Cheruskisch und Niedersächsisch

Hallo Quijote,

ja, bevor ich hier im Geschichtsforum meine ersten Fragen bzgl. Germanien um die Zeitenwende gestellt habe, war ich noch sehr hoffnungsvoll und optimistisch und dachte, dass es noch jede Menge unterhalb der Oberfläche gäbe, was vielleicht noch nicht veröffentlicht worden wäre und was es noch zu enthüllen gäbe, wenn man nur mit der richtigen Methodik herangeht.
Eure Antworten waren da sehr desillusionierend aber natürlich logisch unbedingt stringent.
Dann möchte ich aber mal auf meine naive Art und Weise anmerken, dass die Altertumswissenschaften jetzt im Jahr 2023 mit dem jetzigen Wissensstand faktisch abgeschlossen wäre. Es gibt eine gegebene Anzahl x von (römischen) Quellen, die wurden x-mal analysiert und aus den verschiedensten Perspektiven analysiert und das war's. Mehr kommt nicht dazu. Tacitus, Cassius Dio und noch ein paar andere und das war's. Deckel drauf und Akte abgeschlossen.

Ähnliches würde dann ja auch für die Archäologie gelten. Da wird nicht mehr viel kommen. Die technischen Analysemethoden werden besser und erlauben schärfere Aussagen, aber was man jezt Stand 2023 nicht herausgefunden hat, wird man 2030, 2040, 2050 erst recht nicht finden.
Was würdest Du denn einem jungen Menschen raten, der z.B. Altertumswissenschaften - Schwerpunkt Germanien - studieren möchte? Bringt eh nichts, rein akademischer "Müßiggang", da kommt eh nichts mehr. Es gibt die und die Literatur und das war's? Das wäre doch recht frustrierend und würde Wissbegierige eher abstoßen, oder?

Eines noch zu Ackerbau und Viehzucht.
Ja, natürlich waren es keine Hochleistungsrassen aber irgendwann kristallisierte sich Schwarzbuntes Niederungsrind und Höhenvieh heraus.
Die heutigen Schwarzbunten, Rotbunten als typisches Produkt des Tieflandes, des Graslandes auf Marschboden mit einer ganz anderen Anpassung als Höhenvieh.
Rotes Höhenvieh – Wikipedia Rotes Höhenvieh (vermuteter keltischer Ursprung), alles was dazu gehört. Andere Weideparasiten, andere Fruchtbarkeit, andere Fleisch- und Milchleistung und Adaptation an kontinentales Klima anders als das Niederungsvieh mit der Anpassung an maritimes Klima.
Kann mich da nicht besser ausdrücken.
Landrassen beim Nutzvieh, also die Vorstufe vor der züchterischen Bearbeitung und bewussten Einkreuzung auf Leistung. Was natürlich nicht heißt, dass die Germanen noch nichts von Züchung verstanden. Sie hatten sicherlich auch damals schon mit beschränkten Mitteln Kreuzungen vorgenommen, um ihre lokalen Landrassen zu verbessern.

Analog Nutzpflanzen und Landsorten.

Ich bin Euch sehr dankbar für das Stichwort Germanen und ihre Subsistenzlandwirtschaft, weil ich das zuvor noch gar nicht gesehen hatte.
Ein Volk, welches so eng im Wohnstall mit dem Vieh zusammenlebte; musste zwangsläufig eine phänomenale Beobachtungsgabe besessen haben. Sie wussten ganz genau, wann eine Kuh "bullt", wann sie bereit für den Natursprung des Bullen war. Sie haben das sicherlich nicht nur dem Zufall überlassen.
Gut, das weiß ein ostfriesischer Milchbauer natürlich auch, wann eine Kuh "bullt", dann kommt der Besamer und besamt die Kuh mit Tiefkühlsperma aus dem Bullenkatalog des Herdbuchzüchters.
Wer weiß vielleicht hat ein Cherusker damals auch gelernt, dass die Friesen oder Chauken sehr viel erfolgreicher mit ihrer Rinderhaltung waren, weil das Genmaterial besser war oder das Grasland bzgl. Proteingehalt besser. Vielleicht hat man sich da ausgetauscht, wer weiß.
Vielleicht ist es cleverer, eine Weide mit unterschiedlichen Wiederkäuern also Pferden, Rindern, Schafen und Ziegen gemeinsam zu beweiden, weil der Verbiss so weniger zu nicht nutzbaren Geilstellen führt.

Ein Stamm, eine Sippe stand vielleicht vor der Frage, was ist intelligenter?
Soll ich nur von Raub leben? Ich warte ab, bis mein Nachbar seine Rinder auf der Weide bis auf eine gewisses Schlachtgewicht groß gezogen habe und nehme ihn diese dann unter Gewaltanwendung oder ich tausche mich mit ihm aus und tausche Gerste gegen Kälber oder was auch immer.

Vielleicht muss man da auch ganz anders denken.
Meine These ist, dass die Robustheit der Rinder wohl im Vordergrund stand. Norddeutsche Tiefebene: milderes maritimes Klima, längere Vegetationsperiode, längere Weidezeit im Gegensatz zum Mittelgebirge mit seinem kontinentalen Klima, härtere Winter ...
Die Rinder mussten die Weide maximal ausnutzen, es gab kein Kraftfutter (Soja aus Brasilien) als Zufütterung und das Nadelöhr war wohl, wie kriege ich meine Rinder durch den Winter wenn es draußen schneit und ich nichts bzw. wenig habe, um ihren Erhaltungsbedarf zu decken.
Die Winter in Germanien sind lang, die Vegetationsperiode mehr oder weniger kurz und man muss zusehen, wie man die Rinder durchbekommt, dass sie es im nächsten Frühjahr wieder auf die Weide schaffen.
Wenn dann noch Kälber geboren werden, muss die Milch ja auch noch geteilt werden - Aufzucht Kalb und was bleibt noch für den menschlichen Verzehr?
Die Germanen waren vielleicht geniale Rinderhalter und -züchter, die das Maximum aus ihrem damaligen Lebensraum herausgeholt hatten.
Rinder-, Schaf- und Ziegenhaltung mit Futterbau aus eigenen Ressourcen, den lokalen Weidelgräsern und vielleicht auch noch Heugewinnung für die Stallhaltung, wenn draußen die Vegetationsperiode endet.
Es war halt das Maximum was damals möglich war, mehr ging nicht.

Okay, wahrscheinlich ist das alles Bullshit, was ich schreibe.
 
da verstehe ich nicht, worauf Du hinauswillst. Gehst Dir um die unterschiedliche Entwicklung des "c" von ceresia bzw. cepola im Deutschen einmal zu "K" (Kirsche) und "Z" Zwiebel?

Wieso im Deutschen?
Du weißt doch sicher, in welcher Sprache und auch ungefähr wann die Aussprache von Kaesar und Kikero sich zu Ts(ch)äsar und Ts(ch)its(ch)ero gewandelt hat?
 
Hallo Stilicho,
Du, ich habe absolut nicht die geringste Ahnung bzgl. der Qualität der Germanen in der Rinderzucht bzw. -haltung.
Robuste Rinderrassen mit +/- Fleisch-/Milchleistung für ihre Subsistenzlandwirtschaft hatten sie wohl allemal. Lasse mich da sehr gerne eines Besseren belehren.
Beste Grüße aus dem sonnigen HH
 
Hallo BerndHH,

Geschichte kann manchmal ganz schön frustrierend sein, nicht? ;)

Wir müssen uns halt damit abfinden, dass grad bei schriftlosen Kulturen viel Spekulation bleinen wird, bleiben muss. Ich bin allerdings optimistischer und denke, dass wir das Ende der Fahnenstange noch lange nicht erreicht haben. Je dichter bspw das Netz archäologischer Funde wird (und alles ist da noch längst nicht aus dem Erdboden gebuddelt, was die Germanen hinterlassen haben), desto mehr Schlüsse können wir ziehen, desto genauer kann man zumindest die materiellen Kulturen kategorisieren, und vielleicht sogar Rückschlüsse auf ökonomische Sachverhalte ziehen. Ist halt das langwierige Bohren sehr dicker Eichenbohlen, und ich werd die Fachbücher dazu nicht schreiben, aber gibt die Hoffnung noch nicht auf. ;)

Ich bin Euch sehr dankbar für das Stichwort Germanen und ihre Subsistenzlandwirtschaft, weil ich das zuvor noch gar nicht gesehen hatte.

Das sollte man nicht unterschätzen. Wenn es um Viehhaltung & Zucht geht: In einer Subistenzwirtschaft gibt es weniger Möglichkeiten zur gezielten Zucht. Kleinere Herden, geringerer Kontakt zu anderen (und deren Vieh, oder deren Wissen), und man ist auf Gedeih und Verderb auf das Vieh angewiesen, das man hat, und hat damit weniger Möglichkeiten zu "Versuch & Irrtum". Ich denke, du hast recht, und wir müssen davon ausgehen, dass das germanische Vieh auf Robustheit und Genügsamkeit optimiert war; nicht durch gezielte Zucht, sondern schlicht durch die Verhältnisse; auch wenn die nicht "natürlich", also wie bei den entsprechenden Wildarten waren und es damit keine "natürlich Zuchtwahl" ist.

Und eine Kindheitserinnerung (die ich schon mal erwähnt hab, glaub ich): Das germanische Vieh war im Durchschnitt kleiner als vergleichbare Tiere, die von Kelten oder im Mittelmeerraum gehalten wurden; sagte zumindest "Was ist Was: Die Germanen". Würde ja passen...

Ein Volk, welches so eng im Wohnstall mit dem Vieh zusammenlebte; musste zwangsläufig eine phänomenale Beobachtungsgabe besessen haben. Sie wussten ganz genau, wann eine Kuh "bullt", wann sie bereit für den Natursprung des Bullen war. Sie haben das sicherlich nicht nur dem Zufall überlassen.

Die werden ihre Tiere recht gut gekannt habgen, aber ob daraus auch die richtigen Folgerungen für die Zucht abgeleitet wurden, ist nicht sicher. Wenn es bspw um die Fleischproduktion geht, ist es sinnvoll, die besten Stücke zur Zucht zu verwenden, und sie nicht zu schlachten. Kurzfristig gedacht ist es aber durchaus attraktiv, grade die größten Tiere zu schlachten, da sie am meisten Fleisch bringen und am meisten Futter verbrauchen, wenn man sie über den Winter bringen will. Ich erinnere mich an eine Anmerkung in einem Buch von R. Dawkins, dass grade das heutzutage eine der schwierigsten Sachen ist, wenn man tradionell wirtschafteten Landwirten moderne Methoden lehren möchte (Entwicklungshilfe & so, wie sinnvoll die an sich ist müssen wir hier nicht diskutieren... ;) ).

Außerdem wird das germanische Vieh vermutlich eine große Zeit auf der Weide oä gehalten worden sein; inwieweit da eine Kontrolle zB der Fortpflanzung überhaupt betrieben wurde, oder man die Dingen halt ihren natürlichen Lauf nehmen ließ...

Wie alt sind eigentlich die ältesten Aufzeichnungen, die auf eine gezielte Züchtung auf spezifische Merkmale schließen lassen? "Wissenschaftlich-biolobisch" gibts das erst seit der Industrialisierung (grob), aber auch ohne Darwin gab es ja gezielte Kreuzungen, bspw in der Pferdezucht, schon lange vorher. Seit wann wissen wir es sicher?
 
Hallo Reinecke,
oh ja, frustrierend ist es - ohne Frage! Deine Ansatzweise gefällt mir sehr gut - macht Mut! Finde ich Klasse! Was Deine Anmerkungen über die Viehhaltung angeht --- da müsste ich tiefer einsteigen. Vielleicht finde ich da noch was aus meiner landwirtschaftlichen Literatur.
Beste Grüße
 
Aber ja, ein Mensch, der in der Wesermarsch aufwächst (Chauke z.B.) oder ein Friese muss mit einer anderen Umwelt fertig werden als ein Chatte im hessischen Bergland. Sie haben andere Rinder-Landrassen, vielleicht andere Emmer-/Dinkel-Landsorten unscharf gesagt, kurzum eine andere Welt, andere Wörter, andere Vorstellungen und daher auch andere Mundarten

Nein, daher kommen die Mundarten nicht. Der friesische Angler wird für das Wort "Stromschnelle" keine Verwendung haben, der chattische Angler dafür das Wort "Priel" nicht im aktiven Wortschatz haben. Und vielleicht wird keiner von beiden das Wort "Treibhammer" im Wortschatz haben, während der friesische Schmied und sein chattischer Kollege über solche Dinge fröhlich fachsimpeln. (Ich gehe mal davon aus, dass es eine Zeit gab, als Chatten und Friesen noch dieselbe Sprache verwendeten.)

Sprachen unterscheiden sich nicht (oder allenfalls in zu vernachlässigendem Maße) dadurch, dass sie eine andere Vorstellungswelt mit anderen Begriffen abbilden, sondern vor allem deswegen, weil sich die Wörter für gleiche Begriffe unterscheiden.

Schwenk in die Neuzeit:

Auf Öömrang (Amrumer Nordfriesisch) heißt das Dorf Saarep, auf Söl'ring (Sylter Nordfriesisch) heißt das Dorf Tērp. Das liegt ganz sicher nicht daran, dass die Amrumer sich unter einem Dorf etwas anderes vorstellen als die Sylter, sondern das liegt daran, dass sich im Lauf der Jahrhunderte die Aussprache unmerklich ändert, und da die Sylter und die Amrumer Inselbewohner meistens untereinander kommuniziert haben, während der Sprachkontakt von Insel zu Insel viel weniger eng war, hat sich die Aussprache immer mehr auseinanderentwickelt.
Unterschiedliche Umweltbedingungen haben dabei absolut keine Rolle gespielt.

In die Landesarchive, um zu stöbern, wo endet eigentlich die offizielle Geschichtsschreibung? Viele Familienchroniken gehen bis zum Dreißigjährigen Krieg, dann reißt der Faden nach verbrannten Kirchenbüchern ab.
Sie endet eigentlich gar nicht, die Überlieferung wird nur immer dünner, je weiter man zurückgeht.

Das liegt zum einen daran, dass Schriftstücke selten tausend Jahre alt werden. Allein der Zahn der Zeit in Gestalt von Mäusen, Insekten, Schimmel, Brand- und Wasserschäden etc. sorgt dafür, dass Originaldokumente mit zunehmendem Zeitabstand immer rarer werden. Aus der Antike ist fast nichts mehr im Original erhalten; die Texte von Caesar, Tacitus & Co. kennen wir nur noch aus späteren Abschriften.
Besserer Start für die Menschheit?

Dann spielt natürlich eine Rolle, wie viel produziert wurde und wie viel in der Zwischenzeit durch einschneidende Ereignisse vernichtet wurde.
Im 20. Jahrhundert gibt es noch überreichlich Archivalien. Wenn man mit der Schreibmaschine ein paar Durchschläge macht, ist die Chance hoch, dass trotz Verlusten irgenein Durchschlag noch vorhanden ist.
Im 19. Jahrhundert wird es schon weniger, weil alles von Hand kopiert werden musste.
Im 18. Jahrhundert wird es noch weniger, weil viele kleine Herrschaften (Reichsritter, Klöster etc.) in napoleonischer Zeit aufgehoben wurden und alte Akten und Bücher oft ins Altpapier wanderten.
In der Zeit vor dem Dreißigjährigen Krieg werden die Lücken noch größer.
In der Zeit vor 1400 war Papier noch selten und musste aus Italien importiert werden. Handschriftliche Kopien wurden nur gemacht, wenn es unbedingt nötig war.
Mit Original-Urkunden ist in karolingischer Zeit Schluss:
Älteste originale Königsurkunde Deutschlands - MyHeritage Blog

Inschriften auf haltbarerem Material reichen natürlich weiter zurück.

Kirchenbücher, die Taufen, Eheschließungen und Todesfälle verzeichnen, wurden erst in der Neuzeit flächendeckend eingeführt. Steuerbürger gehen oft nicht weiter zurück. Von "offizieller Geschichtsschreibung" würde ich hier nicht sprechen, es sei denn, Du würdest Deine aktuelle Steuererklärung ebenfalls als "offizielle Geschichtsschreibung" werten wollen. Es handelt sich halt um amtliche Unterlagen:

Amtsbücher haben sicherlich eine antike Wurzel, die aber schwer zu fassen ist. Im Frühmittelalter gibt es sie in nur wenigen, elitären Exemplaren; in Bayern etwa in den frühmittelalterlichen Traditionsbüchern der Bischöfe von Freising, Regensburg, Passau und Salzburg. Im Hochmittelalter sind nur die Traditionsbücher als eigener Typus greifbar. Erst ab der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts nahmen Zahl und Arten der Amtsbücher deutlich zu (Kopialbücher, Urbare), die ab dem 13. Jahrhundert parallel mit der rasanten Ausbreitung der Schriftlichkeit sprunghaft anstiegen.
Amtsbücher – Historisches Lexikon Bayerns

Eine tote Sprache, die in einer Sackgasse geendet und vollständig erloschen ist

Nein, die Sprache ist nicht ausgestorben!

Ich kann es nur immer wieder schreiben: Sprache, lebendige Sprache, ändert sich dauernd, die Änderungen summieren sich von Generation zu Generation, daher ist unsere Muttersprache nicht mehr die Sprache unserer Ururururururirururururururgroßmütter.
 
Ähnliches würde dann ja auch für die Archäologie gelten. Da wird nicht mehr viel kommen.
Dass neue schriftliche Quellen aus der Römerzeit auftauchen, halte ich auch für unwahrscheinlich, aber nicht für vollkommen ausgeschlossen.

Archäologisch hingegen hat sich in den letzten 20-30 Jahren eine Menge getan. Kalkriese als heißer Kandidat für die Varusschlacht ist ein relativ neuer Ansatz - aufgrund der Archäologie. Die Römerlager von Hedemünden und das temporäre Lager Porta Westfalica wurden erst in diesem Jahrtausend lokalisiert. Die zivile Siedlung Waldgirmes wird seit 1993 untersucht. Die Liste ließe sich um einiges verlängern. Bei der Archäologie ist die Akte noch lange nicht geschlossen. Es fehlt eher an finanziellen Mitteln, um vielversprechende Objekte wissenschaftlich zu ergraben, sodass die Landesbodendenkmalämter vieles erst einmal in der Erde belassen für zukünftige Generationen von Archäologen - sofern die Raubgräber noch etwas übriglassen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Aber mir ging es nur daraum, dass hier für neue Pflanzen das Fremdwort übernommen wurde. Bin jetzt offen gestanden aber auch erstaunt, dass die alten Germanen vor den Römern keine Zwiebeln gekannt haben sollen.
Häufig werden Wörter übernommen für Begriffe, für die es schon Wörter gibt.
Einige Beispiele:

Frucht (lat. fructus)
Insel (lat. insula)
Pflanze
(lat. planta)
Weiler (lat. villaris)
Ziegel (lat. tegula)

Den Gegenstand 'Ziegel' haben die Germanen wohl erst durch die Römer kennengelernt. Pflanzen und Früchte, Weiler und sogar Inseln dürften ihnen dagegen schon immer bekannt gewesen sein.
 
da verstehe ich nicht, worauf Du hinauswillst. Gehst Dir um die unterschiedliche Entwicklung des "c" von ceresia bzw. cepola im Deutschen einmal zu "K" (Kirsche) und "Z" Zwiebel?
Du kannst hier anhand des lateinischen Lautwandels zumindest feststellen, dass die ceresia entlehnt wurde, als c vor e und i noch /k/ gesprochen wurde, wohingegen cepula erst entlehnt wurde, als sich schon der Lautwandel im Lateinischen vollzogen hatte, sonst müssten wir von der *kwipfel anstatt von der Zwiebel sprechen vermutlich sogar
 
Du kannst hier anhand des lateinischen Lautwandels zumindest feststellen, dass die ceresia entlehnt wurde, als c vor e und i noch /k/ gesprochen wurde, wohingegen cepula erst entlehnt wurde, als sich schon der Lautwandel im Lateinischen vollzogen hatte, sonst müssten wir von der *kwipfel anstatt von der Zwiebel sprechen vermutlich sogar

Ah, darauf wolltest Du hinaus. Ich war ein wenig irritiert, weil ich die Beispiele dafür gebracht, dass für neue Gemüse oder Früchte das Fremdwort benutzt wurde statt einen einheimischen Begriff zu verwenden (wie z. B. der Erdapfel für Kartoffel). Übrigens wird auch als Erdapfel die Kartoffel im Französichen bezeichnet (pomme de terre). Ich mußte heute noch daran denken, dass auch im Italienischen die Tomate mit einem italienischen Namen bezeichnet wurde, der mittlerweile auch als Markenname in deutschen Supermärkten zu finden ist: pomodoro = Goldapfel

Mich hat noch bei der Zwiebel gewundert, woher das w im Wort stammt. Eigentlich hätte man von cepola eine Ziebel oder bei einer Frühentlehnung eine Kipfel erwartet. Die Antwort findet sich hier:

Die dt. Formen werden im ersten Bestandteil bereits im Ahd. angelehnt an ahd. zwi- ‘zweifach, doppelt’ (s. zwie-), im zweiten Bestandteil an ahd. bolla ‘Knospe, Fruchtknoten, Flachsknoten, Wasserblase, sich (nach unten) wölbendes Gefäß, Becher’, mhd. bolle ‘Knospe, kugelförmiges Gefäß’ (verwandt mit Ball1, Bohle, Bulle1, s. d.) und im Sinne von ‘zweifache (vielhäutige) Bolle’ als Kompositum aufgefaßt. In der Umgangssprache daher vereinfacht Bolle f. ‘Zwiebel’; in der Schriftsprache setzt sich dagegen die von Luther bevorzugte Form Zwibel durch;​

Zwiebel – Schreibung, Definition, Bedeutung, Etymologie, Synonyme, Beispiele | DWDS .

(Ich werde mich übrigens gleich kulinarisch einer Zwiebel zuwenden:D - die kommt zu den gebratenen Erdäpfeln und Schweinespeck in die Pfanne - dank hierbei den Römern für die Zwiebel, den Mayas (?) für die Kartoffeln und denjenigen, die die Schweine domestiziert haben )
 
Wir müssen uns halt damit abfinden, dass grad bei schriftlosen Kulturen viel Spekulation bleinen wird, bleiben muss. Ich bin allerdings optimistischer und denke, dass wir das Ende der Fahnenstange noch lange nicht erreicht haben. Je dichter bspw das Netz archäologischer Funde wird (und alles ist da noch längst nicht aus dem Erdboden gebuddelt, was die Germanen hinterlassen haben), desto mehr Schlüsse können wir ziehen, desto genauer kann man zumindest die materiellen Kulturen kategorisieren, und vielleicht sogar Rückschlüsse auf ökonomische Sachverhalte ziehen.
Meistens sind das nur kleine Mosaiksteinchen, aber auch diese liefern Informationen. 2011 wurde die Runeninschrift auf dem Kamm von Frienstedt (3. Jahrhundert) entdeckt. Was steht auf dem Kamm? Nur ein einziges Wort: KA[M]BA, was soviel bedeutet wie 'Kamm'.
Für die Sprachwissenschaftler ist das trotzdem spektakulär, denn hier handelt es sich um das bislang allerfrüheste einheimische Zeugnis des Westgermanischen.

"‹kaba› = ka(m)ba m. »Kamm« erweist sich als eindeutig westgermanische Sprachform, deren Ausgang -a im Nominativ Singular der substantivischen maskulinen a-Stämme urgerm. *-az (< uridg. *-os) fortsetzt und im Kontrast zu den entsprechenden Ausgängen der ältesten Stufen der nord- und ostgermanischen Sprachen (urn. -az; got. -s) steht.
[...]
Was die relative Chronologie der westgermanischen Auslautgesetze betrifft, ist mit der Inschrift von Frienstedt eine alte Streitfrage – Schwund des Themavokals a in zweisilbigen Wortformen vor oder nach dem Schwund von auslautendem z? – entschieden."​

https://www.google.de/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=&cad=rja&uact=8&ved=2ahUKEwjtrrWPob7_AhXWYPEDHR_AAiUQFnoECC4QAQ&url=https://journals.ub.uni-heidelberg.de/index.php/ak/article/download/90145/84798&usg=AOvVaw0s1OG_cfxsIALj9D1s-BFs
 
Mich hat noch bei der Zwiebel gewundert, woher das w im Wort stammt. Eigentlich hätte man von cepola eine Ziebel oder bei einer Frühentlehnung eine Kipfel erwartet

Interessante Frage, auch insofern, das im spanischen "cebola" (das "b" müsste in dieser Position im Wort als "v" zu sprechen sein) ebenfalls ein "w"-Laut eingeandert zu sein scheint, währed sich im italienischen "cipolla" das "p" erhalten hat, während allerdings aus dem "K" über das "Z" ein "Tsch" geworden ist.

Im Spanischen scheint das "v" auszusprechende "b" einfach dass "p" ersetzt zu haben.

Was ich mich im Hinblick auf das Deutsche Frage, wäre ob der Begriff möglicherweise erst so spät in den entsprechenden Wortschafts übergagangen sein könnte, dass man im lateinischen, bzw. im Italoromanischen bereits dazu übergegangen war, nicht mehr von einer "Tsepola", sondern von einer "Tschepola" / "Tschipolla" zu sprechen und ob das "w" dass sich im Deutschen einbeschoben hat möglicherweise Konsequenz der Lautänderung/Erweiterung von "Z" zu "Tsch" sein könnte?

Wahrscheinlich spinne ich gerade Mist zusammen.
Das sind dann die Momente wo ich mir doch wünschen würde, ich hätte irgendeine Ahnung, wie sich Verschiebungen linguistisch rekonstruieren lassen.

Jedenfalls bin ich froh, dass man die "Zivilisation" anscheinend erst spät entlehnt hat, und so meine Abneigung gegen Kiwis nichts ehrenrühriges hat. ^^
 
Häufig werden Wörter übernommen für Begriffe, für die es schon Wörter gibt.

Zum genannten Beispiel:

In einigen Dialekten wird das Wort "Beere" noch für nahezu alles was man aus dem Garten essen kann verwendet, einschließlich der "Krummbeere/Grumbeere", sprich Kartoffel.

Wer genauer unterscheiden wollte, brauchte ein neues Wort: "Frucht".
Das musste man dann aber von den Lateinern übernehmen.
 
Zum genannten Beispiel:

In einigen Dialekten wird das Wort "Beere" noch für nahezu alles was man aus dem Garten essen kann verwendet, einschließlich der "Krummbeere/Grumbeere", sprich Kartoffel.

Das ist aber eigentlich die Grundbirne - das Pendant zum Erdapfel.

Die Birne ihrerseits stammt wiederum vom lateinischen pirum.

Und Frucht bedeutet nicht nur Obst, damit ist auch Getreide gemeint.

Im Althochdeutschen gab es außerdem noch das Wort wuohhar ('Frucht', 'Ernte', 'Profit'; heute nur noch in der Bedeutung 'Wucher'), auch in Zusammensetzungen wie erdwuohhar (Erdfrucht) und
wie kornwuohhar (Kornfrucht).
 
Zuletzt bearbeitet:
Interessante Frage, auch insofern, das im spanischen "cebola" (das "b" müsste in dieser Position im Wort als "v" zu sprechen sein) ebenfalls ein "w"-Laut eingeandert zu sein scheint, währed sich im italienischen "cipolla" das "p" erhalten hat, während allerdings aus dem "K" über das "Z" ein "Tsch" geworden ist.

Im Spanischen scheint das "v" auszusprechende "b" einfach dass "p" ersetzt zu haben.

Im Spanischen ist da kein w-Laut. Das Spanische v wird immer wie b ausgesprochen. Und cebolla bitte mit ll (wird dann wie ein j ausgesprochen). Aussprachebeispiele findet man per Google.
 
* "Magd" (maget) war damals allerdings noch keine Bezeichnung für eine Frau in dienender Position**

Zum Doppelsternchen wollte ich eigentlich noch eine Anmerkung machen:

Der Knecht hatte ursprünglich eine sehr breite Bedeutungsvielfalt, damit konnte ein Junge gemeint sein, ein Lehrling, ein Knappe, ein gestandener Krieger. Im Deutschen und im Englischen hat sich die Bedeutung sehr verengt, in jeweils gegensätzliche Extreme. Im Deutschen ist der Knecht ein Untergebener, Knechtschaft ist synonym mit Unterdrückung. Im Englischen ist knight ("Ritter") dagegen ein Adelstitel.
 
ob das "w" dass sich im Deutschen einbeschoben hat möglicherweise Konsequenz der Lautänderung/Erweiterung von "Z" zu "Tsch" sein könnte?
Nein, es gibt keine Lautänderung/Erweiterung von "Z" zu "Tsch", es war eher umgekehrt: kj > ʧ > ʦ
Und für das eingeschobene -w- hat @Carolus bereits die Erklärung zitiert; hier hat die Volksetymologie zugeschlagen.
Ein Beispiel für Volketymologie ist die Hängematte. Sieht völlig deutsch aus, stammt aber aus der karibischen Taíno-Sprache, kam als hamaca ins Spanische und von dort in weitere europäische Sprachen (Französisch hamac, englisch hammock) und wurde möglicherweise zuerst im Niederländischen (hangmak >
hangmat) umgebildet und als "Hängematte" verstanden.

 
@Zwiebel : Vielleicht haben sie auch mehrere Pflanzen als Lauch bezeichnet und es später dann praktisch gefunden, den lateinischen Ausdruck zu übernehmen. Es kommt ja vor, dass eine Sprache etwas weniger ausdifferenziert. Da gibt es jedenfalls mehrere Erklärungen. Ich erwähne diese, weil in nordischen und ingwäonischen Sprachen und ostgermanischen Sprachdenkmälern geschaut werden kann, ob es da eigene Ausdrücke, vielleicht gar 'Lauch' gibt. (Soweit dort überhaupt Zwiebeln wachsen.)

Damit will ich auch sagen, dass es durchaus Möglichkeiten gibt, neu aufkommende Aspekte zu beantworten. Und durch neue Blickwinkel sind auch oft neue Erkenntnisse möglich. Wenn ich weiß, dass organisches Material datierbar ist, kann ich das nutzen. Aber auch, wenn ich weiß, dass Mythen gewisse Ereignisse weltweit ähnlich umsetzen. Die Ursprungssage der Sachsen ist damit weder eine historische Erzählung noch Fantasy, sondern bildet den Zusammenschluss zweier Ethnien ab, wie es von Mexiko bis Ostasien einige mal vorkommt. Das bestätigt die Vermutung, dass die Sachsen kein einheitliches Eroberervolk waren. Und wenn bessere Quellen als Sagen neu betrachtet werden, kann mehr dabei herauskommen. Als etwa klar wurde, dass legendenhafte Heiligenviten zwar schlechte Quellen für das Leben der Heiligen sind, aber sehr erleuchtend für die Einstellungen der Abfassungszeit sind, war plötzlich eine neue Quellengruppe wieder nutzbar.

@Sprache : Betrachten wir ein Entwicklungsmodell, haben sich die germanischen Sprachen erst später ausdifferenziert. Zuerst fand eine Trennung in Nord-, Ost- und Westgermanisch statt.Vielleicht so um 100. Erst danach kam es zu weiteren Unterteilungen.

Damit floss die Mundart der Cherusker ins Westgermanische ein, dass sich erst ausdifferenzierte, als es keine Cherusker mehr gab.

Allerdings muss neben den chronologischen Modellen auch das zeitliche Nebeneinander betrachtet werden. Natürlich gab es in einem so großen Sprachraum dialektale Ausprägungen. Sie wurden nur nicht relevant im Hinblick auf diese Modelle Sprachgeschichte. Es gibt aber auch Erscheinungen des Sprachwandels, die nicht datierbar sind oder einen regionalen Ursprung haben können. Aber das ist nur zu sehen, wenn wir um die gleichzeitige Verteilung wissen und dazu ein Modell entwickeln können.

Da es sich um Modelle handelt, ist die etwa Annahme, dass irgendwann irgendwo eine Sprachgemeinschaft ein einheitliches und reines Indogermanisch sprach nicht die einzige Möglichkeit, ja das gilt heute eher als unwahrscheinlich. Auf der anderen Seite ist das aber auch nicht wirklich auszuschließen.

Wir wissen also nicht, ob die Cherusker einen eigenen Dialekt hatten. Vielleicht hatten sie auch einen gemeinsamen Dialekt mit z.B. Chatten und Hermunduren. Aber wir wissen, dass ihre Sprache in die westgermanischen Sprachen und damit auch ins Deutsche mit einfloss. Nur im Sinne des Modells der Sprachentwicklung gab es keinen Cheruskischen Dialekt. Um mehr darüber zu sagen, fehlen uns die Daten.

Durch andere Sichtweisen, wie sie teils im Thread geäußert wurden, können sich andere Aussagen ergeben. Und damit ist das Thema nicht abgeschlossen, vielleicht wird es das nie sein.

Bevor von Nachfahren und ihrer Sprache spekuliert wird: Der Großteil der Bevölkerung (ohne großen Migrationshintergrund) von Frankreich und England bis Polen* dürfte nach so langer Zeit Cheruskische Vorfahren haben.

* Wahrscheinlich ein weit größeres Gebiet, aber ich will nicht übertreiben.
 
Guten Morgen liebe Leute,

zunächst einmal ganz, ganz herzlichen Dank für Eure guten Antworten!!!

Vielleicht noch ein paar Bemerkungen:
Kleinrahmige Rinder haben natürlich einen geringeren Erhaltungsbedarf als ein großrahmiges Rind wie z.B. die Schwarzbunte. Mich hätte es ja interessiert, wie das Kalben damals war (vermutlich natürlich und ohne menschliche Hilfe wie Strick, etc.) und vielleicht auch welche Zusammensetzung die Milch hatte. Keimgehalt: hoch (meine Schätzung), Protein- u. Fettgehalt: keine Ahnung; Calciumgehalt: keine Ahnung.
Es gab kein zugekauftes Milchaustauschfutter, daher muss man das Kalb mit der Originalmilch groß kriegen. Die Biestmilch ist nur fürs Kalb, um wichtige Antikörper zu bekommen und danach hat die Kuh ja auch nur eine gewisse Laktationsperiode - wieviel kriegt das Kalb und wieviel der Mensch? Wann gezielte Züchtung begann, kann ich leider nicht sagen. Domnestikation des Hausrindes, mal sehen, ob ich da noch etwas habe.

Das was Ugh Valencia sagte, dass Ausgrabungen immer noch nicht abgeschlossen sind, das macht ja eine gewisse Hoffnung. Werden die kommenden Generationen mehr über die Germanen wissen als wir?

Im Linguistischen seid Ihr wesentlich besser aufgestellt als ich. Da verstehe ich teilweise nur Bahnhof.

Um die Welt der Germanen besser zu verstehen, sollte man die natürliche Umgebung nachkonstruieren.
Die Nordseeküstenlinie war damals eine andere als heute. Sturmfluten formten dann ein anderes Bild. Gab es die nordfriesischen Inseln damals überhaupt schon?
Das lässt mich daraus schließen, dass auch die Flüsse damals logischerweise ein anderes Erscheinungsbild, Fließgeschwindigkeit und Wassermenge hatten.
Quijote hatte ja einmal erwähnt, dass die Germanen mit ihren damaligen Mitteln keine oder wenn dann nur sehr geringe Meliorationen vornahmen. Keine Flussbegradigungen, keine oder kaum Sumpf- und Moortrockenlegung noch sonst etwas.

Weser und Leine konnten daher ungehindert und mit anderen Mäandern und Altarmen durch die jeweiligen Täler strömen.
Vielleicht gab es die Leinehochwasser, die ich öfter erwähnte, in dieser Form gar nicht, weil das Wasser vollständig von den Überschwemmungsauen aufgenommen wurde, bevor es den Raum Hannover erreichte.
Vielleicht waren die Gewässerregionen auch verschoben: Forellenregion, wo heute schon die Barbenregion ist und die Brachsenregion sehr viel weiter flussabwärts. Damals muss es ja noch Lachs- und Meerforellenaufstieg gegeben haben, lange, lange vor der heutigen Wiederansiedlung. Leine Lachs e.V. › Leine Lachs e.V.

Grüße
 
Zurück
Oben