@Buschhons:
Hi Chan, es gibt andererseits - gerade in den Psalmen - noch viel mehr Stellen, die Jahwe als Helfer, Retter, Schutz im Krieg und vor Feinden preisen. So könnte ich auch behaupten, er sei ursprünglich Kriegsgott gewesen.
Der Name yhwh wird über arabisch hwh „er fährt durch die Lüfte, er weht“ hergeleitet. Diese Interpretation hat seit dem 19. Jahrhundert viel Zuspruch gefunden. Dass sie auf Jahwes Naturfunktion hinweist, ist offensichtlich.
Beim Thema Jahwe sollte man zwei Phasen unterscheiden: 1) Jahwe als Stammesgott von Nomaden und 2) als Gott der Israeliten.
Bei 1) hat er die normalen Funktionen eines Wüstenstammesgottes (ich nenne seine Mitglieder jetzt mal "Hebräer") gehabt: das Weisen des richtigen Weges durch die Wüste, gute Geburtenrate für Kinder und Vieh und ggf. auch erfolgreicher Kampf gegen äußere Bedrohung. Da spielt der Kriegsaspekt, den du ansprichst, bereits eine Rolle. Als Stammesgott ist seine Verehrung - wie bei Stämmen üblich - bildlos.
Als Gott der in Kanaan ansässig gewordenen Hebräer (2) wird er mit dem lokalen, von Ugarit entlehnten Pantheon (El, Aschera, Baal, Anat, Mot usw.) konfrontriert und muss den Sitten der Zeit entsprechend integriert werden. Auffallend ist, dass Jahwe seine Unsichtbarkeit nach der Sesshaftwerdung beibehält. Regulär werden sesshaft gewordene Stammesgötter damals zu Objekten gegenständlicher Abbildung.
Die Konfrontation vor allem mit Baal, dem wichtigsten kanaanitischen Gott, spaltet die Hebräer: Ein Teil von ihnen favorisiert Baal, den mächtigen Fruchtbarkeits-, Wetter- und Kriegsgott (und belässt Jahwe in einer untergeordneten Rolle), einer anderen beginnt damit, genau diese Funktionen auf ihren Jahwe zu übertragen (synkretistische Adaption).
Beispielhaft dafür die ersten Verse von Psalm 29:
Gebt Jahwe, ihr Göttersöhne, gebt Jahwe Ehre und Macht.
Die erste ´offizielle´ Funktion des Jahwe im Glauben der sesshaft gewordenen Hebräer ist vor allem seine Herrschaft über das Wetter, da dies den Bedürfnissen von Ackerbauern und Hirten natürlich am direktesten entspricht.
Äußerlich stehen sich die am ugaritischen Pantheon orientierten reichen Stadtstaaten und die an Jahwe orientierten armen Bauern und Hirten gegenüber. Der Konflikt Baal vs. Jahwe ist also auch eine Art Klassenkampf. Das hat sinngemäß schon Max Weber bei seiner Analyse des antiken Judentums festgestellt.
Als sich das erste Königreich herausbildet, müssen Jahwes Kompetenzen natürlich ins Königliche erweitert werden. Das geschieht aber relativ spät (9. Jahrhundert), also lange nach Jahwes Festlegung auf - vor allem - seine Wetterfunktion. Dabei werden Königsattribute von El auf Jahwe übertragen. Die entsprechenden Texte gelten als deutlich jünger als die Texte mit Wetter/Kriegsattributen.
Insbesondere Els Charakteristika als Vatergott (weltschöpferisch, gütig, weise, voller Erbarmen, im Himmel thronend usw.) sind nun auch Eigenschaften des Jahwe. Im 8. Jahrhundert nimmt er endgültig Els Stellung ein, versinnbildlicht durch die Übernahme von dessen Gattin Aschera ("Jahwe und seine Aschera" auf diversen Inschriften). Die israelitischen Könige gelten nun als Statthalter des Jahwe und von diesem in ihr Amt eingesetzt (wie allgemein üblich in den Zeiten des orientalischen Gotteskönigtums).
Freilich konnte eine Theophanie auch anders beschrieben werden: In 1. Könige 19, 11ff offenbart sich Gott dem Elia am Horeb. Erst kommt ein "starker, heftiger Sturm, der die Berge zerriss und die Felsen zerbrach [...] Doch der Herr war nicht im Sturm". Es folgte ein Erdbeben und ein Feuer; beide Male war der Herr wieder nicht darin. "Nach dem Feuer kam ein sanftes leises Säuseln", und darin erschien Gott dem Elia. Das nur mal als ein Beispiel dafür, dass das AT sehr unterschiedliche Bilder gebraucht, um eine Gotteserscheinung in Worte zu fassen, nicht nur Bilder wie Sturm, Wolken, Blitz, Donner usw.
Klar. Nun ist dieser Text aber ziemlich spät entstanden, hauptsächlich während der Exilszeit, teilweise auch davor, wobei diese älteren Passagen aber im Exil überarbeitet wurden. Der Theophanie-Teil soll eine Ergänzung zu einem Urtext sein und schildert nicht den archaischen blitzeschleudernden Jahwe, sondern einen subtileren, leisen Gott. Nichtsdestotrotz "erscheint" er auf naturalistische Weise, als leiser Wind, also immer noch als Wetterphänomen.
Und zu guterletzt: Laut dem NT wird Christus bei seiner zweiten Ankunft für alle sichtbar auf den Wolken kommen. Jetzt könnte jemand noch die Stelle dazu nehmen, wo Jesus den Sturm auf dem See Genezareth zum Verstummen bringt, und sich noch zwei, drei andere Stellen suchen, wo Jesus irgendwie mit Wetter, Wolken, Wind oder so in einen engeren Zusammenhang gebracht wird, um dann zu dem Schluss zu kommen: Christus war für die frühen Christen ein Wettergott (oder eben der Sohn des Wettergottes).
Das sind übliche Wundertätergeschichten in jenen Jahrhunderten. So heißt es über den historisch nicht nachgewiesenen Julian den Theurgen (2. Jh.) in einer byzantinischen Aufzeichnung:
Einmal soll er, als die Römer am Verdursten waren, dunkle Gewitterwolken herbeibeschworen und schweren Regen mit aufeinander folgenden Donnerschlägen und Blitzen erzeugt haben. Es heißt, Julian habe dies durch ein gewisses Wissen vollbracht. Andere behaupten jedoch, der ägyptische Philosoph Arnouphis habe das Wunder verrichtet.
Die jesuanischen Wundergeschichten haben die Funktion, die Figur des Jesus zu erhöhen und sie im Vergleich mit anderen Wundertätern jener Zeit konkurrzenzfähig zu machen. Bei Markus und Matthäus sind sie der Lehre untergeordnet und reine Zugeständnisse an die konkurrierenden Wundertätermythen. Bei Lukas, der die Wundergeschichten betont, haben sie die Funktion, den jüdischen Wunder-Vorgänger Elias zu übertrumpfen: In den Wundern von Jesus hat Gott sein Volk "heimgesucht" (Lk 7,16):
Und es kam sie alle eine Furcht an und sie priesen Gott und sprachen: Es ist ein großer Prophet unter uns aufgestanden, und Gott hat sein Volk heimgesucht.
Bei Johannes geht die Darstellung ins Extrem: hier sollen die 7 Wunder die himmlische Herrlichkeit von Jesus veranschaulichen (bekanntlich ist bei Joh Jesus der von Gott gesandte Logos) sowie den Glauben der Menschen an Jesus fördern (der Zugeständnis-Aspekt).