Der Kampf gut gegen böse - Römer und Punier

Das kommt mir ebenso weit weg von der historischen Wahrheit vor wie die beiden von @El Quijote dargestellten Narrative (mit den Dichotomien)

Wir können uns ja noch so sehr bemühen, bei der Verwendung unserer heutigen Begriffswelt Rücksicht auf vergangene Kulturen zu nehmen, wir können dennoch sicher sein, dass auch die Menschen damals nicht begeistert davon waren, von römischen Legionären, karthagischen Söldnern oder parthischen Panzerreitern niedergemetzelt zu werden.
 
Wir können uns ja noch so sehr bemühen, bei der Verwendung unserer heutigen Begriffswelt Rücksicht auf vergangene Kulturen zu nehmen, wir können dennoch sicher sein, dass auch die Menschen damals nicht begeistert davon waren, von römischen Legionären, karthagischen Söldnern oder parthischen Panzerreitern niedergemetzelt zu werden.
Es geht nicht um "Rücksicht auf vergangene Kulturen" (eine sonderbare Formulierung) und niedergemetzelt zu werden war und ist nirgendwo für die, die niedergemetzelt werden, erfreulich...

Statt erbitterter Wortschlachten, wie sie hier geführt wurden weil heutige Wertungen verwendet wurden ("moralische Rechtfertigung" etc kam auch vor), fände ich eine Diskussion ohne diese und ohne die Dichotomien zielführender.
 
Von Ravenik allerdings liest man auf diesen Seiten genügend Beiträge, die in erster Linie versuchen, den römischen Expansionismus zu verharmlosen und zu rechtfertigen.
NEIN!!!

Ich versuche keineswegs, den römischen Expansionismus zu verharmlosen oder zu rechtfertigen.
Es geht mir um dreierlei:

Erstens aufzuzeigen, warum die Römer handelten, wie sie handelten. Nämlich dass sie meist (nicht immer) (aus ihrer Sicht!) berechtigte Gründe hatten, und nicht einfach expandierten, weil sie so böse, angriffslustig, geldgierig, blutgierig (oder was auch immer ihnen in diesem Thema unterstellt wird) waren. Das bedeutet aber NICHT, dass diese Gründe den Expansionismus harmlos machten oder rechtfertigten.
Beispiel: Wenn die Römer ein Gebiet unterwarfen, um das Vorfeld ihres Reiches zu sichern, was das (aus ihrer Sicht!) ein rationaler, nachvollziehbarer Grund. Keineswegs macht das die Unterwerfung aber besser. (Ich gehöre übrigens, wie ich in anderen Themen in diesem Forum bereits dargelegt habe, keineswegs zu denen, die die Errichtung des römischen Reiches nachträglich damit rechtfertigen, dass die Unterworfenen auf lange Sicht von der römischen Herrschaft profitierten, oder die das römische Reich – ebenso wie das Reich Karls des Großen - gar als Proto-EU verklären. Das alles ändert nämlich keineswegs, dass die Unterwerfung nicht freiwillig erfolgte und mit viel Leid verbunden war.)

Zweitens geht es mir darum darauf hinzuweisen, dass Unterwerfung für die Römer lange Zeit keineswegs das bevorzugte Mittel zur Machtausübung war, sondern sie lange Zeit Formen indirekter Herrschaft bzw. Interessenwahrung bevorzugten und zur direkten Unterwerfung meist erst übergingen, wenn das nicht funktionierte. Das zeigt, dass es ihnen keineswegs darum ging, aus purer Eroberungslust und Bösartigkeit die ganze Welt zu erobern.

Drittens verwahre ich mich dagegen, dass die Römer immer nur aus Bösartigkeit, Blutlust und Gier gehandelt hätten und die ganze Welt als reinen Selbstzweck unterwerfen wollten, während den ach so friedliebenden und antiimperialistischen Karthagern ihr Reich angeblich zugefallen sei, indem sie nur defensiv agierten und Gebiete nur vereinnahmten, um der dortigen Bevölkerung ganz selbstlos zu helfen. Oder aber, weil sie sich gegen die Expansionsbestrebungen anderer Mächte (Griechen, Römer) absichern „mussten“, während den Römern derartige Präventivmaßnahmen nicht zugestanden, sondern ihnen als Beweis ihrer Aggressivität, Bösartigkeit, Blut- und Beutegier und ihres bösen Imperialismus ausgelegt werden.
 
Zuletzt bearbeitet:
Statt erbitterter Wortschlachten, wie sie hier geführt wurden weil heutige Wertungen verwendet wurden ("moralische Rechtfertigung" etc kam auch vor), fände ich eine Diskussion ohne diese und ohne die Dichotomien zielführender.

Aber ohne Bewertung - sei sie auch noch so zurückhaltend - diskutieren wir vieles im luftleeren Raum, das funktioniert auch nicht.
Selbstverständlich sollten wir nicht die Moralkeule schwingen - "Wie konnten die/der nur!" - anderseits ist es auch richtig, das jeweilige Kind beim Namen zu nennen, ein Völkermord bleibt etwa ein Völkermord, auch wenn er zu manchen Zeiten vielleicht öfter vorkam.
Wenn Basileos II. ("Bulgarentöter") tatsächlich 14.000 Gefangene blenden ließ, so war das damals wie heute grausam, da gibt es nichts zu beschönigen.

"(...)" das alles sind Begriffe, welche im heutigen Gebrauch negative Wertungen enthalten (!) und damit, wenn sie auf Ereignisse in der Antike angewendet werden, eben diese Wertungen von außen in die Antike hineinlegen. Damit entsteht ein "Narrativ", welches die Antike an heutigen Wertvorstellungen misst und unausgesprochen unterstellt, diese heutigen Werte hätten den antiken Protagonisten/Entscheidungsträgern bekannt sein müssen.

Es geht ausdrücklich nicht um heutige "Wokeness", aber bei Themen von Leben und Tod kann man sehr sicher davon ausgehen, dass die Wertvorstellungen sich eben nicht wesentlich verändert haben, und zumindest können wir sie heutigentags nicht sinnvoll anders einschätzen.
Es gibt und gab immer Kreise, die dem grausamen Sieger huldigten, aber nicht aus moralischen Gründen.
 
Es geht ausdrücklich nicht um heutige "Wokeness"
Da ich dergleichen weder erwähnt noch auch nur angedeutet habe, ist mir schleierhaft, was du und an wen gerichtet damit sagen willst.

Die mediterrane Antike war keine Völkergemeinschaft souveräner Staaten mit zivilisierten Übereinkünften wie Ächtung von Angriffskriegen, moralischer Ablehnung von "Kolonialismus/Imperialismus" usw. Entsprechend verhielt man sich in der Antike auch nicht so, als wären diese (unsere heutigen) Übereinkünfte bekannt.

Wenn wir probehalber unsere Wert-, Moral- & Rechtsvorstellungen wegblenden, erscheinen die mediterranen antiken Kulturen als zweckrational/utilitaristisch und durchdrungen von agonaler Haltung. Hierbei ganz sicher nicht rechts- und moralfrei (!!!), aber die jeweils eigene Rechts- & Moralvorstellung wurde nie auf "die anderen", auf die Konkurrenz, auf "die Feinde" gleichermaßen angewendet. Denn obwohl in der philosoph. griech./röm. Welt die Idee der Gleichheit aller Menschen vorhanden war, spielte sie in der Praxis keine Rolle (Sklaverei) und es war allerorten üblich, "die anderen" anders zu behandeln als die eigenen Leute. Üblich in der Praxis und im Erfolgsfall nicht verpönt war, sich bietende Gelegenheiten gewaltsam zu nutzen (oh, XY kriselt, verzettelt sich in inneren Streitigkeiten: da ist es doch besser, wenn wir seine Bergwerke, Handelsflotte, Ländereien übernehmen/befrieden...)

Das sind schon gravierende Unterschiede zu unseren heutigen Haltungen (ich habe sie nur kurz angedeutet) und ich befürchte, dass wir der historischen Wahrheit nicht näher kommen, wenn wir aus unserer Haltung heraus quasi Moralgericht über die Antike spielen...
 
Das sind schon gravierende Unterschiede zu unseren heutigen Haltungen (ich habe sie nur kurz angedeutet) und ich befürchte, dass wir der historischen Wahrheit nicht näher kommen, wenn wir aus unserer Haltung heraus quasi Moralgericht über die Antike spielen...

Diese von dir angenommene heutige Haltung existiert ja auch nur auf dem Papier und in Sonntagspredigten.
Ein Blick über den Tellerand beweist uns weltweit das Gegenteil. Somit dürfen wir sowieso nicht urteilen. Über nichts.
Damit nähern wir uns aber weder gegenwärtiger noch historischer Wahrheit.

Was die Geschichte betrifft werden wir dann auch nicht verstehen, weshalb XY die Oberherrschaft von Z gar nicht so gut fand. War doch "stinknormal" damals, was wollen die denn?

Es gibt heutzutage einen verbreiteten Drang, Grausamkeiten der Vergangenheit zu relativieren "die dachten halt anders". Denn ein Relativieren ist das am Ende. Die damaligen Grausamkeiten waren anscheinend nicht so "schlimm" wie die heutigen, war doch damals normal.
Ab wann dürfen wir denn urteilen? Wo angefangen? Im Jahre 9? Oder erst im dreißigjährigen Krieg? 1812? 1870/71? 1918? 1933? 1939? 1950? 1968? 2022? Gar nicht??

Sorry, so funktioniert es auch nicht.
Imperialismus war auch schon unter den Ägyptern und Assyrern Imperialismus, auch wenn sie das Wort nicht kannten und die jeweiligen Herrscher es cool fanden und gar nicht negativ bewerteten.
 
Diese von dir angenommene heutige Haltung existiert ja auch nur auf dem Papier und in Sonntagspredigten.
Derlei hatte ich nicht im Blick, sondern manches im Verlauf dieses Fadens bzw dieser Diskussion. Und das hatte ich doch deutlich gemacht:
Statt erbitterter Wortschlachten, wie sie hier geführt wurden weil heutige Wertungen verwendet wurden ("moralische Rechtfertigung" etc kam auch vor)
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Es gibt heutzutage einen verbreiteten Drang, Grausamkeiten der Vergangenheit zu relativieren "die dachten halt anders". Denn ein Relativieren ist das am Ende. Die damaligen Grausamkeiten waren anscheinend nicht so "schlimm" wie die heutigen, war doch damals normal.
Für meinen Geschmack ist deine Darstellung polemisch verzerrt. Grausamkeiten waren schon immer grausam, aber reden wir hier über Grausamkeiten oder darüber, wie es primär Rom und Karthago und daneben ein paar Anrainer mit dem Krieg führen hielten? (Würden wir hier tatsächlich über Grausamkeiten diskutieren, wäre nicht die Antike sondern das glorreiche moderne 20. Jh. Gegenstand)
 
Grausamkeiten waren schon immer grausam, aber reden wir hier über Grausamkeiten oder darüber, wie es primär Rom und Karthago und daneben ein paar Anrainer mit dem Krieg führen hielten?

Wir können natürlich alles andere ausblenden und die Schlacht von Cannae mit Zinnsoldaten auf dem Kartentisch nachstellen, wie preußische Offiziere des 19.Jahrhunderts.
Würde das der Sache eher gerecht?
Oder dürfen wir auch an die mehr als 50000 Toten dieser Schlacht denken?
 
Wir können natürlich alles andere ausblenden und die Schlacht von Cannae mit Zinnsoldaten auf dem Kartentisch nachstellen
und noch mehr als diese eine Schlacht könnten wir "nachstellen" und Heureka! wenn wir dabei auf Moralpredigten verzichten würden, uns nicht wie Vorschulkinder "mimimi deine Römer sind Imperialisten"-"gar nicht, deine Karthager sind sowas" angeifern würden, ja dann könnte das hier vielleicht halbwegs brauchbar werden...

...ups...hoppla... jetzt hab ich mich doch glatt hinreißen lassen, auf polemische Töne in derselben Tonart zu reagieren :D
 
Würde das der Sache eher gerecht?
...mein Versuch, der Sache gerecht zu werden, war das hier:
Wenn wir probehalber unsere Wert-, Moral- & Rechtsvorstellungen wegblenden, erscheinen die mediterranen antiken Kulturen als zweckrational/utilitaristisch und durchdrungen von agonaler Haltung. Hierbei ganz sicher nicht rechts- und moralfrei (!!!), aber die jeweils eigene Rechts- & Moralvorstellung wurde nie auf "die anderen", auf die Konkurrenz, auf "die Feinde" gleichermaßen angewendet. Denn obwohl in der philosoph. griech./röm. Welt die Idee der Gleichheit aller Menschen vorhanden war, spielte sie in der Praxis keine Rolle (Sklaverei) und es war allerorten üblich, "die anderen" anders zu behandeln als die eigenen Leute. Üblich in der Praxis und im Erfolgsfall nicht verpönt war, sich bietende Gelegenheiten gewaltsam zu nutzen (oh, XY kriselt, verzettelt sich in inneren Streitigkeiten: da ist es doch besser, wenn wir seine Bergwerke, Handelsflotte, Ländereien übernehmen/befrieden...)
Habe ich mich da irgendwo eklatant geirrt? Das ist gut möglich, denn vor der röm. Kaiserzeit und Spätantike kenne ich mich nicht sonderlich gut aus.

Du @Stilicho hast nur (gereizt?) auf das eingeklammerte fiktive Beispiel reagiert:
Üblich in der Praxis und im Erfolgsfall nicht verpönt war, sich bietende Gelegenheiten gewaltsam zu nutzen (oh, XY kriselt, verzettelt sich in inneren Streitigkeiten: da ist es doch besser, wenn wir seine Bergwerke, Handelsflotte, Ländereien übernehmen/befrieden...)
Was die Geschichte betrifft werden wir dann auch nicht verstehen, weshalb XY die Oberherrschaft von Z gar nicht so gut fand. War doch "stinknormal" damals, was wollen die denn?
Tatsächlich war aus der Perspektive von Z eher unerheblich, wie zufrieden XY damit war. Was die "Normalität" betrifft: falls XY nicht Teil eines Bündnissystems war, dann war es ebenso "Normalität", dass kein P oder Q (womöglich empört und mit erhobenem Moralzeigefinger) intervenierte.
 
(Noch eine Anregung: Vielleicht wäre hilfreich, die mediterranen Kulturen und ihre Haltungen/Motivationen zunächst zu verstehen, so weit die Quellen das ermöglichen, und sie unparteiisch zu betrachten, bevor sie - nutzloserweise, denn das ändert nichts - mittels ihnen unbekannten heutigen Vorstellungen be- und gar verurteilt werden)
 
Mod/ Bitte nach diesem Austausch bei konträren Standpunkten dann wieder zurück zum Thema.

Ich verabschiede mich auch hier, denn das hier ist mir zu selbstgerecht.

(Noch eine Anregung: Vielleicht wäre hilfreich, die mediterranen Kulturen und ihre Haltungen/Motivationen zunächst zu verstehen, so weit die Quellen das ermöglichen, und sie unparteiisch zu betrachten, bevor sie - nutzloserweise, denn das ändert nichts - mittels ihnen unbekannten heutigen Vorstellungen be- und gar verurteilt werden)
 
Die Bedeutsamkeit von Kriegsschuldfragen für die Geschichte

Die aktuelle Kriegsschuldfrage für den Ukraine Krieg ist ausschlaggebend für unser Handeln in der Europäischen Union. Sie bestimmt, wen wir massiv mit Geldmitteln, allen Dienstleistungen und Waffen aktiv unterstützen. Würde das auch so sein, wenn die Ukraine sagen wir mal einen Rückeroberungskrieg für die Krim gestartet hätte? Und Russland wäre nur der Verteidiger?

Um zurück zu Rom und Karthago zu kommen, sowohl Rom als auch Karthago war die Kriegsschuldfrage ebenfalls wichtig. Das könnte man zum Beispiel daran sehen dass Hannibal zwei Historiker auf seinen Feldzügen bei sich hatte, die den Vorgang mit seiner Sichtweise dokumentieren sollten. Auch den Römern ist stets darum gegangen, ihre Kriegshandlungen als moralisch gerechtfertigt darzustellen. Ein wesentliches Merkmal der römischen Geschichtsschreibung ist es, stets der Gegenseite die moralische Schuld am Ausbruch, der von Rom geführten Kriege, anzulasten. Somit sind Kriegsschuldfragen elementarer Bestandteil der Geschichte und es ist unsere Aufgabe als Hobbyhistoriker uns auch war damit zu befassen.

Das geht aber nicht, ohne dabei auch zu werten.
 
Erstens aufzuzeigen, warum die Römer handelten, wie sie handelten. Nämlich dass sie meist (nicht immer) (aus ihrer Sicht!) berechtigte Gründe hatten, und nicht einfach expandierten, weil sie so böse, angriffslustig, geldgierig, blutgierig (oder was auch immer ihnen in diesem Thema unterstellt wird) waren. Das bedeutet aber NICHT, dass diese Gründe den Expansionismus harmlos machten oder rechtfertigten.
In letzterem Satz sind wir uns einig. Jedoch was die Marmertiner sowohl in Messana als auch in Rhegion angeht, gibt es diese Rechtfertigung. Klar ist, das sowohl Rom als auch Karthago eigennützige primäre Gründe für ihr Eingreifen hatten. Ob sekundäre Schutzmotive für die ursprüngliche Bevölkerung von Beginn an von Rom oder Karthago geplant waren, lässt sich nicht feststellen. Aber die Bevölkerung profitierte davon, die originalen Motive der Schutzmacht waren für diese wenig wichtig. Der Schutz vor der Marmertinischen Mörderbande war für diese lebensnotwendig. Daher war man in Rhegion der Römern langfristig dankbar. Als sich im 2. punischen Krieg die Griechen Städte an der Italischen Südküste Hannibal anschlossen, stand Rhegion treu zu Rom.
Was die aus römischer Sicht berechtigten Gründe angeht, ist das durchaus ein Faktor. Nur kommt es am Ende dieser berechtigten Gründe langfristig immer zu einem Gebietsgewinn Roms auf Kosten seiner Nachbarn. Das zieht sich wie ein serienmäßiges Gesetz durch die römische Geschichte. Bei Karthago findet man diese Serie nicht.
Es sind in dieser Diskussion schon sehr viele Beispiele in denen Rom "....( oder was auch immer ihnen in diesem Thema unterstellt wird)" das tatsächlich war. Wie etwa, Fidanae, Veji, Sardinien, der dritte punische Krieg usw. Es gibt noch viele weitere, auf die ich noch zurück kommen werde.
War Karthago heilig? Sicher nicht! Die Römer haben von Karthago nicht nur Sizilien "übernommen" sondern auch die Kreuzigung als Strafe.
Aber bei Karthago stand im Verlaufe seiner Geschichte die Schutzmachtfunktion im Vordergrund. In Punkto "
Imperialismus" und " was auch immer in diesem Thema unterstellt wird", waren die Karthager den Römern bei weitem nicht gewachsen.
 
Jedoch was die Marmertiner sowohl in Messana als auch in Rhegion angeht, gibt es diese Rechtfertigung. Klar ist, das sowohl Rom als auch Karthago eigennützige primäre Gründe für ihr Eingreifen hatten. Ob sekundäre Schutzmotive für die ursprüngliche Bevölkerung von Beginn an von Rom oder Karthago geplant waren, lässt sich nicht feststellen. Aber die Bevölkerung profitierte davon, die originalen Motive der Schutzmacht waren für diese wenig wichtig. Der Schutz vor der Marmertinischen Mörderbande war für diese lebensnotwendig.
Ich verweise noch einmal auf den Faktor Zeit: Sowohl im Fall Rhegions als auch im Fall Messanas vergingen Jahre bis zum Eingreifen, im Fall Rhegions "nur" acht, im Fall Messanas etwa 20.
(Der Grund für das römische Eingreifen war übrigens wohl auch kaum humanitärer Natur, sondern dass die Bande aus Rhegion Kroton erobert und die dortigen Römer getötet hatte, außerdem konnte man einen Abfall ohnehin nicht dulden.)
Im Fall Messanas war bis zum karthagischen Eingreifen so viel Zeit vergangen, dass in der Stadt bereits eine neue Generation herangewachsen sein muss. Die ersten Kinder aus den Verbindungen der Mamertiner mit den messanischen Frauen müssten bereits selbst junge Erwachsene gewesen sein. Also selbst wenn die Mamertiner bei ihrer Machtübernahme keineswegs alle Männer getötet haben sollten, wären diese (ursprünglichen) Männer, ebenso die Frauen, mittlerweile einigermaßen in die Jahre gekommen gewesen, hingegen hätte es eine neue Generation gegeben, die väterlicherseits selbst von den Mamertinern abstammte. Als die Karthager eingriffen, brauchte ein größerer Teil der Bevölkerung Messanas also wohl gar keinen "Schutz" vor den Mamertinern mehr.
Auch Rom ließ sich ein paar Jahre Zeit bis zum Eingreifen, wobei man zu seiner "Entschuldigung" vorbringen könnte, dass es zunächst mit Pyrrhos beschäftigt war. Karthago ließ sich noch viel mehr Zeit und griff erst ein, als die Stadt an Syrakus zu fallen drohte. Das lässt humanitäre Motive doch arg zweifelhaft erscheinen.

Übrigens handelte es sich im Fall Rhegions nicht um Mamertiner, sondern um in Kampanien von den Römern ausgehobene Truppen.

Was die aus römischer Sicht berechtigten Gründe angeht, ist das durchaus ein Faktor. Nur kommt es am Ende dieser berechtigten Gründe langfristig immer zu einem Gebietsgewinn Roms auf Kosten seiner Nachbarn. Das zieht sich wie ein serienmäßiges Gesetz durch die römische Geschichte. Bei Karthago findet man diese Serie nicht.
Nicht? Selbst wenn Karthago auf Sizilien tatsächlich "nur" zum Schutz der dortigen Phönizier tätig geworden sein sollte, standen diese danach unter karthagischer Herrschaft, und die Karthager expandierten weiter Richtung Griechenstädte. Selbst wenn Karthago auf Sardinien tatsächlich "nur" zum Schutz von wem auch immer tätig geworden sein sollte, stand Sardinien danach unter karthagischer Herrschaft. In Afrika selbst setzte Karthago zuerst auf vertragliche Kooperation mit den Heimischen, aber am Ende standen diese dennoch unter karthagischer Herrschaft. Nicht zu vergessen Spanien.

Aber bei Karthago stand im Verlaufe seiner Geschichte die Schutzmachtfunktion im Vordergrund.
Auch Rom rechtfertigte sich gerne damit, auf Ersuchen und zum Schutz anderer tätig geworden zu sein. Nur lässt man Rom diese Rechtfertigung nicht durchgehen.
 
Die Bedeutsamkeit von Kriegsschuldfragen für die Geschichte
........ ist im Prinzip gleich Null, es sei denn dass sich nachweisen ließe, dass sie im Rahmen einer historischen Gesellschaft bedeutsamen Einfluss auf deren Entwicklung ausgeübt hätte, wie etwa in der Weimarer Republik.

Die aktuelle Kriegsschuldfrage
......... ist davon abgesehen dass ich da keine Tatsächliche Diskussion über die Kriegsschuld und auch keinen Spielraum für Diskussionen darüber sehe eine politische, keine historische Angelegenheit.

Um zurück zu Rom und Karthago zu kommen, sowohl Rom als auch Karthago war die Kriegsschuldfrage ebenfalls wichtig.
War sie das? Sind in der römischen oder karthagischen gesellschaft tatsächlich im Nachgang der Ereignisse politische Kontroversen darüber abgehalten worden und hat es die gesellschaftliche Entwicklung irgendwie tangiert?

Die Behauptung der Schuld der anderen Seite war im Rahmen der Ereignisse Mittel der jeweiligen politischen Anführer um Unterstützung für den Krieg zu generieren, inwiefern war das aber auch nach dem Krieg noch gesellschaftliches Thema?

Ein wesentliches Merkmal der römischen Geschichtsschreibung ist es, stets der Gegenseite die moralische Schuld am Ausbruch, der von Rom geführten Kriege, anzulasten.
Ne, dass ist kein spezifisch wesentliches Merkmal römischer Geschichtsschreibung, sondern das ist Merkmal so ziemlich jeder vormodernen Geschichtsschreibung.
Es dürfte seltenst vorgekommen sein, dass irgendein Geschichtsschreiber im Nachgang dann zu Papyrus, Pergament oder Papier gebracht hätte: "Übrigens Krieg XY haben unsere Vorfahren auf Grund ihrer Habgier von Zaun gebrochen und auf Grund der Tatsache, dass das ganz gut funktioniert hat, kann das nicht ganz falsch gewesen sein".

oder vergleichbare Ausführungen.
Das dürfte man so eher nicht finden. Die Römische Definition/Vorstellung eines Bellum Iustum, ist vielleicht die am Besten Überlieferte aber das bedeutet nicht, dass sich andere Gesellschaften da besonders anders verhalten hätten.

Das römische Geschichtsschreiber diese Figur bemühten, beweist dass es in der römischen Gesellschaft so etwas wie einen common sense gab, dass nur solche Kriege geführt werden sollten, die man als gerecht empfand.
Das allerdings ist kein Beleg für die Bedeutsamkeit von Kriegsschuldfragen, denn je nachdem was man für gerecht hält, kann man ja durchaus auch einen Krieg, den man selbst vom Zaun gebrochen hat für gerecht halten.

Wie viele Kriege wegenn irgendwelcher Erbstreitigkeiten sind geführt worden, die derjenige der sie los trat, weil er sich übergangen fühlte für äußerst gerecht hielt?

Ich denke die Gleichsetzung von "gerecht" mit "defensiv" ist eine moderne Zuschreibung, die man so auf die Antike nicht übertragen kann.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ne, dass ist kein spezifisch wesentliches Merkmal römischer Geschichtsschreibung, sondern das ist Merkmal so ziemlich jeder vormodernen Geschichtsschreibung.
Es dürfte seltenst vorgekommen sein, dass irgendein Geschichtsschreiber im Nachgang dann zu Papyrus, Pergament oder Papier gebracht hätte: "Übrigens Krieg XY haben unsere Vorfahren auf Grund ihrer Habgier von Zaun gebrochen und auf Grund der Tatsache, dass das ganz gut funktioniert hat, kann das nicht ganz falsch gewesen sein".

oder vergleichbare Ausführungen.
Das dürfte man so eher nicht finden. Die Römische Definition/Vorstellung eines Bellum Iustum, ist vielleicht die am Besten Überlieferte aber das bedeutet nicht, dass sich andere Gesellschaften da besonders anders verhalten hätten.

Das römische Geschichtsschreiber diese Figur bemühten, beweist dass es in der römischen Gesellschaft so etwas wie einen common sense gab, dass nur solche Kriege geführt werden sollten, die man als gerecht empfand.
Am ehesten eine negative Darstellung der eigenen Kriegsgründe findet man entsprechend dann, wenn ein Krieg schlecht ausging. Da schwingt dann eben mit, dass der Krieg scheiterte, weil die Kriegsgründe ungerecht und unberechtigt gewesen seien. Erwähnt werden dann auch noch gerne negative (religiöse) Vorzeichen, dass also auch die Götter den Krieg nicht gewollt hätten und der Feldherr bestraft worden wäre, weil er sich über die warnenden Vorzeichen hinwegsetzte.
 
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