Interessant, was du über mich zu wissen glaubst und wie du dein eigenes Nachbeten der spanischen Position siehst.
Da du dich offensichtlich bei der Narration des
Neuen Deutschlands bedienst, liegt das bei dir ziemlich offensichtlich, ich hingegen beziehe mich auf spanische Historiker (was katalanische Historiker mit einschließt), den französischen Historiker Pierre Vilar (der sich sehr um die katalanische Kultur verdient gemacht hat) usw. Du hingegen hast mir vorgeworfen, mich auf EL País zu beziehen (was nicht stimmt) und hast dabei insinuiert, die linksliberal ausgerichtete Zeitung habe eine Nähe zum spanischen Rechtsnationalismus.
Der Witz ist doch, dass du nach wie vor "kastilische" Historiker a priori als nichtvalide Gewährsleute ablehnst, während du aus einer Zeitung zitierst, die auch - anderes Thema zwar, aber erhellend für die Art der Parteinahme - Maduro zum legitimen Präsidenten Venezuelas erklärt, weil das eben eine "linke" Position ist, da Maduro mit einer linken Rhetorik aufwartet - während das Proletariat hungernd aus Venezuela flieht. (Falls du Fragen zu Venezuela hast, gerne in einem anderen Thread.)
Und du ignorierst die ganze Zeit Pierre Vilar, äußerst dich gar nicht zu diesem. Immerhin von der Generalitat mit der Medalla d'Or geschmückt.
Übrigens hattest du fälschlicherweise behauptet, Barcelona sei belagert worden, weil sich der Habsburger dort aufhielt. Einen anderen Grund findest du nicht. Allerdings war Karl längst nach Wien zurückgekehrt.
Entschuldige bitte, das ist doch nun wirklich eine Petitesse, wo der Erzherzog sich gerade aufhielt. Es geht um den spanischen Erbfolgekrieg und die bourbonische Seite belagerte das seit 1705 auf Habsburgerseite stehende Barcelona - im Übrigen nachdem die Habsburger auch Madrid besetzt hatten: ist jetzt keineswegs so, als sei das eine Einbahnstraße gewesen. Worum es aber im Wesentlichen geht, worüber du mit deinem Herumreiten auf Petitessen offensichtlich ablenken möchtest, ist dass es hier nicht um Katalonien vs. Kastilien oder Kastilien vs. Katalonien ging, sondern um die Frage, ob Spanien einen Bourbonen oder einen Habsburger als König habe. Für die anderen europäischen Mächte, die sich zumindestens anfangs auf die Seite Habsburgs gestellt hatten, ging es darum, einen übermächtigen Doppelstaat, ein unter einer Krone vereinigtes Spanien und Frankreich (welches ja auch noch über Südamerika - minus Brasilien und Patagonien - und die Philippinen herrschte) zu verhindern. Barcelona war eines der Schlachtfelder. Madrid ein anderes. Oder Gibraltar. Und... und... und... Dieses Kaprizieren auf die Belagerung Barcelonas, die Viktimisierung der Katalanen ist auch Narrativ. Eben die katalanische Meistererzählung. Unsere Aufgabe als HIstoriker ist es, solche Meistererzählungen zu dekonstruieren, gerade dann, wenn sie politisch motiviert sind. Auch das ist im Übrigen keine Einbahnstraße.
Tatsächlich war es sowohl Katalanen als auch Kastiliern zunächst relativ egal, ob die Pappnase, die auf dem Thron saß, mit Familiennamen
de Bourbon oder
von Habsburg hieß. Als Philipp nach Madrid kam, zuckten die Kastlier nur mit den Schultern. Als Karl Madrid eroberte und Philipp vertrieb, zuckten die Kastilier zunächst ebenso nur mit den Schultern. Erst als die Kirche nach der Besetzung Madrids durch Habsburg gegen Habsburg agitierte ("Ketzer"), weil Habsburg sich mit den Niederländern (Protestanten) und Briten (Anglikaner, Presbyterianer) verbündet hatte, also als der Krieg eine religiöse Komponente bekam, fingen die Kastilier an, Partei zu nehmen.
Schreibt der, der mit eben solchen Methoden versucht, Puigdemont in die Nähe von Pujol und den Korruptionsvorwürfen zu rücken.
Ich habe dargelegt, dass die Argumentation katalonischer Separatisten wohlfeil ist, wenn sie mit Korruptionsskandalen argumentieren, da nun mal Pujol - und der ist nun mal lange der Präsident der Generalitat gewesen, bis er 2003 mit 73 Jahren sich aus der aktiven Polituk zurückzog - und auch ein kataklanischer Nationalist, wenn er auch nie so konfrontativ zu Madrid war, wie die Generalitat 2017 - lange als der korrupte Politiker schlechthin galt.
Dass Spanien ein massives Problem mit der Aufarbeitung der Franco-Diktatur hat, ist unbestritten und nicht zu leugnen.
Angehörige kämpfen seit Jahrzehnten um die Aufhebung von Unrechtsurteilen, um die Öffnung von Massengräbern, um die Ehre ihrer Eltern, Großeltern und anderer Verwandten.
Dazu die als linksextrem bekannte Tagesschau:
Franco-Diktatur: Spanien gräbt seine Geschichte aus
Das hat nun nichts mit dem Thema des katalanischen Separatismusmus zu tun. Und wenn du mir vorwirfst, dass ich das nicht wüsste oder ignorierte, dann ignorierst du geflissentliche Beiträge, wie diesen hier:
Stilicho hat ja insofern Recht, dass in Spanien einiges im Argen liegt. Diese Defizite werde von den Separatisten argumentativ genutzt. Man denke nur an Baltazar Garzón, der den Pacto de Borrón - das gesellschaftliche Übereinkommen, über die Francozeit zu schweigen (wie Shinigami richtig ausführte, ist die spanische Demokratie nun mal mit der Gnade der ehemaligen Franquisten aus der Taufe gehoben worden, und die PP, die zur Parteienfamilie der EVP gehört, ist aus der Konkursmasse der FET hervorgegangen, hat von dieser die blaue Farbe geerbt) - "gebrochen" hat, um endlich den Familien der Opfer des Bürgerkrieges und der Repression des Francoregimes juristische Genugtuung zu verschaffen. Man hat ihn daraufhin mit Klagen überzogen und aus dem Amt als gedrängt. Zunächst übernahm das die als rechtextrem geltende Beamtengewerkschaft Manos Limpias (Saubere Hände - die haben sie wohl in Unschuld gewaschen), später die PP (da sind wir dann wieder bei dem von mir bereits mehrfach angesprochenen Caso Gürtel).
Hast du denn nun die Diskussion ums Valle de Caídos mitbekommen? Was sagt es uns denn, wenn in der heutigen Zeit (2018) diskutiert werden muss, ob der spanische Staat weiterhin die Gedenkstätte Francos unterhält? Ob man ihm weiter dort gedenken darf?
Sicher, hier ein Beitrag von mir von vor fünf Jahren:
Nach Monaten der Diskussion gerade die Breakin‘ News in den spanischen Nachrichten: das Valle de los Caídos ist eine Stunde vor der Zeit geschlossen worden und wird frühestens am 25. Oktober wiedereröffnet. In der Zwischenzeit soll der Diktator Franco aus seiner Gruft geborgen und umgebettet werden. Die Diskussion hat in den letzten Tagen regelrecht zu Wallfahrten von Franco-Anhängern in die Sierra de Guadarrama geführt, die heute plötzlich vor verschlossenen Türen standen. Der ein oder andere faschistische Gruß soll gesehen worden sein. Die mit der rechtsradikalen VOX liebäugelnde Präsidentin der Comunidad Madrileña, Isabel Ayuso (PP, die größte Partei aus der Erbmasse der Falange, christkonservativ) warnt schon seit Tagen, dass die Kirchen in Spanien demnächst wieder brennen würden, wie 1936 (und macht sich damit in der spanischen Öffentlichkeit zum Affen).
Das derzeit sozialistisch regierte Spanien deswegen zum faschistischen Staat zu erklären, ist in etwa so, als würde man das ampelregierte Deutschland mit einem Friedrich Merz als CDU-Chef, der gerade die Leitkulturdebatte der 1990er wiederbelebt und einer erstarkenden AfD zum faschistischen Staat erklären.
Dass es bis 2022 dauerte, bis mit dem Ley de Memoria Democrática ein Gesetz verabschiedet wurde, dass erstmals Sprecher des Galicischen, Baskischen und auch des Katalanischen, die wegen ihrer Sprache verfolgt wurden, ausdrücklich als Opfer anerkennt?
Es hat ca. 30 Jahre gedauert, bist die Verfolgung der Sinti und Roma durch die Nationalsozialisten als rassistische motivierte Verfolgung anerkannt wurde. Und die wurden ermordet. Es wurde aber zwischen 1945 und 1975 in Spanien niemand wegen seiner Sprache oder vermeintlichen Ethnizität in Konzentrationslager gestopft und Vernichtungslager gab es in Spanien sowieso nicht (jetzt mach mir daraus nicht, ich leugnete die politischen Morde, die das Franco-Regime beging, die meisten Morde geschahen im Bürgerkrieg und an Kriegsgefangenen in den unmittelbaren Jahren danach, 1969 gab es eine Generalamnistie für ehemalige Kriegsgegner - da kamen tatsächlich einige Leute aus ihren Verstecken, am prominentesten der ehemalige sozialistische Bürgermeister von Mijas, der als "Maulwurf von Mijas" einige Prominenz erfuhr.