Gegenstempel und Varus-Schlachtfeld

Gegengestempeltes Geld muss vom Staat ja irgendwie wieder eingesammelt werden, wenn nicht auf Dauer Münzen existieren sollen, die für den Soldaten einen anderen Wert haben als für Zivilisten. Das erklärte auch das zügige Verschwinden desselben.

DIe Frage die ich mir dabei stelle ist, ob diese versprochenen Gelder überhaupt jemals ausgezahlt wurden? Vielleicht waren die Stempelungen nur dazu gedacht die Soldaten hinzuhalten. Möglicherweise war Varus ja wirklich so korrupt wie Velleius schreibt und hatte niemals die Absicht die Soldaten auszubezahlen.
Die beiden Legionen die 14 n.Chr. auf eine Barauszahlung bestanden, haben durch ihre Handlung jedenfalls wenig Affinität für Kreditgeschäfte gezeigt.

Absolut interessant find ich aber was im direkten Anschluss an die Plünderung der Barschaften des Feldherrn und seines Gefolges passiert.
Der gerupfte und nun in der Schuld seiner Freunde stehende Germanicus bricht aus dem schon bezogenen Winterlager noch zu einem Feldzug auf und lässt seine vier Legionen ausgiebig bei den Marsern plündern.
Im Grunde ja das Beste was er machen konnte. Schon Caesar hat sich über die Feldzüge finanziert. Und jeder gefallene Legionär war möglicherweise ein Schuldner weniger.
Unter dieser Prämisse gerät auch das Aufsuchen des Varusschlachtfeldes im darauffolgenden Jahr in ein anderes Licht.
"Die Überlebenden der Varuskatastrophe zeigten ihm wo die Adler genommen wurden"
Soll womöglich heissen "...wo möglicherweise noch Legionskassen vergraben waren ?"

Derlei Geldgeilheit hätte Tacitus seinem Held Germanicus natürlich nie ins Geschichtsbuch geschrieben.

Gruss
jchatt
 
DIe Frage die ich mir dabei stelle ist, ob diese versprochenen Gelder überhaupt jemals ausgezahlt wurden? Vielleicht waren die Stempelungen nur dazu gedacht die Soldaten hinzuhalten.

Das nun ist eine Hilfshypothese, um deine ursprüngliche Hypothese zu stützen. Verabschiede dich doch einfach von deiner ursprünglichen Hypothese. Es gibt nichts, was vernünftigerweise für sie spricht. Aber Ferne von Pragmatismus, Anreiz zu Fälschungen, Umständlichkeit, Verringerung des eigentlich doch im Alltag so notwendigen Kleingeldanteils, Inflationsgefahr als Gründe, die gegen die Hypothese sprechen. Ich weiß gar nicht, warum wir nach Wochen immer noch darüber diskutieren müssen.
 
In der Nacht kam mir aber noch eine ganz andere Perspektive in den Sinn:
Gegengestempeltes Geld muss vom Staat ja irgendwie wieder eingesammelt werden, wenn nicht auf Dauer Münzen existieren sollen, die für den Soldaten einen anderen Wert haben als für Zivilisten. Das erklärte auch das zügige Verschwinden desselben. Wenn man das nicht einschmelzen und neu prägen will, wird man es bei Bedarf erneut ausgeben, statt neu zu prägen. Eine Mahnung an die Soldaten, fleißig zu exerzieren, wenn sie nicht so enden wollen wie Varus, wäre ein Nebeneffekt. Oder habe ich ein falsches Bild von Verwendung und Verteilung des Gegengestempelten Geldes?

Es interessierte den Staat zu Zeiten des Augustus in keinster Weise was mit den Kupfernominalen passierte (siehe meinen Verweis von David Wigg-Wolf 2002), wenn diese einmal in den Umlauf gesetzt wurden. Viel wichtiger ist das hohe Verhältnis von fast 1:1 von Kupfer zu Silber in Kalkriese und das FEHLEN VON GERMANICUSZEITLICHEN MÜNZEN.

@jchatt

Im Übrigen gibt es aus Waldgirmes 14 Asse mit VAR-Gegenstempel (davon 2 Stempelimitationen).
 
Zuletzt bearbeitet:
Im Übrigen gibt es aus Waldgirmes 14 Asse mit VAR-Gegenstempel (davon 2 Stempelimitationen).

Ja. Meine Tabelle war nur auf die wichtigsten Fundplätze begrenzt. In Waldgirmes scheinen Münzen mit dem VAR-Stempel ja auch nicht auffällig.
In Vindonissa find ich aber interessant, daß sich dort anscheinend ein Germanicus-Horizont abzeichnet. Auf Seite 304 von Werz_II schreibt er zum Gegenstempel CAE (wahrscheinlich Germanicus):

Um der Frage nach der Zuweisung und der genauen zeitlichen Einordnung weiter nachzugehen, kann eine in sich zusammenhängende Gruppe von drei Gegenstempeln herangezogen werden, die frühtiberisch ist und es somit erlaubt, den Zeitansatz der Typen CAESAR 61.11 bis 61.100 weiter zu präzisieren.
Dem Gegenstempel TIBAVC 196 kommt hierbei eine wichtige chronologische Bedeutung zu. Kann er doch erst nach dem Regierungsantritt des Tiberius verwendet worden sein, da er diesen als Augustus bezeichnet. Auf etwa der Hälfte der Münzen, auf denen er belegt ist, kommt er in Kombination mit den Gegenstempeln IMPAVC 113 oder TIBIM 210 vor (Tabellen 128-131). Die nachweisbaren Über- oder Unterschneidungen sind relativ häufig und lassen eine gleichzeitige Verwendung dieser drei Gegenstempel erkennen.
Der Gegenstempel TIBIM 210 verweist wahrscheinlich auf die Verleihung des imperium proconsulare auf Lebenszeit gleich nach Regierungsantritt des Tiberius145. Auf wen bezieht sich der Gegenstempel IMPAVC 113? M. Grünwald deutete die ersten drei Buchstaben als praenomen imperatoris. Da Tiberius diesen bekanntlich zurückwies, bezog Grünwald in seiner Auswertung den Gegenstempel auf Augustus146. Dagegen wandte K. Kraft mit Recht ein, daß „Inschriften gar nicht selten sind, welche bei Tiberius IMP am Anfang der Titulatur nennen“147. Entscheidend scheint mir jedoch der Grund seiner Anbringung. Wäre er ebenfalls auf Tiberius zu beziehen, so würde er die Aussage der beiden Gegenstempel TIBAVC 196 sowie TIBIM 210 wiederholen, die bereits auf die Erhebung zum Augustus und das imperium proconsulare verweisen.
Alle drei Gegenstempel kommen fast ausschließlich auf augusteischen Münzmeisterprägungen vor und finden sich hauptsächlich in der Germania superior. Am häufigsten in Vindonissa, aber auch in Mainz und vereinzelt in Vetera I/Xanten sind hiermit kontermarkierte Münzen belegt (Tabellen 128-131).
Aufgrund folgender Überlegungen lassen sich diese genauer datieren: Als Augustus gestorben war, kam es zum Aufstand der pannonischen Legionen; kurze Zeit später gerieten auch die germanischen Truppen in Aufruhr148. Das dortige Heer teilte sich in zwei Gruppen, die oberste Befehlsgewalt über beide Teile lag in der Hand des Germanicus. Die Empörung beschränkte sich jedoch allein auf den untergermanischen Heeresteil, während die obergermanischen Legionen den Eid auf Tiberius leisteten149. Die dort meuternden Soldaten forderten unter anderem reichlicheren Sold150 und die vom vergöttlichten Augustus ausgesetzte Geldsumme151.
Ich werde morgen mal schauen wieviele der besagten Münzen auf der zweiten Altarserie angebracht wurden.

Gruss
jchatt
 
@jchatt

auch in Vindonissa gibt es einen spätaugusteisch/frühtiberischen "Brandhorizont" wie in Köln. Stationiert war hier die 13. Legion. Germanicus reiste ja 14 n. Chr. auch an den Oberrhein, um den Eid auf Tiberius abzulegen.

Zitat:

Datierung der BP1 <Bauperiode 1>

"Aus den Befunden dieser Bauperiode liegt nur wenig enger datierendes Fundmaterial vor. Aus dem brandgeröteten Randbereich der zwischen den Gebäuden liegenden Grube Pos. 10.55/11.38 stammt ein mässig stark abgegriffener As der zweiten Lyoner Altarserie, der für die Verfüllung der Grube einen terminus post quem von
9–14 n.Chr. liefert. Aus einer Lehmplanie, welche unmittelbar über der mutmasslichen Benutzungsschicht der BP1 im Aussenbereich zwischen Bau1-BP1 und Bau3-BP1 liegt, stammt ein mässig stark abgegriffener As der ersten Lyoner Altarserie. Beide Asse dürften zur Zeit, als sie in den Boden gelangten, schon länger im Umlauf gewesen sein und liefern für BP1 lediglich einen vagen zeitlichen Anhaltspunkt in spätaugusteisch frühtiberischer Zeit."

(M. Nick 2013)

Das "mässig" abgegriffene Lugdunum II AS (Augustus RIC 233) wurde seit 10 n. Chr. geprägt. Es würde gut zu den Geschehnissen des Jahres 14 n. Chr. passen. Tiberius war bei den Rheinlegionen nicht sehr beliebt...
 
Es interessierte den Staat zu Zeiten des Augustus in keinster Weise was mit den Kupfernominalen passierte (siehe meinen Verweis von David Wigg-Wolf 2002), wenn diese einmal in den Umlauf gesetzt wurden. Viel wichtiger ist das hohe Verhältnis von fast 1:1 von Kupfer zu Silber in Kalkriese und das FEHLEN VON GERMANICUSZEITLICHEN MÜNZEN.

Es ging mir in dem zitierten Post nicht um Kupfernominale oder die Beurteilung der Funde von Kalkriese.

Es lag mir an der Klärung des Sinns der Gegenstempel und die damit zusammenhängenden Erklärungen für die Verteilung Gegengestempelter Münzen. Ohne dies zu klären, dürften weitere Aussagen schwierig sein.

Bisher gehe ich davon aus, dass die Gegenstempelung den Münzen für einen gewissen Personenkreis einen höheren Wert verlieh. Sprich: Legionäre konnten bei bestimmten Händlern, dem Legionsschmied etc. wie mit einem Gutschein einkaufen. Diese zahlten damit Lieferungen von Gütern des fiscus oder Steuern. Damit kamen sie automatisch zum Staat zurück. So konnte es auch nicht zu Inflation kommen. Gutscheine statt Geld war eine bis in das letzte Jahrhundert manchmal genutzte Zahlungsart für Arbeitsleistung. Nur, dass es in der Antike kein Papier gab.
 
Die Annahme, dass ausgerechnet die Varusmünzen beim Plündern nicht übersehen wurden ist schon reichlich abenteuerlich.
Eine solche Annahme habe ich nicht geäußert.
Ich bezog mich auf die "Errechnung" von Truppengrößen aufgrund von Münzmengen.

Aber aus 17 identifizierten Opfern auf 20.000 hochzurechnen ...?
Das ist absurd.
Absurd ist es, überhaupt Hochrechnungen vorzunehmen.

Sogar wenn wir einmal die Annahme wagen wollen, dass alle Knochengruben erhalten geblieben sind und alle erhaltenen Knochengruben auch gefunden worden sind, bleiben genügend Fragen offen, die sich überhaupt nicht seriös beantworten lassen:

- Wieviel Prozent der ursprünglich vorhandenen Knochen waren nach jahrelangem Herumliegen überhaupt noch vorhanden?

- Wieviel Prozent der herumliegenden Knochen wurden aufgesammelt und bestattet?

- Wieviel Prozent der bestatteten Knochen haben sich nach 2000 Jahren noch erhalten?

- Zu wie vielen Individuen können die Hunderte Knochenfragmente einmal gehört haben?



DAMALS: Kann man abschätzen, wie viele Tote in den Gruben bestattet wurden?

Wilbers-​Rost: Das lässt sich aufgrund der starken Fragmentierung der Knochen nicht sagen. In einer Grube wurde 17-​mal das gleiche Unterkieferfragment gefunden, hier müssen also mindestens 17 Individuen begraben worden sein. Die Hunderte von Knochenbruchstücken, die darüber hinaus in dieser Grube lagen, können theoretisch von wenigen Toten stammen, sind aber vermutlich auf eine viel größere Zahl von Gefallenen zurückzuführen. Eine konkrete Anzahl können wir daher nicht angeben.
Überblick - DAMALS - Geschichte online
 
Absurd ist es, überhaupt Hochrechnungen vorzunehmen.

Sogar wenn wir einmal die Annahme wagen wollen, dass alle Knochengruben erhalten geblieben sind und alle erhaltenen Knochengruben auch gefunden worden sind, bleiben genügend Fragen offen, die sich überhaupt nicht seriös beantworten lassen:

- Wieviel Prozent der ursprünglich vorhandenen Knochen waren nach jahrelangem Herumliegen überhaupt noch vorhanden?
- Wieviel Prozent der herumliegenden Knochen wurden aufgesammelt und bestattet?
- Wieviel Prozent der bestatteten Knochen haben sich nach 2000 Jahren noch erhalten?
- Zu wie vielen Individuen können die Hunderte Knochenfragmente einmal gehört haben?

Das ist eine Gleichung mit vier Unbekannten. Soetwas ist für die Mathematik kein Problem. Man muss dafür nur ein paar weitere Gleichungen aufstellen.
Auch wenn wir mit den Knochenfunden alleine ziemlich dumm dastehen, können wir uns mit weiteren Betrachtungsweisen der Opferzahlen annähern. Genau wie in der Mathematik schränkt jede weitere Gleichung/Betrachtungsweise Ober- und Untergrenze der gesuchten Variablen weiter ein. Ausgangsbasis zum Erstellen dieser Gleichungen ist unser historisches Wissen über Truppenstärken, Münzumlauf oder Legionärsausrüstung. Dieses Wissen muss unabhängig von der ersten Gleichung sein um Zirkelschlüsse zu vermeiden.
Je nachdem wie präzise die zusätzlichen Gleichungen/Betrachtungsweisen formuliert sind, kann man die Ausgangsgleichung entweder komplett lösen oder man erhält zumindest einen Näherungswert.
Die Präzision bei der Gleichungsformulierung ist der Schlüssel zum Erfolg. Geht man mit einem hinreichend präzisen Gleichungssystem in die Berechnung erhält man genau ein Ergebnis. Und nicht wie im Falle der Varustheorien 700+x.

Das Problem der historischen Wissenschaften ist, dass unser aktuelles Geschichtsbild aus vielen Kausalitätsinseln besteht die untereinander manchmal im Widerspruch stehen. Widersprüchliche Gleichungen sind aber keine Gleichungen und können für das oben genannte Verfahren nicht genutzt werden.

Z.B. wissen wir von Donativen und finden Namenskürzel auf römische Münzen gestempelt. Dass die Gegenstempel Geldgeschenke von den in den Stempeln genannten Personen an die Truppen repräsentieren ist aber nur in einem sehr begrenzten Blickwinkel plausibel.
Inzwischen wissen wir, dass gerade das Schenken an die Truppe strengen Regeln unterlag und nicht jedem Feldherrn erlaubt war, die vermuteten Grosszügigkeiten weitgehend mit finanzpolitischen Schwächephasen des Reiches parallel verliefen etc...
Ich habe also im Hinblick auf einen möglichen weiteren präzisen Blick auf die Kalkrieseproblematik bei dieser Hilfshypothese nur zwei Möglichkeiten.

  1. Ich lehne sie ab weil sie zu viele Widersprüche erzeugt
  2. Ich löse diese Widersprüche auf, indem ich mein unpräzises Vorurteil weiterentwickel zu einer umfassenderen Hypothese oder Theorie.
Wer ernsthat daran interessiert ist, den kordischen Knoten zu lösen kommt um Möglichkeit 2 aber kaum herum. Bei dem trotz aller Forschung begrenzten Wissen wird es kaum Ersatzgleichungen/Betrachtungsweisen geben.

Ich hoffe damit die Motivation für meine Hypothese hinreichend dargestellt zu haben. Aufgrund der hier vorgebrachten Gegenargumente scheint das Vielen nicht klar zu sein. Denn die bisherigen Gleichungen/Betrachtungsweisen sind unpräzise und führen bei ihrer kritiklosen Hinnahme ohne Zweifel zu den nächsten 700 Varustheorien.

Mein Lieblingsbeispiel für eine erfolgreiche Hochrechnung ist übrigens die Berechnung der Deutschen Panzerproduktion im Zweiten Weltkrieg.

Gruß
jchatt
 
@jchatt
auch in Vindonissa gibt es einen spätaugusteisch/frühtiberischen "Brandhorizont" wie in Köln. Stationiert war hier die 13. Legion. Germanicus reiste ja 14 n. Chr. auch an den Oberrhein, um den Eid auf Tiberius abzulegen.

Ich gehöre ja zu denen die fordern, dass ein Legionslager auch so auszusehen hat wie man sich ein Legionslager vorstellt. Also rechtwinklige Struktur, 60 Kasernen inkl. Principia und Praetorium. Vindonissa ist deshalb für mich auch nur ein Lager für Veteranen. Die Anwesenheit von Veteranen in Vindonissa ist sogar durch Inschriften belegt.
Einen Zusammenhang mit der Stationierung von Veteranen sieht man meiner Meinung nach auch an den Gegenstempeln. Es gibt eine sehr grosse Übereinstimmung bei den Stempeln mit den Funden in Mainz. Das deutet zunächst auf die XIII Legion. Es gibt darüberhinaus aber auch sehr viele Übereinstimmungen mit Orten am Niederrhein (Nijmegen, Köln,Neuss). Dazu kommt der Hinweis bei Tacitus, dass die Veteranen von Köln aus nach Raetien geschickt wurden. Möglicherweise lagen hier also mehrere Vixillationen unterschiedlicher Legionen. Eine ähnliche Streuung und vergleichbar hohe Quantitäten der Stempel finden sich auch beim Kops Plateau, ohne das dieses unter Verdacht geraten wäre, ein Legionslager zu sein.

quantitäten_stempel.png

Am überzeugensten find ich aber die Quantitäten der bei Werz aufgeführten Gegenstempel. So folgt nach Vindonissa und Nijmegen, Kops Plateau erst auf Platz drei der Ausgangspunkt der Meuterei, das grosse augusteische Lager in Neuss. Die aufgrund historischer Überlieferung eindeutig als Legionslager zu identifizierenden Lager in Köln,Mainz und Vetera I können da mengenmässig nicht mithalten. Selbst zivile Siedlungen wie Xanten oder der Vicus von Asciburgium liegen davor.
Ich frage mich deshalb, ob man grosse Teile der Gegenstempel nicht ausschliesslich mit Veteranenverbänden in Verbindung bringen sollte.
Zu den bereits vorgebrachten Parallelen zwischen den Phasen der Gegenstempelungen und der finanziellen Schwächephasen des Reiches käme als Argument hinzu, dass die von Augustus eingerichtete Militärkasse nicht zur generellen Finanzierung der Legionen dienen sollte, sondern wohl ausschliesslich für die Veteranen gedacht war.

Bei den Zahlen muss man sicherlich aber auch berücksichtigen, dass das Kops Plateau, Vindonissa und auch teilweise der Militärbereich von Neuss in unbebautem Zustand vorlagen, während die genannten historisch belegten Legionslager allesamt überbaut waren.

Gruß
jchatt
 
Auch wenn wir mit den Knochenfunden alleine ziemlich dumm dastehen, können wir uns mit weiteren Betrachtungsweisen der Opferzahlen annähern.

Den einzigen konkreten Hinweis auf Todesopfer liefern nun mal die Knochen.

Und wenn wir schon damit dumm dastehen, stehen wir mit weiteren Betrachtungsweisen noch viel dümmer da.

Eine verlorene Münze sagt ja rein gar nichts über den Todeszeitpunkt ihres Besitzers aus.

Dasselbe gilt auch für irgendwelche Bestandteile der Legionärsausrüstung.

Z. B. hat man am Harzhorn 16 Münzen und ca. 1400 römische Sandalennägel gefunden.

Die Aussage "Ein Legionär, der eine Münze verliert, verliert gleichzeitig 87,5 Sandalennägel" hätte also eine verhältnismäßig solide Grundlage und wäre bei weitem nicht so absurd wie Aussagen über Opferzahlen...


http://www.geschichtsforum.de/724117-post3759.html
 
Z. B. hat man am Harzhorn 16 Münzen und ca. 1400 römische Sandalennägel gefunden.

Die Aussage "Ein Legionär, der eine Münze verliert, verliert gleichzeitig 87,5 Sandalennägel" hätte also eine verhältnismäßig solide Grundlage und wäre bei weitem nicht so absurd wie Aussagen über Opferzahlen...

Genau um diese Art Aussagen geht es mir. Wenn man jetzt noch Erfahrungswerte von Junkelmann über den Durchschnittsverlust von Sandalennäglen im vergleichbaren Terrain hinzunimmt, bekommt man ganz gute Obergrenzen für die Anzahl der Legionäre die dort einmal oder zweimal durchgezogen sein könnten.

Die gleiche Technik kannst Du aber doch auch bei unserem Problem anwenden, wenn Du die Anzahl der in Kalkriese und Haltern gleichen Gegenstempelungen mit der maximalen Truppenzahl in Haltern in Korellation setzt. Die Gleichung für die Opferzahl in Kalkriese ist 17+x. Da das mit Sonden abgesuchte Gebiet in Kalkriese grösser ist als das wirklich Ergrabene, ist der Münzbefund als vollständiger anzusehen. Da ich davon ausgehe, dass mehr Münzen liegen bleiben wenn man eine römische Einheit niederkämpft, tötet und ausplündert als die selbe Einheit im normalen Lagerbetrieb an Münzen verliert wird die Obergrenze für x unterhalb der Truppenzahl in Haltern liegen.
Aussagen wie "Die Knochenfunde können sich noch ins Unermessliche steigern" sind für diese Art Berechnung nicht brauchbar da sie nichts einschränken. Sie zementieren nur das Nichtwissen. Die 17 bisher identifizierten Individuen stellen immerhin eine Untergrenze der Opferzahl da.
Ich denke aber so weit sind wir gar nicht auseinander.

Gruß
jchatt
 
Ich gehöre ja zu denen die fordern, dass ein Legionslager auch so auszusehen hat wie man sich ein Legionslager vorstellt. Also rechtwinklige Struktur, 60 Kasernen inkl. Principia und Praetorium. Vindonissa ist deshalb für mich auch nur ein Lager für Veteranen.

Ist das nicht eine viel zu statische Vorstellung? Wenn man sich die ganzen Lippelager ansieht, von denen ist keines exakt im Spielkartenformat angelegt. Ganz anders dagegen die Lager am Hadrianswall, die (mehr oder weniger) exakt dem Schema des Pseudo-Hygin entsprechen. Schaut man aber wieder auf die Lager rund um Masada, dann entsprechen die wieder nicht dem Spielkartenformat... Wenn wir uns Vegetius anschauen, dann schreibt dieser, dass Lager normalerweise rechteckig seien, aber auch rund, drei- oder mehreckig angelegt werden könnten.* Langer Rede kurzer Sinn: Ein Lager ist ein Lager. Es gibt keine vernünftige Begründung, warum Legionäre ein Lager im Spielkartenformat errichten und als Veteranen plötzlich davon abweichen sollten.

Zudem ignorierst du, dass die Römer im Falle Vindonissas kein neues Lager anlegten sondern ein keltisches Oppidum zum Lager ausbauten. Und mich irritiert, dass du behauptest, Vindonissa habe keine Principia und kein Praetorium gehabt. :confused: Du stellst also Forderungen an ein Römerlager, die dem starren Schema des Pseudo-Hygin entsprechen und die wir eigentlich nur in Ausnahmefällen - wie etwa in den Lagern am Hadrianswall - erfüllt sehen, wohingegen die meisten Lager sich pragmatisch dem Gelände anpassen.

*Natürlich ist klar, dass Vegetius mit seinen Epitoma rei militaris keine ganz astreine Quelle ist, da er selber kein Militär war.
 
Wichtig ist auch zu berücksichtigen, dass man nicht Überall ein ideales Lager errichten konnte. Und wenn eine Legion untergebracht werden musste, musste die Struktur der geographischen Lage angepasst werden. Mitunter hat man mehrere Lager errichten müssen.

Oder was sollen die Römer sonst in so einem Fall getan haben?
 
Ich gehöre ja zu denen die fordern, dass ein Legionslager auch so auszusehen hat wie man sich ein Legionslager vorstellt. Also rechtwinklige Struktur, 60 Kasernen inkl. Principia und Praetorium.

Und wie viele römische Lager gibt es, die exakt ohne jede Abweichung genau dieser Forderung entsprechen? Wenn man das untersucht und in Prozent angibt, wie viele Lager da passen und wie viele nicht, dann kann man ja auch beurteilen, wie stichhaltig diese Forderung wirklich ist!
Vindonissa ist deshalb für mich auch nur ein Lager für Veteranen.

Weil es nicht zu der Forderung passt?
 
Und wie viele römische Lager gibt es, die exakt ohne jede Abweichung genau dieser Forderung entsprechen? Wenn man das untersucht und in Prozent angibt, wie viele Lager da passen und wie viele nicht, dann kann man ja auch beurteilen, wie stichhaltig diese Forderung wirklich ist!

Die diachrone Ebene nicht zu vergessen. Wobei ich die Lager bei Masada noch mal zurücknehme. Das könnten auch Verzerrungen bei Google Maps/Earth bedingt durchs Gelände sein, auf Fotos sieht zumindest das Hauptlager eine ganze Ecke deutlicher nach Pseudo-Hygin aus, als auf dem Luftbild.
 
Unter dieser Prämisse gerät auch das Aufsuchen des Varusschlachtfeldes im darauffolgenden Jahr in ein anderes Licht.
"Die Überlebenden der Varuskatastrophe zeigten ihm wo die Adler genommen wurden"
Soll womöglich heissen "...wo möglicherweise noch Legionskassen vergraben waren ?"

Derlei Geldgeilheit hätte Tacitus seinem Held Germanicus natürlich nie ins Geschichtsbuch geschrieben.

Gruss
jchatt

Du vergisst einen entscheidenden Punkt dabei - Arminius bot jedem Überläufer eine bestimmte Summe X und germanische Frauen. Es steht außer Frage, dass Arminius seine Gefolgsleute ebenfalls bezahlte, sonst hätte Tacitus das nicht erwähnt. Es stellen sich für mich zwei Fragen:

1. Woher nahm Arminius das Geld ?

2. Waren es römische Prägungen oder pseudo-römische Prägungen (Barbarisierungen) ?

Grüße vom Hermunduren
 
Zuletzt bearbeitet:
Du vergisst einen entscheidenden Punkt dabei - Arminius bot jedem Überläufer eine bestimmte Summe X und germanische Frauen. Es steht außer Frage, dass Arminius seine Gefolgsleute ebenfalls bezahlte, sonst hätte Tacitus das nicht erwähnt. Es stellen sich für mich zwei Fragen:

1. Woher nahm Arminius das Geld ?

2. Waren es römische Prägungen oder pseudo-römische Prägungen (Barbarisierungen) ?

Grüße vom Hermunduren

Keine Frage - das Gold des Arminius stammte von den Varuslegionen, und es spricht für ihn, dass er die Soldprobleme bei den Römern erkannte und für sich nutzen wollte. Seine Truppe wird er wohl eher mit der Aussicht auf Beute verpflichtet haben.

Gruss jchatt
 
Du vergisst einen entscheidenden Punkt dabei - Arminius bot jedem Überläufer eine bestimmte Summe X und germanische Frauen. Es steht außer Frage, dass Arminius seine Gefolgsleute ebenfalls bezahlte, sonst hätte Tacitus das nicht erwähnt. Es stellen sich für mich zwei Fragen:

1. Woher nahm Arminius das Geld ?

2. Waren es römische Prägungen oder pseudo-römische Prägungen (Barbarisierungen) ?
Das passiert doch an allen Fronten, ob nun sowjetische Soldaten deutschen Wehrmachtssoldaten Butter und Milch in Aussicht stellten oder falanguistische Paramilitärs anarchistischen Milizen im spanischen Bürgerkrieg Magarine, es ist immer derselbe alte Trick. Sich darüber Gedanken zu machen, ob Arminius wirklich das Geld hatte, wenn er einen Reiter Nachts an den Wall schickt, der auf Latein ins Lager ruft, dass die Legionäre bei Seitenwechsel einen Tagessold von 100 Sesterzen bekämen, würde bedeuten, auf eine der dümmeren Kriegslisten hereinzufallen. Und dann noch diese Summe!
Das wäre das vierfache von dem, was die aufständischen Legionäre im Herbst 14 als Tagessold gefordert hatten und das kam schon einer Verdopplung ihres Tagessolds (10 Asse) nahe.
Und wo hätte Arminius die ganzen Frauen hernehmen sollen?!
 
Ich gehöre ja zu denen die fordern, dass ein Legionslager auch so auszusehen hat wie man sich ein Legionslager vorstellt. Also rechtwinklige Struktur, 60 Kasernen inkl. Principia und Praetorium. Vindonissa ist deshalb für mich auch nur ein Lager für Veteranen.

Und wie viele römische Lager gibt es, die exakt ohne jede Abweichung genau dieser Forderung entsprechen? Wenn man das untersucht und in Prozent angibt, wie viele Lager da passen und wie viele nicht, dann kann man ja auch beurteilen, wie stichhaltig diese Forderung wirklich ist!


Weil es nicht zu der Forderung passt?

Ich gehöre ja zu denen die fordern, dass ein Legionslager auch so auszusehen hat wie man sich ein Legionslager vorstellt. Also rechtwinklige Struktur, 60 Kasernen inkl. Principia und Praetorium. Vindonissa ist deshalb für mich auch nur ein Lager für Veteranen.
Ist das nicht eine viel zu statische Vorstellung? Wenn man sich die ganzen Lippelager ansieht, von denen ist keines exakt im Spielkartenformat angelegt. Ganz anders dagegen die Lager am Hadrianswall, die (mehr oder weniger) exakt dem Schema des Pseudo-Hygin entsprechen. Schaut man aber wieder auf die Lager rund um Masada, dann entsprechen die wieder nicht dem Spielkartenformat... Wenn wir uns Vegetius anschauen, dann schreibt dieser, dass Lager normalerweise rechteckig seien, aber auch rund, drei- oder mehreckig angelegt werden könnten.* Langer Rede kurzer Sinn: Ein Lager ist ein Lager. Es gibt keine vernünftige Begründung, warum Legionäre ein Lager im Spielkartenformat errichten und als Veteranen plötzlich davon abweichen sollten.

Zudem ignorierst du, dass die Römer im Falle Vindonissas kein neues Lager anlegten sondern ein keltisches Oppidum zum Lager ausbauten. Und mich irritiert, dass du behauptest, Vindonissa habe keine Principia und kein Praetorium gehabt. :confused: Du stellst also Forderungen an ein Römerlager, die dem starren Schema des Pseudo-Hygin entsprechen und die wir eigentlich nur in Ausnahmefällen - wie etwa in den Lagern am Hadrianswall - erfüllt sehen, wohingegen die meisten Lager sich pragmatisch dem Gelände anpassen.

*Natürlich ist klar, dass Vegetius mit seinen Epitoma rei militaris keine ganz astreine Quelle ist, da er selber kein Militär war.

Mit dieser Bemerkung einen Nebenkriegsschauplatz bezüglich der Struktur augusteischer Lagerkonstruktionen und ihrer damit verbundenen Bedeutung zu eröffnen, lag nicht in meiner Absicht. Das Thema ist auch viel zu komplex um es in ein paar Beiträgen umfassend darzustellen.
Diejenigen, die so denken wie ich mögen das als zusätzliche Bestätigung sehen. Wer eine strukturelle Klassifizierung der Lager nicht für nötig hält, dem sollten im Rahmen der Threadfragestellung die zeitliche Synchronität der Veteranenentsendung nach Raetien mit der Lagergründung von Vindonissa reichen, hier ein von Veteranen belegtes Lager zu sehen. Wie es ja auch die dortigen Inschriftenfunde hinreichend belegen.


Um noch einmal auf die Praktikabilität des von mir skizzierten Verfahrens zurückzukommen, möchte ich auf eine Stelle bei Sueton Aug. 40 hinweisen.
Er berichtet dort von regelmässigen durch Augustus organisierte Getreidespenden an die Stadtbevölkerung. In den deutschen und englischen Übersetzungen ist in diesem Zusammenhang von Marken/Tickets die Rede, die zuvor an die Empfänger ausgegeben wurden. Das würde meinem hypothetischen Verfahren schon sehr nahe kommen. Weiss jemand um was es sich dabei handelte ? Gibt es evtl. sogar Funde dieser Marken?

Bei Google finde ich Hinweise auf eine viel zitierte ältere Arbeit von R.Ziegler, die vom Titel her gesehen offenbar auch Münzen hierfür in Betracht zieht:
Münzen Kilikiens als Zeugnis kaiserlicher Getreidespenden.
In: Jahrbuch für Numismatik und Geldgeschichte Jg. 27 (1977) ; Nr. , S. S. 29 - 67 ISSN: 0075-2711


Gruss
jchatt
 
Das wäre das vierfache von dem, was die aufständischen Legionäre im Herbst 14 als Tagessold gefordert hatten und das kam schon einer Verdopplung ihres Tagessolds (10 Asse) nahe.
Und wo hätte Arminius die ganzen Frauen hernehmen sollen?!

Andersherum wird ein Schuh daraus. Die Summen, die an die Meuterer gezahlt wurden haben den Preis für den potenziellen Überläufer hochgetrieben. Ziel war es nicht viele zusätzliche Soldaten anzuwerben, sondern an interne Informationen des gegnerischen Heeres zugelangen und die Loyalität der Soldaten zu ihrem Feldherrn zu testen. Diese Kriegstaktik steht übrigens auch bei Vegetius.

Gruss
jchatt
 
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