Woher kamen die Seevölker?

Man sollte das abhaken. "Gehärtete Eisenschwerter" als geschichtsträchtige Veränderungs- und Entscheidungsfaktoren sind ungefähr so sinnvoll wie der "Steigbügel" oder der "Langbogen". Es gab gewisse Wirkungen, aber man darf sie nicht überschätzen.

In Bezug auf frühe Eisenwaffen muß man sagen, daß diese von der Härte her gehämmerten Bronzewaffen teilweise unterlegen waren. Es hat stählerne Varianten gegeben, aber "Stahl" ist zunächst mal nichts anderes als Eisen mit erhöhtem Kohlenstoffanteil. Es gibt Stähle sehr unterschiedlicher Härte, je nach Herstellungsweise. Frühe Varianten liegen in der Regel zwischen 100 und 200 HV (Vickershärte), gehämmerte Bronze kommt auf Werte bis zu 250 HV.

Der eigentliche Vorteil von Eisenwaffen lag darin, daß Eisen letztlich in erheblich größeren Mengen beschafft werden konnte als die diversen Bronzen und damit die Waffenproduktion im Endeffekt billiger wurde, also mehr Waffen hergestellt werden konnten.

Danke sehr!

Das ist etwas ausführlicher als der Hinweis oben in #212 Nr.3. Genau das war gemeint, es geht um Masse, und damit erst eine Entwicklung nach/mit der EIA.
 
Da die klimatischen Änderungen inzwischen nachgewiesen sind, und der deren Folgen nicht allein der Phantasie überlassen sind, sondern Sache des archäologischen Nachweises, ist das schon mehr als bloße Spekulation.:winke:

Die berühmten "klimatischen Veränderungen" werden gern stets dann bemüht, wenn man über die Ursachen im unklaren ist. Bei allen möglichen Phänomenen der Weltgeschichte stolpert man darüber. Sie bleiben auch bei den Seevölkern Hypothese, denn die Ursachen sind nach wie vor umstritten.

Ich denke eher an Hypothesen, die einen Systemzusammenbruch annehmen, ausgelöst möglicherweise durch innere Unruhen bzw. einen Bürgerkrieg, und zwar nicht wegen klimatischer Umbrüche. Auch Invasionen von außen sind für mich noch nicht gänzlich abgehakt, obwohl die Verfechter dieser Hypothese im Schwinden sind.
 
DAs Problem ist einfach, dass man die Seevölker ja kaum genau definieren kann ,wer sie eigentlich waren und wenn man diese nicht definieren kann, dann kann man auch schlecht sagen, ob die eine Gruppe von Leuten waren die vor einer klimatischen Veränderung flohen oder einfach Lust an rauben und plündern hatten, weil sie sich halt für große Krieger hielten.
 
DAs Problem ist einfach, dass man die Seevölker ja kaum genau definieren kann ...

Immerhin gibt es Versuche, die Seevölker anhand ihrer Namen zu identifizieren. Bei einigen wie den Peleset und den Luka herrscht weitgehende Übereinstimmung, dass damit die Philister Palästinas und die Lykier im Süden Kleinasiens gemeint sind. Bei anderen wie den Sardana oder Sekeles iist es in der Forschung nach wie vor strittig, ob damit - wie in diesem Fall - Leute aus Sardinien und Sizilien gemeint sind.
 
Ein im bisherigen Thread, wenn ich nichts übersehen habe, noch nicht genanntes Argument für eine spätmykenisch-ägäische Herkunft der "Seevölker" ist das erstmalige Auftreten der Leichenverbrennung im syrischen Raum zu Beginn des 12. Jh. BCE, z.B. in Azor und Hama. Diese Sitte gab es zu dieser Zeit nachweislich sonst nur in Europa (Urnenfelderkultur), Alalakh (Südanatolien) und "Troja", genauer: Troja VI und vielleicht VIIa (Westanatolien). Sie könnte also von besagten "Seevölkern" aus dem westanatolisch-spätmykenischen Raum über Südanatolien nach Syrien eingeführt worden sein.
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Verbreitung der Leichenverbrennung (über die Verbrennung bei königlichen Ritualen hinaus) ist ein Aspekt, der für Theorien von Herkunft und Verbreitung der "Seevölker" benutzt wird.

Da gibt es aber zahlreiche Strömungen.

Ältere Auffassungen benutzen dies als Argument für Migrationen der Hethiter, etwa nach Nordsyrien (bereits auch in LBA/LB II). Bryce lehnt das über Nordsyrien/LBA - so ich das übersehe - mit Verweis auf das Fehlen weiterer hethitisch-typischer Merkmale ab. Weiter gibt es Bereiche von Kontinuitäten ("ohne" Seevölker") im vormals hethitischen Raum, der ähnliche Entwicklungen aufzeigt, oder Verschiebungen von Jahrhunderten im breiten Auftreten von Leichenverbrennungen. Andere Autoren schieben die kulturelle Entwicklung mehreren Faktoren zu, nicht nur Migration in Verbindung mit den "Seevölkern", wie etwa vermuteten ägäisch-spätmykenischen Einflüssen in Südsyrien/Palästina (wobei wiederum ein früherer Kulturtransport bei der Praxis der Leichenverbrennung von Anatolien/Hethitern in den ägäisch-mykenischen Bereich vermutet wird).

Oxford HB of the Archaeology of the Levante fasst die LBA/IR-Umwälzung hier so zusammen (ähnlich Bryce zu den Hethitern):

"Finally, cremation was a distinct cultural trait of the Iron Age, but its precise emergence and origins are not fully understood. Cremation burials were continuously used from LB II (Ugarit and Alalakh) to Iron I (Tell Sukas and Hama), the 10th century (Yunus, Hama, and Tell Sukas), and the 9th–8th centuries (Yunus, Deve Hüyük, Tell Halaf, Hama, and Ras el-Bassit), as in Phoenicia and Palestine, often together with inhumation (Bienkowski 1982; Courbin 1993: 104–9).
To summarize, there is not a single disruption or gap that can account for a regional transition. There are instead many factors showing the emergence of evolutive trends: a general increase in urbanization, new planning of domestic districts, new building of ceremonial and institutional centres, a reappraisal of monumental decoration, and a change in the pottery horizon."
 
Schweine-DNA und Seevölker?

:D Nein, kein Witz.
In den letzten Jahren gab es eine Reihe von Beiträgen, die sich mit der Ost-Verbreitung von "europäischer" DNA bei Schweinen und der Datierung und Migrationsrichtung in der Frage der Seevölker-"Invasion" und dem Übergang von Bronze- zur Eisenzeit beschäftigt haben.

Kern der Beiträge ist, dass diese Verbreitung europäischer Schweine-DNA offenbar in einem Zusammenhang mit den Seevölker-Migrationen und den dadurch eintretenden Umwälzungen im östlichen Mittelmeer-Raum gesehen werden kann.

Beispiele:
Ancient DNA and Population Turnover in Southern Levantine Pigs- Signature of the Sea Peoples Migration? : Scientific Reports
Meiri et. al.: Ancient DNA and Population Turnover in Southern Levantine - Signature of Sea Peoples Migration?

https://journals.uair.arizona.edu/index.php/radiocarbon/article/view/18564
Sapir-Hen/Meiri/Finkelstein: Iron Age Pigs: New Evidence on Their Origin and Role in Forming Identity Boundaries

Pig domestication and human-mediated dispersal in western Eurasia revealed through ancient DNA and geometric morphometrics
Ottoni et. al.: Pig domestication and human-mediated dispersal in western Eurasia revealed through ancient DNA and geometric morphometrics

PLOS ONE: Data Sharing Reveals Complexity in the Westward Spread of Domestic Animals across Neolithic Turkey
Arbuckle et. al.: Data Sharing Reveals Complexity in the Westward Spread of Domestic Animals across Neolithic Turkey

ergänzend:
The size of ancient Egyptian pigs. A biometrical analysis using molar width | Louise Bertini and Edwin Cruz-Rivera - Academia.edu
Bertini/Cruz-Riviera: The size of ancient Egyptian pigs. A biometrical analysis using molar width
 
Das klingt alles recht plausibel. Schön wäre es natürlich, genauer festzustellen, wo aus Europa die Schweine (und also der europäische Anteil der Seevolk-Völker) her kamen. Man müsste nur antike Spätbronzezeit-Levante-Schweinegebisse finden und den Spurenelementegehalt der Zähne messen. Voll einfach, oder nicht? :)
 
Da müssen wir wohl noch etwas warten.:winke:

Die obige verlinkte Fachdiskussion kreist erstmal nur um die neu auftretende oder Veränderungen genetischer Profile im Nahen Osten, die auf "Einträge" europäischer Profile zurückgeführt wird.

Das Gebiss bzw. Profile der Spurenelemente werden zur Herkunft des europäischen genetischen Eintrags außerdem dann problematisch, wenn der "veränderte Kandidat" bereits im Nahen Osten aufgewachsen ist und Europa nie gesehen resp. dort gefressen hat.:D
 
hmm. ich habe bis jetzt angenommen,es wäre schon längst geklärt...aus der ägäis kamen sie..so mein kenntnisstand
 
Geklärt ist da eigentlich wenig. Wir haben rudimentäre Vorstellungen von den Vorgängen um 1200 BC +/- 50.

Auch Ausmaß, Richtung, Zeitdauer von Migrationen sind unklar bzw. Antworten und Hypothesen je nach Ort verschieden.
 
Es gibt ja auch kaum Quellen zur Herkunft. Die Ägypter sagten, sie kämen von Inseln. Aber wurde die Peloponnes als Insel oder als Festland gezählt? Was ist mit Orten wie Milet? Galt die Aussage für alle, oder hatten sie festländische Verbündete? Und wie lange besaßen sie schon "ihre" Inseln? Dann wird häufig der Ort, an den die Ethnien später gezogen sind, als Herkunftsort gedeutet.

Bestandteile der materiellen Kultur wurden mit solchen der mykenischen Kultur identifiziert. Aber auch die hatte sich über einen großen Teil des Mittelmeer verbreitet. Zumindest indem sie ihre Materiellen Zeugnisse exportierte.

Oft geht man auch auf Sagen ein. Die Philister sollen danach aus Kilikien (wie kommt die Autokorrektur hier auf Kolumbien?) oder Kreta stammen. Theoretisch ist auch beides möglich.

Ab und an sind auch Gemeinsamkeiten der Sprache angegeben. Aber sind das Ähnlichkeiten oder verstanden sich die Sprecher der verglichenen Sprachen?

Dann gibt es noch die Namen. Aber die kennen wir eigentlich nur in der Verballhornung anderer Sprachen. Da hat dann auch der Sprachwissenschaftler ein Problem zu sagen, dass verschiedene Laute verschiedene Wörter bedingen.

Ein nettes Beispiel sind die Tyrhener/Tyrsener/Etrusker/Tuski/Rasenna. Von der sprachlichen Beurteilung der Namen her, auch wenn man Tyrsener weglässt, könnte man 3 verschiedene Völker vermuten. Und sie zeigen noch etwas: Die klassischen Etrusker könnten sich eher nach ihrer Heimatstadt benannt haben. Sprich: Eine Ethnie hätte theoretisch unter mehreren Namen bekannt sein können. (Deutsche, Germans, Allemand, ...)

Wie will man da eine wirklich belastbare Aussage treffen? Man kann nur Möglichkeiten aufzählen und Argumente sammeln.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ja, und neben den dürftigen schriftlichen oder bildlichen Hinweisen gab es Versuche, dass archäologisch zu fassen, etwa über keramische Stile. Dann die oben ziterten genetischen Ansätze.

Fest steht wohl, dass in diesem Zeitraum im weiteren östlichen Mittelmeerraum größere Besiedlungszentren aufgegeben und zerstört worden sind. An die Stelle traten andere, kleinteilige Besiedlungen, eine Zersplitterung. Welche, wie große und wie gerichtete Migrationen im Kontext standen, ist umstritten.
 
Gut möglich, dass Erzählungen über den Kollaps und die Migrationen oder "Reisen" hier Eingang gefunden haben.
 
Wie will man da eine wirklich belastbare Aussage treffen? Man kann nur Möglichkeiten aufzählen und Argumente sammeln.

Wir müssen uns damit abfinden, dass die Identität der Seevölker nicht mehr zu klären ist. Dass es sie gab, beweisen die eindeutigen Aussagen und bildlichen Darstellungen im ägyptischen Tempel von Medinet Habu. Unbestritten identifiziert sind bis heute lediglich die Peleset bzw. Pelishtim, hinter denen sich die Philister verbergen. Im übrigen wissen wir nicht, woher die Seevölker kamen und wo sie geblieben sind.

Verschiedene Verwüstungen gehen alledings eindeutig auf das Konto der Seevölker. So z.B. die Zerstörung der Stadt Ugarit an der palästinensischen Küste um 1190 v. Chr. Es scheint also Beutezüge gegeben zu haben, die sowohl von See als auch von Land aus erfolgten.

Eine neue Hypothee hat der Geoarchäologe Eberhard Zangger in seinem aktuellen Buch "The Luwian Civilization. The Missing Link in the Aegerian Bronze Age", Istanbul 2016, entwickelt. Kontroverse in der Archäologie: Entscheidungsschlacht um Troja - NZZ Feuilleton: Kunst und Architektur Er postuliert dort eine mächtige Staatenkonföderation der Luwier in Westkleinasien, die den Mykenern und Hethitern ebenbürtig gewesen sei. Dieser luwische Staatenverband verursachte den Sturz des Hethiterreichs, baute eine Flotte und griff Ägypten an. Die so genannten "Seevölker" sind also nach Zangger identisch mit den luwischen Völkern Westkleinasiens, die auch Mykene bedrohten. Als Antwirt entsandten die Mykener eine Flotte nach Troja und vernichteten es. Bei der Rückkehr der mykenischen Könige nach Griechenland kam es zum Kampf mit ihren Stellvertretern in den mykenischen Staaten, was zu Bürgerkriegen und zum Systemkollaps der mykenischen Staatenwelt führte. Der Untergang erfolgte also ohne Einwirkung von außen.

Soweit also Zangger, dessen Hypothesen umstritten sind und auf Widerstand in der Fachwelt stoßen. Etwas disqualfiziert haben ihn frühere Spekulationen und Publikationen, in denen er Troja mit dem sagenhaften Atlantis identifizierte.

Seine Hypothese zu den anatolischen Luwiern als Bindeglied zwischen Mykenern und Hethitern erläuterte Zangger letztes Jahr auf einer Fachtagung, was in einer kleinen Publikation zusammengefasst wurde. Die Luwier: Bindeglied zwischen Mykenern und Hethitern | Serdal Mutlu and Eberhard Zangger - Academia.edu

Man mag ja zu Eberhard Zangger stehen wie man will. Auf jeden Fall aber gibt seine Hypothese einen neuen Anstoß, sich mit den bislang vernachlässigten anatolischen Luwiern und ihren Kleinstaaten in Westkleinasien zu beschäftigen.
 
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Nette Theorie - für die es nicht den geringsten Beweis gibt. Als einzelnen allfälligen "Beleg" könnte man allenfalls werten, dass auch laut Ilias die Griechen nicht bloß gegen die Trojaner kämpften, sondern diese von diversen anderen Völkern aus dem westlichen Kleinasien unterstützt wurden, allerdings entstand sie erst Jahrhunderte nach dem Trojanischen Krieg. Es stellt sich außerdem die Frage, wieso der angebliche mächtige luwische Staatenbund anscheinend weder in mykenischen noch in hethitischen Quellen erwähnt wird, obwohl die einzelnen Städte, Kleinreiche und Völkerschaften des westlichen Kleinasien sehr wohl auch quellenmäßig belegt sind.
Der postulierte Ereignisablauf ist wohl reine Fantasie. Die angeblichen inneren Machtkämpfe der mykenischen Könige nach ihrer Rückkehr nachhause könnten sich zwar auch in den Sagen wiederspiegeln, wonach manche Herrscher (Agamemnon, Diomedes, Odysseus) Schwierigkeiten hatten, zuhause wieder Fuß zu fassen, oder gleich ganz ermordet oder vertrieben wurden, allerdings sind auch diese Sagen erst Jahrhunderte nach dem Niedergang der mykenischen Kultur belegt und betrafen keineswegs alle griechischen Staaten. Hingegen wird nicht einmal in den griechischen Sagen ein trojanisches Großreich, das andere Großreiche heimgesucht habe, postuliert.
 
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