Beau Brummel, der Mann der 5 Stunden zum Ankleiden brauchte (?)

Mich beschäftigt vor allem die Frage, wie es ein vergleichsweise einfacher Mann zur Stilikone seiner Zeit brachte. Er selbst hatte ursprünglich weder Stand noch Mittel um in die höchsten Kreise aufzusteigen und fiel durch eigene Schuld, als er selbstherrlich begann seine Gönner zu beleidigen.
Ich würde sagen, er ist ein typisches Beispiel der Günstlingswirtschaft. Als Offizier soll er wohl schon aufgefallen sein. Erstaunlicher finde ich, dass er keine wirkliche Karriere beim Prinzregent machte und irgendeinen schönen Posten bekam.
Günstlinge auch nicht so bedeutender Herkunft, quasi als Kumpel-Pendants zu den Mätressen ähnlicher Herkunft, scheinen mir zwar nicht so häufig wie weibliche "Aufsteigerinnen", aber auch nicht so selten. Man könnte als anderes Beispiel Henri de Catt, den Vorleser Friedrich II. aufführen. Nach Thièbaults Aussage war Catt denkbar schlecht geeignet, dem König vorzulesen, was daher auch Thièbault übernahm. Bisweilen soll der König auch selbst vorgelesen haben. (Ich glaube Catt wurde rasch heiser.) Der Grund weshalb Catt bei Hof was golt, war ebenfalls ausschließlich die Gunst des Monarchen.

Ich denke, Brummels Vermögen reichte hin, bequem ohne eigene Arbeit zu leben. Was darüber hinaus ging, dürfte aber seine Möglichkeiten überfordert haben, was letztlich zu seinem Ruin führte.
Was ihn so heraushob, das ist wohl ein Phänomen, das einem auch die Porträts nicht verraten können. Ich nehme, das war seine bestimmte Art, die genau den modischen Geschmack traf.
Er mag dieses Kapital erkannt haben, was ihm die Türen öffnete und darum um so mehr weiter an sich gearbeitet haben, ohne aber finanziellen Nutzen dauerhaft daraus zu schlagen.
 
Womöglich liegt der Grund in der Frechheit, ja Unverschämtheit Brummell's. Fast wie ein Kind neigte er dazu auszusprechen, was ihm in den Sinn kam, und das ohne Ansehen der Person. Solange diese Unverschämtheiten noch mit Witz vorgetragen waren, führten sie zur Erheiterung der hohen Gesellschaft, jedoch erkannte Brummell seine Grenzen nicht und die des guten Geschmacks, vielleicht erkannte er sie auch nur nicht an, weil er sich und seinen Geschmack in allen Dingen für das Maß hielt, denn berühmt ist die Glockenaffäire, die sich tatsächlich so zugetragen haben soll, wie man von mehreren Zeugen weiß, siehe
Minerva - Google Bücher

So einen Gentleman kann man schlecht noch mit hohen Ämtern belohnen, ohne sein eigenes Ansehen zu schädigen.
 
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Das mit der Glocke scheint so eine Art "Bon mot" gewesen zu sein. Ich frage mich zweierlei: wurde das Brummel wirklich zum Verhängnis oder war das mit der Glocke nur so eine typische Anekdote, wie sie zu den Akteuren passen mag, aber vielleicht nicht so geschah? Die Gunst soll Brummel ja erst 1813 vom Regenten entzogen worden sein. Wenn diese Geschichte mit der Glocke schon zuvor eine Rolle gespielt hat, müsste sich ja auch eine Datierung finden.

Das mit dem Beau-Knoten finde ich interessant. Hast Du eine Abbildung, die zeigt wie der aussah?
Mir scheint er auf den Abbildungen durchaus unterschiedlich seine Krawatte gebunden zu haben.
Ich versuche mir gerade vorzustellen, wie man dazu Stunden benötigen sollte. (Solitaires finde ich da schon schwieriger.)
 
Das mit dem Beau-Knoten finde ich interessant. Hast Du eine Abbildung, die zeigt wie der aussah?
Mir scheint er auf den Abbildungen durchaus unterschiedlich seine Krawatte gebunden zu haben.
Ich versuche mir gerade vorzustellen, wie man dazu Stunden benötigen sollte. (Solitaires finde ich da schon schwieriger.)
1. Nein, leider habe ich keine entsprechende mit Bezug auf Brummell gefunden. Ich vermute fast, es wird sich um den Ascot gehandelt haben, den man später umbenannte.

2. Bei Brummells Extravaganz kann ich mir gut vorstellen, dass es den einen und alleinigen Knoten gar nicht gab, sondern sich der spezielle Knoten je nach Laune und Tagesform änderte. Ich kann mir gut vorstellen, dass die Kunde nach der "heutigen Beau-Krawatte" in die Stadt getragen wurde, um Beau nachzueifern und up-to-date zu sein; anders gesagt um seinem Spott zu entkommen.

Schwierig war dabei wohl weniger der Knoten selbst, als denselben mit dem perfekten Faltenwurf zu binden, und dabei weniger dem Eindruck gewollter Perfektion als "laissez faire" zu entsprechen. Anders gesagt: Er sollte mühelos dahingeworfen wirken und dennoch perfekt sein. Solange nur eine klitzekleine Falte nicht richtig saß, wurde er wieder, und wieder, und wieder geöffnet und neu gebunden ...

In mehreren Dateien/Betrachtungen wird der damalige Krawattenknoten sogar mit einer Art Statussymbol verglichen.
 
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Nachtrag:
Ich hab vor einer Weile gelesen, ich schau mal ob ich's finde, dass Beau stellenweise seine Krawatten und/oder Hemden zwecks Faltenwurf bereits mit einer Art Wäschesteife versehen liess. Mal sehen ob ich das "Rezept" finde.

*edit* Hier nun wohl das Geheimnis, wenn man es glauben darf. Der Beau-Knoten hatte also eher einen bestimmten Stand und Faltenwurf, nicht eine neue Knotentechnik.
George Bryan »Beau« Brummells Geheimnis der perfekten Halsbinde (das Lord Byron nicht lüften konnte) lag in der Kartoffelstärke, mit der der Sohn eines Pastetenbäckers die Schleifen eigenhändig festigte (»My friends! Starch is the thing.«). Die Angehörigen des leider inzwischen aus­gestorbene Berufes der Stärke- und Haarpudermacher verwendeten vielfach Kartoffeln für die Stärke­zubereitung: Die Kartoffeln wurden fein zerrieben, dann ­wurde der Brei unter Zufluß von Wasser auf einem Sieb so lange mit den Händen geknetet, bis die Stärke aus den geöffneten Zellen herausgespült war; ­diese wurde in Lein­wand eingeschlagen, ausgepreßt und als ziegelsteingroßes Stück in den Handel gebracht. Haarpuder aus Kartoffelmehl blieb leider nicht in den Perücken haften, so daß manche Madame eine graue Staubwolke hinter sich ließ und ihrem Perückenmacher den Spitznamen »Weißling«.​
aus Medizin-Aberglauben

Wenn das so stimmt, hat er sein "Geheimnis" wohl nicht preisgegeben und sich köstlich darüber amüsiert, dass all die Herren der Gesellschaft seine Perfektion nicht erreichen konnten.​
 
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Und noch eine bezeichnende Szene:

Man hatte ihn in den Geldnöten, die zum Ende führten, eine nicht unerhebliche Summe von jemand borgen sehn, der zu den Dandies gezählt werden wollte und an dem Mann, in dem sie ihren Meister sahen, sich eine Stütze zu schaffen dachte. Da er später inmitten eines großen Kreises sein Geld zurückverlangte, hatte Brummell dem unbequemen Gläubiger in aller Ruhe zur Antwort gegeben, er wäre schon bezahlt. »Bezahlt? Wann?« hatte der andre verdutzt gefragt, und Brummell hatte in seiner unsäglichen Art erwidert: »Damals, als ich vom Fenster des White-Klub Dir beim Vorübergehen zurief: Jemmy, wie gehts?« Eine solche Antwort läßt die Grazie schon in Zynismus umschlagen, und man braucht ihrer nicht eben viele zu hören, um sich der Mühe enthoben zu fühlen, gerecht zu sein.
<CODE>- Barbey d'Aurevilly, Von Dandytum und von G. Brummell. Nördlingen 1987 (Greno 10/20 7, zuerst ca. 1844)</CODE>​
 
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@ Brissotin
Hm, tatsächlich wird die Glockenstory mal so, mal anders wiedergegeben. Daß sie sich ereignet hat, ist allerdings wohl unstrittig. Nur Brummells Anrede des Prinzen differiert, wohl weil er dazu neigte ihn gerade auch in der Öffentlichkeit allzu freundschaftlich, um nicht zu sagen ungehörig anzusprechen. Mal sprach er ihn als "Wales" an, mal als "Big Ben".
 
@ Brissotin
Hm, tatsächlich wird die Glockenstory mal so, mal anders wiedergegeben. Daß sie sich ereignet hat, ist allerdings wohl unstrittig. Nur Brummells Anrede des Prinzen differiert, wohl weil er dazu neigte ihn gerade auch in der Öffentlichkeit allzu freundschaftlich, um nicht zu sagen ungehörig anzusprechen. Mal sprach er ihn als "Wales" an, mal als "Big Ben".
Wobei ich bei BigBen eher an einen großen schlanken Typ denken würde. Aber da kenne ich verschiedene Karikaturen der 1780er/1790er, welche einen unterschiedlichen George (IV.) zeigen. Zumindest anfangs scheint er ein ziemlicher Dandy gewesen zu sein.
Wann genau seine Korpulenz zunahm, welche dann zu manchem Spott führte, habe ich bis jetzt nicht ausgemacht. File:GeorgeIV1780.jpg - Wikimedia Commons
 
Ich glaube nicht, dass sich der Spitzname "BigBen" auf die Statur bezog. Das hat eher mit dem Rang zu tun und damit, dass der Prinz von Wales die Treffen bei Anwesenheit sozusagen ein- und ausläutete. ;) Man geht sogar soweit zu sagen, dass Beau ihn damit bewusst zu einer Art "Diener" degradierte.
 
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Ich glaube nicht, dass sich der Spitzname "BigBen" auf die Statur bezog. Das hat eher mit dem Rang zu tun und damit, dass der Prinz von Wales die Treffen bei Anwesenheit sozusagen ein- und ausläutete. Man geht sogar soweit zu sagen, dass Beau ihn damit bewusst zu einer Art "Diener" degradierte.
Wenn das so war, frage ich mich allerdings, warum dann um Deine "Glockenaffäre" ein solches Gewese gemacht worden sein soll. Oder aber es vermischen sich dort Kolportierung eines Ereignisses mit üblichem Vorgehen.
Andererseits kann das mit dem Ein- und Ausläuten auch eben ein Tribut an den Rang des Prinzregenten gewesen sein. Schon der Vater von George III. nahm innerhalb einer elitären Gemeinschaft eine Rolle als eine Art Gallionsfigur ein, was aber auch andererseits darauf hinauslief, dass er zugleich eine Art Leit- oder Cheffigur war.

Im Wikipediaartike zu George IV. steht ja auch etwas über den Einfluss von Brummel auf George. Wobei mich aber diese Passage etwas verwundert:
Unter seinem Einfluss entwickelte sich eine ausgesprochen luxuriöse und farbenprächtige Männermode. Ein gut gekleideter Mann der Regency-Zeit zog sich am Tage mehrfach um und wählte die Form, in der er sein Halstuch trug, mit äußerstem Bedacht. Der Historiker Christopher Sinclair-Stevenson bezeichnete die von Georg IV. beeinflussten Jahre als die „finale Parade der Pfauen vor dem Beginn der Tristesse des Viktorianischen Zeitalters...
Aus:
Georg IV. (Vereinigtes Königreich) ? Wikipedia
Ich sehe bei Abbildungen von Beau Brummel ihn eher in dunklen Farben. Auch sprechen ja eben seine Selbstaussagen eher davon, dass er es schätzt "unauffällig" gekleidet zu sein. Das heißt, er war zwar auffällig korrekt gekleidet, aber fiel eben nicht direkt durch Extravaganz in der Menge auf.
Die Herrenmode des Empire sehe ich als einen Übergang von der farbenprächtigen Kleidung des Rokoko zu der standartisierten dunklen Kleidung, welche quasi bis heute für offizielle Kleidung vorherrscht.
 
Das Gewese wurde nicht darum gemacht, dass der Prinz von Wales läutete, oder läuten sollte, sondern es geht um den Ton der Ansprache. Der Ton macht die Musik. Es wäre so, als würde man sagen "Johann, zieh er die Glocke", wobei Beau eben die Dreistigkeit hatte den Prinzen einfach nur "Wales" oder "Big Ben" zu nennen.
 
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Nachtrag:
Ich hab vor einer Weile gelesen, ich schau mal ob ich's finde, dass Beau stellenweise seine Krawatten und/oder Hemden zwecks Faltenwurf bereits mit einer Art Wäschesteife versehen liess. Mal sehen ob ich das "Rezept" finde.

*edit* Hier nun wohl das Geheimnis, wenn man es glauben darf. Der Beau-Knoten hatte also eher einen bestimmten Stand und Faltenwurf, nicht eine neue Knotentechnik.
Das glaube ich alles gern und werde es auch demnächst beherzigen. Das Problem ist, dass die Krawatte am Morgen noch ausgezeichnet sitzt, aber mit der Zeit sich die Enden immer mehr aushängen.
 
Mich erstaunt immer noch, welchen Hype man um Brummell machte, dass man sich vor allem seine Boshaftigkeiten und Gemeinheiten gefallen liess.

Gerade auch Lord Byron, der BB sein Geheimnis nicht entlocken konnte, soll einmal gesagt haben, er wäre lieber ein Beau Brummell als ein Napoleon. :still:
 
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Gerade auch Lord Byron, der BB sein Geheimnis nicht entlocken konnte, soll einmal gesagt haben, er wäre lieber ein Beau Brummell als ein Napoleon.
Das "Zitat" kenne ich wenigstens. Ich hatte das immer so interpretiert, dass Byron lieber auf eine Weise wie Brummel zu Ruhm und Ansehen kommen wollte, die niemandem (körperlich) wehtat.
 
Von Lord Byron sind mehrere derartige Aussagen überliefert. Ich weiß allerdings nicht, inwieweit sie auch gesichert sind.
“There are but three great men of our age, myself, Napoleon and Brummell, but of we three, the greatest of all is Brummell.”
— Lord Byron

*edit Nachtrag*
Interessant in diesem Zusammenhang, dass das offizielle Wettbuch des White's reichliche Wetten der Dandys, allen voran BB's auf Napoleon verzeichnet.

Nachtrag: Wen's interessiert hier ein Archiv
The history of Whités [with the Betting Book from 1743 to 1878 and a list of members from 1736 to 1892] : Bourke, Algernon Henry, 1854-1922 : Free Download & Streaming : Internet Archive


 
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Ohne mich jetzt ins Abseits schießen zu wollen:

Ich lese mit Vorliebe Romane von Georgette Heyer, welche vorzugsweise eben Geschichten, die in der Zeit des "Beau Brummell" spielen, schrieb.

Dort wird beschrieben, dass der Hauptteil der Toilette der Herren eben der "perfekte" Krawatten/Halstuchknoten war. Sie beschreibt zumeist, wie die gnädigen Herren stundenlang vor dem Spiegel zubrachten, um der Krawatte, bzw. dem Halstuch die richtige Form zu geben.

Es wird auch beschrieben, dass die damaligen Krawatten oft einen Fuß und mehr breit waren, sodass man jede "falsche" Falte sofort gesehen hätte. Auch schreibt sie z.B., dass Mr. Brummell oft bis zu zehn Krawatten "verdarb" bevor er zufrieden mit dem Fall war.

Die damalige Halstuchmode scheint also sehr wohl eine große Rolle gespielt zu haben. Natürlich sind hierbei meine Quellen Romane, andererseits scheinen sie mir doch sehr gut recherchiert zu sein, auch was die Namen der Protagonisten angeht.

Grundsätzlich schien es so zu sein, dass die Herren sich beim eigentlichen "Ankleiden" vom Kammerdiener helfen ließen, Frisur und Halstuch jedoch waren Sache des Gentleman selbst, die Kammerdiener werden meist beschrieben, wie sie "andächtig in einer Ecke des Zimmers verharren", um den Herren nicht bei dieser wichtigen Aufgabe zu stören.
 
Das Dumme an den Halstüchern oder Krawatten ist, dass nicht sonderlich viele erhalten sind. Da ist es das gleiche Problem wie mit den Spitzengarnituren des 18.Jh.. Was erhalten ist, kann man oft nicht 100 % so leicht identifizieren, wenn nicht direkt ein Bezug zu einer bestimmten historischen Persönlichkeit überliefert ist.
Heißt: Ein Halstuch eines Herren, könnte ebensogut ein "Brusttuch" einer Dame sein, kann genausogut sonstwas sein... Das heißt mit dem Original an sich in der Hand, weiß man noch nicht sicher, was man denn eigentlich hat. Obendrein stellten weiße Halstücher und Krawatten sicherlich Verschleißgüter da, die man wie einfachere Strümpfe wohl in der Regel trug, bis sie völlig unbrauchbar waren und weggeworfen wurden. Gemusterte Hals- oder Brusttücher, gerade besonders aufwändige Drucke sind eher erhalten (Vergleiche: Linda Baumgarten: "What Clothes Reveal" ).

Beliebt waren halbwegs zeitgenössische, aber auch weit später angebrachte Zettelchen mit einer Aufschrift wie: "Diese Schuhe trug die Frau Willifield, als sie mit George Washington 1785 tanzte. ...". Man war und ist eben auf bestimmte Beziehungen zu Berühmtheiten stolz und geradezu versessen auf möglichst echte und möglichst viele direkte Realien, die in einem Zusammenhang mit historischen Persönlichkeiten stehen. (Die nennenswertesten wirklich 1a-authentischen Sammlungen kenne ich von Kleidern und Accessoires von Gustav Adolph, August dem Starken und Gustav III. von Schweden.)
An originalen Krawatten kenne ich bis jetzt nur die von Struensee, welche er direkt vor seiner Hinrichtung getragen haben soll. (Siehe: "Det Elegante Liv - fra Frederik 5.s hof" Rosenborg, 2007) Dieses Stück ist allerdings aus den 1770ern und scheint mir recht seltsam. Es ist ein längliches, ich nehme an recht schmales Tuch, das sich an den Enden verjüngt, woran Trodelln befestigt sind.

Die Krawatte scheint in aller Regel ein längliches, einfarbiges Tuch gewesen zu sein. Bevor die Halsbinden (franz. Tour de Col, engl. Stock) aufkamen, die hinten i.d.R. mit einer Schnalle zu schließen waren, trug man vor allem Krawatten. In der ersten Hälfte des 18. Jh. setzten sich die Halsbinden für die allgemeine Mode durch. Die Krawatten hielten sich aber daneben noch bei der einfacheren Jagdkleidung und der Unterschicht überhaupt.
Neben der Krawatte gab es noch das Halstuch(franz. mouchoir), welches quadratisch war, was wohl den größten Unterschied zur Krawatte darstellt. Manchmal findet man, dass die Halstücher in Frankreich in der Regel aus Seide waren. Als Hauptherstellerland für Seide ist das erklärlich. Auch auf Abbildungen der Unterschicht - v.a. die Genremalerei von Greuze wäre zu nennen - glaubt man seidene Halstücher zu erkennen. Von der Form her unterscheiden sich die Halstücher kaum von den ebenfalls quadratischen Schnupftüchern, welche uns das berühmte Werk "L'art de la lingère" von Garsault (das auch Franklin z.B. besessen haben soll) von 1769 überliefert. Allerdings waren die Schnupftücher von Leinen. Im Vergleich zu den heutigen waren sie riesig.
Neben weißen Halsbinden oder Krawatten sieht man auch oft Schwarze. (Thièbault erwähnt einmal eine Schwarze im Zusammenhang mit einer Reisekleidung.(also wohl 3. Viertel 18.Jh.))
Im späten 18.Jh. verschwanden die Halsbinden wieder zusehends und wurden zumindest für inoffizielle Kleidung von den Krawatten verdrängt. (Es gibt aber noch Beispiele von Halsbinden mit Schnallen aus dem Empire. Bei Hofanzügen meine ich noch in der Regel Halsbinden zu erkennen.)

In den letzten zwei Dekaden des 18.Jh. kamen bunte, gemusterte Halstücher auf, welche noch über den Krawatten, teilweise recht lose umgeschlungen getragen wurden. (Ich sah mal ein schönes Beispiel in der Ausstellung "Incroyable et Merveilleux" im Musée Carnavalet auf einem Gemälde.) Diese Mode scheint aber v.a. von Stutzern getragen worden zu sein und findet sich auf Porträts normaler bürgerlicher Personen eher selten. Auf Künstler- und Denkerporträts, wenn diese sich bei der Arbeit zeigen wollten, sieht man solche bunten Halstücher schon recht früh, was wohl an ihrer Bequemlichkeit im Unterschied zu den Halsbinden liegen mag.

Nun zu der Länge der Krawatten bzw. Größe der Halstücher um 1800: Da kaum Originale erhalten sind, bzw. nur wenige identifizierbar sind, muss man auch einiges aus zeitgenössischen Berichten und Porträts interpretieren.
Beliebtestes Material für Krawatten war Baumwolle. (Diese trat ja seit der Jahrhundertmitte des 18.Jh. ihren absoluten Siegeszug in Europa an.) Wenn ich mich recht entsinne, variieren die Bezeichnungen für die dünne Baumwolle, man kann aber wohl in der Regel bei den Krawatten von weißem Baumwollbatist ausgehen. Mit seidenen, sehr dünnen Krawatten sind einige Meter Länge möglich. Bei dem allermeisten Baumwollbatist ist hingegen rasch die Ende der Fahnenstange erreicht, wenn man nicht den reinsten Kropf vor dem Hals haben will und einen so dicken Ring aus Krawatte sieht man auf den Porträts selten bis nie. (Ein weites Halstuch/eine weite Krawatte sieht man hingegen, wenn es quasi in Auflösung begriffen sein soll, wenn ein Künstler Nachlässigkeit oder dergleichen ausdrücken will. File:Jean-Baptiste Greuze Self Portrait.jpg - Wikimedia Commons )
Ungefähr dieser Abstand zum Hals ist typisch: File:Billaud-Varenne.jpg - Wikimedia Commons
Als Vergleich, um zu sehen, dass bei einer Halsbinde des 18.Jh. die Menge Stoff um den Hals deutlich geringer war, dieses Beispiel: File:Comte d'Angiviller.jpg - Wikimedia Commons
 
Grundsätzlich schien es so zu sein, dass die Herren sich beim eigentlichen "Ankleiden" vom Kammerdiener helfen ließen, Frisur und Halstuch jedoch waren Sache des Gentleman selbst, die Kammerdiener werden meist beschrieben, wie sie "andächtig in einer Ecke des Zimmers verharren", um den Herren nicht bei dieser wichtigen Aufgabe zu stören.
Bei den Krawatten bin ich bis jetzt noch nicht auf Hilfe durch Dienstboten gestoßen.
Bei den Frisuren muss man wohl von einer Hilfe durch Dienstboten ausgehen. Das Pudern der Haare, was bis in die 1800er Jahre üblich blieb, wird oft als Tätigkeit von Dienern oder Friseuren dargestellt. Das Können hinsichtlich Frisieren und Barbieren galt als eine wertvolle Fähigkeit für Kammerdiener. Neben den aufwändigeren Frisuren mit Seitenlocken wie hier File:3consuls.jpg - Wikimedia Commons rechts und links zu sehen (wohl die Frisur "A la Brigadier" vergleichbar mit den Tafeln der "Encyclopédie" von Diderot zu den Perückenmachern), dürften aber auch die oft gelockten Empirefrisuren mit kürzeren Haaren File:portrait of a Man, by Louis-Léopold Boilly.jpg - Wikimedia Commons nicht ohne weiteres vom Herren selbst zu machen gewesen sein. (Man sieht so oft Locken auf den Porträts, dass man wohl annehmen muss, dass es in vielen Fällen keine Naturlocken waren.)
 
Nochmal, tut mir leid. :winke:
Es wird auch beschrieben, dass die damaligen Krawatten oft einen Fuß und mehr breit waren, sodass man jede "falsche" Falte sofort gesehen hätte. Auch schreibt sie z.B., dass Mr. Brummell oft bis zu zehn Krawatten "verdarb" bevor er zufrieden mit dem Fall war.

Mit einem Fuß, meinst Du wahrscheinlich das englische Foot von ca. 30 cm. Das ist auch meines Wissens die übliche Breite für Krawatten gewesen. Scheint mir auch am praktikabelsten. (Sonst sähe man zuviel vom Hemdskragen.)
Auch wenn die übrigen Staaten in der Länge des Fuß oder Schuh variieren, liegen sie doch in der Regel um die 30 bis 35 cm.
 
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