Nach Vouillé: Ostgotische Suprematie über die Westgoten

Bei einem militärischen Kommando besteht aber immer die Möglichkeit, dass man Erfolg hat und sich dadurch Ruhm erwirbt. Theudis hätte also riskiert, dass Theudegisel plötzlich zum strahlenden Sieger über die Franken, gegen die man in den letzten Jahrzehnten hauptsächlich verloren hat, wird und natürlich an der Spitze eines Heeres steht. Das wäre (und war) für ihn schon gefährlich genug gewesen, wenn Theudegisel bloß irgendein westgotischer Adliger war, umso mehr, wenn er mit Amalarich verwandt und mit den Balthen verschwägert und selbst Angehöriger eines berühmten Geschlechts gewesen wäre.

Schon klar:

Beides, das Loswerden wie das Kontrollieren barg gewissen Risiken. Auf der einen Seite würde Theudis sich möglicherweise die Feindschaft seiner ostgotischen Gefolgsleute zuziehen, auf der anderen Seite könnte Theudegisel ihm zu mächtig werden. Daher wäre die Beschäftigung Theudegisels an der fränkischen Front für Theudis fast die beste Lösung gewesen.

Theudis hätte sich gewissermaßen verzockt. Und vielleicht ist ja gerade Theudegisel mit dem ducem, der nicht aus Rache für Theudis Ermordung verfolgt werden soll, gemeint.
 
...
Wie gesagt, der Status des Theudegisel in einem von Ostgoten dominierten Heer (im Übrigen hatten Theoderich und Theudis eine Politik der Versippung von ostgotischen Soldaten mit westgotischen Frauen betrieben) spricht für seine ostgotische Herkunft.
Die Ostgoten dürften im Heer nicht dominiert haben. Das würde ja bedeutet haben, dass u. U. mehr ostgotische Soldaten im Westgotenreich standen als im eigenen Reich und ein großer Teil der westgotischen Krieger nach Hause geschickt wurden. Oder wo waren die auf einmal hin, dass die Ostgoten dominierten? Wenn dem so gewesen wäre, warum hatte Witichis die Franken um Hilfe gegen Byzanz ersucht und sich nicht die Ostgoten aus dem Westreich „geliehen“?

@Theudegisel
Wenn der Westgotenkönig mit dem Sohn Theodahads identisch wäre, müsste er vor der Einnahme Ravennas durch Belisar aus einer evtl. Haft geflohen sein. Das ist recht unwahrscheinlich. Und wenn er noch in Haft gewesen war, hätte Belisar ihn mit nach Byzanz genommen:
Prokop III, 1:
"Während noch alles unentschieden war, nahm Belisar den Witichis, die Gotenfürsten, Ildibads Kinder und den ganzen Schatz mit und fuhr nach Byzanz."

Belisar hätte kaum einen Amaler zurückgelassen/freigelassen. Die Gefahr einer Königserhebung wäre zu groß gewesen.

Umgekehrt weiß man nichts über die Herkunft des Westgotenkönigs. Erstmals taucht er 541 in Kämpfen gegen die Franken auf. Franken.
Und 542 gleich im negativen Sinne: Theudegisel ließ die Franken bei einem Raubzug entkommen, obwohl er sie in den Pyrenäen hätte vernichten können. Durch Bestechung (Gold) ließ er sie einen Tag und eine Nacht unverfolgt weiterziehen. Nur die fränkische Nachhut konnte durch eine andere gotische Truppe aufgerieben werden. Die Gier nach Gold würde zwar nahelegen können, dass er Vaters (Theodahads) Sohn war, hat aber nichts zu bedeuten, Bestechungen hat es immer gegeben.
 
Belisar hätte kaum einen Amaler zurückgelassen/freigelassen. Die Gefahr einer Königserhebung wäre zu groß gewesen.
Das sehe ich absolut genauso. Ein Amaler, möglicherweise sogar noch in Italien, hätte sich zu leicht an die Spitze der späten ostgotischen Erhebungen dort stellen können und gewiss Chancen gehabt größere Kreise zu erreichen, als selbst die letzten Gotenkönige dort oder gar jene gotischen Grafen, die noch kurz vor dem Einfall der Langobarden in Italien einen Aufstand gewagt hatten – und scheiterten!
Theudis hätte sich gewissermaßen verzockt.
Ein Amaler hätte es bei den Westgoten wohl eher schwerer gehabt als bei Ostgoten. Da mit Theudis im westgotischen Reich nun auch ostgotische Krieger eine gewisse Rolle spielten, wäre es für Theudis sicher riskant gewesen, einem Amaler ein ansehnliches Heer zu überlassen und erst Recht gegen einen Gegner (Franken), wo er sein Königsheil hätte beweisen können.
Im Sinne von EQ: Ihm ein Kommando zu übergeben, bei welchem die Chance groß wäre ihn loszuwerden, sollte es naheliegender sein den missliebigen Amaler (wenn er denn einer war – oder auch nur zu sein vorgegeben haben sollte…) an eine Front zu senden, wo wohl der Tod, aber kaum Ruhm zu erwarten war. Ihn in Spanien, gegen die Sueben und andere unruhige Geister auszusenden, wäre dann m.E. deutlich passender.
Weiter angenommen Theudis wäre irgendwie „gezwungen“ gewesen, dem Theudegisel ein potentiell bedeutendes Kommando zu übergeben, obwohl er ein Amaler wäre, hätte es sich ganz sicher um ein Politikum gehandelt, dass bei einem Prokop (oder Anderen?) fast sicher einen Nachhall gefunden hätte.
Ich halte es für mehr als unwahrscheinlich, dass es sich bei Theudegisel um den Sprössling des Theodahad gehandelt haben dürfte. Als Gedankenspiel interessant, aber es steht doch sehr viel dagegen.

@Verwendung des westgotischen Steueraufkommens für die Unterhaltung der dortigen Garnisonen:
So was kann man auch Besatzungstruppen nennen.
Da nach Vouillé das westgotische Reich vor dem Untergang stand und nur mit ostgotischer Hilfe stabilisiert werden konnte - wie Andere dargelegt haben, waren ursprünglich ostgotische Truppen auch nach der Rückerlangung einer vollständigen, westgotischen Unabhängigkeit wichtig für dieses Reich – kann ich die Verwendung der Mittel viel eher als vollständig im Sinne eines westgotischen Reiches nennen, als irgendwie anders. Theoderich bereicherte sich also nicht, indem er die Regentschaft über die Westgoten ausübte: Im Gegenteil schwächte er rückblickend seine eigene Reichsbildung in Italien, da er seinen dortigen Nachfolgern ein deutlich geschwächtes Heer hinterließ! Je bedeutender die Rolle ehemals ostgotischer Kräfte für die Entstehung des toledanischen Westgotenreichs (nach dem Fall des Tolosanischen Reichs mit Zentrum im heutigen Südfrankreich) in Spanien bewertet wird, desto größer dürfte man umgekehrt als Rückwirkung die Schwächung des italischen Ostgotenreichs beurteilen müssen! Auch wenn Theoderich des so nicht gewünscht oder vorausgesehen haben sollte, dürfte ihm klar gewesen sein, dass die direkte Beherrschung der Westgoten Teile seines militärischen Potentials auf längere Sicht binden würde. Selbst wenn die Ostgoten tatsächlich als „Besatzungstruppen“ im Westen gewesen wären. …
 
Zuletzt bearbeitet:
Theoderich & die Westgoten nach Vouillè

Langsam lohnt ein Blick auf die Reaktionen Theoderichs in F olge der Niederlage von Alarich II. gegen Chlodwigs Franken. Verabredet mit den Westgoten war im Falle dieses Krieges vorab, dass die Westgoten auf das Eintreffen der ostgotischen Hilfstruppen warten sollten, ehe sie mit den Franken die Schlacht suchen sollten. Bekanntlich wurden die Ostgoten durch oströmische Flottenüberfälle auf Italien (ohne Krieg zu haben) aufgehalten und der westgotische Adel erzwang die Annahme der Schlacht, mit dem Ergebnis einer gewaltigen Niederlage, verschärft durch den Schlachtentod des legitimen Königs (aus der Dynastie der Balthen). Amalarich, ehelicher Sohn des gefallenen Alarichs und Enkel Theoderichs, der noch im Kindesalter war, floh nach Spanien. Gesalech, ein unehelicher Sohn Alarichs wurde westgotischer König.



Die ostgotischen Reaktionen wurden weiter verlangsamt durch die Burgunder, die nun an der Seite der Franken gegen die Westgoten vorgingen. Dies war eine Katastrophe für Theoderichs Bündnispolitik, denn er war eigentlich mit allen drei Königshäusern versippt und hatte versucht ihre Reiche an sich anlehnen zu lassen. Die Ostgoten gehen in der Folge vor allem gegen die Burgunder vor und entsetzen Arles, das sich unter großen Entbehrungen gegen Franken und Burgunder gehalten hatte. Theoderich belohnte die Einwohner und Verteidiger für ihr Ausharren und gab Anweisungen an seine Truppen, sich möglichst vorbildlich zu benehmen. So wurden Teile ihrer Versorgung nicht etwa aus dem Land genommen, sondern aus Italien per Schiff angeliefert. In Cassiodors Variae wird überliefert, dass ostgotische Offiziere Geld erhielten, um Bedarfsmittel lokal einkaufen zu können. Das ist nicht das Betragen von Eroberern und sollte als Signal an die Umwohner dienen, sich nicht den Franken und den bei ihnen zu findenden Katholizismus anzuschließen. Als Kommandeure setzte der König außerdem zwei katholische Ostgoten ein! Der ostgotische Vorstoß ging nur bis Carcassonne, wo der westgotische Kronschatz sichergestellt werden konnte. Die Franken wichen den Ostgoten weitgehend aus und es kam zu keiner großen Schlacht mit ihnen. Theoderichs Truppen stießen auch nicht gegen das von den Franken bereits eroberte Toulouse vor, wo bislang die Hauptstadt der Westgoten gelegen hatte. Chlodwig musste also nicht um den Ruhm seines Sieges und den direkten Gewinn der westgotischen Hauptsiedlungsgebiete fürchten. Schließlich hatte der westgotische Adel seinen glücklosen König Gesalech fallen gelassen. Schließlich kam er beim Versuch zu den Burgundern zu gelangen ums Leben. Theoderich sicherte eine direkte Landverbindung zwischen beiden gotischen Reichen entlang der Mittelmeerküste und brachte auch einige burgundische Streifen unter seine Kontrolle.


Beat Meyer-Flügel schrieb:
Theoderich übernahm…. offiziell im Jahre 511 die Vormundschaft über den noch unmündigen Enkel Amalerich. Er ließ die… [westgotischen Kronschätze] nach Ravenna bringen und regierte das Westgotenreich mit Hilfe von Heerführern und Truppen…
Theudis, der als Heereskommandant Theoderich in Spanien vertrat,… führte […] praktisch die Herrschaft in Spanien. Nach Prokop ließ [er] ihn dabei… gewähren, da er den Tribut pünktlich ablieferte, und da Theoderich bei einer Auseinandersetzung sowohl den Widerstand der Westgoten als auch erneute fränkische Angriffe zu befürchten gehabt hätte…
Die Verwaltung westgotischen Gebietes durch Theoderich spiegelt sich in den Variae lediglich an zwei Stellen.
In den Variae sind nur zwei Hinweise zu finden und in beiden Fällen bekräftigt Theoderich Regelungen und Erlasse der einstigen, westgotischen Könige. Dabei wurde sowohl Kirchenbesitz restituiert, als auch westgotische Steuerregelungen bestätigt.
Ich halte daher fest: Theoderich regierte offiziell als Vormund seines Enkels und nicht direkt als König der Westgoten. Er mischte sich kaum in die westgotischen Angelegenheiten ein, ermöglichte aber mit entsandten Truppen die Konsolidierung des geschlagenen Reiches. Bei den dabei entsandten Truppen förderte er eine Versippung mit den Westgoten, während die Kommandoposten (meist?) bei ostgotischen Offizieren lagen. Die eingenommenen Steuern (oben Tribute genannt) beließ er im Lande. Die recht freie Politik seines Statthalters Theudis, der durch seine Hochzeit mit einer reichen Romanin gewiss auch anderen Adeligen ein Beispiel gab, ließ er gewähren. Lag sie doch in einer Linie mit seinem Bestreben einen Ausgleich zwischen Goten und Römern anzustreben. Theudis bediente sich auch typisch ostgotischer Regierungseinrichtungen (wie das Amt eines Saios).

@Gallien & Burgunder:
Beat Meyer-Flügel schrieb:
…versteht Theoderich die Eroberung der Provence als Befreiung und als Wiederherstellung des früheren Zustandes. [er annektierte Teile des vorher westgotischen Südfrankreichs für sein italisches Reich!]Als Verteidiger der Freiheit steht er seiner Meinung nach ganz in der Tradition der weströmischen Kaiser. Er hofft, `Das die Gallier gerne wieder der römischen Gewohnheit gehorchen, der sie nach langer Zeit zurückgegeben sind…. Mit Gottes Hilfe zur früheren Freiheit zurückgerufen, sollen sie sich auch wieder mit römischen Sitten kleiden, ihre Barbarei ablegen und die Grausamkeit aus ihren Sinnen verstoßen, da es sich in der Gerechtigkeit von Theoderichs Zeit nicht ziemt, nach fremden Sitten zu leben. [Var. 3,17,1; s 61 mit S. 575 Anm. 37 und 39 – Von mir eingeschoben aus dem Verweis der Anmerkungen, Variae – Ausgabe von Fridh.] Denn während andere Könige Städte einnehmen wollen, um aus ihnen Beute zu holen… möchte Theoderich… so siegen, dass die Untertanen nur das eine bedauern, erst so spät seine Herrschaft gewonnen zu haben.
Meyer-Flügel betont im Weiteren, dass Burgund nur verloren hatte. Während die Franken über die Westgoten triumphiert hatten, hatte das ostgotische Eingreifen vor allem den Burgundern geschadet. Theoderich eroberte das Rhonetal bis an die Durance als Sicherheitsgürtel gegen die Franken für Italien.


Zitate aus: Beat Meyer-Flügel
"Das Bild der ostgotisch-römischen Gesellschaft bei Cassiodor"
 
Theoderichs Politik (& Selbstverständnis?) in diesem Zusammenhang

Im Übrigen richtete Theoderich in Arles das längst untergegangene Vicariat für Gallien wieder ein! Diese spätrömische Verwaltungsstelle war spätestens mit der westgotischen Eroberung dieser Stadt erstorben. Theoderich gebärdete sich also als Wiederhersteller römischer Macht, wie auch in den Worten Cassiodors, reflektiert durch mein erstes Zitat aus Beat Meyer-Flügel merkwürdiges zu erkennen ist: Im Westgotenreich legte er die Grundlagen für eine Verschmelzung der Westgoten mit den zu Hilfe gekommenen Ostgoten zu einer „Blutsgemeinschaft“ [Cassiodor]. Gleichzeitig nennt er die Herrschaft der Westgoten über die Provence in einem Schreiben an die Einwohner oben als eine Wiederherstellung römischer Ordnung und fordert die Rückkehr zur alten Gewohnheit und die Barbarei abzulegen. Barbarei also nennt er die einstige Herrschaft der Westgoten!!!? …

Seine Maßnahmen im Westgotenreich kann man als Stärkung und Auffrischung westgotischer Substanz durch ostgotische Kontingente verstehen, weniger als eine Verschmelzung zu einem ganz „einheitlichen Gotenvolk“. Hätte er das vor gehabt, wäre es Unsinn gewesen, die Provence zu annektieren, die vorher im Wesentlichen westgotisch gewesen war. Weiterhin waren ja doch sehr viele (die meisten?) Westgoten in ihren nun fränkisch gewordenen Hauptsitzen um Toulouse geblieben – und diese „gotische Volkssubstanz“ hatte Theoderich quasi kampflos den Franken überlassen!

Hart bestraft hatte Theoderich im Rahmen seiner Möglichkeiten und Ziele die Burgunder, die sich angeschickt hatten gemeinsam mit den Franken die geschlagenen Westgoten zu beerben. Dagegen waren sich die zwei mächtigen Völker und Könige der Ostgoten/Theoderich und Franken/Chlodwig fast schon auffällig aus dem Weg gegangen und hatten offene Feldschlachten vermeiden können. Beide Seiten wollten also nicht den endgültigen Bruch, oder sie scheuten die Folgen einer Niederlage? Im Rückblick gesehen hätte Theoderich damals die Chance gehabt die Oströmisch/Fränkische Zwickmühle zu zerschlagen, die ihm bereits bei Ausbruch des Krieges zu schaffen gemacht hatte und dem nach seinem Tode seine Reichsbildung letztlich zum Opfer fallen sollte. Vielleicht hatten beide Seiten zu viel zu verlieren?

Dieses „vorsichtige Taktieren“ beim Kampf gegen eine theoretisch „verbündete Macht“ erinnert sehr an die Politik römischer Kaiser bei Konflikten zwischen ihren Foederaten. Die Wiedereinrichtung der gallischen Präfektur in Arles war eine Maßnahme, die man ebenfalls eher von einem weströmischen Kaiser erwartet hätte. Vor dem Hintergrund der einvernehmlichen Trennung beider gotischer Reiche bei Theoderichs Tod mögen auch Teile seiner dortigen Politik an jene, einiger weströmischer Kaiser erinnern. Herrschte Theoderich also vielleicht eher wie ein weströmischer Kaiser über die Westgoten, denn als westgotischer König? Bekanntlich sandte Ostrom (Kaiser Anastasios) an Theoderich nach dessen Herrschaftsantritt über Italien ja auch den einstigen, weströmischen Kaiserornat (ornamenta palatini) nach Ravenna. Gerne trug Theoderich fortan den kaiserlichen Purpurmantel… allerdings trug er niemals das kaiserliche Diadem („Krone“) und zitierte den einstigen „allmächtigen“ oströmischen Heermeister (alanisch/gotischer Herkunft) Aspar mit den Worten, mit welchen er das ihm angetragene Diadem (selbst Kaiser von Konstantinopel zu werden) abgelehnt hatte. Er wolle nicht eine neue Tradition der kaiserlichen Linie aus der Taufe holen (meine Worte). Schon Einige haben darüber nachgedacht, ob der Grund dafür die starke Ablehnung bei der römischen Aristokratie gegen fremdländische Kaiseraspiranten stand, welche seine Politik gefährdet hätte. Frank Ausbüttel hinderte das nicht sein Buch den provokanten Titel zu geben: „Theoderich der Große – Der Germane auf dem Kaiserthron“. Zumindest in einigen Dingen hat Theoderich aber Politik ganz im Sinne kaiserlicher Reichspolitik gemacht. Sein Konzept war eine originelle, eher auf ihn zugeschnittene Mischung aus altrömischen Traditionen und Politik und „germanischer“ Personalpolitik, die ihren Ausdruck in Versippung und Adoption als Mittel der Bündnispolitik fand. Mit zahlreichen Königsgeschlechtern verband er seine amalische Familie, die er wie ein Patriarch leitete und wohl kam fragte, ob ein Amalerspross diese Ehe wollte! Daneben nutzte er die traditionell germanische Sitte der Adoption in Form eines „Waffensohnes“, so wie er selbst Waffensohn eines oströmischen Kaisers (Zenon) geworden war, gab er auch seinen erklärten Nachfolger (Theoderich überlebte ihn) Eutharich 519 als Waffensohn an Kaiser Justin, als Justin und Eutharich gemeinsam das traditionelle römische Amt des Konsuls antraten. Theoderich selbst nahm den König der Heruler zum Waffensohn… Theoderichs Politik war immer zweigleisig gewesen: Römisch wie „Germanisch“, weshalb auch viel darüber gestritten wird, was denn nun `wirklich` seine Politik gewesen sei. Germanisch legitimiert war seine Herrschaft über die Ostgoten, römisch legitimiert seine Herrschaft über Römer und Provinziale. Dies trennen zu wollen ist unmöglich. Seine Politik nur mit einer dieser Komponenten beschreiben zu wollen wird immer angreifbar bleiben – und daher ist es auch schwer die Politik selbst zu beschreiben. Theoderich kannte Titel und setzte sie bewusst ein. Dass er niemals den Titel eines Königs der Westgoten selbst beanspruchte, kann daher nicht hoch genug bewertet werden!
 
Unbestritten sah sich wohl Theoderich als Dux Westroms, als römischer Herrscher.
Darauf begründete er seinen Suprematsanspruch über sämtlich Völker auf weströmischem Gebiet.
Dass Eroberungen wie die der Provence durch Theoderich als "Befreiung" deklariert werden, ist ja nun nichts ungewöhnliches, das kennen wir bis heute.
Woher du nun aus obigem entnimmst, dass Theoderich "offiziell" als Vormund regierte, ist mir nicht ganz klar.

Eines sollte man bei der ganzen Diskussion bedenken:

Die von kästchendenkenden Historikern lange postulierte Unterscheidung zwischen West- und Ostgoten dürfte in der Realität niemals so klar existiert haben. Es gab verschiedene Gefolgschaften, aber beide sahen sich als Goten. Eine "Verschmelzung" zu einem gemeinsamen Gotenvolk, wie oben beschrieben, war unnötig und überflüssig.
Als ethnische Zuordnung sind die beiden Begriffe absolut untauglich. Auch existierten beide Begriffe erst seit wenigen Jahrzehnten, die Gleichsetzung mit Terwingen und Greutungen ist sehr umstritten.
Die meisten Historiker sprechen heute von einer Entstehung der Westgoten Anfang des 5. Jahrhunderts, und ebenso von einer Entstehung der Ostgoten Ende desselben Jahrhunderts. Beide Gruppierungen entstanden aus verschiedenen Gotengruppen, die sich kaum noch den ehemaligen Greutungen und Terwingen des 4. Jahrhunderts zuordnen lassen.
Der Unterschied bestand in der Führung - Amaler hier, Balthen dort - die sich beide sehr um ihre politische Legitimation bemühten. Auch Alarich I. hatte eine Position innerhalb des römischen Reichsgefüges angestrebt, wie sie Theoderich schließlich erreichte, auch Chlodwig erkannte die Oberhoheit Ostroms an.

Nach Vouillé besetzte Theoderich also die Provence und ließ den Westen durch seinen Statthalter regieren. Er schonte die römische Bevölkerung und sieht die "westgotische" Lebensart als Barbarei an. Es werden Tribute eingefordert, der Staatsschatz beschlagnahmt. Er ging nicht gegen die Franken vor, versuchte auch keinen Rückgewinn ehemals westgotischer Gebiete.
Seine Herrschaft war also kaum im westgotischen Sinne.
Bei allen Beschönigungen seines Vorgehens bleibt doch festzuhalten, dass Theoderich die Schwächung der Westgoten nach Vouillé nutzte, um seine eigene Oberhoheit zu festigen, seinen Machtbereich auszuweiten.
 
Die von kästchendenkenden Historikern lange postulierte Unterscheidung zwischen West- und Ostgoten dürfte in der Realität niemals so klar existiert haben. Es gab verschiedene Gefolgschaften, aber beide sahen sich als Goten. Eine "Verschmelzung" zu einem gemeinsamen Gotenvolk, wie oben beschrieben, war unnötig und überflüssig.

Ich denke auch, dass sich die Goten während ihrer Zeit außerhalb des römischen Imperiums noch als relativ geschlossene Einheit sahen, obwohl schon damals die Begriffe Terwingen und Greutungen als Selbstbezeichnung vorkamen. Nach dem Hunneneinbruch und ihrer räumlichen Trennung entwickelten sich die beiden gotischen Linien allerdings auseinander, wozu ein unterschiedliches Schicksal beitrug.

Die meisten Historiker sprechen heute von einer Entstehung der Westgoten Anfang des 5. Jahrhunderts, und ebenso von einer Entstehung der Ostgoten Ende desselben Jahrhunderts. Beide Gruppierungen entstanden aus verschiedenen Gotengruppen, die sich kaum noch den ehemaligen Greutungen und Terwingen des 4. Jahrhunderts zuordnen lassen.

Sicherlich veränderte sich auch die ethnische Zusammensetzung der Ost- und Westgoten, denn sie nahmen auf ihrem Weg durch Europa sehr unterschiedliche Volksgruppen und ethnische Splitter auf. Abgesehen vom gotischen Traditionskern kann man nur rätseln, was sich hinter den "Firmenschildern" der Goten im 5. und 6. Jh. Jh. alles verbarg und versammelte.
 
Abgesehen vom gotischen Traditionskern kann man nur rätseln, was sich hinter den "Firmenschildern" der Goten im 5. und 6. Jh. Jh. alles verbarg und versammelte.

Eben. Es gab neben den beiden Großgruppen ("Ostgoten", "Westgoten") ja noch einige andere, die praktisch gar nicht zuzuordnen sind.
 
Eben. Es gab neben den beiden Großgruppen ("Ostgoten", "Westgoten") ja noch einige andere, die praktisch gar nicht zuzuordnen sind.

... und die wir leider nicht kennen bzw. deren ethnische Identität wir nur vermuten können: Gepiden, Heruler, Silingen, Sachsen, Skiren, Alanen und andere iranische Splitter usw. usw. Sicher auch Bevölkerungssplitter vom römischen Reichsboden, die aus Abenteuerlust, Beutegier oder schlichter Not mitwanderten.
 
... und die wir leider nicht kennen bzw. deren ethnische Identität wir nur vermuten können: Gepiden, Heruler, Silingen, Sachsen, Skiren, Alanen und andere iranische Splitter usw. usw. Sicher auch Bevölkerungssplitter vom römischen Reichsboden, die aus Abenteuerlust, Beutegier oder schlichter Not mitwanderten.

Du sprichst jetzt von den Gruppen die sich den Ost- bzw. Westgoten anschlossen, bzw. in diesen aufgingen. Ich meinte eher die gotischen Gruppen, die sich keiner der beiden Konföderationen anschlossen, so etwa die Goten in Kleinasien, an der unteren Donau und auf dem Balkan. Auch die Krimgoten müsste man hier nennen. Die meisten davon wurden ins römische Reich integriert, doch bleibt die Gemengelage gerade auf dem Balkan äußerst unklar.
 
Du sprichst jetzt von den Gruppen die sich den Ost- bzw. Westgoten anschlossen, bzw. in diesen aufgingen. Ich meinte eher die gotischen Gruppen, die sich keiner der beiden Konföderationen anschlossen, so etwa die Goten in Kleinasien, an der unteren Donau und auf dem Balkan. Auch die Krimgoten müsste man hier nennen. Die meisten davon wurden ins römische Reich integriert, doch bleibt die Gemengelage gerade auf dem Balkan äußerst unklar.

Die ist ein anderes und sehr spannendes Kapitel, wobei es interessant wäre zu ermitteln, wie lang dort eine eigenständige Identität überdauert hat: eine Generation, zwei Generationen oder noch länger? Zumindest bei den Krim-Goten sind wir da etwa besser informiert!
 
[FONT=&quot]
Die ist ein anderes und sehr spannendes Kapitel, wobei es interessant wäre zu ermitteln, wie lang dort eine eigenständige Identität überdauert hat: eine Generation, zwei Generationen oder noch länger? Zumindest bei den Krim-Goten sind wir da etwa besser informiert!

Spannend ist dieses Kapitel sicherlich. Besonders zu nennen wären hier noch die "Kleingoten", die bereits deutlich vor der Schlacht von Adrianopel 378 auf Reichsboden angesiedelt worden waren. Es waren vor allem christianisierte Goten, welche auch gegen andere gotische Gruppen immer loyal zum Imperium blieben und dem berühmten Gotenbischof Wulfila während der Christenverfolgungen bei den Terwingen gefolgt waren. Jordanis stammte wohl aus diesem Milieu, wobei die Kleingoten (einmal?) als Wanderhirten überliefert werden...

Wie oben gesagt passt es aber nicht zu diesem Thread, der rund 200 Jahre nach Wulfila und rund 1000 Jahre vor der letzten Erwähnung der Krimgoten als Thema hat. Ein anderes Kapitel halt :D[/FONT]
 
Zur Sache!

[FONT=&quot]
Woher du nun aus obigem entnimmst, dass Theoderich "offiziell" als Vormund regierte, ist mir nicht ganz klar.
[/FONT] Es war klar als Zitat von Meyer-Flügel gekennzeichnet. Was ist daran unklar?
[FONT=&quot]
... die Gleichsetzung mit Terwingen und Greutungen ist sehr umstritten.
Die meisten Historiker sprechen heute von einer Entstehung der Westgoten Anfang des 5. Jahrhunderts, und ebenso von einer Entstehung der Ostgoten Ende desselben Jahrhunderts. Beide Gruppierungen entstanden aus verschiedenen Gotengruppen, die sich kaum noch den ehemaligen Greutungen und Terwingen des 4. Jahrhunderts zuordnen lassen...
[/FONT]
Die führende Rolle, welche die Terwingen bei der Entstehung der Westgoten einnahmen ist völlig unumstritten. Der früheste Bezugspunkt der „Goten von Adrianopel“ ist mit Fritigern ein Terwinge und sie hatten auch die alleinige Erlaubnis sich im Imperium anzusiedeln. Dass sich später weitere Gruppen anschlossen ist bekannt. Die Terwingen bildeten die Kristallisationsgruppe. Soweit mir bekannt leugnet das auch nicht Heather.
Dein Exkurs zur „ethnischen Unterscheidung“ ist m.E. hier reichlich Überflüssig, da wir schon mehrfach im Rahmen unserer Diskussion Wenskus („Stammesbildung“) bemüht haben. Daraus entstand ja auch der Amaler-Thread. Das wäre ein neuer Nebenkriegsschauplatz der völlig am Kern unserer Diskussion vorbeigeht, so spannend das Thema auch sein mag! Beide gotischen Völker hatten mehrere Schübe ihrer Ethnogese, es war kein einmaliger „Schöpfungsakt“. Noch unter Totila, kurz bevor die ostgotische „Herrlichkeit“ zu Grabe getragen wurde, sagte dieser König, dass `die Sieger immer wachsen`, denn ihm schlossen sich zahlreiche Römer und auch oströmische Truppen nach seinen anfänglichen Erfolgen an.
http://www.geschichtsforum.de/f35/goten-und-amaler-von-einem-traditionskern-37849/

Die „Verschmelzung“ zu einem Gotenvolk wird exakt so bei Cassiodor (und ich glaube auch bei Prokop) geschrieben – römische Zeitgenossen der Vorgänge. Punkt.
[FONT=&quot]
Unbestritten sah sich wohl Theoderich als Dux Westroms, als römischer Herrscher.
Darauf begründete er seinen Suprematsanspruch über sämtlich Völker auf weströmischem Gebiet.
Dass Eroberungen wie die der Provence durch Theoderich als "Befreiung" deklariert werden, ist ja nun nichts ungewöhnliches, das kennen wir bis heute...
[/FONT]
Das Theoderich sich selbst als römischen „dux“ gesehen habe ist schlichtweg falsch! Unter Theoderich dienten sogar noch duces in Wiederherstellung alter römischer Grenzsicherungsbereiche. Ganz im Sinne der Notitia Dignitatum, mit identischem Verantwortungsbereich (an der Donau, wo überwiegend mit „nichtgotischen“ Truppen gerechnet wird). Ein dux war ein Kommandeur der Grenztruppen (limitanei) ohne jede Regierungsverantwortung.

Notitia dignitatum ? Wikipedia

Als Herrscher der Römer in seinem Reich (oder gar im ehemaligen Weströmischen Reich?) sah er sich. Nur wie weit dieser Anspruch ging bleibt offen. Immerhin trug Teile kaiserlichen Ornats, was keinem anderen König der Foederierten innerhalb des Imperiums von römischen Kaisern gestattet worden war!

Dass Eroberungen wie die der Provence durch Theoderich als "Befreiung" deklariert werden, ist ja nun nichts ungewöhnliches, das kennen wir bis heute.

Du missverstehst dies völlig. Es geht nicht um eine fadenscheinige Erklärung, sondern um einen offiziellen Brief aus Italien, abgesandt von einem Senator und römischem Amtsträger im Auftrag Theoderichs. Heute würde man dergleichen eine Regierungserklärung nennen. Das passt auch sehr gut zur Wiederherstellung der gallischen Präfektur in Arles, was von mir ebenfalls erwähnt wurde. Es ist ein Dokument und kein moderner Internetblog oder eine Zeitungsente. Er bedeutet: „Die unruhigen Zeiten sind vorbei, ihr könnt wieder als Römer, regiert von Römern wie Früher leben und Theoderich wird euch schützen. Die Verteidiger von Arles (gegen Franken und Burgunder!) wurden von Theoderich besonders geehrt und erhielten auch Steuernachlässe! Ergo bringt nicht etwa Theoderich die Westgoten in Kontext mit „Barbaren“, sondern ein römischer Offizieller. Eine Sprache, die man sich unter Römern schon lange nicht mehr hatte „leisten können“. Deutlicher konnte Theoderich (durch Cassiodor) gegenüber den neuen Untertanen nicht werden – und ich wohl auch nicht mehr…

...Er [Theoderich] ging nicht gegen die Franken vor, versuchte auch keinen Rückgewinn ehemals westgotischer Gebiete.
Seine Herrschaft war also kaum im westgotischen Sinne.

Die jetzt von dir beschriebene Lesart der Vorgänge nach Vouillè ist indiskutabel. Lese nochmal bitte nach was ich, Andere und teils sogar du schon geschrieben haben. Dann begründe bitte deine Behauptung mit ein paar Sätzen und wir sehen weiter. Welche Westgoten – oder gar welches westgotische Reich – hätte es wohl nach dieser Schlacht OHNE Theoderichs Eingreifen noch geben sollen? Soll jetzt etwa auch Theoderich den FRANKEN einen Rückzugsbefehl gegeben haben, als sich das ostgotische Entsatzheer dem belagerten Arles näherte??! Die Gewinne der Franken blieben gering, gemessen am Ausmaß ihres Sieges von Vouillé. Sie begnügten sich damit und vermieden so die direkte Schlacht mit den ostgotischen Truppen! Ich vermisse eine ernsthafte Auseinandersetzung mit meinen Argumenten.
 
Zuletzt bearbeitet:

Es war klar als Zitat von Meyer-Flügel gekennzeichnet. Was ist daran unklar?

Meyer-Flügel kann ich aber nicht fragen. Außer ihm nennt das wohl niemand "offiziell", was auch schon vom Begriff her unpassend erscheint


Die führende Rolle, welche die Terwingen bei der Entstehung der Westgoten einnahmen ist völlig unumstritten. Der früheste Bezugspunkt der „Goten von Adrianopel“ ist mit Fritigern ein Terwinge und sie hatten auch die alleinige Erlaubnis sich im Imperium anzusiedeln. Dass sich später weitere Gruppen anschlossen ist bekannt. Die Terwingen bildeten die Kristallisationsgruppe. Soweit mir bekannt leugnet das auch nicht Heather.

Dass schon in Adrianopel beide Gotengruppen gemeinsam kämpften, ist ebenso unumstritten. Und aus welchem Kern sich nun Alarichs Trupp herausbildete, ist völlig unklar. Davon abgesehen solltest du einen Begriff wie "leugnen" hier besser vermeiden.


Die „Verschmelzung“ zu einem Gotenvolk wird exakt so bei Cassiodor (und ich glaube auch bei Prokop) geschrieben – römische Zeitgenossen der Vorgänge. Punkt.

Und dass Cassiodors Schriften politische Schriften und keine Geschichtschreibung sind, verdient ebenfalls einen Punkt.


Du missverstehst dies völlig. Es geht nicht um eine fadenscheinige Erklärung, sondern um einen offiziellen Brief aus Italien, abgesandt von einem Senator und römischem Amtsträger im Auftrag Theoderichs. Heute würde man dergleichen eine Regierungserklärung nennen.

Dass der Irak über Massenvernichtungswaffen verfügt, stand auch in offiziellen Quellen. Was willst du mir denn hier einreden? Theoderich besetzt die Provence, die vorher nicht zu seinem Machtbereich gehörte. Dies als "Befreiung" zu titulieren, ist nichts weiter als ein Euphemismus.

Welche Westgoten – oder gar welches westgotische Reich – hätte es wohl nach dieser Schlacht OHNE Theoderichs Eingreifen noch geben sollen?

Das spanische vielleicht, welches nie angegriffen war? Außer dass Theoderichs General Ibbas auf Barcelona marschierte?
Andersherum gefragt - was hat er denn wirklich FÜR die Westgoten getan?
Dass sie zufällig profitierten, als Theoderich gegen Gundobad kämpfte? Und was noch?

Die jetzt von dir beschriebene Lesart der Vorgänge nach Vouillè ist indiskutabel. Lese nochmal bitte nach was ich, Andere und teils sogar du schon geschrieben haben. Dann begründe bitte deine Behauptung mit ein paar Sätzen und wir sehen weiter.

Vielen Dank auch.
 
Unbestritten sah sich wohl Theoderich als Dux Westroms, als römischer Herrscher.
Darauf begründete er seinen Suprematsanspruch über sämtlich Völker auf weströmischem Gebiet.
Dass Eroberungen wie die der Provence durch Theoderich als "Befreiung" deklariert werden, ist ja nun nichts ungewöhnliches, das kennen wir bis heute.
Woher du nun aus obigem entnimmst, dass Theoderich "offiziell" als Vormund regierte, ist mir nicht ganz klar.

Die Vormundschaft - tutela - kann man den Quellentexten entnehmen:

Laterculus Regum Visigothorum:
Theudericus reg. ann. XV
iste ab Italia veniens non tam suo ordine regnum in Spania tenuit quam tutelam agens Amalarici nepotis per cons(ortium).​
Chronicorum Caesaraugustanorum reliquiae, spanisch auch kurz Crónica de Zaragoza (MGH Auct. Ant. XI, S. 221 ff.):
Post Alaricum Theodoricus Italiae rex Gotthos
regit in Hispania an. XV, Amalarici parvuli tutelam gerens.
Welche Westgoten – oder gar welches westgotische Reich – hätte es wohl nach dieser Schlacht OHNE Theoderichs Eingreifen noch geben sollen?

Das spanische vielleicht, welches nie angegriffen war? Außer dass Theoderichs General Ibbas auf Barcelona marschierte?
Andersherum gefragt - was hat er denn wirklich FÜR die Westgoten getan?
Dass sie zufällig profitierten, als Theoderich gegen Gundobad kämpfte? Und was noch?

Genau das ist ja die Krux! Ein spanisches Westgotenreich gab es zum damaligen Zeitpunkt noch gar nicht richtig. Zwar hatten die Westgoten vor Vouillé Polizeiaufgaben in Spanien übernommen und es gab wohl auch schon gotische Ansiedlungen, aber das regnum wisigothicae befand sich im heutigen Südfrankreich.
 
Genau das ist ja die Krux! Ein spanisches Westgotenreich gab es zum damaligen Zeitpunkt noch gar nicht richtig. Zwar hatten die Westgoten vor Vouillé Polizeiaufgaben in Spanien übernommen und es gab wohl auch schon gotische Ansiedlungen, aber das regnum wisigothicae befand sich im heutigen Südfrankreich.

Die Eroberungen durch Eurich 472/73 kann man doch nicht als Polizeiaufgaben abtun. Seit dieser Zeit herrschten die Westgoten von Pamplona bis Tarragona. Rom bekam hier keinen Fuß mehr auf die Erde.
 
Meyer-Flügel kann ich aber nicht fragen. Außer ihm nennt das wohl niemand "offiziell", was auch schon vom Begriff her unpassend erscheint
[FONT=&quot]Ich kann Heather auch nicht fragen, sehr wohl aber dich, da du anscheinend mehr von ihm gelesen hast, als ich (?). Wissenschaftliche Werke zu zitieren und als Argument zu verwenden ist üblich und legitim. Man kann sie freilich hinterfragen, am besten mit einer Begründung. Dank EQ´s Beitrag ist wohl jetzt alles geklärt?[/FONT]
Dass schon in Adrianopel beide Gotengruppen gemeinsam kämpften, ist ebenso unumstritten. Und aus welchem Kern sich nun Alarichs Trupp herausbildete, ist völlig unklar.
[FONT=&quot]@Westgotischer Traditonskern, Terwingen, Greutungen & Alarich:[/FONT]
[FONT=&quot]Falsch! Da du kein relativ einheitliches Reich der Greutungen oder Ostrogothen vor Einfall der Hunnen akzeptierst, muss ich bei deinem Seitenhieb auf Adrianopel anders argumentieren: Bei Adrianopel kämpften Greutungen auf der Seite der Terwingen und späteren Westgoten. Dass sie anschließend bei ihnen nachweislich blieben ist dagegen umstritten. Heather geht davon aus, obwohl kurz danach Safrax und Alaethus (die Anführer der aus Greutungen-Goten, Alanen und hunnischen Gruppen bestehenden Gruppe) – anders als die Fritingern-Terwingen in Pannonien auftauchen. Letztlich trennten sich die Safrax/Alatheus-Goten mehrfach von letzterer Gruppe, so dass sie bislang in der Regel eben nicht zum ursprünglichen Kern der Fritinger-Goten gerechnet werden! [/FONT]

[FONT=&quot]Bekannt sind sie darum auch unter dem Namen der „3-Völker-Koalition“! (Diese Bezeichnung lehnt Heather ab, lässt sie aber als unabhängige Gruppe auftreten.) Sie ist aber wenigstens insofern angebracht, dass damit die Unabhängigkeit dieser Gruppe von den Terwingen/werdenden Westgoten deutlich wird! Beide Gruppen kooperierten mehrfach miteinander, trennten sich aber immer wieder. Die „Fritingern-Goten“ wurden bei Ende der Auseinandersetzungen mit Kaiser Theodosius auch südlich der Donau in Thrakien und Moesien angesiedelt. Die Gruppe von Safrax/Alatheus dagegen drangen 379 in das Gebiet des Westreichs (Pannonien) vor, wo sie später angesiedelt wurden.[/FONT]
[FONT=&quot]Weiterhin gehörten beileibe nicht alle Greutungen der Gruppe um die beiden duces in der „3-Völker-Koalition“ an. 386 drang eine Gruppe von Greutungen unter Odotheus ins Reich vor, wurde besiegt und seine Goten als dediticii in Phrygien, also der heutigen Türkei angesiedelt.[/FONT]
[FONT=&quot]
Alexander Demandt schrieb:
[379/380]…plünderten die Goten unter Fritigern Griechenland, unter Alatheus und Safrax Pannonien. Gratian mußte abermals an der Donau erscheinen, wo er die Goten… zu einem Vertrag bewog. Wahrscheinlich kam es auch zu einer Ansiedlung…. Am 3. Oktober 382 kam es zum Frieden [des Kaisers Theodosius] mit den Westgoten. Er wurde… auf gotischer [Seite] durch einen ungenannten rex geschlossen, möglicherweise Fritigern. Für die römisch-germanischen Beziehungen war dieser Vertrag epochemachend… [gemeint ist die erstmalige Ansiedlung als Foederati mit Autonomie, statt als unterworfene dediticii!]
[/FONT]
[FONT=&quot]Kurz: Die „3-Völker-Koalition“ (mit den Greutungen) von Safrax/Alatheus wurden im Westreich um 380 angesiedelt durch Kaiser Gratian. Ziemlich sicher zu deutlich schlechteren Konditionen als die „Terwingen-Fritigern-Gruppe“ auf dem südlichen Balkan. Die unterworfenen Greutungen des Odotheus wurden in Kleinasien zwangsangesiedelt. Ihr Beitrag zur Bildung späterer gotischer Großgruppen dürfte sich sehr in Grenzen halten… Sowohl die „3-Völker-Koalition“ als auch die Odotheus-Goten waren ungerufen, mit der Waffe in der Hand ins Reich eingedrungen und unterschiedlich deutlich besiegt worden, ehe sie als Unterworfene angesiedelt wurden.[/FONT]
[FONT=&quot]Die Terwingen, die ursprünglich friedlich ins Reich aufgenommen worden waren, bis sie zum Aufstand gereizt, unter Fritigern die Waffen gegen Rom erhoben. Sie konnten sich im Feld auch nach Adrianopel gegen die römischen Waffen behaupten. 382 erhielten sie günstige Konditionen, sich als autonome Gruppe im Reich anzusiedeln. [/FONT]
[FONT=&quot]@Alarich:[/FONT]
[FONT=&quot]Aus dieser Gruppe trat später dann ein Alarich hervor. Als dieser mit seinem Kontingent von Stilicho nach dem Sieg Kaiser Theodosius über den Usurpator des Weströmischen Reiches (Eugenius), murrend zu seinen Niederlassungen zurückgeschickt worden war, begannen die „bewaffneten Neuverhandlungen“ mit dem Tode Kaiser Theodosius auf dem südlichen Balkan und in Nordgriechenland. Alarich führte also die „privilegierten“ ehemaligen „Fritigern-Goten“ an, die dort angesiedelt worden waren. Anzunehmen, dass damals bereits ein bedeutender Teil greutungischer Volksgruppen bei ihm gewesen sind, missachtet völlig die deutliche räumliche und administrative Diskrepanz zwischen den Gotengruppen! [/FONT]
Wichtig: Dass die Goten aus der Gruppe der beiden duces sich später sehr wohl den Westgoten angeschlossen haben können, tut nichts zur Sache. Ich sprechen hier von den Zeiten Fritigern und den beiden duces, sowie die allerersten Anfänge des Alarich als ursprünglichem Kristallisationskern seiner Westgoten! Die Kampfesweise der Greutungen färbte nachhaltig auf die Terwingen ab und alle die sich ihnen anschlossen.

..., ist völlig unklar. Davon abgesehen solltest du einen Begriff wie "leugnen" hier besser vermeiden.
[FONT=&quot]Wieso sollte ich diesen hier Begriff meiden, wenn keiner etwas in Abrede stellt? Ich habe den Eindruck derzeit mehr mit Sperrfeuer und Verschwörungstheorien (letzteres allerdings im Amalerthread) konfrontiert zu werden, als mit Argumenten. Von mir angebotene Fäden werden nicht aufgegriffen, so dass es auf mich verstockt wirkt. Ich habe kein Problem damit, wenn du die Diskussion an diesem Punkt beenden willst – aber dann wiederhole bitte nicht ständig die gleichen Behauptungen ohne Ansätze zur Diskussion zu geben. Das dauernde sich-wiederholen-müssen ist für mich auch nicht erfreulich! Selbst wenn ich ständig neue Aspekte für Argumente bringe. -Die dann aus meiner Sicht doch ignoriert wurden: Mit 2-Sätze-Floskeln werden sehr lange Beiträge abgebürstet…[/FONT]
Und dass Cassiodors Schriften politische Schriften und keine Geschichtschreibung sind, verdient ebenfalls einen Punkt.
[FONT=&quot]@Cassiodor:[/FONT]
[FONT=&quot]Na Endlich! * Jubel * Es handelt sich um ein Dokument (politisch-administrative Schrift) und nicht um die Reflexion „irgendeines Geschichtsschreibers“. Wie besser als mit Dokumenten kann eine Behauptung bewiesen werden, um die Sichtweise einer handelnden Partei aufzuzeigen?! Es liegt auch nicht an mir hier zu werten. Es wurden Fakten geschaffen.[/FONT]
[FONT=&quot]Der Vergleich mit dem Irakkrieg ist einfach out-of-theme. Ich bringe ein Argument und einen Fakt und als Antwort erhalte ich moralisierende Vergleiche aus einer anderen Zeit. Bush begründete vor der Welt sein Eingreifen im Irak mit einer falschen Behauptung. Cassiodor gab eine Regierungserklärung für seine neuen Untertanen in der Provence ab! Die Geschichtswissenschaft lebt davon Quellen unterschiedlicher Art auszuwerten. [/FONT]
[FONT=&quot]Äpfel mit Birnen…[/FONT]
Das spanische vielleicht, welches nie angegriffen war? Außer dass Theoderichs General Ibbas auf Barcelona marschierte?
Andersherum gefragt - was hat er denn wirklich FÜR die Westgoten getan?
Dass sie zufällig profitierten, als Theoderich gegen Gundobad kämpfte? Und was noch?
[FONT=&quot]@Westgotenreich – hätte es ohne Theoderichs Eingreifen noch eines gegeben?[/FONT]
[FONT=&quot]Also wieder nur Gegenfragen, keine Argumente oder Fakten, lieber Stilicho? … Wenn also Spanien vor Angriff der Franken nicht zum westgotischen Reich gehörte – so klingt dein Einwand! Und Arles, ohne Eingreifen von Theoderich, an die Burgunder und Franken gefallen wäre?! Was blieb dann vom Reich der Westgoten? Nichts! Genau das ist ja der entscheidende Punkt!!! q.e.d. – Was zu beweisen war![/FONT]
[FONT=&quot]@EQ: [/FONT]
[FONT=&quot]Großen Dank für das Zitat aus Quellen, womit die Vormundschaft bewiesen ist. [/FONT]
[FONT=&quot]Gotische Ansiedlungen gab es in Spanien vor Vouillé eben kaum. Als Basis für eine weitere Herrschaft war das wohl zu wenig, ohne (wenigstens noch) eine gewisse Machtbasis in Südfrankreich. Der durch Eingreifen Theoderichs vor dem Zugriff der Franken bewahrte, südfranzösische Reichsteil wird noch bis ins Mittelalter hinein oft als „Gothia“ (und Septimanien) bezeichnet. [/FONT]
[FONT=&quot]Im spanischen Nordwesten siedelten dagegen bereits die Sueben, mit welchen die Westgoten später noch manchen harten Strauß auszufechten hatten! Aber auch ohne Sueben fragt sich, wo die Franken halt gemacht hätten, nachdem sie Arles erobert hätten? Fakt ist, dass die Franken vor den Ostgoten des Theoderich „gekniffen“ haben, indem sie vor ihnen zurückwichen. Die Prügel bekamen dann die Burgunder. Zu erwarten, dass die Ostgoten die weiterhin kampfeslustigen Burgunder ignoriert hätten, um die Franken „zu jagen“ ist unrealistisch. Die Burgunder wollten den Kampf und bekamen ihn! Mit den Burgundern im Rücken wäre jedes weitere Vorrücken der Ostgoten militärischer Wahnsinn gewesen. [/FONT]
 
Zuletzt bearbeitet:
[FONT=&quot]Kurz: Die „3-Völker-Koalition“ (mit den Greutungen) von Safrax/Alatheus wurden im Westreich um 380 angesiedelt durch Kaiser Gratian. Ziemlich sicher zu deutlich schlechteren Konditionen als die „Terwingen-Fritigern-Gruppe“ auf dem südlichen Balkan. Die unterworfenen Greutungen des Odotheus wurden in Kleinasien zwangsangesiedelt. [/FONT]

Leider ignorierst du hier die in Thrakien siedelenden Greutungen, die später unter der Führung des Theoderich Strabo in Erscheinung traten.
Römische Quellen unterscheiden zwischen den verschiedenen Goten nicht, genauere Zuordnungen sind Spekulation.

[FONT=&quot]Wie besser als mit Dokumenten kann eine Behauptung bewiesen werden, um die Sichtweise einer handelnden Partei aufzuzeigen?![/FONT]

Und was sagt das über den Wahrheitsgehalt aus? Dein Äpfel und Birnen darfst du gerne behalten.

[FONT=&quot]Also wieder nur Gegenfragen, keine Argumente oder Fakten, lieber Stilicho? … [/FONT]
Schon reichlich unverschämt, den Verweis auf die spanischen Besitztümer zu ignorieren.

Überhaupt habe ich keine Lust auf eine Diskussion, wo du dich mit scheinbaren Argumenten beweihräucherst, bei näherer Betrachtung aber keinerlei Argumente bringst, mir dies aber im Gegenzug vorwirftst. Deine Belehrungen kannst du dir sehr gerne .... sparen.
 
MOD-Hinweis: Bitte an die Diskutanten, den im Forum gepflegten konstruktiven Diskussionsstil zu beachten, auch wenn in der Sache sehr kontroverse Auffassungen bestehen. Das sollte auch hier möglich sein. In diesem Sinne: :winke:
 
Dass Eroberungen wie die der Provence durch Theoderich als "Befreiung" deklariert werden, ist ja nun nichts ungewöhnliches, das kennen wir bis heute.
...
Nach Vouillé besetzte Theoderich also die Provence und ließ den Westen durch seinen Statthalter regieren. Er schonte die römische Bevölkerung und sieht die "westgotische" Lebensart als Barbarei an. Es werden Tribute eingefordert, der Staatsschatz beschlagnahmt. Er ging nicht gegen die Franken vor, versuchte auch keinen Rückgewinn ehemals westgotischer Gebiete.
Seine Herrschaft war also kaum im westgotischen Sinne.
Bei allen Beschönigungen seines Vorgehens bleibt doch festzuhalten, dass Theoderich die Schwächung der Westgoten nach Vouillé nutzte, um seine eigene Oberhoheit zu festigen, seinen Machtbereich auszuweiten.
„Seitdem wünschten wir alle mit Sehnsucht und Liebe die Herrschaft der Franken. Viele Leute in allen Teilen Galliens verlangten seither mit heißester Sehnsucht die Franken zu Herren zu gewinnen.“ heißt es bei Gregor von Tours.
Danach wünschen sich also die Gallier eine neue Besatzungsmacht (wie Du das so gerne nennst), und zwar eine katholische. Da Theoderich sich aber als Stellvertreter des Kaisers (so sein offizieller Auftrag zu herrschen, nach seinem Sieg über Odoaker) sieht, ist es keine falsche Schlussfolgerung Meyer-Flügels, dieses „Befreiung“ zu nennen. Der Ostgotenkönig gliedert die Provence dem ehemaligen WRR wieder an, das eben teilweise von ihm regiert wird.

Und warum sollte er das Risiko eingehen, direkt gegen die Franken vorzugehen, um ehemals westgotisches Gebiet zurückzugewinnen? Er wird deren Stärke entsprechend eingeschätzt haben. Das hätte bedeutet, er hätte sein Herrschaftsgebiet in Italien von Truppen entblößen müssen, um eine Chance gegen Chlodwig zu haben. Und das gerade, nachdem ihn byzantinische Angriffe gehindert hatten, Alarich II. rechtzeitig zur Hilfe zu kommen!

Meyer-Flügel kann ich aber nicht fragen.
Doch, kannst Du, wenn Du Dich traust. Schau mal ins Schweizer Telefonbuch.

Das spanische vielleicht, welches nie angegriffen war?


Welche Westgoten – oder gar welches westgotische Reich – hätte es wohl nach dieser Schlacht OHNE Theoderichs Eingreifen noch geben sollen?
Der spanische Teil wurde zu dem Zeitpunkt nicht angegriffen, sehr wohl aber etwas später (533/534 n. Chr.). Die dort angesiedelten Goten wurden vertrieben. 542 n. Chr. gab es den nächsten Anlauf, die Franken eroberten Pamplona und bestürmten Saragossa. Damit wird das ursprüngliche Ziel Chlodwigs ganz deutlich. Seine Nachfolger haben es wieder versucht.

Und was sagt das über den Wahrheitsgehalt aus?
Wir haben nichts Besseres als jene Dokumente aus der Zeit. So lange man nicht mit anderen Dokumenten das Gegenteil beweisen kann, kannst Du auch nicht von vornherein das als Unwahrheit abtun.
 
Zurück
Oben