Das mag propagandistisch überzeichnet sein, aber es lässt trotzdem den Schluss zu, dass die Germanen nicht mehr Herren über ihr eigenes Rechtssystem waren.
Hier ist auch zu beachten, was im rechtsrheinischen Germanien so los war.
Viele Stämme hatten gerade erst ihre "Wohnsitze" gewechselt oder ihren Einflussbereich auf Kosten anderer ausgedehnt. Eine Unterscheidung von einer legalen "Herrschaft" und einer Fremdherrschaft ist natürlich schwer. Leicht ist nur die Feststellung, dass die Römer noch fremder waren, als die anderen. Die besagte Stammeslandschaft im Mittelgebirgsraum existierte in der Formvielleicht seit höchstens 30 Jahren.
Beispielhaft dafür ist die Umsiedlung der Usipeter, Sugambrer und Ubier auf die linke Rheinseite, das plötzliche Auftauchen der Chatten im selben, die Abwanderung der Markomannen nach Böhmen ...
Da war eine Welt im Umbruch.
Dort ein funktionierendes Rechtssystem zu unterstellen, ist schon mehr als gesagt. Die bei der Auseinandersetzung zwischen Varus und Arminius agierenden Truppen dürften nicht nur die Herrschaft der Römer erlebt haben, sondern sich auch noch lebhaft eine "Landnahme" der Marser, Chatten pp. bzw. an die "Gründung" des Stammes erinnern können.
Die Cherusker sind vielleicht "älter", aber gerade bei denen ist ja überliefert, dass da der Wurm drin ist.
Auf der anderen Seite scheint es auch innerhalb der Stämme nicht so recht funktioniert zu haben, wenn man mal das überlieferte Beispiel eines gegeneinander intrigierenden Cherusker-Adels verallgemeinert.
Dass es unmöglich für die Römer war, die Germanen zu beherrschen ist ein Fehlschluss. Chauken und Friesen blieben trotz aller Dreistigkeit des Varus und des Arminius treu unter römischer Oberherrschaft. Tacitus überliefert sogar, dass die Friesen Rinderhäute als Tribut/Steuer an Rom lieferten. Erst als sie Frauen und Kinder als Tributzahlung in die Sklaverei liefern sollten, soll es zum Aufstand gekommen sein.
Die Stämme im Linksrheinischen wurden in das Imperium integriert, wenn auch nicht ohne Probleme. Gerade die Bataver wurden immer wieder als die Vorzeigegermanen durch die römische Geschichtsschreibung beschrieben. Sie behielten ihres Stammesidentität auch noch als Förderaten Roms für mehrere Jahrhunderte.
Rückfrage: Was wissen wir über germanisches Stammesrecht in der Zeit der Zeitenwende?
Im Grunde wissen wir da gar nichts. Wir kennen nur die Namen einzelner Warlords.
Das, was in älterer manchmal als Militärdemokratie bezeichnet wird, sehe ich eher als eine Indiz für eine fehlende Zivilgesellschaft. Es ist dann eher die Frage, ob nicht schon die bloße "Befriedung" Germaniens znd die Ablösung des Faustrechts nicht schon eine Provokation darstellt, da ja so der Kriegerthos nicht mehr ausgelebt werden konnte oder eber nur noch unter römischen Oberbefehl.