften, im 19. Jahrhundert und zum Teil auch die studentische Kultur früherer Zeiten mal an.
Im 19. Jahrhundert gehörte es für einen Studenten als eine Art inoffizielles Ehrenzeichen mehr oder weniger dazu, sich mindestens ein paar Duellnarben eingefangen zu haben.
So Ereignisse wie das "Wartburgfest" inklusive reichlich nationalistischen Getöses und angeschlossener Bücherverbrennung gingen irgendwie auch gegen den Comment und die überliefeerten Traditionen oder die Vorstellung von sakralem Respekt vor dem Althergebrachten.

Mit ein Grund, warum bereits in den Karlsbader Beschlüssen 1819, die Universitäten unter strenge Aufsicht gestellt, studentische Burschenschaften verboten und Turnplätze geschlossen wurden.
Das hatte sich damals der alte Metternich noch ausgedacht, dem genau wie den Herren in Berlin das Verhalten der studentischen Jugend zutiefst suspekt war und der fürchtete, dass Unruhe und Revolution davon ausgehen könnten.

Aber damit wir nicht zu weit von Thema abkommen: die Frage nach "Wiederholungen der Geschichte" gewinnt an Brisanz, wenn man sie mit der Idee des Fortschritts kontrastiert oder kreuzt. Dann weitet sich die Zyklik zur spiralförmigen Entwicklung. Das passt dann zur Idee eines historischen Lernprozesses und des "Fortschritts der Vernunft", an den Hegel und seine Nachfolger glaubten.
Da wäre erstmal die Frage zu klären, was ist Fortschritt überhaupt?

Bei diversen Dingen die gerne als Fortschritt gesellschaftlicher Art verstanden werden, handelt es sich, wenn man das im weiteren historischen Kontext betrachtet häufig auch um Dinge, die früher mal ganz ähnlich geregelt waren.

Z.B. wenn du eine heute lebende Person jüngeren oder mittleeren Semesters fragen würdest, ob man es für fortschrittlich halten sollte, dass Frauen einer Erwerbsarbeit nachgehen, würden die Meisten dem wahrscheinlich zustimmen.
Wenn man die gleiche Frage einer Person aus dem Kleeinbürgrtum der ausgehenden viktorianischen Epoche stellen würde, würde diese vermutlich geantwortet haben, dass das ein Rückschritt wäre, wo man es doch durch fortschrittliche Neuerungen gerade erst zustande gebracht hatte, dass Frauen- und Kinderarbeit außerhalb des Haushalts weitgehend unnötig geworden und vom Gesetzgeber verboten oder stark reglementiert worden war, eben um die Frauen zu schützen.

Was Technik angeht, kann man Fortschritt vielleicht objektiv messen. in vielen gesellschaftlichen Fragen ist das schwierig, weil Dinge eben umgewertet werden.
Wenn im ausgehenden 19. Jahrhundert die Ehefrau eines Kleinbürgers sich um den Haushalt kümmern und nicht einer Erwerbstätigkeit nachgehen musste und der Ehemann auch darauf bestand, konnte das als Zeichen sozialen Aufstiegs gelten und gereichte dem Mann, der die Versorgung der eigenen Familie selbst bestreiten und die Familie schonen konnte zu Ansehen und Ehre.
Ein Jahrhundert später, gilt der Ehemann, der sich so verhält als unzivilisierter, ewiggestriger Familientyrann, weil die Erwerbstätigkeit der Frau eben nicht mehr mit Belastungen oder Gefahren der Arbeitswelt assoziiert wird, sondern mit Selbstbestimmung und Freiheitsrechten der Frau.

Was aber heute aus Ausdruck persönlicher Freiheit gilt, die Berufstätigkeit der Frau, konnte vor 100 oder 150 Jahren als Ausdruck ökonomischer Unfreiheit gelten.
 
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Auch Einstein ging doch von einem Zyklus aus ,sagte er nicht"Ich weiß nicht wie der dritte Weltkrieg ,waffentechnisch geführt wird aber in dem vierten Weltkrieg werden wieder Keulen benutzt." das war die Zeit wo gerade an der nuklearen Bewaffnung gearbeitet wurde.
 
@Shinigami, ich bin zwar kein Historiker, aber ich glaube, Sie unterschätzen meinen Hintergrund in Sachen Fortschritt und Generationen. Ich hatte ja Alain de Benoist genannt, einen "umstrittenen" Vordenker der Nouvelle Droit, der die Idee des Fortschritts, die für die "Moderne" absolut prägend war, sehr genau erläuterte.
Und Peter Sloterdijk, der die Besonderheiten der Generationenverhältnisse vor allem in der "Moderne" auch im Vergleich' zu früheren Epochen ziemlich gründlich analysierte.
Mein Beitrag gründet sich also nicht auf persönliche Meinungen, die ich mir aus den Fingern gesaugt habe,
Allerdings verfüge ich nicht über Ihr reiches historisches Wissen, mit dem Sie mir manches schon gut erklärt haben. Dafür hoffe ich, gelegentlich etwas anderes zu bieten, das die Foristen interessieren oder anregen könnte.
 
@Shinigami, ich bin zwar kein Historiker, aber ich glaube, Sie unterschätzen meinen Hintergrund in Sachen Fortschritt und Generationen. Ich hatte ja Alain de Benoist genannt, einen "umstrittenen" Vordenker der Nouvelle Droit, der die Idee des Fortschritts, die für die "Moderne" absolut prägend war, sehr genau erläuterte.
Nun, wie gesagt, beim Thema Fortschritt, wäre abseits technisch messbarer Dinge zu fragen, was denn nun überhaupt objektiv betrachtet Fortschritt sei.

Das die Vorstellung von Fortschritt, bei allerdings sehr unterschiedlichen Ideen davon, was dass denn in gesellschaftlicher Hinsicht genau sei, für das 19. Jahrhundert und die Erste Hälfte des 20. Jahrhunderts recht bedeutsam war, ist erstmal eine These, der ich nicht widersprechen würde.

Nur die vorher geäußerte Vorstellung, bis dahin hätten man sich vor allem an der Vergangenheit und am Althergebrachten orientiert die beißt sich ein wenig, damit, wie negativ (tendenziell) die Denker der Renaissance und des frühneuzeitlichen Humanismus sich über das vergangene "Mittelalter" äußerten und auch mit welcher Verächtlichkeit in Teilen die Aufklärer des 17. und 18. Jahrhunderts auf die Vergangenheit oder wie sie sich die Vergangenheit vorstellten zurückblickten.

Und Peter Sloterdijk, der die Besonderheiten der Generationenverhältnisse vor allem in der "Moderne" auch im Vergleich' zu früheren Epochen ziemlich gründlich analysierte.
Vielleicht reden wir hier ein wenig aneinander vorbei.
Du hattest zeitlich nicht präzise eingegrenzt, wo genau Sloterdijk da den Umbruch sehen möchte, ich selbst kenne Solterdijks Einlassungen inhaltlich nicht. Du hattest in dem Beitrag im ersten Teil den Begriff "fortgeschrittene Neuzeit" benutzt, ohne das näher einzugrenzen.
Ich hatte den spontan mit ausghendes 19. bis 20. Jahrhundert dekodiert.
Sollte damit etwas anderes gemeint gewsen sein, reden wir möglicherweise aneinander vorbei.
 
@Shinigami
Nun, wie gesagt, beim Thema Fortschritt, wäre abseits technisch messbarer Dinge zu fragen, was denn nun überhaupt objektiv betrachtet Fortschritt sei.
Wenn man versucht, Fortschritt "objektiv" zu betrachten, kommt man ins Schleudern und auch weg von der historisch-sozialen Wirklichkeit, denn entscheidend für diese ist mehr, was die Menschen jeweils unter "Fortschritt" verstanden und dafür hielten. Kurz gesagt war das zu Beginn der "Moderne" (als Phase der "fortgeschrittenen Neuzeit", etwa ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts) die Idee, dass mit der Abschaffung bzw. Auflösung der ständischen Gesellschaft alles immer freier, aufgeklärter und besser werden würde: die sozialen Verhältnisse, Justiz, Wissenschaft, schönen Künste, Politik, Wirtschaft, Technik, Wohlstand.

"Moderne" ist unter Soziologen eine viel strapazierte Kategorie. Ob auch unter Historikern, weiß ich nicht. Gemeint ist damit die Zeit der Auflösung der ständischen Gesellschaft und danach, eine Zeit, die mit Trends zur Liberalisierung und Individualisierung einherging und mit der Idee des Fortschritts verbunden war.
Von "Postmoderne" kann man sinnvoll reden, nachdem der Glaube an die Möglichkeit eines solchen umfassenden Fortschritts geschwunden war.
Ich bin, was solcherlei Epocheneinteilungen und -begriffe betrifft, zwar skeptisch, aber es gibt eine Fülle von Belegen, dass die Moderne wirklich eine welthistorisch und kulturvergleichend einmalige Zeit mit einem besonderen kollektiven Bewusstsein oder kollektivem Wahnsinn und besonderen Errungenschaften war, von denen die westlichen liberalen Gesellschaften heute noch zehren.

Die Moderne zeichnete sich also durch eine besondere ZEITVORSTELLUNG aus, und die war von der oben skizzierten Idee des Fortschritts bestimmt. Diese Idee hatte es in dieser Form zuvor nicht gegeben. Die spezifisch christliche Zeitvorstellung war eine andere, antike Zeitvorstellungen wieder ganz anders (etwa vom goldenen Zeitalter). Ein Thema für unendliche historische Forschungen.

Von hier können wir doch wieder einen Bogen schlagen zum Thema "zyklische Geschichte" und "Wiederholungen". Die Moderne, die die Älteren noch aus eigener Erfahrung kennen, war eine Zeit, in der man wenig an mögliche Wiederholungen der Geschichte dachte, eben weil man Fortschritte erwartete, nach Neuem gierte und auf dauerndes Wachstum fixiert war.
Zugespitzt: ewiger Fortschritt ist die Antithese zur "zyklischen Geschichte".
 
Kurz gesagt war das zu Beginn der "Moderne" (als Phase der "fortgeschrittenen Neuzeit", etwa ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts) die Idee, dass mit der Abschaffung bzw. Auflösung der ständischen Gesellschaft alles immer freier, aufgeklärter und besser werden würde: die sozialen Verhältnisse, Justiz, Wissenschaft, schönen Künste, Politik, Wirtschaft, Technik, Wohlstand.
Aber dieser "Fortschritt" war weniger in konkrete einheitliche Idee, als viel mehr eine Projektionsfläche sehr verschiedener Ideen.

"Fortschritt" ist ja etwas, worauf sich Liberale genau so berufen konnten, wie die frühen Exponenten sozialistischer Vorstellungen oder Vertreter anarchistischer Ideen aber man kann nicht behaupten, dass die in die gleiche Richtung unterwegs gewesen wären.
Wenn die überhaupt eine gemeinsame konkrete Vorstellung hatten dann nicht von Fortschritt und dem was sie haben wollten, sondern von Rückständigkeit (in Form der Feudalgesellschaft/Ständeordnung) die sie nicht mehr wollten.

"Moderne" ist unter Soziologen eine viel strapazierte Kategorie. Ob auch unter Historikern, weiß ich nicht. Gemeint ist damit die Zeit der Auflösung der ständischen Gesellschaft und danach, eine Zeit, die mit Trends zur Liberalisierung und Individualisierung einherging und mit der Idee des Fortschritts verbunden war.
Das Problem dürfte sein, dass man das wiederrum zeitlich so allgemein nicht wird festmachen können, zumal es ja auch vorraussetzt, dass überall eine ständische Gsellschaft vorhanden gewesen wäre, die sich hätte auflösen können.
Das entspricht in Teilen den Mittel- und Westeuropäischen Verhältnissen.
Wobei man jetzt in England, den Niderlanden, der Schweiz und diversen Stadtrepubliken vor der Napolónik im Heiligen Römischen Reich und in Italien sicherlich hinterfragen kann, inwiefern die tatsächlich ständisch im Sinne eines idealtypischen Feudalsystems organisiert waren, insofern er hier sicherlich zwar Standesunterschiede gab, aber kein derartig verhärteten schroffen Standesgrenzen wie in anderen Teilen Kontinentaleuropas, die soziale Mobilität völlig unterbunden hätten.
Das mag im gewissem Maße auch auf Polen, Ungarn und Böhmen-Mähren zutreffen. In diesen Territorien gab es zwar so etwas wie einen Adel, der sich allerdings zum Teil weit weniger von der nichtadligen Bevölkerung abhob, als das weiter westlich der Fall war.
Adel in Polen, Böhmen und Ungarn umfasste nämlich zum Teil auch Personen, die man in anderen Teilen des Heilign Römischen Reiches oder in Westeuropa eher als größere/wohlhabendere Bauern aber nicht als Adel in deren Verständnis qualifiziert hätte.
Was im Übrigen eben in Böhmen, Ungarn und Polen dazu führte, dass bis zu 10% der Bevölkerung dem Adel zugrechnet wurden und der Leebensstil und die Möglichkeiten vieler Adliger sich nicht unbedingt besonders von denen der Nichtadligen unterschieden, da dürfte es dann zum Teil eher um Restige und Ansehen als um real große Unterschiede in den Möglichkeiten zur Lebensgestaltung gegangen sein.

In Russland war 1722 von Zar Peter dem Großen der Adel (wenn man die überkommne Klasse der Bojaren so nennen kann) insofern reformiert worden, als dass er dienstverpflichtet wurde.
Gleichzeitig wurde der zivile Staats- und Militärdienst in ein Rangordnung eingeteilt, in der sich die Adligen dann wiederfanden. Aber eben nicht als abgeschlossene eigenständige Kategorie, sondern auf einem persönlichen Rang, entsprechend persönlicher Meriten.
Diese petrinische Rangtablle/Rangordnung brachte aber natürlich die überlieferte Gesellschaftsordnung insofern durcheinander, dass dadurch dinsteifrig Personen, die in der sozialen Hierarchie relativ weit unten Standen andere Personen mit einer sozial höhergestellten Herkunft überholen und deren Vorgesetzte werden konnten.
Da der Staatsdienst grundsätzlich auch Nichtadligen offenstand konnten diese (auch wenn das realitier eher selten passierte) über die Laufbahn im Staatsdienst an Teilen des Adels vorbeiziehen, und später auch durch das Erreichen bestimmter Ränge (vor allem im Militär, später auch in der zivilen Laufbahn) eine Erhebung in den erblichen Adelsstand erreichen, Personen/Familien, die über sich über mehrere Generationen weigerten der Dienstverpflichtung nachzukommen oder dass allenfalls lustlos taten und bestimmte Ränge nicht erreichten, der Adel wieder aberkannt werden konnte.
Auch hier war das mit den gesellschaftlichn Schranken, nicht so in Stein gemeißelt, wie man sich den Feudalismus in Westeuropa vorstellt, wenngleich in Russland auf der anderen Seite natürlich lange die Leibeigenschaft vorhanden war, die man in jedem Fall als ständisches Element betrachten kann.

Auch Amerika, jedenfalls die britischen Kolonien, fallen beim Thema "Feudalismus" ja irgendwie hinten rüber, weil dort nie der Versuch unternommen war eine Feudalordnung nach kontinentaleuropäischen Musteer zu etablieren.

Da würde sich jetzt die Frage stellen, ob man die Auflösung der Ständegsellschaft die man im Bezug auf Teile Kontinentaleuropas im Blick hat, als übrregionales Phänomen betrachten kann, weil man durchaus behaupten könnte, dass eine solche Feudalgesellschaft mit allen ihren klassischen Merkmalen in weiten Teilen Osteuropas (wo es Libigenschaft und Frohndienste gab, aber kein so scharfe Trennung zwischen Adel und Nichtadel, dass soziale Mobilität nicht grundsätzlich möglich gewesen wäre überhaupt nicht gegeben hatte.
Genau so könnte man das bei England und seinen Kolonien, festmachen. In England gab es zwar einen Adel (der aber nicht abgeschottet war und sich in Machtfragen mit dem Bürgertum verständigen musste) und ständische Element vielleicht etwa in Ausgrenzung von Katholiken und Dissenters, aber kein klassisches System der Unfreiheit/Leibeigenschaft. In den Kolonien gab es zwar zum Teil sich ausdehnende Sklavenwirtschaft, aber ansonsten keine Leibeignschaft und keinen adligen Überbau.
In diversen Stadtstaaten Mittleuropas, gab es weder eine dezidirte Adelsherrschaft, noch Unfreiheit der Einwohner/Bürger in größerm Stil.
Leibeignschaft war westlich der Elbe eigentlich bereits in der frühen Neuzeit zunehmend eine Ausnahmeerscheinung.


Man wird konstatiren können, dass sich die Auflösung der ständischen Ordnung insofern auf die Lebenswirklichkeit sehr unterschiedlich auswirkte.
Von überhaupt nicht, in Gebieten in denen es die vorher nicht gegeben hatte, bis hin zur grundstürzenden Neuerung.
 
Von "Postmoderne" kann man sinnvoll reden, nachdem der Glaube an die Möglichkeit eines solchen umfassenden Fortschritts geschwunden war.
Das setzt erstmal vorraus, dass es ihn, zumal alls allumfassend positives Phänomen oder positive Prspektive überhaupt gegeben hätte.

Die Auflösung der alteuropäischen Standeesgeseellschaft zwischen dem ausgehenden 18. und der Mitte des 19. Jahrhunderts brachte ja Folgen mit sich die für einen großen Teil der Bevölkerung nicht unbedingt erfreulich war.

Etwa die Bauernbefeiung wie sie sich historisch vollzog, war in vielen Gebieten, in denen es vorher die Leibeigenschaft noch gegeben hatte, für einen Großteil der Kleinbauern schlicht eine Katastrophe, weil sie aus ihren kleinen Anbauflächen die die Geldabgaben, die an die Stelle der Hand- und Spanndienste getreten waren und die überwälzten Kosten der Bauernbfreiung in Form von Ablösungszahlungen an die ehemaligen Grundherren schlich nicht Bezahlen konnten und ihre Höfe und Eigenständigkeit recht schnell aufgeben mussten.
Ähnliches beim trditionellen kleinen oder zünftigen Handwerk, dass durch die Einführung von Gwerbefreiheit und Aufkommen von Industrieproduktion seine Möglichkeit zu eigenständiger Existenz oft einbüßte.

Das kapitalstarke Großbürgertum, dessen Stunde jetzt schlug, dass hatte vielleicht Fortschrittsoptimismus und sicherlich auch das Bildungsbürgertum, dass selbst nicht unbedingt zu den Profiteuren gehörte, aber jedenfalls keine Existenzsorgen hatte mag das auch so gesehen haben und dass sind natürlich die Stimmen, die wir kennen.
Dabei darf man aber nicht übersehen, dass man vor allem deswegen viel Fortschrittsoptimismus aus den Quellen dieser Zeit herauslesen kann, weil sie häufig von den Gewinnern dieser Entwicklung verfasst wurden, während die Verlierer dieser Entwicklung sich zukünftigen Gernartionen zum Teil nicht mittilen konnten, weil sie in weiten Teilen noch Illitteraten waren und ihre Beobachtungen und Gedankn nicht in dieser Form zu Papier bringen konnten.
Letztendlich bstand aber die gesamte frühe Industriearbeiterschaft, oder jedenfalls ein großer Teil davon, aus Verlierern dieser wirtschaftlichen Veränderungen, deenn das waren dann diejenigen, die sich als schlecht bezahlte, abhängige Arbeiter verdingen mussten, weil ihnen die Entwicklung ihre wirtschaftliche Existenz als Kleinbauer oder Handwerker gekostet hatte.
Die Vorstellung, dass diese Leute ihren sozialen Abstieg als begrüßnswerten Fortschritt empfunden hätten, die halte ich für weit hergeholt, sie passt außerdem nicht natürlich nicht zu bestimmten, dezidiert sozialkonservativen Protestbewegungen oder Protestformen (wie etwa das Maschinenstürmen oder Teile des romantischen Frühsozialismus und bestimmten anarchistischen Einstellungen).
Es passt übrigens auch nicht, zu den vorhandenen Migrationsbewegungen. Wenn die Bevölkerung in Europa im flächendeeckend den Fortschritt gsehen und mit Optimismus in die Zukunft geblickt hätte, hätte sich nicht ab der Mitte des 19. Jahrhunderts die Massenauswanderung nach Amerika entwickelt, die im Grund genommen bis in die Zeit um den Ersten Weltkrieg herum anhielt.

Einen gewissen Fortschrittsoptimismus und Technikgläubigkeit auch der unteren sozialen Schichten kann man viellicht um die Wende zum 20. Jahrhundert herum identifizieren als sich die Dinge dann so weit entwickelt hatten, dass es mit dem Lohnniveau der Arbeiterschaft bergauf und dem Aufbau eines Sozialstaates und umfassenden Versicherungswesens dann allmählich los ging.

Dieser Optimismus war dann aber vielerorten auch mit dem Ersten Weltkrieg recht schnell wieder zu Ende (Massive innpolitische Verwerfungen und Kämpfe um Modrnisierungen waren ja nicht nur Phänomen bei den Kriegsverlierern, sondern auch anderswo und auch in den USA machte die Weltwirtschaftskrise Ende der 1920er Jahre eine Menge Zukunftsoptimismus kaputt).

Dann mag in Westeuropa irgendwann in den 1950r-1960er Jahren nochmal Optimismus eingekehrt sein, und sich ungefähr ein halbes Jahrhundrert mit einigen Tiefs ghalten haben.

Aber die umfassend fortschrittsoptimistische Perspektive seit dem Auflösung der Ständegesellschaft, die sehe ich nicht, dass halte ich für eine Chimäre.
 
Zuletzt bearbeitet:
Von hier können wir doch wieder einen Bogen schlagen zum Thema "zyklische Geschichte" und "Wiederholungen". Die Moderne, die die Älteren noch aus eigener Erfahrung kennen, war eine Zeit, in der man wenig an mögliche Wiederholungen der Geschichte dachte, eben weil man Fortschritte erwartete, nach Neuem gierte und auf dauerndes Wachstum fixiert war.
Zugespitzt: ewiger Fortschritt ist die Antithese zur "zyklischen Geschichte".
Die Moderne ist ist noch nicht zu Ende, aber der Fortschrittsglaube hat schon ein wenig gelitten. Es wird auch von Spätmoderne oder reflexiver Moderne geschrieben. Auch Zyklus braucht ein bisschen Fortschritt, um überhaupt zu entstehen.
Das Mißverständnis ist vielleicht, daß nicht die Geschichte selber zyklisch ist, sondern die größeren soziokulturellen Gebilde oder Zusammenhänge. Was in der Zeitdimension ein Zyklus ist, wäre in einer räumlichen Dimension eine Kultur oder ein Kulturkreis, ein staatliches Gebilde oder eine ökonomische oder geopolitische Hegemonie. Die beiden wichtigsten Zyklentheorien sind meines Wissens Verfassungszyklen(z.B.Polybios) und Kulturzyklen(z.B. O.Spengler). Der entscheidende Unterschied ist das einmal eine regelgeleitete Ordnung als maßgebend angenommen wird und ein anderes mal eine kulturelle Hegemonie. Diese kann natürlich auch einfach in Form von militärischer, technischer und ökonomischer Überlegenheit liegen. Wenn man nun den Aufstieg und Fall von Grossreichen betrachtet, gehen diese meistens einher mit einem kulturellen und religiös-ideologischem universellen Herrschaftsanspruch, wobei die integrierende Wirkung auch von kleineren Staaten oder Kulturen(Ich möchte nicht von Völkern sprechen)bisweilen als fortschrittlich angenommen wird.
Solche großen imperialen Gebilde treten erst mit fortschreitender Globalisierung in einen Wettbewerb, der sie als Pole in einem universellen Mächtegleichgewicht erscheinen lässt. Das kann man auch innerhalb einer Kulturkreistheorie als "Clash of Zivilisations"(S.P.Huntington) sehen.
Auf der Ebene der Verfassung ist es ein Konflikt bei dem vornehmlich die Macht des Stärkeren über einer regelbasierten Ordnung steht. Das entscheidende scheint zu sein, ob es zu einem stabilen System kommt, und Kriege vermieden werden können.
Ich sehe den zyklischen Charakter eines universell gedachten Systems darin, daß eine multipolare Weltordnung niemals stabil sein kann, weil es im Kampf um Ressourcen immer zu einer Akkumulation der Vorteile kommt, die erst zu Bündnissen, dann zu einer bipolaren und sich dann zu einer nicht mehr polaren Welt wandelt.
Meine Frage ist konkret: Gibt es eine stabile multipolare regelbasierte Ordnung, oder fängt es nach einem Zerfall der "Hegemonie des Westens" wieder von vorne an, (was ja auch ein Hinweis auf eine gewisse Zyklizität wäre;))? Was sagt die Geschichte?
 
Meine Frage ist konkret: Gibt es eine stabile multipolare regelbasierte Ordnung, oder fängt es nach einem Zerfall der "Hegemonie des Westens" wieder von vorne an, (was ja auch ein Hinweis auf eine gewisse Zyklizität wäre;))? Was sagt die Geschichte?
Gegenfrage:

Gibt es denn überhaupt so etwas, wie eine stabile Ordnung, über längere Distanzen, was die Zeitachse betrifft? Ich denke nein.

Eine multipolare Ordnung, kann immer durch Interessengegensätze und Konflikte zwischen den Vormächten dieser Ordung durcheinander gebracht werden und da angenommen werden darf, dass diese in irgendeiner Form mit imperialen Ansprüchen aggieren, um ihre Macht auszubauen, darf auch angenommen werden, dass ihre Interessen früher oder später kollidieren.
Ob dann eine Lösung für den Interessenkonflikt zu finden ist, hängt in der Regel dann davon ab, ob mindestens eine der beteiligten Mächte ihren Expansionsdrang in eine andere Richtung umleiten kann, ohne in Konflikt mit einer anderen Großmacht zu geraten.

Eine Unipolare Ordnung mit einem klaren Hegemon, wird früher oder später deswegen instabil, weil der Hegemon früher oder später mit innenpolitischen Problemen und inneren Widersprüchen zu tun bekommt, die es erschweren die Ordnung aufrecht zu erhalten.
Das ist eigentlich relativ einfach einsichtig, wenn man versteht, dass ein Imperium vor allem Kosten verursacht und dass sich eine machtpolitische Vorrangstellung nicht unbedingt in positiven ökonomischen Effekten niederschlägt.
Die wären nur dann gegeben, wenn die Vormacht des Systems die zum eigenen Machtbereich gehörenden mindermächtigen Akteure kontinuierlich wirtschaftich durch Abgaben etc. belasten würde, wenn sie das aber tut, erzeugt sie damit Unzufriedenheit und Potential für Instabilität durch Illoyalität der zum System gehörenden Akteure.
Verzichtet ein Hegemon aber darauf die mindermächtigen Akteure wirtschaftlich allzu sehr zu schröpfen um sich deren Loyalität zu sichern und im schlimmsten Fall eine Polykrise des Machtsystems zu riskieren, weil sich diejenigen, die die Lasten zu tragen haben das nicht mehr gefallen lassen wollen und versuchen aus dem System auszuscheren, muss er die Bearbeitung von Problemen in seinem Einflussbereich aus eigenen Mitteln bestreiten, also der eigenen Bevölkerung dafür Abgaben auferlegen und von ihr verlagen gegebenenfalls auch Truppen zu stellen um Krisenherde zu entschärfen.

Das aber wird diese Bevölkerung oder mindstens signifikannte Teile davon nicht mehr bereit sein mitzutragen, wenn die an sie herangetragenen Zumutungen zu groß werden oder sich ihre eigene wirtschaftliche Situation verschlechtert, was nicht einmal etwas damit zu tun haben muss, dass es wirtschftlich insgesamt schlechter geht, sondern auch an Akkumulationsdynamiken etc. liegen kann und die werden in der Regel vorhanden sein, wenn das System selbst es nicht unterbindet.

Man könnte jetzt ein Gedankenspiel darüber anstellen, ob es theoretisch einen dauerhaft stabilen Hegemon geben könnte. Wenn man die Problematik der Belastungen für die Aufrechterhaltung eines Imperiums oder einer regelgeleiteten Ordnung durch diesen Hegemon so wie die interdependenz mit verteilungsfragen innerhalb der Gesellschaft des Hegemons selbst in Rechnung stellt, würde dies vermutlich vorraussetzen, dass der Hegemon sozialistisch/kommunistisch organisiert sein müsste, um die Belastungen in der Bevölkerung gesteuert einigermaßen gleichmäßig verteilen zu können, so dass alle Teile der Bevölkerung nur in einem Maß belastet werden, dass sie das Tragen der Kosten des Imperiums dauerhaft akzptieren könnten
So lange es eine tendenziell wachsende ungleichmäßige Verteilung des Wohlstands innerhalb der Gesellschaft des Hegemons gibt, durch die Teile der Bevölkerung in prekären Verhältnissen Leben, die dann zusätzlich noch die Kosten für das Imperium aufgebürdet bekommen, von dem sie persönlich keine Vorteile haben, wird es innerhalb der Gesellschaft des Hegemon selbst immer Widerstände gegen das Ordnungssystem/Imperium geben und früher oder später führt dass zu Auseinandersetzungen beim Hegemon selbst, darum, ob das System aufrechterhalten werden kann oder besser aufgegeben werden sollte.


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Vielleicht noch in kurzer Kommentar zur "Hegemonie des Westens".

Wenn es jemals eine weltweit akzeptierte Hegemonie des Westens gegeben hat, dann bestand die allenfalls (und auch nur dann, wenn man u der Theorie willen Japan als Akteur übersehen möchte) bis zum 1. Weltkrieg in Gestalt einerseits des "Konzerts" der europäischen Großächte und andererseits der US-Amerikanischen Vormacht über den amerikanischen Doppelkontinent.


Das was wir nach 1990 hatten und was gerne als "unipolare Welt" apostrophiert wird, war keine Hegemonie, jedenfalls nicht im globalen Maßstab.
Mit dem Zerfall der Sowjetunion schien es vielleicht so, dass Osteuropa und Russland nun daurhaft der westlichen Ordnung angegliedert würden, aber selbst, wenn man in den 1990ern und frühen 2000ern bereit war das optimistischer Weise anzunehmen, kann doch nicht übersehen werden, dass China und Teile Asiens und Afrikas niemals Teil dieser Ordnung gewesen sind.
Es forderte zwar niemand den Machtanspruch dieser Ordnung in Europa mehr heraus, aber selbst der us-amerikanische Hegemon des Systems war am Ende nicht fähig oder Willens einen Gegenateur vom Kaliber Chinas in diese eigene Ordnung hinein zu zwingen.


Vieleicht sollte man sich in diesem Sinne, einmal Gedanken darüber machen, was es überhaupt bedeutet ein Pol im globalen Machtsystem zu sein.

Setzt das ein eigenes imperiales Aggieren dahinghnd vorraus mit einem anderen Machtzetrum in Konkurrenz um bestimmte Drittakteure und deren Zugehörigkeit zu einer Machtsphäre zu treten? Selbst in diesem Fall sollte man sich wenn man mal über chinesischen Einfluss etwa in Nordkorea und Vietnam nachdenkt viellicht fragen, ob da nicht bereits in den 1990ern ein Pol vorhanden war, den man bloß wegen der Fixierung auf die ehemalige Sowjetunion und weil Ostasien eben für uns weit weg ist, nicht sehen wollte.
Oder aber reicht es um ein Pol zu sein, der Auswirkung auf das globale Machtsystem hat, bereits aus sich den Ordnungsansprüchen anderer Mächte de facto zu entzihen und damit möglicherweis auch durch passiven Widerstand gegen ein Regelsystem ohne explizites Streben nach einer eigenen Einflussphäre dadurch Instabilität zu erzeugen für jeden, der versucht aus dem System heraus zu kommen ein potentieller Orientierungspunkt und Bundesgenosse zu sein?
 
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