Woher kommt dieser Hass?

Dieses Thema im Forum "Judentum | Israel | Naher Osten" wurde erstellt von balticbirdy, 6. September 2010.

  1. Dieter

    Dieter Premiummitglied

    Juden spielen in einem solchen Diskurs keine Rolle mehr, denn aufgrund des Holocaust gibt es in Osteuropa keinen messbaren Anteil an Juden. Und was in der seligen SU noch an jüdischer Bevölkerung existierte, hat nach Auflösung der UdSSR in großer Zahl Russland den Rücken gekehrt. Das hat zum Glück unsere jüdischen Gemeinden in Deutschland mit neuem Leben erfüllt, obwohl die meisten jüdischen Familien in die USA oder nach Israel ausgewandert sind.

    An Minderheiten haben in Osteuropa aktuell in erster Linie die Roma zu leiden, die von Osteuropa nach Westeuropa abgeschoben werden und - siehe Frankreich - von dort wieder gen Osten abgedrängt oder ausgewiesen werden.

    Das "Judenproblem" ist also in Europa durch Adolf Nazi nachhaltig beseitigt worden. Stattdessen sind in die Minderheitenrolle vor allem muslimische Migranten in westeuropäischen Staaten sowie vereinzelt Roma geschlüpft. Viele andere Minderheitenprobleme konnten nach 1945 zum Glück entschärft werden. Wer denkt heute noch an die dänische Minderheit in Nordschleswig, an die deutsche Minderheit in Schlesien, an die Südtiroler im italienischen Staatsverband oder - jüngst bereinigt - an die katholischen und protestantischen Nordiren. Lediglich im Baskenland gibt's noch größere Probleme.
     
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  2. Köbis17

    Köbis17 Gesperrt

    Was ist daran mutig? Entweder man steht zu seinem Glauben oder man verleugnet ihn, weil man nicht in seiner Relegion gläubig ist. Damit ist man auch kein Jude mehr.
    Nur der Glaube macht einen Religös? Paperlapap. Meine Tochter ist getauft, doch wenn sie eines Tages nicht mehr an das Christentum glaubt, hat sie mit dieser Religion auch nichts mehr zu tun. Religion ist doch kein Lebensinhalt. Ein Kind als Jude geboren, der sich in seinem Leben einer andern Konfession zuwendet oder gar konfessionslos wird, sollte auch nicht mehr als Jude gehandelt werden.

    Das entspringt doch alles den kranken Hirnen der Rassisten...Religion heute ist Glauben, aber nicht Rasse! Was ist eigendlich Rasse? Schwarze Haut, weiße Haut oder gelbe Haut?

    Unser aller Blut ist Rot!
     
  3. Bdaian

    Bdaian Aktives Mitglied

    "Sollte" ist gut. Das ist zwar alles richtig was du schreibst, ist aber etwas zu einfach. Ich habe in Südamerika viel mit Leuten aus der jüdischen Gemeinde zu tun gehabt, sowohl auf privater wie auch beruflicher basis. Darunter gab es einige, die obwohl militant atheistisch (z.B. mit sozialistischem Hintergrund) sich trotzdem als Juden betrachteten und ihren Kindern dieses auch mitgaben. Wobei das Gefühl nicht so sehr dass der "Rasse" ist (was bei polnisch-, deutsch-, griechisch, libanesisch marrokanischstämmigen Hintergrund eher schwierig ist).
     
  4. beorna

    beorna Neues Mitglied

    Also meine Erfahrungen mit Polen sind begrenzt. Gehört und gelesen habe ich schon davon, selber in dieser Form persönlich aber nichts erlebt.
    Die Polen mit denen ich über Geschichte diskutiere, verneinen geradezu jeglichen Rassenhaß, stellen Polen als das Land der jüdischen Verheißung vor und betonen wieviele Polen in Jad Varshem oder so auf der Liste der Retter von Juden stehen.
    Allerdings verrät sich ihr Antisemitismus dann, wenn ich sie auf getto lawkowe anspreche oder auf Jedwbne und Kielce. Auf das Bänkeproblem gehen sie zumeißt nicht ein und wenn nur lapidar. In Jedwabne waren zwar einige Polen Täter, doch nur ein paar und außerdem wurden auch ein paar bestraft, zudem sind daran die Deutschen Schuld. In Kielce wurden hingegen jüdische Kommunisten getötet, die, wie jeder Pole weiß, ganz brutal gegen Polen vorgingen.
     
  5. Dieter

    Dieter Premiummitglied

    Dass sich manche Juden in Deutschland nicht offen zu ihrer Religion bekennen möchten, dafür könnte ich dir viele todsichere Argumente nennen.
     
  6. beorna

    beorna Neues Mitglied

    widerspricht dem nicht, daß es anscheinend eine starke jüdische Einwanderung nach Deutschland gibt?
     
  7. balticbirdy

    balticbirdy Ehemaliges Mitglied

    Das Problem ist doch wie folgt. Jüdisch sein ist eigentlich eine Frage der Religion, nicht der Abstammung. So sieht man es jedenfalls heute. Der Antisemitismus des 20. Jahrhunderts sah es allerdings anders.
    Mal eine Frage, vielleicht ist es rein theoretisch. Wie hätten die Nazis einen "Urdeutschen" behandelt, der in der Weimar-Zeit zum Judentum konvertiert war? Bekanntlich machten sie doch alles an der Abstammung fest, deshalb waren konvertierte Juden nicht besser dran. Aber der umgekehrte Fall???
    Gibt es Beispiele?
     
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  8. Bdaian

    Bdaian Aktives Mitglied

    Nicht nur die Antisemiten. In Israel und in anderen großen Gemeinden, gibt es lebhafte Diskussionen darüber, was jemanden zu einem "echten" Juden macht. Konversionen sind schwierig und werden, wenn vor dem falschen Rabbi vollzogen, nicht anerkannt.
    In Buenos Aires dürfen z.B. Konvertiten, die in reformierten Synagogen im Glauben aufgenommen wurden, nicht auf dem größten Friedhof der Jüdischen Gemeinde beerdigt werden. (Was dazu geführt hat, dass Ehepaare, bei denen Einer konvertiert hatte um zu heiraten, nicht gemeinsam bestattet werden dürfen. Als Lösung wollte die Gemeinde eine Erweiterung anlegen, in der Konvertiten untergebracht werden dürften. Von Kritikern als zwei klassen Friedhof bezeichnet: Página/12 :: Sociedad :: Un cementerio para judíos de segunda) Der atheistische Sohn einer Jüdin darf jedoch ohne weiteres dort begraben werden.

    In Israel hat, im entgegengesetzten Sinne, seit einiger Zeit die Industrie der Gennachweise erheblichen Zulauf. Viele Menschen lassen in ihrem Erbgut das "Kohanim-Gen" suchen (http://www.cohen-levi.org/jewish_genes_and_genealogy/the_dna_chain_of_tradition.htm), um eine Abstammung von der Priesterkaste der Antike nachzuweisen. Paradox, da dieses Gen eigentlich durch eine Erbkrankheit entdeckt wurde.

    Die Nazis unterschieden in der Tat unter den Osteuropäischen Steppen-Völkern , die den Jüdischen Glauben nachgingen. Die Chasaren wurden als "Ur"-juden verfolgt, die Karäer z.B. als konvertiertes Turkvolk nicht (http://de.wikipedia.org/wiki/Karäer). Das Thema hatten wir m.E. hier schon einmal in irgend einer anderen Diskussion.
     
    Zuletzt bearbeitet: 27. September 2010
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  9. Scorpio

    Scorpio Aktives Mitglied



    Wer ein Jude ist, das bestimmen wir! sagte einmal Hermann Göring.

    Nein, Im Ernst: Ein arischer Deutscher, der zum Judentum konvertierte, war für die Nazis ein "Geltungsjude". Das Bekenntnis zum mosaischen Glauben überwog in diesem Fall die "arische" Abstimmung, wobei auch die Unsinnigkeit, bzw die Beliebigkeit des "Judenbegriffs", denn obwohl die Nazis betonten, es ginge um rassische Merkmale, verwendeten sie religiöse kennzeichnungen, wenn es ins Konzept passte.
     
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  10. balticbirdy

    balticbirdy Ehemaliges Mitglied

    Wo bitteschön gab es im 20. Jahrhundert noch jüdische Chasaren? Mal abgesehen davon, dass dieses frühmittelalterliche Steppenvolk genetisch nix mit den mosaischen Juden zu tun hatte.

    Es gab ja mal die These, die osteuropäischen Juden wären im Wahrheit Nachkommen der Chasaren. Das ist von Genetikern widerlegt, und so ganz tief scheint der Glaube damals auch nicht das ganze chasarische Volk ergriffen zu haben.
     
    Zuletzt bearbeitet: 27. September 2010
  11. Bdaian

    Bdaian Aktives Mitglied

    Da habe ich den falschen Begriff benutzt: Ich habe in Erinnerung, dass ein anderes Steppenvolk jüdischen Glaubens anders eingestuft wurde als die Karäer, find momentan jedoch nicht welches.

    Zu den Karäern in Litauen: Das karäische Wunder | Reise | ZEIT ONLINE

    P.S. Hier habe ich etwas dazu gefunden: Es handelt sich um die Krimtschaken: http://www.holocaust-chronologie.de/chronologie/1941/september/ohne-datum.html
     
    Zuletzt bearbeitet: 27. September 2010
  12. Maglor

    Maglor Aktives Mitglied

    Wichtig ist an der Stelle auf der religiöse Aspekt:
    Die Karäer lehnten den Talmud ab, waren daher auch von der Religion her keine "richtigen" Juden. (Es gibt wohl noch weitere Unterschiede zum rabbinischen Judentum.)
    Die Krimtschaken hingegen kannten den Talmud, war vollständige Juden.

    Eigentlich umfasst das, was als ganzes als Judentum wahrgenommen wird, mehrere Varianten: Rabbinsches Judentum, Samaritaner, Karäer, athiopisches Judentum.
    Die anderen Zweige, die sich im wesentlichen durch ihr Verhältnis zum Talmud unterscheiden, wurde bis in die jüngste Vergangenheit nicht vom rabbinischen Judentum als Mitjuden anerkannt. Die Abzweigung dieser Zweige erfolgte vor bereits in der Spätantike, bei den Samaritern noch früher.
    Daher Karäer sind keine Juden, wohl aber eine eng verwandte Religion. Ob nun ein bekehrtes Turk-Volk oder nicht, die Frage ist zu welcher Religion: Juden oder Karäer?
     
    Zuletzt bearbeitet: 27. September 2010
  13. Dieter

    Dieter Premiummitglied

    Mit deinem Hinweis betreffs der Chasaren hast du durchaus Recht. Die Oberschicht und ein Teil der Bevölkerung konvertierten zum Judentum.

    Chasaren ? Wikipedia

    Relevanz für die Neuzeit erhielt die umstrittene Hypothese, dass ein großer Teil der Ostjuden chasarischen Ursprungs sei, was auch heute noch - zum teil erbittert - diskutiert wird.
     
  14. Zoki55

    Zoki55 Aktives Mitglied

    Für mich ist jeder ein Jude wer sich als Jude füllt.

    Abstammung spielt ja so und so bei Nationen kaum eine Rolle.

    Die Sprache als ein Volk verbindent wird ja von der Realität wiederlegt in Irland ist das gällische fast vom Aussterben bedroht, Bosnier, Kroaten, Montenegrinner (dort allerdings ein geteiltes Land) und Serben eine Sprache, Österreicher e.t.c.

    Alle sehen sich als eigene Nation an, nun was kann man als effektves Kriterium nehmen wenn Sprache, Religion (persönliche Entscheidung) ausfällt.
     
    Zuletzt bearbeitet: 28. September 2010
  15. Dieter

    Dieter Premiummitglied

    Welches Kriterium gelten kann, haben wir ja durch die unselige Rassenideoligie der Nazis erlebt. Entgegen aller Vernunftgründe wird es immer Menschen geben, die auf ihre "rassische Abstammung" pochen, auch wenn sich im Verlauf vieler Jahrhunderte alle möglichen Ethnien mit Sicherheit eingemischt haben. Solche Vertreter eines "Rassejudentums" gibt es übrigens auch unter den Juden selbst, obwohl es nur eine kleine Minderheit ist (hoffe ich).
     
  16. Zoki55

    Zoki55 Aktives Mitglied

    Von Rasse oder 100 % Abstammung kann sicher keine Rede sein.

    Wurde in meinem letzten Beitrag sicher deutlich.
     
  17. balticbirdy

    balticbirdy Ehemaliges Mitglied

    Um es auf die Ausgangsfrage zu führen: War dieser anscheinend blinde Antisemitismus der Nazis nüchternes Kalkül? Auch die Polen und Ukrainer verübten lange davor Pogrome.
    Wollte man damit "Sympathie" einwerben?
    Ich verstehe es nicht.
     
  18. silesia

    silesia Moderator Mitarbeiter

    Hier kommen weitere Aspekte dazu:

    - eine Vermischung zu dem simultan verwendeten Antibolschewismus/Antisemitismus -> in der massenhaft verwendeten Wortbildung "jüdisch-bolschewistisch" ablesbar. Der Antisemitismus ist da - glaube ich - nicht herauslösbar.

    - aus der Kombination wird auch die Verwendung als Kampfbegriff gegen die "Systempolitiker" bzw "Systemiker" oder "Systemverbrecher" deutlich. Feindbild+Aggressivität sind hier politische Kampfinstrumente, deren Entstehung in einer Zeit liegt, in der die meisten Deutschen nur ganz wenige Mitbürger jüdischen Glaubens bewußt wahrgenommen haben.

    Der Antisemistismus ist damit sowohl "blind" als auch "Kalkül", speziell im Osten dann um dem eliminatorischen Aspekt angereichert.
     
  19. Dieter

    Dieter Premiummitglied

    Hitler war mit Sicherheit ein fanatischer Judenhasser - das geht aus all seinen Schriften hervor und tritt bereits in seiner Anfangszeit, als er noch völlig unbekannt war, deutlich zutage. Seine Parteigenossen haben das dann übernommen, wobei nicht immer klar ist, inwieweit sie sich der ideologischen Räson beugten, oder ebenfalls rundum überzeugte Antisemiten waren.

    Dass das ein sehr komplexes Thema war, mit dem man auch auf Stimmenfang gehen konnte, steht außer Frage. Juden waren ja in vielen Bereichen überproportional vertreten - Finanz- und Bankwesen, Publizistik, Oper und Theater - , sodass man den Leuten rasch alles mögliche einreden konnte. Wieder einmal die Sündenbockfunktion.

    Dass alle Minderheiten wie Roma, Homosexuelle, Zeugen Jehovas und andere unter fanatisierten Mehrheiten zu leiden haben, ist eine Binsenweisheit. Juden waren in diesem Zusammenhang besonders ergiebig, da man ihnen als Sündenböcken, gut fassbarer Gruppe und anderen Glaubens alle möglichen Schandtaten andichten konnte: von der jüdischen Unterwanderung und finanziellen Blutsaugerei bis hin zum Anzetteln einer jüdischen Weltverschwörung. Noch schöner: eine jüdisch-bolschewistische Verschwörung, obwogl das Stalin gewiss ganz anders sah.
     
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  20. Zoki55

    Zoki55 Aktives Mitglied

    Jetzt sollte man nicht so verallgemeinern.

    Den Roma wird man zwar alles mögliche andichten, aber sicher keine Bankenkrisen oder was weiß ich.

    Außerdem waren die Juden zum Teil Bürgerliche Leute, was man von den Roma nicht behaupten kann.
     

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