Paul schrieb:
Hallo Fingalo,
das wir im Geschichtsforum über Tausende von Jahren u. länger währende Entwicklungen reden ist doch ganz natürlich. Religionen überdauern doch auch oft sehr lange u. werden meist nur langsam verändert. Selbst nach der Übernahme des Christentums ist sind die Spuren der vorherigen Religion noch nachweisbar. Der Ahnenkult ist wahrscheinlich so alt, wie wir Menschen uns mit Jenseitsgedanken befassen u. hat die meisten heutigen Religionen stark beeinflußt.
Bei sogenannten religiösen Grundstrukturen stimme ich dem zu. Ahnenglaube und Schamanismus scheinen überhaupt "archetypisch" zu sein.
Asen / Wanen - Kampf ist aber nicht archetypisch.
Die in den Edden verwendeten Namen werden für nicht sehr alt gehalten.
Die Überlieferung des "Wortes Gottes" (Offenbarung / Koran) ist als Jenseitsschatz in ganz anderer Weise vor Veränderungen durch Tradition geschützt (Tabuisierung), als Geschichtserzählungen über jenseitige Ereignisse, sei es über Zeus und Genossen oder Asen und Wanen. Dort etwas zu verändern ist genauso gefährlich oder ungefährlich, als die Antipoden als Zwerge ohne Kopf zu beschreiben. Der Fabulierlust sind dort keine Tabugrenzen gesetzt, allenfalls eine gewisse Ehrfurcht vor der Überlieferung der Alten. Wie rasch solche Veränderungen möglich sind, sieht man an der Vergöttlichung römischer Kaiser, sozusagen "über Nacht" wird die römische "Religion" tiefgreifend verändert.
Es gibt nicht den kleinsten Hinweis darauf, dass die skandinavische Götterwelt aus vorchristlicher Zeit stammt, womit ich mit "christlicher Zeit" nicht die Zeit nach 0 meine, sondern die Zeit, wo eine Berührung mit dem Christentum in Betracht gezogen werden kann, also nach Konstantin. Davor ist Schamanismus sibirischen Musters wahrscheinlicher. Erst die Begegnung mit der römischen Götterwelt, den aufregenden Geschichten und dramatischen Entwicklungen entsteht ein Bedürfnis "auch so was zu machen". Es erfolgt keine inhaltliche, sondern eine strukturelle Übernahme und Ausfüllung mit eigenen Personen und einem Stoff, der die eigenen agonalen Bedürfnisse befriedigt. Für eine echte Systematik reicht es nicht - das ist auch nicht erforderlich.
Die Begegnung mit dem Christentum, das einen Himmel mit Belohnung der Guten kennt, regt zu einer Parallelbildung an. Sowas will man auch haben - Walhall wird geboren. Die "Guten" sind hier die "Tapferen", der Himmel ein ewiges Gelage.
Ein gewisser Reifungsprozess über ca 1000 Jahre führt dann bei der Aufzeichnung im 13. Jh. zu einer immerhin recht ausgereiften Dichtung zum Thema.
Paul schrieb:
Wenn man so eine Frage, wie die Einwanderung diskutiert, muß man alle Gesichtspunkte abwägen, nicht isoliert die Keramik, Sprache o. Genetik. Sprache u. Genetik sind in dieser Frage allerdings etwas aussagekräftiger als keramische Moden und landwirtschaftliche Methoden, die durch Händler u. kleine Gruppen von Einwanderern ins Land gebracht werden können.
Weder die Sprache noch die Genetik der frühen Bewohner Skandinaviens sind bislang bekannt. Die ursprüngliche Bevölkerung könnte z.B. durchaus samisch gewesen sein.
Fingalo