Gandolf
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Der französische König gewährte dem Elsass weitgehende Autonomie. Auf eine gewaltsame Französierung wurde verzichtet. Das Elsass blieb somit im 18. Jahrhundert noch dem geschichtlichen und kulturellen Erfahrungsraum des HRRDN verankert. Nur langsam, aber kontinuierlich, fand seit Anfang des 18. Jahrhunderts die französische Sprache - bedingt vor allem durch die französische Verwaltung - zunehmend Eingang in breitere elsässische Bevölkerungsschichten. Die elsässische "Dualität" begann. Eingebettet im kulturgeschichtlichen Reichtum zweier Kulturen begann die elsässische Identitätssuche. In diesem Zusammenhang entfaltete sich an der dem Zugriff des 'deutschen Kleinwesens' (Goethe) entzogenen deutschen Universität in Straßburg eine besondere "elsässische Spielart der Aufklärung" (Goethe). Diese war für die Entstehung der deutschen Klassik verantwortlich. "Die 'Ville libre' war die Gebärmutter, die - unter dem Schutz französischer Staatlichkeit - die deutsche Klassik ausgetragen hat." (Hanns-Albert Steger, Straßburg, S. 2 - zitiert nach Michael Essig, Das Elsass auf der Suche nach seiner Identität, 1994, S. 83). – So viel zur Umerziehungspolitik des französischen Königs…Wenn die profranzösische Stimmung später die Oberhand gewann, lag das einfach an der Umerziehungspolitik der französischen Krone und später der Republik.
An der ersten Phase der französischen Revolution nahmen die deutschsprachigen Elsässer engagiert teil. Sie gehörten fortan zur französischen Nation (Gesellschaftsvertrag). Das französische Nationalgefühl war natürlich in der bürgerlichen Oberschicht, die den Adel stürzte, stärker ausgeprägt als in der einfachen Landbevölkerung. In dieser Phase der Revolution wurden die Beschlüsse der Nationalversammlung und der Regierung für die deutschsprachige Bevölkerung des Elsasses übersetzt!
In der zweiten Phase der Französischen Revolution (Jakobinerherrschaft) fühlte sich Frankreich von „innen“ und von „außen“ bedroht. Um sich von den deutschsprachigen Feinden der Revolution – man führte ab 1793 Krieg mit Preußen und Österreich-Ungarn – abzugrenzen entstand das Dogma von der Nationalsprache („une nation – une langue“). Von den elsässischen Bürgern Frankreichs wurde nun als Folge ihrer Zugehörigkeit zur französischen Nation gefordert, französisch zu sprechen. Die oben angesprochenen Übersetzungsbüros wurden geschlossen. Die Terrorherrschaft der Jakobiner richtete sich auch gegen die deutschsprachigen Elsässer. Das war der Beginn der elsässischen Identitätskrise. Die Elsässer fühlten sich zwar als Franzosen, aber wegen ihrer deutschen Sprache als schlechte Franzosen. Jedenfalls wussten sie, dass sie so von den anderen Franzosen betrachtet werden.
Der französische Irrweg, von allen Staatsbürgern das Sprechen der französischen Sprache zu verlangen, und der deutsche Irrweg, alle Deutschsprachigen zur deutschen Nation zu zählen, führte schließlich dazu, dass das Elsass zum Zankapfel zweier Nationen wurde.
In diesem Strang geht es um die Zeit von 1871-1919. Wenn Du über andere Zeiträume und andere Länder diskutieren willst, dann musst Du dies woanders machen…Derartige Bewusstseinswechsel gab es im Elsass auch. Die Bevölkerung lavierte. Fakt ist aber, dass zwischen 1871 und 1918 sowie zwischen 1940 und 1944 ein großer Bevölkerungsanteil prodeutsch war. Besonders die prodeutschen Sympathien der 40er-Jahre wurden später geleugnet.
Übrigens gab es noch lange nach 1945 im Elsass prodeutsche Gruppen. Einige gingen sogar militant vor, wie z. B. die Schwarzen Wölfe. Schwarze Wölfe ? Wikipedia
Heute sind solche Gruppen nur noch marginal bzw. agieren eher anti-islamisch als pro-deutsch. Darunter fallen die autonomistische Gruppe "L'Alsace d'abord" (früher: MRA) und das prodeutsche "Nationalforum Elsass-Lothringen (NFEL/FNAL)". Dazu kommen noch einzelne Skinheadgruppen.