Oje, das war ja schon sehr extrem.
Welche Befugnisse hatte so ein Blockwart überhaupt?
Durfte der auch, wie die Blockwarte in Nordkorea, jederzeit in die Häuser gehen und dort alles anschauen?
Konnte ein Blockwart die Menschen drangsalieren, unterstützt vom Regime?
Und ist in der heutigen Zeit eigentlich noch feststellbar, wie viele Menschen wirklich mit dem Regime sympathisierten und wie viele nur so taten damals?
In meinem Heimatdorf war es ungefähr halbe halbe, also das halbe Dorf bestand aus strammen Nazis oder opportunistischen Mitläufern, die andere Hälfte waren kritische Menschen, die das Regime nicht mochten, aber aus Angst niemals offen ihre Meinung zeigten.
Kann man das aus diesem einen Dorf auf ganz Deutschland übertragen, dass es etwa halbe halbe war, also eine kritische Hälfte und eine Hälfte, die begeistert oder aus Opportunismus mitmachte?
So wie
@Dion das schildert, klingt es fast, als hätte es hätte es einen Zwang zum Jubeln, zum Mitmarschieren, zum Mitklatschen gegeben, und es hätten alle-sogar die Juden- nur aus Angst, aus Opportunismus die Lappen aus dem Fenster gehalten.
Natürlich gab es viel Opportunismus, viele Leute, die auf Seite der Sieger sein wollten, die sich auf Seite der Nazis schlugen.
Es waren die Nazis keine Aliens, die wie eine Naturgewalt über Deutschland und das deutsche Volk kamen. Sie wurden vom deutschen Volk gewählt, die überwältigende Mehrheit der Deutschen hat sich mit der Diktatur arrangiert, und ein gar nicht so geringer Teil des Volkes hat sich im 3. Reich sehr wohlgefühlt.
Zu Blockwarten:
Blockwarte waren keine Menschen, vor denen irgendjemand innerlich oder äußerlich stramm gestanden hätte. Blockwarte, das waren die ganz kleinen Arschlöchelchen ohne die eine Diktatur nicht auskommt. Hohe Entscheidungskompetenz oder viel zu sagen hatten die nicht.
Grundsätzlich galten auch di alten Grundrechte weiterhin, die Nazis haben sich ja nicht mal die Mühe gemacht, die Weimarer Verfassung abzuschaffen. Grundsätzlich galt auch die Unverletzlichkeit der Wohnung weiterhin, und Blockwarte hatten keineswegs das Recht, einfach in eine fremde Wohnung einzudringen, Leute festzunehmen oder sich Polizeibefugnisse anmaßen.
Tatsächlich aber konnten sie natürlich schon Leute erheblich drangsalieren. Es gibt Klagen von Gestapobeamten, die sich beklagten, dass sie mit der Arbeit nicht nachkamen, weil Volksgenossen sich gegenseitig denunzierten, weil Leute versuchten, die Nazis einzuspannen, um alte Rechnungen zu begleichen. Wenn die Polizei, Gestapo usw. Hinweise bekamen, dass XY ein "Judenfreund" ist, dann guckten sie sich den mal genauer an. Es bedeutete noch nicht, dass alle Denunziationen üble Folgen hatten, dass Leute verhaftet wurden oder im KZ landeten, nur weil sie angeschwärzt wurden.
Sie wussten aber, dass Schlimmes und das Allerschlimmste passieren konnte, wenn man als Gegner der Nazis mal erfasst war.
Das Modell Korea funktioniert nur durch Repression. Das Verhalten der Bürger wird nur durch Zwang, durch ständige Übergriffe am Leben erhalten. So funktionierte NS-Diktatur nicht. Da wird natürlich auch brutalste Gewalt angewendet- gegen politische Gegner und Oppositionelle Sozialdemokraten, Kommunisten und gegen Feinde, die nicht Teil der Volksgemeinschaft sind (Juden, Sinti und Roma, Homosexuelle.
Die übrigen, die Teil der Volksgemeinschaft sind oder sein könnten, kann man wirksamer beherrschen, als durch Terror: Die können irgendwo mitmachen, in die Partei, in die Frauenschaft, die HJ oder den BDM,
Wenn du keinen Ärger willst, dann hält man den Mund oder macht mit. Dann sagt man nichts mehr gegen die Nazis, dann hängt man auch sein Fähnchen raus, bzw. in den Wind.
Dann tritt man eben auch in die Partei ein, und schon hat man keine Probleme mehr. Den Blockwart, wenn er den Hals aufreißt, dann pöbelt man eben zurück, als Parteigenosse, als Volksgenosse, als kriegswichtiger Betrieb- und dann geht dem Blockwart schnell die Luft aus.
Das Schöne im Dritten Reich, es konnte jeder irgendwo mitmachen, wenn er arisch war, es gab für jeden die richtige Organisation und auch schicke Uniformen (die der SS hat Hugo Boss entworfen). Man konnte dem Druck, dem Terror leichter entgehen, als dem stalinistischen Terror (sofern man nicht Jude oder "Zigeuner", rassisch oder auch sonst minderwertig war). Selbst Sozis und Kommunisten konnten, wenn sie sich ruhig verhielten, wieder in die Volksgemeinschaft aufgenommen werden.
Julius Streicher z. B., der Judenhetzer, hatte den Fimmel, dass er jedes Jahr zu Weihnachten einen Kommunisten oder Sozi freiließ und beschenkte.
Drangsalieren konnte ein Blockwart aber schon Menschen, besonders wenn sie eben nicht zur "Volksgemeinschaft" gehörten. Blockwarte waren dafür verantwortlich, den Hausfrieden im Sinne des NS-Systems zu wahren, sie konnten aber schon Menschen drangsalieren. Ein Jude, der mit Heil Hitler grüßte, den Aufzug benutzte, ein Schwimmbad, einen Park besuchte, eine "arischen" Hausangestellte beschäftigte, ein KFZ hielt, oder Haustiere, der den deutschen Wald betraf. Der verstieß gegen Gesetze und wenn das ein Blockwart mitbekam und meldete, konnte er richtig Ärger verursachen.
Das System Korea ist im Prinzip extrem primitiv. Es basiert einzig auf Gewalt und Terror. Der Terror schlägt ständig auf das Volk ein.
Das NS-System basiert natürlich auch auf Terror, es schlägt auch ständig auf seine Feinde bzw. die es dafür hält ein, aber diese werden von der Gesellschaft getrennt und das einschlagen macht man nicht in der Öffentlichkeit.
Es erzwingt Gehorsam von den Bürgern durch Terror einerseits, andererseits indem es die Beherrschten korrumpiert, indem es ihnen in einem kleinen Bereich Teilhabe an der Herrschaft gewährt. Jeder kann irgendwo mitmachen, gehört dazu- alles ist easy, solange man dazugehört, solange man ruhig sich verhält. Jeder kann dazugehören, kann mitmachen. Er braucht nur deutlich Ja zu sagen.
Das ist der Hintergrund. Es waren längst nicht alle Deutschen mit allem einverstanden, was die Nazis taten. Die Mehrheit des deutschen Volkes haben sie selbst mit massiver Wahlbeeinflussung nie hinter sich gebracht. Das brauchten sie auch nicht. Es genügte, dass die Mehrheit es hingenommen hat.
Eindeutige politische Meinungsbekundungen, demoskopische Umfragen- das gab es nach 1933 in Deutschland nicht mehr. Die Deutschen hatten nur noch das laute öffentliche Jas zu bekunden.