[FONT="]1. Loyalitätswahrende Maßnahmen der Nationalsozialistischen Führung 1933 bis 1945[/FONT][FONT="][/FONT]
[FONT="]Im nationalsozialistischen Deutschland stand die Sozialpolitik einerseits in einem Kontinuum zur Weimarer Republik, andererseits unterschied sie sich aber durch den Aktionismus, der die NSDAP wie jede Partei, die sich als „Bewegung“ stilisiert, prägte. Kontinuität zeigte sich – abgesehen von der Gleichschaltung – in der Beibehaltung der Altersabsicherung der Arbeiter, den Krankheits- und Invaliditätsversicherungen.
[FONT="][1][/FONT] Zwar gab es vonseiten der DAF unter Robert Ley durchaus Bestrebungen, die Sozialkassen neu zu gründen, jedoch wurden diese bis 1939 strikt abgeblockt. Die Debatte um die Gründung des Deutschen Sozialwerkes
[FONT="][2][/FONT], welche sich dann 1939 entspann und dessen Finanzierungskonzept recht abenteuerlich angelegt war, verzögerte sich durch die aktuellen Kriegsgeschehnisse und ging später in den Eigeninteressen der einzelnen Institutionen des Staates unter.
[FONT="][3][/FONT][/FONT]
[FONT="]1.1 Die Lohnpolitik:[/FONT][FONT="][/FONT]
[FONT="]Eine andere Situation stellte sich in der Lohnpolitik dar. Aufgrund der gestiegenen Arbeitszeit und der parallel dazu gesunkenen Löhne ergab sich ein komplexer Zustand, der hier nur vereinfacht wiedergegeben werden kann. Die Entwicklung der Wochenlöhne verlief wie folgt: 1929: 118%; 1932: 100%; 1936: 107/108%.
[FONT="][4][/FONT] Deutlich wird hierbei, dass die Lohnsätze nicht wie propagiert bereits 1936 die Folgen der Weltwirtschaftskrise überwunden hatten, sondern weiterhin deutlich darunter lagen. Diese Propagandalüge wurde dadurch noch verstärkt, dass die Steigerung nach 1932 allein auf die gestiegenen Arbeitszeiten zurückzuführen ist.
[FONT="][5][/FONT] Wegen der deutschen (Auf-)Rüstungspolitik stiegen die Löhne des kriegswichtigen Produktionsgütersektors zwischen 1933 und 1936 um 10,6% bis 23,8%. Daneben stagnierten die Löhne der Konsumgüterbranche bei leichten Veränderungen von 5,4% bis -1%. Dies spaltete die deutsche Arbeiterschaft in zwei Lager. Da aufgrund der Verschiebung der Wirtschaftskräfte auf den kriegswichtigen Sektor der Bedarf an Arbeitskräften im Konsumgütersektor sank, sanken dort die Löhne dementsprechend auch. So kann man sagen, dass die Lebensverhältnisse der Arbeiter der beiden Produktionssektoren sich deutlich voneinander abgrenzten.
[FONT="][6][/FONT] Als sich diese strukturellen Probleme ausweiteten, erging vonseiten des Reichsarbeitsministers der Vorschlag, die Löhne allgemein anzugleichen. Hiergegen regte sich Widerstand der Vielverdiener – da ihr Lohn hätte beschnitten werden müssen, wollte man andererseits den Geringverdienern mehr zahlen können – repräsentiert vom Hamburger Gauleiter Kaufmann. Nach einigen Debatten erging eine, von Hitler gutgeheißene, Weisung, auf die sich anschließend bei lohnpolitikrelevanten Fragen wiederholt zurückbezogen wurde: „Keine Veränderung der Tarifsätze, aber auch keine Einschränkung der übertariflichen Lohnbildung!“
[FONT="][7][/FONT] Dadurch wurde dieses Gefälle zementiert, und die Arbeiter aus den schlechter bezahlten Branchen begannen, in besser bezahlte Berufsgruppen zu wechseln. Dies gefährdete jedoch die Befriedigung des Bedarfes an Arbeitskräften, beispielsweise im Bergbau. So fehlten Anfang Juli 1939 bereits 30.855 Hauer. Auch die Druck- und die Brauereiindustrie verzeichnete vermehrt Abwanderungen.
[FONT="][8][/FONT] Da diese Tendenz die Planbarkeit der Arbeiterzahlen und die Produktivität der betroffenen Branchen gefährdete, mussten bald Maßnahmen getroffen werden, sollte außerdem auch die Loyalität der Arbeiter nicht dauerhaft auf eine harte Probe gestellt werden. [/FONT]
[FONT="]1.2 Die Rolle der Deutschen Arbeitsfront[/FONT][FONT="][/FONT]
[FONT="]In diesen Maßnahmen fand die DAF eine Möglichkeit, den ihr, wie jeder anderen nationalsozialistischen Organisation, innewohnenden Aktionismus und den Kampf um weitere Kompetenzen umzusetzen. Ihre Aufgabe wurde die „Hinführung der Arbeiterklasse zum nationalsozialistischen Staat“, was nichts anderes bedeutete als Hinführung zu einer homogenen, „arischen Volksmasse“.
[FONT="][9][/FONT] Da sich die Existenz und die Verschiedenheit der Sozialschichten vom Arbeiter bis zum Gelehrten allein schon durch die Arbeitsplätze und die Bildung manifestierten, konnte es der nationalsozialistischen Führung trotz der propagierten Einheit der „Arbeiter der Hand und der Stirn“, nie gelingen, die geleugnete Existenz der Sozialklassen und Schichten aufzuheben.
[FONT="][10][/FONT] Dies akzeptierte Hitler später: „Der Nationalsozialismus stellt in seiner Volksgemeinschaft ein zeitloses Ziel auf, das nur durch
fortgesetzte und dauernde Erziehung angestrebt, erreicht und erhalten werden kann.“
[FONT="][11][/FONT] So war ein langfristig anführbarer Grund für die Existenz der DAF gegeben und ihr Aktionismus legitimiert. Mit Aktionen wie „Schönheit der Arbeit“ und „Kraft durch Freude“ sowie dem „Reichsberufswettkampf“ prägte sie fortan das Bild der deutschen Sozialpolitik des Dritten Reiches.[/FONT]
[FONT="]1.3 Sozialpolitische Maßnahmen zu Kriegsbeginn[/FONT][FONT="][/FONT]
[FONT="]Auf die Phase der Aufrüstung von 1933 bis 1939 folgte der Beginn des Zweiten Weltkriegs. Der Krieg war aufgrund der angewendeten Blitzkriegstrategie als eine Abfolge kurzer, erfolgreicher Feldzüge konzipiert. Danach sollte aus den Besatzungskostenhaushalten der besetzten Länder die militärische Stärke aufgefrischt und die Kosten und Verluste des Feldzuges gedeckt werden. Aufgrund dieser Konzipierung unterblieben praktisch zuerst größere fiskalische Maßnahmen gegenüber dem deutschen Durchschnittsbürger. Theoretisch wurde schon am 4. September die Kriegswirtschaftsverordnung (KWVO) verabschiedet. Diese Verordnung sah einen 50-prozentigen Aufschlag auf Lohn- und Einkommensteuer vor. Außerdem wurden die Zuschläge für Überstunden, Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit gestrichen. Allerdings galt diese Maßnahme nur für Jahreseinkommen von über 2400 Reichsmark, was damals nur 30 Prozent der Bevölkerung betraf. Die Arbeiterklasse blieb quasi vollkommen unter der Grenze, ebenso die Angestellten und große Teile der „kleineren“ Beamten, beispielsweise von Post und Bahn.
[FONT="][12][/FONT] Mit zunehmender Kriegsdauer trat eine deutliche Sorge um die Erhaltung der Loyalität des deutschen Volkes ihrer Regierung gegenüber auf. So verhinderte die Regierung die vorgeschlagene Absenkung der Freigrenze für den Kriegsbeitrag von 2400 RM auf 1800 RM
[FONT="][13][/FONT]. Als des Weiteren eine Zusatzsteuer auf Einkommen und bestimmte Haushaltswaren erhoben werden sollte, unterband Hitler dies persönlich.
[FONT="][14][/FONT] Alsbald kamen die Vertreter einer stärkeren fiskalischen Heranziehung des deutschen Volkes um Staatssekretär Reinhardt und Reichsfinanzminister Krosigk zu der „Übereinstimmung darüber, dass zur Zeit überhaupt keine Aussicht sei, irgendwelche steuerlichen Dinge beim Generalfeldmarschall und dem Führer durchzubringen“.
[FONT="][15][/FONT] Als bald darauf auch die Zuschläge für die Überstunden-, Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit wieder vollständig ausgezahlt wurden, war die KWVO quasi außer Kraft gesetzt. Wenig später wurden die Mehrarbeitszuschläge auch von jeglichen Sozialabgaben befreit und zu Weihnachten 1940 wurde beschlossen, die Weihnachtszuwendungen von der Kriegssteuer auszunehmen.
[FONT="][16][/FONT] Diese Maßnahmen sind höchstens dadurch zu rechtfertigen, dass jeder im Deutschen Reich davon ausging, dass der Krieg nun bald beendet sei, was ja in der Natur der Blitzkriege lag und auch unabdingbar war, wenn man davon ausgeht, dass Deutschland durch seine Mittellage bei einem längeren Kriege, wie auch 1914-1918, in Versorgungsschwierigkeiten kommen müsste.
[FONT="][17][/FONT][/FONT]
[FONT="] [/FONT]
[FONT="][1][/FONT] Vgl. Recker (1985), S. 109 ff.
[FONT="][2][/FONT] Das „Sozialwerk des Deutschen Volkes“ sollte folgende fünf Aufgabenbereiche bündeln:
1.[FONT="] [/FONT]Altersversorgung,
2.[FONT="] [/FONT]Gesundheitswerk, nebst Freizeit- und Erholungswerk,
3.[FONT="] [/FONT]Reichslohnordnung,
4.[FONT="] [/FONT]Berufserziehungswerk,
5.[FONT="] [/FONT]Soziales Wohnungsbauprogramm.
[FONT="][3][/FONT] Vgl. Recker (1985), S. 109.
[FONT="][4][/FONT] Ein interessanter Aspekt wäre der internationale Vergleich der Lohnentwicklungen, welcher hier jedoch leider nicht berücksichtigt werden kann.
[FONT="][5][/FONT] Vgl. Mason (1975), S. 64.
[FONT="][6][/FONT] Vgl. Mason (1975), S.65.
[FONT="][7][/FONT] Vgl. Mason (1975), S. 68.
[FONT="][8][/FONT] Auch die Druck- und die Brauereiindustrie verzeichnete vermehrt Abwanderungen, da auch hier aus verschiedenen Gründen die lohnpolitischen Bedingungen schlecht waren. In der Druckereibranche ist dies auf die aus der Schließung vieler oppositioneller Zeitungen herrührende Unterbeschäftigung zurückzuführen. In der Brauereibranche entstand die Problematik dadurch, dass oft anderen Agrarprodukten beim Anbau der Vorrang vor Hopfen gegeben wurde, weil der Reichsnährstand – eine Weiterentwicklung der vormaligen Genossenschaften – zentral plante und so indirekten Druck auf die Wahl der angebauten Pflanzen ausübte. (Führerstaat, S.11 ff.)
[FONT="][9][/FONT] Vgl. Mason (1975), S. 79f.
[FONT="][10][/FONT] Vgl. Mason (1975), S. 80.
[FONT="][11][/FONT] ebenda.
[FONT="][12][/FONT] Vgl. Götz (2006), S. 68.
[FONT="][13][/FONT] Vgl. Götz (2006), S. 70.
[FONT="][14][/FONT] Vgl. Recker (1985), S. 54ff.
[FONT="][15][/FONT] Des Weiteren ließ sie die Zuschläge für Mehrarbeitsbeträge über zehn Stunden wieder auszahlen. Auch wurde eine Zusatzsteuer für Kleinhandelsumsätze in Höhe von 25 Prozent zwar eingeführt, jedoch nicht auf Lebens- und Genussmittel, Tabakwaren, Wasser, Gas, Strom, Brennstoffe, sowie bezugsscheinpflichtige Kleidung und Schuhwaren, auch auf Waren die bezugsscheinpflichtig waren oder per Kinderbeihilfe bezogen wurden: (Vgl. Götz (2006), S. 70 und Recker (1985), S. 56)
[FONT="][16][/FONT] Vgl. Götz (2006), S. 70.
[FONT="][17][/FONT] Staatssekretär Reinhardt äußerte am 18.6.1940 brieflich Schwerin von Krosigk gegenüber, dass man sich solch eine Politik ja erlauben könne, „vorausgesetzt natürlich, dass der Krieg im Jahr 1940 zu Ende geht“.