Zweibund zwischen Deutschem Reich und Österreich-Ungarn

Gandolf schrieb:
5.
Auf einer gesamteuropäischen Perspektive waren sich das Deutsche Reich und Österreich-Ungarn unglaublich ähnlich. Beide Reiche haben sich entgegen dem Trend der Zeit als konstitutionelle Monarchien gehalten. Das Budgetrecht ihrer Parlamente konnte von diesen nicht als wirksamer Hebel eingesetzt werden, um eine weitergehende Parlamentarisierung zu erreichen. Beide Staaten hatten Nationalitätenprobleme. Im Deutschen Reich gilt dies neben Elsaß-Lothringen und Nordschleswig vor allem für den östlichen Teil von Preußen, in dem Deutsche und Polen in einem Zwei-Völker-Staat lebten.

eine doppelmonarchie, die in sich zentralistisch organisiert war und eine einheitliche, aber föderale monarchie sollen sich "unglaublich" ähnlich gewesen sein? es gab gewiss ähnlichkeiten, das budgetrecht des zentralparlaments führst du ja auf.
und welchen trend der zeit meinst du? in europa gab es 1914 drei republiken: die schweiz, frankreich und ganz neu portugal. der rest waren monarchien, die nord- und westeuropäischen eher parlamentarisch, die östliche eher autokratisch, gerade auf dem weg hin zu konstitutionellen monarchien. das deutsche reich und österreich-ungarn dazwischen, und zumindest für deutschland ging es peu a peu hin zur parlamentarischen monarchie.
klar, österreich-ungarn als vielvölkerstaat hatte seine nationalitätenprobleme, die es existenziell bedrohten. im deutschen reich wurde eine unglückliche nationalitätenpolitik betrieben, ohne frage, aber sie war nicht existenzbedrohend. 90% der einwohner waren deutsche, die größte minderheit bildeten mit 3 mio. die polen, die keinen eigenen staat hatten, elsass-lothringen hatte eine eigene verfassung, die sie auf die stufe eines bundesstaates erhoben, die dänen in nordschleswig waren eine zu vernachlässigende größe. vergleicht man die deutsche minderheitenpolitik mit der frankreichs (korsen, bretonen, basken) oder englands (irland), dann war das damals durchaus üblich, die sprache der mindeheiten zu unterdrücken.
 
Rovere schrieb:
Vielleicht sollte man sich mal genauer anschauen warum Österreich-Ungarn eine Auslöschung Serbiens als politischer Faktor wünschte. Die Beziehungen zwischen Österreich-Ungarn und Serbien waren traditionell sehr gut, Wien galt für Jahrhunderte als Zufluchtsstätte der serbischen Intelligenza. Nach der Unabhängigkeit Serbiens bestand das gute Einverständnis zwischen der Regierung in Wien und Belgrad weiter bis 1903 der letzte Vertreter der Dynastie Obrenovic, König Alexander gemeinsam mit seiner Frau von einer Offiziersverschwörung umgebracht wurde.
Die nachfolgende Dynastie der Karadordevic verbündeten sich sofort mit Russland, dem größten Gegner Österreich-Ungarns.
Das ist ein interessanter Gesichtpunkt. Er belegt, dass ÖU neben der harten Militär- und Okkupationspolitik auch die weiche Politik der pénétration pacifique (friedlichen Durchdringung) beherrschte. Die Männer des Zweibundes dachten jedoch primär in harten militärischen Kategorien und setzten 1914 eine harte Linie durch.
Rovere schrieb:
Warum brauchte Wien so lange? Es tobten am Ballhausplatz erbitterte Kämpfe zwischen der Kriegspartei um Generalstabschef Conrad von Hötzendorf und der Friedenspartei rund um Aussenminister Graf Tisza und dem greisen Kaiser Franz Joseph. Letzterer - 84 Jahre alt und bereits 66 Jahre auf dem Thron - fuhr am 7. Juli 14 wie jedes Jahr nach Ischl, Aussenminister Tisza verlor damit seine wichtigste Stütze im Ministerrat in dem der Kaiser den Vorsitz führte.
Unterdessen drängte die deutsche Führungsschicht darauf, gegen die Serben die harte Linie zu fahren und endlich loszuschlagen. Auch dies dürfte die Entscheidung in Wien zu Gunsten der Kriegspartei beeinflusst haben. Die Allianz zwischen deutschen und österreichischen Hardlinern wirkte sich unheilvoll auf die Julikrise 1914 aus.
Rovere schrieb:
Sowas kannst dir sparen ...
Sorry. Da war ich zu polemisch. Aber die berühmt-berüchtigte österreichische Langsamkeit ist, wenn es sie jemals gegeben hat, ohnehin längst Geschichte. In der aktuellen Wirtschaftsentwicklung hat Österreich eindeutig die Nase vorn.:eek:
Rovere schrieb:
... dieser neureiche Hurra-wir-sind-nun-wer-Imperialismus war ja auch kein Musterbeispiel weitblickender Diplomatie
:hoch:
Angesichts der Mittellage Deutschlands war dieser Imperialismus eine ausgesprochene Dummheit.
 
Gandolf schrieb:
Das ist ein interessanter Gesichtpunkt. Er belegt, dass ÖU neben der harten Militär- und Okkupationspolitik auch die weiche Politik der pénétration pacifique (friedlichen Durchdringung) beherrschte. Die Männer des Zweibundes dachten jedoch primär in harten militärischen Kategorien und setzten 1914 eine harte Linie durch.
Österreich-Ungarn war eine Antithese zum Nationalismusmodell des 19.Jhdts. welches für die Urkatastrophen des 20. verantwortlich war. Die inneren Spannungen der letzten Lebensjahrzehnte der Monarchie lassen dabei aber vergessen dass dieser mitteleuropäische Raum in dem es auch schon vor Habsburg Versuche der politischen Einheit gab - Przemysliden, Luxemburger, Hunyadi - jahrhundertelang bestand und eine eigenständige mitteleuropäische Kultur hervorbrachte die unabhängig von Nation und Sprache bestand und besteht, wenn auch erschüttert und auseinandergerissen durch die unseligen Ereignisse der letzten 60, 70 Jahre.
Man kann Österreich-Ungarn viel vorwerfen, eine harte Militär- und Okkupationspolitik wurde wenn als letztes Mittel eingesetzt. Als Beispiel sei die permanetne Aufregung der deutsch-nationalen Kreise wegen des laxen Umgangs der Wiener Regierung mit den national-tschechischen Sokoll-Verbänden. Wir sollten das aber nicht in diesem Thread weiterdiskutieren, es gibt glaub ich eh einen eigenen dazu im Forum (ausserdem müsste ich mir meine Unterlagen raussuchen und dazu bin ich im Moment zu faul :D )
Gandolf schrieb:
Sorry. Da war ich zu polemisch. Aber die berühmt-berüchtigte österreichische Langsamkeit ist, wenn es sie jemals gegeben hat, ohnehin längst Geschichte.
Constantia et fortitudine brachten Wien einen Platz im Konzert der Großmächte für über 400 Jahre - Langmut und Warten können ist eine der wichtigsten (nicht nur politischen) Tugenden. Auch wenn Grillparzer das "Auf halben Wegen und zu halber Tat mit halben Mitteln zauderhaft zu streben." im Bruderzwist anprangert - mit hudeln kommt man auch net weiter. ;)
Genug davon - ich schätze deine gescheiten Beiträge viel zu sehr um sich in Haarspaltereien zu ergehen.
 
Gandolf schrieb:
6.
Das Deutsche Reich hätte seine inneren Probleme mit einer weitergehenden Parlamentarisierung und Demokratisierung in den Griff bekommen können. Aber diesen Weg wollte die Führungsschicht nicht beschreiten. Sie wollte auf ihre Privilegien, insbesondere auf das preußische Dreiklassenwahlrecht, nicht verzichten. Zugleich pflegte sie die Vorstellung, dass die Mittellage Deutschlands einer Parlamentarisierung entgegenstünde, da eine handlungsfähige Führung erforderlich ist, die nicht vom Parlament gelähmt werden darf (Primat der Außenpolitik).

7.
Die deutsche Führungsschicht verschleppte die nötigen Reformen, um ihren konservativ-reaktionären Einfluss möglichst lange zu erhalten: Diese Strategie zeigte sich bereits bei der Gründung des Reiches als halbkonstitutionelle Monarchie. Die bürgerlichen Parteien wurden mit einem Pseudoparlamentarismus vertröstet. In der Folgezeit erwies sich der Hebel des Budgetrecht des Reichstages als wirkungslos, um eine weitergehende Parlamentarisierung und Demokratisierung durchzusetzen. Im August 1914 wurden die Parteien durch den Burgfrieden ruhig gestellt. 1916 wurde der Reichstag bei der Gestaltung der Außenpolitik etwas beteiligt. 1917 ging die OHL zur Militärdiktatur über.

welche führungsschicht beharrt nicht auf ihren privilegien? das eine aufweichung der konstitutionellen monarchie in eine parlamentarische nicht auf die schnelle geht, zeigen doch die anderen monarchien, die diesen weg gegangen sind. auch in grossbritannien war das ein langer und zum teil sehr steiniger weg.

als fürstenbund gegründet konnte man 1871 nichts anderes als eine konstitutionelle monarchie erwarten. wenn aber der reichstag so unbedeutend gewesen wäre, wie er von dir dargestellt wurde, verstehe ich nicht, warum man 1914 ihn so dringend brauchte.
 
Gandolf schrieb:
Den Mangel gab es 1914 eindeutig. Das Deutsche Reich fühlte sich eingekreist. Weder ein Bündnis mit Frankreich, England oder Rußland war 1914 möglich.

1914 war es natürlich zu spät, nach Bündnisalternativen zu suchen - die hätte man 1914 wohl nur noch bei den USA gefunden, denen aber an einer Involvierung in europäische Bündnisse oder gar einen europäischen Konflikt damals gar nicht gelegen war.
Aber zum Thema: ich hatte den Punkt des Mangels so verstanden (und so muß man ihn mE nach auch betrachten), daß Du ihn als einen Grund für die Abkehr von der Bismarckschen Bündnispolitik des Gleichgewichtes gesehen hast. Ergo gilt dafür dann 1890 als "Normaljahr" und nicht 1914!
Und von 1890 bis 1900 wären die Bündnisalternativen noch vorhanden gewesen...

Gandolf schrieb:
Die deutsche Politik griff unter Wilhelm II. recht häufig zu handfesten Kriegsdrohungen. Ich hatte als Beispiel die Marokkokrisen erwähnt. Diese hätten auch rasch zum Krieg führen können. Aus diesen Drohungen lässt sich eben nicht nur das Bedürfnis der deutschen Führung ablesen, Stärke zu demonstrieren, sondern auch dass die neue Generation viel eher als Bismarck bereit war, die Karte des Krieges zu spielen.

Nun, es gibt aber schon einen Unterschied darin, ob ich mit Krieg drohe oder ob ich dann auch wirklich einen Krieg führe. Und davon abgesehen ist auch dies zu jener Zeit (1890 - 1914) kein deutsches Phänomen oder ein Phänomen des Zweibundes, sondern wurde bspw. auch von Großbritannien und Frankreich häufig angewandt (Stichwort: Faschodakrise 1898) oder eben auch von Rußland (Stichwort: Russisch-Japanischer Krieg 1904).
Die europäischen Großmächte unterschieden sich diesbezüglich also nicht so sehr voneinander; Deutschland machte dies natürlich aber auf eine sehr offene, unverhohlene und undiplomatische Art.

Gandolf schrieb:
Weder das Osmanische Reich noch Rußland waren Mitglied des Zweibundes.

Hatte ich mit keiner Silbe behauptet ;)
Aber auch diese beiden Staaten versuchten ihre Nationalitätenprobleme und ihre Reformenunwilligkeit durch aggressive Politik "nach außen" zu lösen. Während das Osmanische Reich sich aber an die Zweibundstaaten ankoppelte und zu den Mittelmächten hinzukam, näherte sich Rußland eben Frankreich und Großbritannien an und trat der Entente bei.


Gandolf schrieb:
Bei den Zweibundstaaten unterblieben auch aus außenpolitischen Erwägungen die nötigen Reformen bzw. wurden diese verschleppt. Die hieraus resultierende Erstarrung dieser Staaten drückte sich u.a. dadurch aus, dass die konservativ-reaktionäre Führungsschicht dieser Staaten ihren Einfluß behielt und sich die Probleme insbesondere von ÖU verschärften. Infolgedessen schritt der Niedergang von ÖU derart fort, dass es 1914 einen Prestiegerfolg benötigte.

Aber eben nicht nur bei den Zweibundstaaten - s. mein Einwand bzgl. Osmanischem Reich und Rußland...

Gandolf schrieb:
ÖU strebte - zurückhaltend ausgdrückt - die Auslöschung Serbiens als politischen Machtfaktor an. Der Krieg mit Rußland war da vorprogrammiert. Das wußten auch alle in Berlin und Wien. Deshalb drängte Berlin darauf, dass ÖU schnell zum Krieg schreitet und somit die internationale Trauergemeinde (Attentat von Sarajevo) von ÖUs naßforscher Reaktion überrumpelt wird. ABER die Österreicher brauchten für ihre Reaktion eine Ewigkeit...

Dann eben noch einmal ganz haarklein: Deutschland nahm den Krieg zwischen Österreich-Ungarn in Kauf. Deutschland selbst war bereit, seinerseits einen Krieg gegen Frankreich zu führen, auf den es durch den Schlieffenplan vorbereitet war. Daß Rußland sich als Schutzmacht der Balkanslawen sah, war bekannt, weswegen ein Krieg mit diesem nur eine Frage der Zeit war. Worauf man in Berlin nicht vorbereitet war, war der Fall, daß Rußland schneller mobilmacht als erwartet (was dann eben 1914 eintraf). Ebenfalls verspekuliert hatte man sich natürlich mit der Annahme, die Briten aus dem Krieg heraushalten zu können, da man - verienfacht gesagt - Belgien als Aufmarschgebiet gegen Frankreich brauchte.
Zur Reaktionsdauer der Österreicher und deren Gründen hat Rovere dankenswerterweise bereits geantwortet, und ich schließe mich seinen Ausführungen diesbezüglich an.
Und trotz alledem: der Krieg von 1914 traf keine der involvierten Parteien (sowohl Mittelmächte wie auch Entente) unvorbereitet. Die Situation hatte sich längst entsprechend verschärft, "daß es nur noch eines Funkens brauchte, um das Pulverfaß zur Explosion zu bringen". Daß diesen Funken das Attentat von Sarajevo lieferte, kann man mE nach keiner Seite anlasten...

An der Stelle möchte ich darum bitten, daß wir jetzt die Ereignisse um den Ausbruch des Weltkrieges wieder in den Hintergrund stellen und uns wieder der Bündnispolitik und ihrem Wandel zuwenden.

Dank & Gruß

Timo
 
Zuletzt bearbeitet:
collo schrieb:
da aber entsprechende dokumente sich auch auf französisch, englisch oder russisch finden liessen, ist es eben kein nachweis dafür, dass nur das deutsche reich in den krieg zog um eroberungen zu machen.
Aha. Du bist also der Auffassung, dass das Deutsche Reich aber auch andere Staaten in den Krieg zogen, um Eroberungen zu machen.
collo schrieb:
m.e. trat von den grossmächten keiner in den krieg ein, um eroberungen zu machen.
:confused:
 
Zuletzt bearbeitet:
collo schrieb:
auch 1914 war es kein angriffsbündnis: österreich-ungarn fühlte sich nicht ganz zu unrecht von serbien angegriffen, die russische mobilmachung musste in deutschland nach "fahrplan" eine entsprechende gegenreaktion hervorrufen. alle militärischen planungen, sowohl auf seiten der mittelmächte als auch auf russischer und französischer seite waren offensiv ausgerichtet, eine rein defensiv ausgreichtete strategie gab es leider nicht.
In der Julikrise des Jahres 1914 soll sich der Zweibund nicht als Angriffsbündnis erwiesen haben?

Das Attentat berechtigte ÖU zwar zu einer Bestrafungsaktion, aber doch nicht zum Versuch Serbien auszuschalten. Genau dies war in Wien mit deutscher Unterstützung geplant. Die österreichisch-ungarische Kriegserklärung vom 28.7.1914 eröffnete somit einen Angriffskrieg und keinen Verteidigungskrieg. Eigentlich sah der Zweibund (1879) eine Bündnisverpflichtung Deutschlands nur für den Fall eines Angriffs auf ÖU seitens Rußlands oder eines von ihm unterstützten Staates vor, nicht aber für den Fall eines österreichisch-ungarischen Angriffs. Was also 1914 geschah, hatte mit dem Zweibund von 1879 eigentlich nichts mehr zu tun, mit Ausnahme des Umstandes, dass die regierungsamtliche Propaganda den von den Mittelmächten vom Zaun gebrochenen Krieg in einen "Verteidigungskrieg gegen Rußland" einkleidete. Ironischerweise erklärte Deutschland Rußland den Krieg (1.8.1914) bevor Österreich-Ungarn Rußland den Krieg erklärte (6.8.1914).

Um das Ziel, der Ausschaltung Serbiens zu erreichen, nahm man auch den Krieg mit Rußland und das Ingangkommen der von Dir beschriebenen Bündnismechanik in Kauf. Entweder Rußland duldete ÖU Vorgehen, dann gelang die gewünschte Lokalisierung des Krieges, oder dies gelang nicht, dann kam es zum Kontinentalkrieg. Die Verantwortung für das Ingangkommen dieser Entscheidungskette lag eindeutig bei den Mittelmächten.
 
ein eroberungskrieg ist für mich ein krieg, den man vom zaun bricht, um gebiete zu erobern. typisches beispiel: der erste schlesische krieg 1740, oder der zweite weltkrieg, aber nicht der erste!

ABER: jeder(?) siegreiche krieg führte zu eroberungen/annexionen, sie gehörten zu den strategisch-politischen nachkriegsplanungen dazu, wie die butter aufs brot.

also hatte bei ausbruch des 1. weltkrieges jede partei irgendeinen gebietsanspruch in der schublade. die existenz eines solchen plans an sich ist für mich kein nachweis besonderer aggessivität, wie du sie den mittelmächten unterstellst.

ein angriffskrieg ist für mich ein unprovozierter überfall auf einen staat, wie 39 gegen polen, oder 41 gegen die sowjetunion. und von mir aus kann man darunter noch präventivkriege fassen. eine offensive strategie ist nicht immer damit gleichzusetzen. auch die franzosen, die keinen angriff auf deutschland planten, wollten ihren verteidigungskrieg offensiv führen.

österreich-ungarn fühlte sich subjektiv durch serbien angegriffen. ihre strategie sah die niederschlagung serbiens vor. das deutsche reich sah sich durch die russische mobilmachung bedroht, dann durch die drohende französische. die militärischen planungen sahen für diesen fall nur eine lösung vor: selbst initiativ zu werden. das die erste kriegspartei objektiv als angreifer gesehen wird, ändert nichts daran, dass sowohl österreich-ungarn als auch das deutsche reich aus der subjektiven sicht keinen angriffskrieg führten.
 
Gandolf schrieb:
Ironischerweise erklärte Deutschland Rußland den Krieg (1.8.1914) bevor Österreich-Ungarn Rußland den Krieg erklärte (6.8.1914).

Dir dürfte klar sein, daß diese Daten wenig besagen. Wenn ein Feind an der Grenze aufmarschiert, aggressive Töne krächzt und sich auf den Krieg vorbereitet, dann ist es durchaus eine legitime Option ihm zuvor zu kommen. Wer dann wann offiziell die Kriegserklärung rausgibt mag zwar vor der Geschichte interessant sein und würde in einem "Prozeß" eine Rolle spielen, kann aber vielleicht vor der eigenen Niederlage schützen.

Mir geht es genau wie collo, ich kann beim ersten Weltkrieg keinen "üblichen" Angriffskrieg sehen, dazu war man in den Handlungsmöglichkeiten damals viel zu festgelegt. Es ist zu überlegen, welche anderen Optionen Deutschland gehabt hätte?

Hätte es ÖU passiv "beistehen" können, wenn es Serbien angegriffen hätte?
Wie fallen die Dominosteine?
- ÖU greift Serbien an
- Rußland greift ein, gemäß den Bündnisverpflichtungen
- Folglich greift ÖU Rußland an
- Da England und Frankreich sich gem. Bündnisverpflichtung ebenso angegriffen fühlen, müssen sie ÖU angreifen
- Das DR muß OÜ beistehen, wegen Bündnisverpflichtung, ist also ebenso angegriffen worden.

Ist dabei etwas gewonnen?

Eine friedliche Alternative:

- Deutschland drängt OÜ zu einem sanften Umgehen mit Serbien
- ÖU dürfte dann den Respekt innerhalb des Vielvölkerstaates, der nicht stabil war, verlieren.
- Machtverlust am Balkan, Zerfall des Vielvölkerstaates.
- Weitere Folge: Das DR verliert seinen wichtigsten Verbündeten und ist allein zwischen der Entente.

Ist das eine Alternative, die das DR wirklich ernsthaft verfolgen konnte?


Gandolf, deine Beiträge sind ja durchaus mit vielen Fakten gespickt und gründlich recherchiert, aber sie haben "Zwischentöne". Das "Problem" was ich mit ihnen habe, ist, daß du aus den vielen Fakten, die du aufnimmst, scheinbar die mit besonderer Aufmerksamkeit würdigst, die das Kaiserreich in einem schlechten Licht dastehen lassen.
Bei deiner Vorstellung hast du dich gegen Apologeten verwahrt. Nun, dann mußt du dich aber auch selbst um eine objektive Darstellung bemühen und nicht den Eindruck erwecken, du ziehst deine Schlüsse aus der Geschichte mit einer ideologischen Brille.
 
collo schrieb:
krieg war damals ein legitimes mittel der politik. niemand scheute es einzusetzen, wenn es erforderlich erschien und die aussenpolitischen gegebenheiten günstig erschienen. sowas wie "schrecken des krieges" gabs noch nicht (auch wenn auch schon damals kriege schrecklich waren).
War das so? War Krieg damals wirklich ein Mittel, dass man einfach so einsetzen konnte? Denk doch mal an Frankreich 1870. Es griff in der Frage der spanischen Thronnachfolge zum Krieg und überspannte dabei den Bogen. Es galt nun als Aggressor und keine andere Großmacht kam Paris zu Hilfe. Napoleons Monarchie ging unter. Im Friedensvertrag musste Frankreich auch noch Elsaß-Lothringen abtreten und sich verpflichten, hohe Reparationen zu bezahlen. Auch damals konnten Kriege schreckliche Folgen haben.

Vor einer solchen Entwicklung fürchtete sich Bismarck. Er hatte die Deutsche Einheit erreicht und wusste, dass die Einheit in der deutschen Geschichte nicht der Normalfall, sondern der absolute Ausnahme- und Glücksfall war. Das von ihm in der "Krimkriegsituation" durch drei Kriege Erreichte, von denen die beiden gegen ÖU und F auch hätten anders verlaufen können, wollte Bismarck auf jeden Fall erhalten. Den Rest seines politischen Lebens war er von der Sorge bestimmt, dass die Deutsche Einheit von den anderen Großmächten bei nächster Gelegenheit wieder beseitigt würde. Aus diesem Grund inszenierte er die Krieg-in-Sicht-Krise um frühzeitig die Schmerzgrenzen der anderen Großmächte auszuloten und beim Aufbau seines Bündnissystems zu berücksichtigen. Das eigentlich positive Ergebnis dieser Krise, dass keine andere Großmacht bestrebt war, die Deutsche Einheit wieder zu beseitigen, erkannte Bismarck ironischerweise gar nicht. So blieb er bis zu seiner Abdankung der Gefangene seiner Sorgen und Ängste um sein Geschöpf. Übrigens diese Sorge um den Frieden, die Bewahrung des Erlangten, verband ihn mit Lord Salisbury, der ab 1885 als britischer Premier, eng mit Bismarck zusammen arbeitete.

Die nachfolgenden Generationen waren aus einem ganz anderen Holz geschnitten. Für sie war die deutsche Einheit etwas Selbstverständliches, etwas worauf die deutsche Nation einen Anspruch hatte, obwohl es diese Einheit im Grunde seit Barbarossas Tagen nicht mehr gegeben hatte. Diese Generation konnte vor Kraft kaum gehen und strebte nach Vermehrung des Erworbenen. Ihr genügte Bismarcks Werk nicht mehr. Sie strebte nach einem "Platz an der Sonne" und träumte von deutscher "Weltpolitik".
collo schrieb:
bismarck erkannte nur, dass das deutsche reich zum einen eine kritische größe erreicht hatte, durch sein bündnissystem vor dem einzig wahrscheinlichen gegner abgesichert war und es nach der einigung um die innere struktur des reiches ging.
Hatte Deutschland im Kreis der Großmächte wirklich nur auf einen Gegner aufzupassen? Bismarck entwarf mal das Bild von sich als Joungler mit den 5 Kugeln, der im entscheidenden Moment drei Kugeln in der Hand halten müsse. Das hört sich komplizierter an, als nur auf "dem einzig wahrscheinlichen gegner" aufzupassen.
 
Gandolf schrieb:
Hatte Deutschland im Kreis der Großmächte wirklich nur auf einen Gegner aufzupassen? Bismarck entwarf mal das Bild von sich als Joungler mit den 5 Kugeln, der im entscheidenden Moment drei Kugeln in der Hand halten müsse. Das hört sich komplizierter an, als nur auf "dem einzig wahrscheinlichen gegner" aufzupassen.

ich meinte die situation, wie sie die ersten beiden jahrzehnte nach der reicheinheit herrschte:

österreich-ungarn: der krieg von 1866 hatte bewiesen, dass man schon mit preussen allein nicht fertig wurde. eigentlich wäre frankreich der "natürliche" bündnispartner gewesen, wenn man denn revanchegelüste gehabt hätte. aber der ausserordentlich kluge friedensschluss von 1866 liess solche gedanken wohl kaum aufkommen. durch die interessen auf dem balkan verschärften sich das konfliktpotenzial mit russland.

russland: der einigung deutschlands unter preussens führung stand man wohlwollend gegenüber. zwischen beiden nationen bestand kein konfliktpotenzial, im gegenteil, mit der unterdrückung polens gab es ein gemeinsames interesse. die ausdehnung russlands in asien barg das risiko eines konflikts mit grossbritannien. da frankreich im krimkrieg an dessen seite focht und auch kein interesse an einer russischen ausdehnung richtung mittelmeer hatte, schied es als bündnispartner (neben den politischen gründen) zunächst aus.

grossbritannien: interessierte sich wenig für europa, solange das gleichgewicht gewahrt blieb. mit dem deutschen reich gabs kein konfliktpotenzial, da dieses keine echte flotte besass und auch im kolonialbereich sich zurückhielt. dagegen waren die französichen und russischen imperialen bestrebungen eine ernsthafte konkurrenz.

die einzige grossmacht, die dem deutschen reich feindlich gegenüberstand (aus gutem grund), war frankreich. deshalb musste eine deutsche reichsregierung eigentlich nur darauf achten, es isoliert zu halten und es sich mit den russen nicht zu verscherzen, die als einzige grossmacht dem deutschen reich durch ihre schiere größe militärisch ebenbürtig schienen. denn, wie ich ja auch schrieb, krieg war zwar ein akzeptiertes mittel der politik, aber gegen eine grossmacht konnte man nur dann in den krieg ziehen, wenn die aussenpolitischen verhältnisse es zuliessen (d.h. sich die anderen zumindest neutral verhielten, so wie 70/71 ).

im laufe der jahre änderte sich die situation. schon bismarck verärgerte die russen mit dem ergebnis des berliner kongresses 1878, als ihn alle anderen zum "ehrlichen makler" ausriefen.
dennoch gelang es ihm noch, die gegner österreich-ungarn und russland zusammenzubringen. ich bezweifle aber, dass es bismarck selbst oder einem fähigen nachfolger gelungen wäre, dieses bündnis auf dauer zu erhalten. dazu war zuviel konfliktpotenzial zwischen den beiden partnern vorhanden.

russland dämmerte es auch langsam, dass es nicht mehr nur preussen zum westlichen nachbarn hatte, sondern ein deutsches reich, das russlands rolle als stärkste landmacht übernommen hatte (und immer stärker wurde). das zusammen mit österreich-ungarn eine ernstzunehmende bedrohung darstellen konnte. ausserdem verschlechterte sich das verhältnis zu grossbritannien, dass sich in indien durch russland bedroht fühlte und sich als schutzmacht des osamnischen reiches gegenüber russland begriff. und dann verzichtete das deutsche reich freiwillig auf die rückversicherung mit russland. ich kann mir gut vorstellen, dass sich russland um 1890 herum ähnlich eingekreist sah wie deutschland vor 1914 und deshalb dankbar für das französiche angebot war.
 
collo schrieb:
österreich-ungarn blieb bis zum ende eine kontinentale macht, das deutsche reich war um 1879 eine rein kontinentale macht ohne besondere kolonialen ambitionen. als grösste militärische und dann auch wirtschaftliche macht europas änderte sich die position deutschlands bis 1914 natürlich. aber global und europäisch waren bis 1914 weitgehend synonym (ausnahme usa) und auch der erste weltkrieg war in erster linie ein europäischer krieg, auch wenn einige unbedeutende kampfhandlungen in afrika und asien ausgetragen wurden (mit dem kriegseintritt der usa ändert sich das).
Im Vergleich zu 1879 war die Welt von 1914 deutlich globaler aufgestellt:

1. In den dazwischen liegenden 25 Jahren zogen die Europäer im Globalisierungsprozeß "Imperialismus" in die Peripherie und gründeten große Kolonialreiche. Diese Entwicklung trug nicht nur die Gefahr in sich, dass die großen europäischen Kolonialmächte England und Frankreich aneinander gerieten, z.B. in Faschoda. Eine weitere Gefahr lag - aus deutscher Sicht - auch darin, dass an sich rivalisierende europäische Großmächte durch solche Krisen um Kolonien sowie deren (vertrauensvolle) Lösungen zu einem Interessenausgleich und Vertrauensaufbau gelangen, der sich auch in europäischen Fragen bemerkbar machte und allmählich zu einem europäischen Bündnis führte, z.B. zur entente cordiale.

Gerade deshalb lastete während der Zeit dieses Globalisierungsprozesses der Druck auf Deutschland, sich mit seinen Nachbar-Großmächten zu verständigen und im Innern Reformen durchzuführen, die die Bündnisfähigkeit Deutschlands erhöhten (Parlamentarisierung, Demokratisierung).

Die deutsche Politik trug jedoch dieser Entwicklung dadurch Rechnung, dass sie z.B. in den beiden Marokkokrisen versuchte, jede Annäherung zwischen Frankreich und Russland einerseits und Frankreich und Englands andererseits mittels martialischer Kriegsdrohungen aufzusprengen. Stattdessen erreichte das Deutsche Reich lediglich, dass die Beziehungen zwischen diesen Staaten noch enger wurden und sich aus diesen unter deutschem Druck Bündnisse gegen Deutschland entwickelten. Deutschland wurde nicht eingekreist; es kreiste sich aus.

2. Die USA stiegen in diesem Zeitraum nicht nur zur wirtschaftlich stärksten Macht der Welt auf. Sie traten unter Theodore Roosevelt auch als imperiale Macht in die Weltpolitik ein (amerikanisch-spanischer Krieg). Die Beziehungen zum traditionellen britischen Gegner verbesserten sich erheblich, was sich in der Panama-Frage zeigte. Die Beziehungen zum deutschen Reich hingegen verschlechterten sich, was im Streit um Samoa deutlich wurde.

Diese Hinwendung der USA zu England stärkte natürlich die britische Position in Europa. Dieser Stärkung konnte der Zweibund im Grunde nichts entgegensetzen ausser der U-Boot-Waffe, die jedoch die Gefahr mit sich brachte, dass sie die USA in einen europäischen Konflikt zu Gunsten Englands und zu Lasten Deutschlands hineinzog. Deutschland hätte also - ausserhalb des Zweibundes - eine Politik verfolgen müssen, die die USA stärker zu Gunsten Deutschlands vereinnahmt hätte:
- Entgegenkommen in der Samoa-Frage,
- verstärkte wirtschaftliche Zusammenarbeit und
- demokratische Reformen in Deutschland.

Doch für die deutsche Führungsschicht kam dies nicht nur nicht in Frage. Sie erkannte - da sie noch ganz im alten kontinentalen Denken verhaftet war - auch gar nicht die Notwendigkeit einer Zusammenarbeit mit den USA und die Chancen, die sich durch diese ergeben konnten: gegen amerikanischen Widerstand konnte Großbritannien schon im Hinblick auf Kanada keinen Kriegseintritt in einen europäischen Krieg zu Lasten Deutschlands wagen.

3. Das britische Weltreich begann sich in diesen 25 Jahren zu einem Commonwealth zu verwandeln. Bereits 1867 erhielt Kanada den Dominien-Status, 1901 erhielten diesen Australien und Neusseeland (1901), 1910 Südafrika. Durch diesen Wandel wurde der Einfluss der Weltöffentlichkeit - auch für die Beziehungen zu den USA - noch wichtiger. Um diese für sich zu gewinnen, wäre eine maßvolle Außenpolitik (Friedensorientierung) und die Durchführung demokratischer Reformen erforderlich gewesen. Doch die deutsche Außenpolitik wurde gerade in den beiden Marokkokrisen zunehmend aggressiver und demokratische Reformen kamen auch nicht zustande.
collo schrieb:
die wirtschaftliche verflechtung der kriegsgegner war auf einem niveau, welches erst vor ein paar jahren wieder im rahmen der eu erreicht wurde. aus wirtschaftlichen erwägungen hätte england neutral bleiben müssen.
und wenn man sich die kriegsziele bethmann-hollwegs durchliest, wird man fetsstellen müssen, dass die schaffung einer einheitlichen wirtschaftszone von deutscher seite geplant war, eine art frühe ewg. "plumpe eroberungen" waren sekundär.
Waren sie 1914 wirklich sekundär? Anstatt die serbischen Verantwortlichen zu bestrafen, zog ÖU 1914 immerhin in den Krieg, um Serbien zu erobern und als eigenständigen politischen Machtfaktor auszuschalten. Deutschlands Risikoplanung sah für den Fall des Falles einen Krieg vor, der in einen Frieden münden sollte, durch den es mittels Annexionen ewige Sicherheit vor seinem französischen Nachbarn finden sollte.
 
collo schrieb:
eine doppelmonarchie, die in sich zentralistisch organisiert war und eine einheitliche, aber föderale monarchie sollen sich "unglaublich" ähnlich gewesen sein?
Auf einer gesamteuropäischen Perspektive waren sie das. Schaut man hingegen auf die Detais, wird man natürlich Unterschiede erkennen.

Das Deutsche Reich war übrigens aufgrund der starken preußischen Stellung im Reich eher ein Zentralstaat mit süddeutschem Anhang als ein föderaler Staat. Auch gab es keine echte Reichsregierung. Die Geschäfte des Reiches wurden von den preußischen Regierungsmitgliedern in Personalunion erledigt.
collo schrieb:
und welchen trend der zeit meinst du?
Parlamentarisierung und Demokratisierung!

Beispiele:
- Großbritannien entwickelte sich im 19. Jahrhundert zur parlamentarischen Monarchie
- Frankreich wurde 1871 Republik
- in Schweden setzte sich 1906-1909 der Parlamentarismus durch
- in Norwegen setzt sich 1884-1889 der Parlamentarismus durch
- Portugal wurde 1910 Republik
- Schweiz war ohnehin Republik
- Niederlande wurde 1848 eine parlamentarische Monarchie
- Belgien wurde Ende des 19. jahrhunderts parlamentarische Monarchie
collo schrieb:
... zumindest für deutschland ging es peu a peu hin zur parlamentarischen monarchie.
Ging es das?

Im "Daily-Telegraph"-Skandal und im Zabern-Skandal zeigte sich, dass der Reichstag im Grunde machtlos war. Im Zabern-Skandal sprach er Bethmann Hollweg das Misstrauen aus und eine Woche später genehmigte er dennoch den Haushalt des Kanzlers, der natürlich nicht zurückgetreten war.

Auch der Krieg führte nicht zur Parlamentarisierung. Die Parteien wurden im Burgfrieden ruhig gestellt, der Reichstag wurde über die Kriegsführung unterrichtet (= belogen) und Wahlrechtsreformen wurden für Preußen in der Osterbotschaft von 1917, also in einem Zeitpunkt, in dem das Letzte aus dem Volk herausgeholt wurde, lediglich in Aussicht gestellt. 1917 ging man sogar zur Militärdiktatur über. Erst nachdem das Reich militärisch zusammen gebrochen war, war man zur "Revolution von oben" bereit, was natürlich viel zu spät war.
collo schrieb:
klar, österreich-ungarn als vielvölkerstaat hatte seine nationalitätenprobleme, die es existenziell bedrohten. im deutschen reich wurde eine unglückliche nationalitätenpolitik betrieben, ohne frage, aber sie war nicht existenzbedrohend.
Das Deutsche Reich hatte als Land in der Mitte Europas ja deshalb im Westen, Norden und Osten Nationalitätenprobleme, weil es viele nichtdeutsche Gebiete umfasste. Es war zu groß, um nur der Nationalstaat der Deutschen zu sein. Dieser Umstand verdammte das Reich zur Bewegungslosigkeit. Weitere Zugewinne waren weder drin, noch wären diese von den deutschen Nachbarn, darunter vier Großmächte, akzeptiert worden. Die deutsche Existenz war also auf die Erhaltung des Friedens festgelegt, währenddessen ein aggressiv auftretendes Deutschland nicht nur den Frieden, sondern auch seine Existenz gefährdete.

Österreich-Ungarn war aufgrund seiner inneren Probleme handlungsunfähig und bewegungslos geworden. Neue Gebiete konnte es weder aus aussenpolitischen Gründen erwerben (Krieg mit Rußland und Italien), noch konnte es solche Gebiete innenpolitisch verdauen.

Währenddessen also das tatendurstige Deutsche Reich sich nicht bewegen durfte, war ÖU aufgrund seiner Handlungsunfähigkeit bewegungsunfähig.
 
Zuletzt bearbeitet:
ich zweifle daran, ob es überhaupt noch einen sinn macht, dir gandolf zu antworten:

die bedeutung des wortes "global" war 1914 einen andere als heute: damals bedeutete es die herrschaft der europäer über den rest der welt, mit der einen ausnahme usa, die den amerikanischen doppelkontinent beherrschten und sich im pazifischen raum als imperiale macht europäischen zuschnitts zeigten.

die drei grössten imperialen mächte, grossbritannien, russland und frankreich, haben ihre kolonialreiche auch nicht erst nach 1879 gegründet. eine konstante, von der die deutsche aussenpolitik bis zur jahrhundertwende ausgehen konnte, war ja gerade der kolonialkonflikt zwischen diesen drei mächten, der aber nie zu kriegshandlungen führte (interessanterweise wurde ja nur ein "kolonialkrieg" in dieser zeit geführt: 1898 zwischen den usa und spanien).

mit "globalisierung" wie wir es heute verstehen, also eher ökonomisch, hatte das aber wenig zu tun. einen "globalisierungsdruck" auf das deutsche kaiserreich kann ich auch nicht erkennen und ich kann auch keinen grund dafür finden, was der koloniale wettlauf mit inneren reformen im deutschen reich zu tun haben sollte. wenn innere reformen und demokratisierung notwendig für die bündnisfähigkeit eines landes gewesen sein sollten, hätte sich niemand mit dem zaristischen russland verbünden dürfen.

was die beziehungen zu den usa betrifft:

hatten die vor 1914 irgendjemand in europa auf der rechnung? man wusste um die grösse des landes, um die wirtschaftliche macht (aber was kümmerte die generalstäbe die ökonomie?), aber als militärmacht? vor der flotte hatte man vielleicht respekt, aber vor der us-armee? wer damit rechnete (und das waren alle!), einen krieg nach ein paar monaten gewonnen zu haben, brauchte die kleine us-armee, die mehrere tausend kilometer über den atlantik entfernt war, nicht in sein kalkül aufzunehmen.

ausserdem gabs ja da noch die monroe-doktrin, die ja nicht nur aussagte, dass sich die europäer aus amerika raushalten sollten, sondern auch, dass die usa sich aus dem europäischen gezänk heraushielten. wer konnte 1898 ahnen, dass die usa 1917 in einen europäischen krieg ziehen werden?

zu den dominions:

die briten hatten gelernt, dass man "weisse" kolonien anders behandeln musste als z.b indien oder die afrikanischen besitzungen. das deutsche reich besass keine vergleichbaren siedlungskolonien mit mehrheitlich weisser bevölkerung. unterschied sich die englische apartheid in kenia von der deutschen in tanganika?

zu serbien:

erobern im sinne von militärisch besetzen, ja, aber im sinne von annektieren??? wer wollte in wien noch mehr (süd-)slawen auf dauer ins reich aufnehmen? und zum wiederholten male: annexionen als kriegsziel waren keine deutsche besonderheit, wieso reitest du immer noch darauf herum?
 
collo schrieb:
ich zweifle daran, ob es überhaupt noch einen sinn macht, dir gandolf zu antworten:
nanana, wer wird denn gleich zum Hammer greifen, nur weil man ihm nicht zustimmt;)
collo schrieb:
die bedeutung des wortes "global" war 1914 einen andere als heute: damals bedeutete es die herrschaft der europäer über den rest der welt, mit der einen ausnahme usa, die den amerikanischen doppelkontinent beherrschten und sich im pazifischen raum als imperiale macht europäischen zuschnitts zeigten.
Die Theorie, dass sich die Welt 1914 nur um Europa gedreht habe, ist schlicht falsch. "Global" bedeutete bereits um die Jahrundertwende nicht einfach nur Europa. Europa nahm sicherlich in der damaligen Welt und vor allem in seinem Selbstverständnis noch eine besondere hervorgehobene Stellung ein. Aber die aussereuropäischen Machtzentren sowie Themen nahmen zu und gewannen auch für die Europäer an Bedeutung. Dies war nicht nur wirtschaftlich so, sondern auch politisch und militärisch.

So besiegten die USA um die Jahrhundertwende Spanien und Japan Rußland.

Die Demonstration der deutschen Souveränität gegenüber den USA war Kaiser Wilhelm II. immerhin so viel wert, dass er die amerikanische Blockade spanischer Häfen auf den Philippinen durchbrechen ließ, was fast zu einem Krieg mit den USA führte und die Beziehungen zu den USA nachhaltig störte.

Und das Thema Burenkrieg, Stichwort Krüger-Telegramm, ruinierte auch noch das deutsch-britische Verhältnis.

Also: die Formel "global = Europa" stimmte bereits 1914 nicht mehr.
collo schrieb:
die drei grössten imperialen mächte, grossbritannien, russland und frankreich, haben ihre kolonialreiche auch nicht erst nach 1879 gegründet.
Mir war klar, dass Du Dich kleinlicherweise auf diese Formulierung stürzen wirst.:D Aber Dir ist schon klar, dass die Kolonialisierung im Zeitalter des Imperialismusses gewaltig an Fahrt gewann?
collo schrieb:
eine konstante, von der die deutsche aussenpolitik bis zur jahrhundertwende ausgehen konnte, war ja gerade der kolonialkonflikt zwischen diesen drei mächten, der aber nie zu kriegshandlungen führte (interessanterweise wurde ja nur ein "kolonialkrieg" in dieser zeit geführt: 1898 zwischen den usa und spanien).
"ausgehen konnte"?

Wieso diese Rechtfertigung für einen offensichtlichen Fehler? Es liegt doch in der Natur von Krisen, dass sie mit zwei Ergebnissen enden können: mit dem Exodus und der Gesundung.;)
collo schrieb:
mit "globalisierung" wie wir es heute verstehen, also eher ökonomisch, hatte das aber wenig zu tun.
Ich habe ja keine Ahnung, was DU unter Globalisierung verstehst. Aber "wir" verstehen heute unter Globalisierung nicht allein einen ökonomischen Vorgang, sondern auch eine machtpolitische Frage, in dem in einer multipolaren Welt um Hegemonie und Gegenmachtbildung gerungen wird - Beispiel: Zustimmung der UNO zum Irakkrieg.
collo schrieb:
einen "globalisierungsdruck" auf das deutsche kaiserreich kann ich auch nicht erkennen und ich kann auch keinen grund dafür finden, was der koloniale wettlauf mit inneren reformen im deutschen reich zu tun haben sollte. wenn innere reformen und demokratisierung notwendig für die bündnisfähigkeit eines landes gewesen sein sollten, hätte sich niemand mit dem zaristischen russland verbünden dürfen.
Dass den Zusammenhang nicht erkennen kannst, wundert mich nicht. Du gehst ja auf meine Argumente auch gar nicht ein. Stattdessen gibst Du Dich dem Trugschluß hin, aus dem Umstand, dass sich die Republik Frankreich mit dem Zarenreich verbündete, könnte man darauf schliessen, dass die inneren Verhältnisse des "Deutschen Reiches" mit seiner MITTELLAGE und den sich hieraus ergebenden aussenpolitischen Schlussfolgerungen vereinbar gewesen wären. Warum sollte sich Frankreich nicht mit dem Zarenreich verbünden? Die Frage lautet doch, was Deutschland tun musste, um seine Beziehungen zu England und Frankreich sowie sein Ansehen in der liberalen Weltöffentlichkeit (USA, Kanada, Australien, Südafrika) zu verbessern. Diesbezüglich greift Deine Argumentation völlig ins Leere.
collo schrieb:
was die beziehungen zu den usa betrifft:

hatten die vor 1914 irgendjemand in europa auf der rechnung?
Rechnung? Das interessiert mich nun aber. Bislang hast Du doch die Theorie vertreten, - wenn ich Dich richtig verstanden habe - dass die Europäer in den Krieg hineingestolpert wären. Von Rechnung dürftest Du also gar nicht posten oder bist Du nun doch anderer Auffassung?:D

1914? Auf die Julikrise des Jahres 1914 willst Du die Frage der Globalisierung einengen???

Wäre es nicht unabhängig von einer etwaigen Krise in Europa angezeigt gewesen, zu der größten Volkswirtschaft der Welt und dessen Rüstungspotential gute Beziehungen und nach Möglichkeit bessere zu unterhalten als die anderen europäischen Großmächte? Immerhin stellten die Deutschen die größte Einwanderungsgruppe der USA dar und wären somit für die Pflege guter deutsch-amerikanischer Beziehungen bei einem liberaleren Deutschland auch eine entsprechende Hausmacht gewesen.
collo schrieb:
ausserdem gabs ja da noch die monroe-doktrin, die ja nicht nur aussagte, dass sich die europäer aus amerika raushalten sollten, sondern auch, dass die usa sich aus dem europäischen gezänk heraushielten. wer konnte 1898 ahnen, dass die usa 1917 in einen europäischen krieg ziehen werden?
Europäisches Gezänk gibt es denknotwendigerweise nur dann, wenn es in Europa noch verschiedene Großmächte gibt, die miteinander zanken.;)
collo schrieb:
zu den dominions:

die briten hatten gelernt, dass man "weisse" kolonien anders behandeln musste als z.b indien oder die afrikanischen besitzungen. das deutsche reich besass keine vergleichbaren siedlungskolonien mit mehrheitlich weisser bevölkerung. unterschied sich die englische apartheid in kenia von der deutschen in tanganika?
Das mag ja sein. Aber was soll das mit meiner Argumentation zu tun haben?:confused:
collo schrieb:
zu serbien:
erobern im sinne von militärisch besetzen, ja, aber im sinne von annektieren??? wer wollte in wien noch mehr (süd-)slawen auf dauer ins reich aufnehmen? und zum wiederholten male: annexionen als kriegsziel waren keine deutsche besonderheit, wieso reitest du immer noch darauf herum?
Warum nicht? Du hast doch behauptet, dass "plumpe eroberungen" sekundär gewesen seien; so als ob die Erobung von Serbien oder die Annexion Nordfrankreichs nur eine sekundäre Bedeutung gehabt hätte.
 
collo schrieb:
welche führungsschicht beharrt nicht auf ihren privilegien? das eine aufweichung der konstitutionellen monarchie in eine parlamentarische nicht auf die schnelle geht, zeigen doch die anderen monarchien, die diesen weg gegangen sind. auch in grossbritannien war das ein langer und zum teil sehr steiniger weg.

als fürstenbund gegründet konnte man 1871 nichts anderes als eine konstitutionelle monarchie erwarten. wenn aber der reichstag so unbedeutend gewesen wäre, wie er von dir dargestellt wurde, verstehe ich nicht, warum man 1914 ihn so dringend brauchte.
Brauchte man ihn wirklich?

Wie gering die Bedeutung des Reichstages war, zeigte sich in der Zabernkrise, die sich 6-9 Monate vor dem Juli 1914 ereignete. Der Reichstag sprach Bethmann Hollweg wegen den Übergriffen des preußischen Militärs im Elsaß das Misstrauen aus. Dieser blieb dennoch im Amt. Eine Woche später verabschiedete der Reichstag brav den Haushalt nebst Militäretat.

Wenn der Reichstag schon in Friedenszeiten nicht in der Lage war, der Monarchie und dem Militarismus zu trotzen, so war er hierzu unter den Bedingungen des Krieges inklusive der regierungsamtlichen Propaganda vom Verteidigungskrieg erst recht nicht in der Lage. Schon Bismarck hatte in den 60er Jahren des 19. Jahrhundert vorexerziert, dass man zur Not das Budgetrecht des Parlamentes einfach auch missachten konnte. Wer hätte vor einer Neuauflage dieser Politik Kaiser und Kanzler hindern sollen? Gerade der krieg und die mit ihm verbundene Not des Vaterlandes eröffnete dem Kaiser eben auch die Möglichkeit den Reichstag als unpatriotisch zu brandmarken und dessen "Rechte" (endgültig) auszuhebeln. Vor diesem Hintergrund ist Deine Einschätzung, dass man den Reichstag brauchte, einfach lebensfremd. Es war natürlich besser ihn auf seiner Seite zu haben, aber Kaiser und Kanzler haben ihn nicht wirklich gebraucht.
 
collo schrieb:
österreich-ungarn fühlte sich subjektiv durch serbien angegriffen. ihre strategie sah die niederschlagung serbiens vor. das deutsche reich sah sich durch die russische mobilmachung bedroht, dann durch die drohende französische. die militärischen planungen sahen für diesen fall nur eine lösung vor: selbst initiativ zu werden. das die erste kriegspartei objektiv als angreifer gesehen wird, ändert nichts daran, dass sowohl österreich-ungarn als auch das deutsche reich aus der subjektiven sicht keinen angriffskrieg führten.
Mir ist diese Betrachtungsweise zu mechanisch. Dabei geht die Verantwortung der einzelnen Entscheidungsträger für ihr jeweiliges Handeln unter:

ÖU durfte selbstverständlich auf das Attentat mit einer Bestrafungsaktion antworten. Hiermit wären selbst die Russen einverstanden gewesen. ABER ÖUs Interesse ging eben über eine solche Bestrafungsaktion hinaus, was sich dann ja auch zeigte, als Serbien das im Grunde unannehmbar formulierte österreichisch-ungarische Ultimatum bis auf einen Punkt annahm und ÖU dennoch zum Krieg schritt. Dadurch das ÖU durch sein Vorgehen den Bogen überspannte, wurde es 1914 zum Aggressor. Übrigens muss völkerrechtlich ein Angriff auf das eigene Land unmittelbar nach diesem Angriff mit Krieg beantwortet werden, damit es sich bei diesem Krieg noch um einen Verteidigungskrieg handelt. Zwischen der österreichisch-ungarischen Kriegserklärung und dem Attantat lag jedoch ein Monat, so dass für das Führen eines Verteidigungskrieges auch der Unmittelbarkeitszusammenhang fehlte.

Ferner rechnete man in Wien und Berlin damit, dass Russland lediglich bereit war, eine Bestrafungsaktion zu dulden und im Falle des Versuchs, Serbien auszuschalten, diesem militärisch beistehen wird. Deshalb drängte man anfangs in Berlin ja auch auf eine schnelle Aktion Wiens. Diese sollte den Überrumpelungseffekt erhöhen und auch dem Unmittelbarkeitszusammenhang Rechnung tragen. Und als Wien erst nach drei Wochen kriegsbereit war und sich dieser Effekt nicht mehr einstellen konnte, hielt man trotzdem an seinem Vorhaben fest. Somit nahm man den russischen Kriegseintritt und die damit verbundene Ausweitung des österreichisch-serbischen Konflikts zum Kontinentalkrieg in Wien und Berlin billigend in Kauf.
 
Gandolf schrieb:
Die deutsche Politik trug jedoch dieser Entwicklung dadurch Rechnung, dass sie z.B. in den beiden Marokkokrisen versuchte, jede Annäherung zwischen Frankreich und Russland einerseits und Frankreich und Englands andererseits mittels martialischer Kriegsdrohungen aufzusprengen. Stattdessen erreichte das Deutsche Reich lediglich, dass die Beziehungen zwischen diesen Staaten noch enger wurden und sich aus diesen unter deutschem Druck Bündnisse gegen Deutschland entwickelten. Deutschland wurde nicht eingekreist; es kreiste sich aus.
Sicher wirkte der Ärger 1914 noch nach, aber das "Problem Marokko" war doch eigentlich bereits 1911 mit dem "Marokko-Kongo-Vertrag" erledigt.


Gandolf schrieb:
2. Die USA stiegen in diesem Zeitraum nicht nur zur wirtschaftlich stärksten Macht der Welt auf. Sie traten unter Theodore Roosevelt auch als imperiale Macht in die Weltpolitik ein (amerikanisch-spanischer Krieg). Die Beziehungen zum traditionellen britischen Gegner verbesserten sich erheblich, was sich in der Panama-Frage zeigte. Die Beziehungen zum deutschen Reich hingegen verschlechterten sich, was im Streit um Samoa deutlich wurde.
Soweit okay. Mal ganz von einer Bewertung der Samoa-Querelen abgesehen. Aber du lässt etwas unter den Tisch fallen, so daß wieder der Eindruck entsteht, das Deutsche Reich ist ein Kriegstreiber zwischen Friedensengeln. Wer war denn der dritte Beteiligte auf Samoa: Richtig "John Bull". Und die Briten zogen keineswegs dort die ganze Zeit mit den USA einträchtig am selben Strang.

Gandolf schrieb:
Diese Hinwendung der USA zu England stärkte natürlich die britische Position in Europa. Dieser Stärkung konnte der Zweibund im Grunde nichts entgegensetzen ausser der U-Boot-Waffe, die jedoch die Gefahr mit sich brachte, dass sie die USA in einen europäischen Konflikt zu Gunsten Englands und zu Lasten Deutschlands hineinzog. Deutschland hätte also - ausserhalb des Zweibundes - eine Politik verfolgen müssen, die die USA stärker zu Gunsten Deutschlands vereinnahmt hätte:
- Entgegenkommen in der Samoa-Frage,
Na, dann hat sich Deutschland ja richtig verhalten, denn im Streit um Samoa führte es ja bekanntlich zu einer Einigung der drei Beteiligten. Ost-Samoa an die USA, West-Samoa an D. GB erhält als Ausgleich für den Verzicht die Salomon-Inseln Coiseul und St.Isabel und Grenzkorrekturen zu seinen Gunsten in Westafrika (Togo).
 
Arne schrieb:
Dir dürfte klar sein, daß diese Daten wenig besagen. Wenn ein Feind an der Grenze aufmarschiert, aggressive Töne krächzt und sich auf den Krieg vorbereitet, dann ist es durchaus eine legitime Option ihm zuvor zu kommen. Wer dann wann offiziell die Kriegserklärung rausgibt mag zwar vor der Geschichte interessant sein und würde in einem "Prozeß" eine Rolle spielen, kann aber vielleicht vor der eigenen Niederlage schützen.

Mir geht es genau wie collo, ich kann beim ersten Weltkrieg keinen "üblichen" Angriffskrieg sehen, dazu war man in den Handlungsmöglichkeiten damals viel zu festgelegt. Es ist zu überlegen, welche anderen Optionen Deutschland gehabt hätte?

Hätte es ÖU passiv "beistehen" können, wenn es Serbien angegriffen hätte?
Wie fallen die Dominosteine?
- ÖU greift Serbien an
- Rußland greift ein, gemäß den Bündnisverpflichtungen
- Folglich greift ÖU Rußland an
- Da England und Frankreich sich gem. Bündnisverpflichtung ebenso angegriffen fühlen, müssen sie ÖU angreifen
- Das DR muß OÜ beistehen, wegen Bündnisverpflichtung, ist also ebenso angegriffen worden.

Ist dabei etwas gewonnen?

Eine friedliche Alternative:

- Deutschland drängt OÜ zu einem sanften Umgehen mit Serbien
- ÖU dürfte dann den Respekt innerhalb des Vielvölkerstaates, der nicht stabil war, verlieren.
- Machtverlust am Balkan, Zerfall des Vielvölkerstaates.
- Weitere Folge: Das DR verliert seinen wichtigsten Verbündeten und ist allein zwischen der Entente.

Ist das eine Alternative, die das DR wirklich ernsthaft verfolgen konnte?
Die Alternative bestand darin, ÖU auf eine Bestrafungsaktion gegen Serbien festzulegen. Mit einer solchen Aktion wären selbst die Russen einverstanden gewesen. ÖU hätte sich durch eine solche Aktion Genugtuung erlangt und der Friede in Europa wäre erhalten geblieben.

Doch ÖU ging es eben nicht um eine Bestrafung. Es strebte mit Einverständnis Berlins danach, Serbien zu erobern und auszuschalten. Damit wurden die Mittelmächte zu den Hauptverursachern des Ersten Weltkrieges.
Arne schrieb:
Gandolf, deine Beiträge sind ja durchaus mit vielen Fakten gespickt und gründlich recherchiert, aber sie haben "Zwischentöne". Das "Problem" was ich mit ihnen habe, ist, daß du aus den vielen Fakten, die du aufnimmst, scheinbar die mit besonderer Aufmerksamkeit würdigst, die das Kaiserreich in einem schlechten Licht dastehen lassen.
Bei deiner Vorstellung hast du dich gegen Apologeten verwahrt. Nun, dann mußt du dich aber auch selbst um eine objektive Darstellung bemühen und nicht den Eindruck erwecken, du ziehst deine Schlüsse aus der Geschichte mit einer ideologischen Brille.
Sorry, aber ich habe eher den Eindruck, dass Deine Sicht der Dinge ideologisch gefärbt ist. In der Geschichtswissenschaft ist heutzutage völlig unstrittig, dass die Mittelmächte die Hauptverantwortung hinsichtlich des Ausbruchs des Ersten WKes trifft. Mich wundert, dass dies hier im Forum so vehement bestritten wird.
 
Zurück
Oben