Kalkriese als Ort der Varusschlacht zweifelhaft

An der Stelle ist auf sehr reduziertem Raum von zwei Lagern die Rede, vom Prima Vari castra, welche die Arbeit und Absteckung dreier Legionen aufwies und von dem, welches nur noch über einen flachen Graben und niedrigen Wall verfügte. Mehr dazu im entsprechenden Thread, in dem die Stelle schon thematisiert wurde.

Das ist schon klar. Worauf ich in dem zweiten Teil meines Posts hinauswollte,was durch die von mir gleichzeitig nachgefragte Singular-Plural-Problematik vielleicht etwas überdeckt wurde, ist folgendes:

Auf deutsch und dann direkt auf Latein übersetzt würde man doch sagen (ich unterscheide jetzt 3 Möglichkeiten):

Das erste Lager des Varus...
Prima castra Vari...

oder

Des Varus erstes Lager...
Vari prima castra...

wobei dies impliziert, daß das oder die nächsten Lager auch Lager des Varus sind, also wo er selbst auch noch anwesend war.


Aber Tacitus schreibt

Prima Vari castra...

was man (vielleicht fehlerhaft) übersetzen könnte als

Das erste - des Varus - Lager...

oder deutlicher

Das erste Lager, dieses war noch ein Lager, in dem Varus noch anwesend war, zeigte die Arbeit dreier Legionen...

was dann impliziert, daß das nächste Lager (nämlich das mit dem niedrigen Wall) eben kein Lager des Varus mehr war.

Es ist also die von Tacitus verwendete Wortstellung mit dem Vari in der Mitte, die mich etwas irritiert.

Oder ist das im Lateinischen eine übliche Wortstellung?

Leider weiß ich jetzt nicht genau, welchen anderen Thread du (El Quijote)
meinst, sonst würde ich diese Frage dort hineinstellen. Bitte verschiebe sie dort hin, wenn du denkst, sie ist hier fehl am Platze.
 
Ich will mich nicht hundertprozentig festlegen, aber ich glaube, da interpretierst Du in die Wortstellung etwas zu viel hinein.
Zumal da auf das "prima" gar kein "secunda" folgt, sondern das nächste Lager nur mit "dein" bezeichnet wird, hätte Tacitus, wenn er es nach Deinem Verständnis gemeint hätte, das "prima" wahrscheinlich einfach weggelassen und nur "Vari castra" geschrieben, denn dann wäre eindeutig gewesen, dass nur dieses Lager ein Lager des Varus war.
Eine etwas ungewöhnliche Stellung des Genitivs kann durchaus auch in Prosatexten vorkommen.
 
@ salvus:
Ich scheine es noch einmal betonen zu müssen: Meiner derzeitigen Ansicht nach gibt es nicht genügend Hinweise, um die Funde von Kalkriese einem konkreten Ereignis zuzuordnen. Das besagt natürlich nicht, dass die Varusschlacht dort nicht war. Es heißt nur, dass wir es nicht wissen und auch nicht wahrscheinlich machen können.

Caecina konnte seine Truppen mit Mühe und Not vom Schlachtfeld retten. Wenn das kein großer Sieg der Germanen war, dann muss der Begriff 'Sieg' anders definiert werden. Unter diesen Umständen konnte er ganz sicher nicht alle Verwundeten retten. Dass Caecina mit seinem Rückzug eine militärische Glanzleistung vollbracht haben mag und wahrscheinlich schlussendlich seine Operationsziele nach der Schlacht erreichte, bedeutet noch lange nicht, dass er die Schlacht gewann.

Aber ich habe nicht über eine alternative Datierung des Schlachtfeldes gepostet. Zu den folgenden Operationen des Tiberius und anderer besitzen wir z.B. keine Quellen. Ich habe davon gesprochen, dass wer sagt, dass Germanicus nicht da war, auch sagt, dass es sich in Kalkriese nicht um die Überreste der Varusschlacht handelt. Da es solche - unbedachte - Äußerungen gab, und sie mit Vehemenz vertreten worden sind, sind durchaus Zweifel an dem Gehalt anderer Aussagen angebracht. Hier kann auch nicht einfach die Leidenschaft der Diskussion in Anspruch genommen werden, da eine Zuschreibung einer Einritzung zur II. Legion stattfand. Der entsprechende Bericht wurde übrigens lange nicht veröffentlicht. Das sollte eigentlich in meinem Post nur einen Rahmen abgeben, um zu sagen, dass wissenschaftliche Veröffentlichungen in der Archäologie eben schon einmal auf sich warten lassen. Ich habe dann aber vergessen, es hinzuzufügen. Ich hatte ja in dem Post in erster Linie um gegenseitiges Verständnis geworben. Angesichts der Bedeutung des Fundplatzes, der Geldmittel und der medialen Aufmerksamkeit hätte ein Politiker die fragliche Veröffentlichung sofort kommuniziert. Wird solches Verschwiegen, leidet schließlich die Glaubwürdigkeit darunter und dauerhaft konnte man es nicht verschweigen. Nur sind die Spielregeln in der Wissenschaft, insbesondere der Archäologie andere. Man kann z.B. damit rechnen, dass auch die Gegenargumente gehört werden.

Zu "Und noch etwas:"

1. Jene Schlammschlacht ist, wenn ich es richtig mitbekommen habe, von beiden Seiten geführt worden. Doktoren aus dem Lager der Kalkriese-Gegner wurde z.B. die Bezeichnung als Wissenschaftler abgesprochen. Das sollte nicht außer Acht gelassen werden.
2. Ein guter Teil der Funde werfen, wie ich schon schrieb, Zweifel auf und stützen eine Indizienkette keineswegs. Die Zusammensetzung der Münzfunde entspricht z.B. nicht der Zusammensetzung anderer Münzfunde der fraglichen Zeit. Das kann noch Zufall sein, aber für die Indizienkette fallen die Münzen somit aus.
3. Und die Bedeutung des Fundplatzes zieht doch auch niemand in Zweifel. Es geht hier im Thread aber um Zweifel an der Verbindung von Ort und Ereignis. Da sollte es doch eher wundern, wenn das gar nicht thematisiert wird. Vielleicht wäre ein Thread "Kalkriese ohne Frage der Lokalisierung der Varusschlacht" hilfreich.
4. Natürlich sollten erst einmal die Funde weiter ausgewertet werden. Eine Ausgrabung ist ja kein Selbstzweck.

Und warum kennzeichnest Du Deinen Beitrag als Strafpredigt? Du lehnst die Emotionalisierung des Themas doch ab. Oder habe ich das "habe fertig" falsch verstanden?
 
da eine Zuschreibung einer Einritzung zur II. Legion stattfand.

Zur ersten. LPA nicht LSA ist da gelesen worden.



2. Ein guter Teil der Funde werfen, wie ich schon schrieb, Zweifel auf und stützen eine Indizienkette keineswegs. Die Zusammensetzung der Münzfunde entspricht z.B. nicht der Zusammensetzung anderer Münzfunde der fraglichen Zeit. Das kann noch Zufall sein, aber für die Indizienkette fallen die Münzen somit aus.
Es sind gerade die sehr wertvollen Münzen, die aus Kalkriese bedeutsam sind. Man hat in Dtld. nirgends so viele Goldmünzen, wie in Kalkriese gefunden. Die in Kalkriese gefunden Goldmünzen überwiegen sogar alle anderen in Dtld gefundenen Goldmünzen der fraglichen Zeit zusammen. Insofern würde ich sogar sagen, dass die Münzen eben gerade nicht aus der Indizienkette herausfallen. Ansonsten bleibt eben Schlussdatum 2 n. Chr. und die VAR-Gegenstempel + weiterer Gegenstempel (Imp mit Lituus etc.) aber eben keine TIB-Kontermarken, wie man sie aus den Lagern Velsen und Vechten, Nijmwegen etc. kennt.
 
Die Legion habe ich in der Tat verwechselt. Sowohl für Varus, als auch für Germanicus ist die Einritzung eigentlich falsch. 19 v.Chr. wurde der ehrende Name "Augusta" aberkannt, 14 v.Chr. durch Tiberius der Name Germanica verliehen.

Bei den Münzen geht es um die Statistiken zur Zusammensetzung der Münzen. Ich werde mir aber die Statistiken nochmals anschauen.

Das Fehlen der TIB-Gegenstempel erlaubt keinen Schluss. Umgekehrt müssen die Imp-Lituus-Gegenstempel natürlich nicht unbedingt Germanicus zugeschrieben werden. Über Varus war zwar keine Damnatio memoriae verhängt worden, dennoch dürften die Var-Gegenstempel ein wichtiges Argument der Befürworter Kalkrieses als Schlachtort sein. Denn die Erinnerung an die Niederlage sollte nach Möglichkeit sehr wohl aus den Köpfen verschwinden, weshalb ja die Überlebenden aus Italien verbannt waren. Sicher ist das natürlich auch nicht.
 
Sowohl für Varus, als auch für Germanicus ist die Einritzung eigentlich falsch. 19 v.Chr. wurde der ehrende Name "Augusta" aberkannt, 14 v.Chr. durch Tiberius der Name Germanica verliehen.

Ich bin mir sowieso ob der Lesung LPA nicht sicher. Ich sehe da z.B. auch zwei XX und die Schlaufe des P ist unverhältnismäßig hoch angesiedelt.
Aber sei's drum, so ein Werkstück wurde sicher nicht entsorgt, weil die Legion nicht mehr existierte. Es gibt auch durchaus zahlreiche Ausrüstungsgegenstände, die mehr als eine Besitzerinschrift aufweisen, weil sie verkauft, verspielt, unrechtmäßig angeeignet wurden etc.

Das Fehlen der TIB-Gegenstempel erlaubt keinen Schluss.
Wenn er anderswo massiv auftaucht, sehr wohl. Beweiskraft hat das Fehlen sicher nicht, aber ein Indiz ist es sehr wohl.
 
In Geseke wurde einst ein Studienrat gerufen, weil man römische Keramik gefunden hätte. Da dies sein liebstes Thema war, grub er und wurde fündig: Ein Schwert mit der Inschrift "Varus seinem lieben Studienrat xy". Tiberius-Gegenstempel fanden sich auch dort nirgends. (So ist es mir wenigstens von den Alten erzählt worden.) ;)

Ich sage ja nicht, dass dort Caecina oder Germanicus oder -äußerst unwahrscheinlich - Tiberius oder Asprenas geschlagen worden sind. Ich sage nur, dass die Beweise (noch?) nicht ausreichend und auch die Indizienkette zu wackelig ist. Da spielt es schon eine Rolle, dass eben etwas "nur" fehlt. Da wir die genaue Verwendung der Münzen mit Gegenstempel nicht -jedenfalls nicht genau genug - kennen, wissen wir auch nicht wirklich, was ihr Vorkommen oder Fehlen zu bedeuten hat.

Was mich aufregt ist, dass selbst in wissenschaftlichen Schriften fast jeder Fund erst einmal in Hinsicht des Problems der Lokalisierung der clades variana betrachtet wird. Das Scheidenblech mit der LPA-Inschrift ist ein solches Beispiel. Im Bestreben es Varus zuzuordnen sind die seltsamsten Verrenkungen gemacht worden. Was aber liegt näher, als dass der Sohn das Schwert seines Vaters mit auf den Weg bekam, als er sich anwerben lies. Dann muss man nicht mehr darüber diskutieren, ob es vorkam, dass Zenturionen zu anderen Legionen versetzt wurden. Für beides sind 28 Jahre eine durchaus realistische Zeitspanne. Abgesehen davon sind doch sicher Melder und Offiziere aller Legionen der Provinz bei Varus gewesen. Das alles sind doch übliche Erscheinungen für jedes stehende und in Einheiten organisierte Heer. Statt dessen verkündet man, dass man jetzt untersuchen müsse, wie Material zwischen den Legionen ausgetauscht wurde! Von anderen wurde natürlich gleich "Gegenbeweis" geschrien, ohne das Alter der Ritzung zu betrachten und ohne nachzudenken.

Für die, die sich nicht so gut auskennen, sei gesagt, dass das Blech in einer Situation gefunden wurde, die es als wahrscheinlich erscheinen lässt, dass es in Zusammenhang mit den Kampfhandlungen in den Boden gekommen ist. Nur dadurch wird es problematisch, da ja diese Legion den Schauplatz der Schlacht mit Germanicus besucht hat.
 
Was mich aufregt ist, dass selbst in wissenschaftlichen Schriften fast jeder Fund erst einmal in Hinsicht des Problems der Lokalisierung der clades variana betrachtet wird. Das Scheidenblech mit der LPA-Inschrift ist ein solches Beispiel. Im Bestreben es Varus zuzuordnen sind die seltsamsten Verrenkungen gemacht worden. Was aber liegt näher, als dass der Sohn das Schwert seines Vaters mit auf den Weg bekam, als er sich anwerben lies. Dann muss man nicht mehr darüber diskutieren, ob es vorkam, dass Zenturionen zu anderen Legionen versetzt wurden. Für beides sind 28 Jahre eine durchaus realistische Zeitspanne. Abgesehen davon sind doch sicher Melder und Offiziere aller Legionen der Provinz bei Varus gewesen. Das alles sind doch übliche Erscheinungen für jedes stehende und in Einheiten organisierte Heer. Statt dessen verkündet man, dass man jetzt untersuchen müsse, wie Material zwischen den Legionen ausgetauscht wurde! Von anderen wurde natürlich gleich "Gegenbeweis" geschrien, ohne das Alter der Ritzung zu betrachten und ohne nachzudenken.

Für die, die sich nicht so gut auskennen, sei gesagt, dass das Blech in einer Situation gefunden wurde, die es als wahrscheinlich erscheinen lässt, dass es in Zusammenhang mit den Kampfhandlungen in den Boden gekommen ist. Nur dadurch wird es problematisch, da ja diese Legion den Schauplatz der Schlacht mit Germanicus besucht hat.

Das stimmt. Und ich finde das zumindest wissenschaftlich auch äußerst fraglich.
Ein anderer Punkt ist natürlich, daß die Kalkrieser sich das z.T. wohl auch selbst zuzuschreiben haben. Im Zuge der Varus These wurde die "Varusschlacht im Osnabrücker Land" Geschichte entwickelt. Mit einem teurem Museum, Hinweisschilder an der Autobahn etc.
Vieleicht hat hier das Marketing die Wissenschaft auch zu sehr in eine bestimmte Ecke gedrängt. Das ist schwer zu beurteilen. Die sagen wir einmal breite Öffentlichkeit (und nicht die unbedingt wissenschaftlich orientierte) misst diesen Fundplatz mittlerweile wohl ausschließlich an der Varus oder nicht Varus Frage und das ist eigentlich schade.

Zu dem unsäglichen Mundblech:
Darüber ist auch in diesem Thread schon viel diskutiert worden.
Zu einem wirklichen Ergebnis hat diese Diskussion nicht geführt. Es gibt (neben der Tatsache das die Lesung LPA durchaus auch unsicher sein kann) diverse Günde wie dieses Mundblech zu erklären ist. Es macht die Varus Theorie in Kalkriese zumindest nicht unwahrscheinlicher - aber auch nicht wahrscheinlicher.
 
Was Kalkriese und Caecina/pontes longi angeht, so bin ich da ganz auf einer Linie mit tela:

Die Topographie vielleicht, die Geographie hat aber eine gewichtige Stelle gegen sich:

Tac., Ann. I., 63,3:
Dann führte er (Germanicus) das Heer an die Ems zurück und ließ die Legionen mit der Flotte, wie er sie herangebracht hatte, zurückbefördern; ein Teil der Reiterei erhielt Befehl, entlang dem Gestade des Ozeans zum Rhein zu ziehen; Caecina, der seine eigenen Leute führte, wurde angewiesen, obwohl er auf bekannten Wegen zurückmarschierte, die langen Brücken möglichst rasch hinter sich zu bringen.

Diese Stelle spricht doch recht eindeutig von der Rückkehr zum Rhein und der Teilung des Heeres an der Ems. Demnach wären die pontes longi westlich der Ems zu suchen.
 
Es ist also die von Tacitus verwendete Wortstellung mit dem Vari in der Mitte, die mich etwas irritiert.

Oder ist das im Lateinischen eine übliche Wortstellung?

Der Genitiv steht im Lateinischen gewöhnlich wie ein Adjektiv hinter dem Bezugswort. Davor stehen Maß- und Zahlenangaben. Aber, da die Wortstellung im Lateinischen freier ist, kann es auch davor und davon gelöst stehen. Der Rubenbauer/Hofmann gibt tatsächlich auch eine Auszeichnende Funktion eines Adjektivs vor dem Bestimmungswort an. Was du meinst ist jedoch eine Apposition, die ebenfalls gewöhnlich (abgesehen von Titeln und geographischen Bezeichnungen) hinter dem Bestimmungswort steht. (Rubenbauer, Hofmann, Lateinische Grammatik, Bamberg, München 1989 § 267.) Doch schauen wir uns die ganze Stelle an:

"Prima Vari castra lato ambitu et dimensis principiis trium legionum manus ostentabant; dein semiruto vallo, humili fossa accisae iam reliquiae consedisse intellegebantur: medio campi albentia ossa, ut fugerant, ut restiterant, disiecta vel aggerata."

3 unregelmäßige Stellungen davor (Vari, humili, albentia)
3 regelmäßige davor (lato, trium legionum, semiruto)
1 unregelmäßige gelöst (accisae)
2 regelmäßige dahinter (principiis, campi)

Tacitus hatte hier wohl eher im Sinn Kunstprosa zu schaffen.
 
Was Kalkriese und Caecina/pontes longi angeht, so bin ich da ganz auf einer Linie mit tela:

Lateinisch sieht das so aus:
"Mox reducto ad Amisiam exercitu legiones classe, ut advexerat, reportat; pars equitum litore Oceani petere Rhenum iussa; Caecina, qui suum militem ducebat, monitus, quamquam notis itineribus regrederetur, pontes longos quam maturrime superare."

Dass kann man genau so gut so lesen, dass Caecina, wie die Legionen zurückgeführt wurden, ermahnt wurde: Germanicus führte das Hauptheer an die Ems, während Caecina einen bekannten Weg über die pontes longi nahm. Wohlgemerkt: ich sage wiederum nicht, dass es so sein muss. Die parallele Konstruktion - das zurückgeführte ('reducto') Heer und der ermahnte ('monitus') Caecina - gibt nur einen Anhaltspunkt. Die Stelle ist in dieser Hinsicht somit nicht wirklich belastbar.
 
Zuletzt bearbeitet:
Mal abgesehen davon, dass in dem Text kein während steht, müsste man dann auch annehmen, dass die Reiterei von dem Ort, an dem man sich trennte - wiederum allein losgeschickt wurde. Je weiter östlich, desto riskanter.

Für mich stellt sich der Text so dar:
Mox reducto (PPP) ad Amisiam exercitu legiones classe - dann, das Heer an die Ems zur Flotte zurückgeführt (reducto)
ut advexerat (Plusquamperfekt) - wie er es herbeigschafft hatte
reportat (Präsens) - bringt er sie zurück
pars equitum litore Oceani petere Rhenum iussa (PPP); - dem Teil der Pferde befohlen, am Ufer des Ozeans zum Rhein zu streben
Caecina, qui suum militem ducebat (Imperfekt), - Caecina, der seine Soldaten führte
monitus (PPP), quamquam notis itineribus regrederetur (Imperfekt) - ermahnt, obgleich er bekannte Wege zurückkehrte
pontes longos quam maturrime superare - die langen Brücken möglichst früh zu überwinden

Du hast natürlich nicht ganz Unrecht, wenn du die drei Partizipien zeitlich als Einheit sehen möchtest, das könnte man als während deuten. Während er zurückführte (bzw. zurückführen wollte) befahl er der Reiterei und mahnte Caecina. Grammatikalisch ergäbe eine solche Lesung also sicher einen Sinn. Sachlogisch will sie sich mir nicht erschließen.
Da werden die Legionen des Varus bestattet, dann Arminius, der immer beobachtend in der Nähe ist, sich aber nicht zur Schlacht stellt, verfolgt. Und dann trennt man sich, um getrennt nach Hause zu marschieren, nachdem man sich gerade in Erinnerung gerufen hat, dass Varus drei Legionen vernichten konnte, mit jeweils nur vier Legionen bzw. der Reietrei auf sich alleine gestellt?
 
Zuletzt bearbeitet:
In Kalkriese wurde ein Wall gefunden, der aber weder so "richtig" römisch noch so "richtig" germanisch zu sein scheint.

Bei Tacitus steht von der Besichtigung des Schlachtfeldes durch die Germanicus-Truppen, dass man dort einen halb zusammengestürzten Wall vorgefunden hat, der zum Lager gehörte.

Natürlich ist die Frage, ob das die gleichen Wälle sind, oder unterschiedliche. :confused: Falls es der gleich sein sollte, könnte es auch sein, dass der Wall germanisch ist, aber von den Germanicus-Truppen für römisch gehalten wurde. Oder von denjenigen, die vielleicht nur vom Hörensagen den Bericht über den Wall hörten, ihn für römisch annahmen und so kam er als Lagerwall in die Literatur...

Genau dies habe ich versucht auszudrücken.


Dann haben wir also die folgenden Alternativen herausgearbeitet:

Entweder

1) der Oberesch Wall wurde von Tacitus' Informanten mit dem Wall eines der Marschlager der Varusschlacht verwechselt,

oder

2) der Oberesch Wall wird in keiner der Quellen zur Varusschlacht erwähnt.


Daraus ergeben sich die folgenden Konsequenzen:

1) Ein römisches Marschlager, von dessen Graben-Wall-Anlage der 400 m lange Oberesch Wall ein Teil gewesen wäre, wurde nicht entdeckt. Tacitus' Informanten waren also nicht in der Lage, ein im Rahmen der Gefechtsfeldvorbereitung errichtetes Schanzwerk von der Graben-Wall-Anlage eines römischen Marschlagers zu unterscheiden, was auch andere Fehlinterpretationen dieser Informanten wahrscheinlich machen würde, z. B. bezgl. der Anzahl der Marschlager. Die Schriften von Tacitus sind daher als Informationsquelle zur Varusschlacht anzuzweifeln.

oder

2) Die Wahrscheinlichkeit, dass eine 400 m lange und falls germanisch absolut einzigartige Befestigung, die den Verlauf der Schlacht in Kalkriese stark beeinflusst hat, in keiner der Quellen zur Varusschlacht erwähnt wird, ist sehr gering. Die Fundregion Kalkriese ist daher als Ort der Varusschlacht anzuzweifeln.
 
2) Die Wahrscheinlichkeit, dass eine 400 m lange und falls germanisch absolut einzigartige Befestigung, die den Verlauf der Schlacht in Kalkriese stark beeinflusst hat, in keiner der Quellen zur Varusschlacht erwähnt wird, ist sehr gering. Die Fundregion Kalkriese ist daher als Ort der Varusschlacht anzuzweifeln.


Ich weiß, du willst es nicht einsehen, aber noch einmal: Keine der Quellen ist so ausführlich, wie du tust, selbst Cassius Dio (dessen Glaubwürigkeit... umstritten ist) nicht. Es wird in mehreren Quellen von einem Hinterhalt berichtet. Welcher Gestalt dieser Hinterhalt war, ist aus den Quellen nicht ersichtlich. Zu behaupten: Kein Wall in den Quellen, also kann Kalkriese nicht der Varusschlachtort sein, ist zu einfach. Aber mir ist natürlich klar, dass, wenn man die Varusschlacht unbedingt ins Sauerland verorten will - was ja nach dem taciteischen Bericht durch aus in den Bereich des Möglichen fallen könnte (ein Gebiet nahe von einem Ort zwischen Ems und Lippe) - dann ist natürlich jedes Argument Recht, Kalkriese als Varusschlachtort zu diskreditieren.
Aber wer Kalkriese als Varusschlachtort diskreditieren will, der muss eben auch einige Fragen sinnvoll beantworten: Wieso das hohe Münzaufkommen? Wieso die vielen VARus-Stempel? Wieso die vielen Goldmünzen? (Mehr als alle anderen dt. Fundstätten zusammen) Wieso die Bestattungen von Leichen die nach anthropologischem Befund der Uni Tübingen mindestens zwei Jahre überirdisch gelesen haben?
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich weiß, du willst es nicht einsehen, aber noch einmal: Keine der Quellen ist so ausführlich, wie du tust, selbst Cassius Dio (dessen Glaubwürigkeit... umstritten ist) nicht. Es wird in mehreren Quellen von einem Hinterhalt berichtet. Welcher Gestalt dieser Hinterhalt war, ist aus den Quellen nicht ersichtlich.

Hinterhalt ist aber eben nicht gleichbedeutend mit Wall, da reicht es schon den Römern in einem Wald aufzulauern. Und wie gesagt, wenn auch nur in einem kleinen Nebensatzt erwähnt würde "und hier kämpften sie unglücklich am Wall" wäre ich zufrieden. Aber der 400 m lange, eine Engstelle erzeugende und für den ganzen Tag der Schlacht bei Kalkriese wichtige Wall hat es in keine einzige der Quellen geschafft, und wenn man antike Schriften als Informationsquelle ernstnehmen will, ist das schon sehr merkwürdig, und diesen Umstand zu verdrängen wird den Forschungsarbeiten in Kalkriese ja auch nicht gerecht, wo man ja sicher auch mal irgendwann eine definitive Bestätigung haben möchte, welche Schlacht dort stattgefunden hat, sei es Varus oder eine andere.

Zu behaupten: Kein Wall in den Quellen, also kann Kalkriese nicht der Varusschlachtort sein, ist zu einfach. Aber mir ist natürlich klar, dass, wenn man die Varusschlacht unbedingt ins Sauerland verorten will - was ja nach dem taciteischen Bericht durch aus in den Bereich des Möglichen fallen könnte (ein Gebiet nahe von einem Ort zwischen Ems und Lippe) - dann ist natürlich jedes Argument Recht, Kalkriese als Varusschlachtort zu diskreditieren.

Ich will Kalkriese als Ort der Varusschlacht nicht diskreditieren, ich möchte einfach nur, dass man auch bei der Kalkriese Theorie offen über die Kontras spricht.

Und die Paderborner Hochfläche gehört eigentlich auch nicht zum Sauerland, sondern zum Weserbergland:
Paderborner Hochfläche ? Wikipedia

Aber wer Kalkriese als Varusschlachtort diskreditieren will, der muss eben auch einige Fragen sinnvoll beantworten: Wieso das hohe Münzaufkommen? Wieso die vielen VARus-Stempel? Wieso die vielen Goldmünzen? (Mehr als alle anderen dt. Fundstätten zusammen) Wieso die Bestattungen von Leichen die nach anthropologischem Befund der Uni Tübingen mindestens zwei Jahre überirdisch gelesen haben?

Dass in Germanien nach Varus' Statthalterschaft Münzen mit Varus' Stempel im Umlauf waren, also auch noch im Jahr 15 oder 16, ist denke ich nicht so unwahrscheinlich. Bestattung von mehreren Jahren an der Erdoberfläche gelegenen Gebeinen spricht eher für Varusschlacht, Deponierung von Gebeinen weniger Menschen und Tierknochen zusammen in einer Grube auf dem Schlachtfeld spricht eher gegen Varusschlacht, aus den Knochen alleine wird man wohl niemals gesicherte Rückschlüsse ziehen können. Es sei den, man findet den Varus Grabhügel, also Spuren von der Bestattung sehr vieler Gebeine, und da bin ich mit dem Knochenberg bei Hemmern zumindest was das Grabmal angeht wie ich meine auf einer wichtigen Spur.
 
Hinterhalt ist aber eben nicht gleichbedeutend mit Wall, da reicht es schon den Römern in einem Wald aufzulauern. Und wie gesagt, wenn auch nur in einem kleinen Nebensatzt erwähnt würde "und hier kämpften sie unglücklich am Wall" wäre ich zufrieden. Aber der 400 m lange, eine Engstelle erzeugende und für den ganzen Tag der Schlacht bei Kalkriese wichtige Wall hat es in keine einzige der Quellen geschafft, und wenn man antike Schriften als Informationsquelle ernstnehmen will, ist das schon sehr merkwürdig, und diesen Umstand zu verdrängen wird den Forschungsarbeiten in Kalkriese ja auch nicht gerecht, wo man ja sicher auch mal irgendwann eine definitive Bestätigung haben möchte, welche Schlacht dort stattgefunden hat, sei es Varus oder eine andere.



Ich will Kalkriese als Ort der Varusschlacht nicht diskreditieren, ich möchte einfach nur, dass man auch bei der Kalkriese Theorie offen über die Kontras spricht.

Und die Paderborner Hochfläche gehört eigentlich auch nicht zum Sauerland, sondern zum Weserbergland:
Paderborner Hochfläche ? Wikipedia



Dass in Germanien nach Varus' Statthalterschaft Münzen mit Varus' Stempel im Umlauf waren, also auch noch im Jahr 15 oder 16, ist denke ich nicht so unwahrscheinlich. Bestattung von mehreren Jahren an der Erdoberfläche gelegenen Gebeinen spricht eher für Varusschlacht, Deponierung von Gebeinen weniger Menschen und Tierknochen zusammen in einer Grube auf dem Schlachtfeld spricht eher gegen Varusschlacht, aus den Knochen alleine wird man wohl niemals gesicherte Rückschlüsse ziehen können. Es sei den, man findet den Varus Grabhügel, also Spuren von der Bestattung sehr vieler Gebeine, und da bin ich mit dem Knochenberg bei Hemmern zumindest was das Grabmal angeht wie ich meine auf einer wichtigen Spur.

Die Argumente pro/contra Identität Kalkriese mit Varusschlacht sind in diesen und anderen Threads (sowie auch in anderen Foren/Literatur etc.) bis in extenso ausdiskutiert worden.

Anhand dessen, was an Fakten vorliegt, also Funde, Befunde, Quellen, mag sich ein jeder selbst seine Meinung bilden, ob hier wirklich Varus sein Ende gefunden hat oder nicht. Man kann auch - so halte ich es - der Meinung sein, dass hier wahrscheinlich die Schlacht stattgefunden hat, aber es auch anders sein könnte. Eine 100-%-Gewißheit für oder dagegen haben wir nun mal nicht. Ob man die Gewißheit jetzt eher bei 1 % oder 99 % oder irgendwo dazwischen ansiedeln möchte, sei jedem selbst überlassen.
 
Hinterhalt ist aber eben nicht gleichbedeutend mit Wall,
Das habe ich auch nicht gesagt. Ich habe gesagt, dass in den Quellen etwas von einem Hinterhalt steht und nicht gesagt wird, welcher Gestalt dieser war. Die Quellen sind einfach viel zu wage. Der einzige, der die Schlacht beschreibt, Cassius Dio, hat sich ausgerechnet in militärhistorischen Dingen als desinteressiert herausgestellt. Und ausgerechnet auf dem bauen dann langatmige Hypothesen auf?

Aber der 400 m lange, eine Engstelle erzeugende und für den ganzen Tag der Schlacht bei Kalkriese wichtige Wall hat es in keine einzige der Quellen geschafft,

Du tust immer so, als wären die Quellen furchtbar ausführlich. Sie sind es nicht!

wo man ja sicher auch mal irgendwann eine definitive Bestätigung haben möchte, welche Schlacht dort stattgefunden hat, sei es Varus oder eine andere.
Wissenschaft ist kein Wunschkonzert.


Ich will Kalkriese als Ort der Varusschlacht nicht diskreditieren, ich möchte einfach nur, dass man auch bei der Kalkriese Theorie offen über die Kontras spricht.
Das können wir gerne tun. Dann sollten aber auch keine überzogenen Forderungen an die Quellen gestellt werden. Eine überzogene Forderung an die Quellen ist, jedes Detail aus der Archäologie in ihnen wiederzufinden.


Dass in Germanien nach Varus' Statthalterschaft Münzen mit Varus' Stempel im Umlauf waren, also auch noch im Jahr 15 oder 16, ist denke ich nicht so unwahrscheinlich.
Das hat auch niemand behauptet. Die Menge macht's aber. Nirgendwo sind die VARus-Gegenstempel statistisch so häufig, wie in Kalkriese. Man kannte sie schon vor Kalkriese. Dazu die Goldmünzen. Das war kein Soldatengeld.

Bestattung von mehreren Jahren an der Erdoberfläche gelegenen Gebeinen spricht eher für Varusschlacht, Deponierung von Gebeinen weniger Menschen und Tierknochen zusammen in einer Grube auf dem Schlachtfeld spricht eher gegen Varusschlacht,
Warum? (Ja, ich kenne die Antwort, es sei "pietätlos" gewesen, Mensch und Tier miteinander zu bestatten. Aber das kann doch ernsthaft nur jemand behaupten, der glaubt, dass anthropologisch geschulte Legionäre die Knochen alle einzeln analysierten.)
 
3500 Beiträge!

Und ich liebe dieses Thema immer noch! :heart: :heart::heart:

Habe hier viele neue Infos zum Thema erhalten und konnte so manche alte Vorstellung/Meinung über Bord werfen!

Dickes Dankeschön an alle Mitdiskutanten! :anbetung:
 
Ich bin mir sowieso ob der Lesung LPA nicht sicher. Ich sehe da z.B. auch zwei XX und die Schlaufe des P ist unverhältnismäßig hoch angesiedelt.
Aber sei's drum, so ein Werkstück wurde sicher nicht entsorgt, weil die Legion nicht mehr existierte. Es gibt auch durchaus zahlreiche Ausrüstungsgegenstände, die mehr als eine Besitzerinschrift aufweisen, weil sie verkauft, verspielt, unrechtmäßig angeeignet wurden etc.
...

Achtung Spekulatius meinerseits!

Genau das sehe ich auch, nämlich LPAXX.

T. Vibius mag das Schwert geerbt haben mit der Inschrift LPA Legio
Prima Augusta. Die paßte nun nicht mehr. Er überlegt - und hat eine Idee.

Schreibt er jetzt dahinter XX, dann hat er erstens das schöne Wort PAX
immer bei sich, und zweitens steht da nun Legio prima ante XX, die erste vor der zwanzigsten, das ist LEG XIX.

...
2) Die Wahrscheinlichkeit, dass eine 400 m lange und falls germanisch absolut einzigartige Befestigung, die den Verlauf der Schlacht in Kalkriese stark beeinflusst hat, in keiner der Quellen zur Varusschlacht erwähnt wird, ist sehr gering. Die Fundregion Kalkriese ist daher als Ort der Varusschlacht anzuzweifeln.

Und nochmal Spekulatius:

Genau das, daß der Wall also nicht erwähnt wird, könnte aber der Fall sein,
wenn die Kalkrieser Schlacht nur noch der Nachhall war, wenn also alles andere und wichtige, der Tod des Varus, der Legaten, der Verlust der Adler usw. sich weiter östlich abgespielt hätte, und in Kalkriese nur noch
römische Truppen, die der Vernichtung zunächst entkommen waren, in den
Hinterhalt liefen (vgl. Tony Clunns Darstellung der Ereignisse).

Seltsam, das gebe ich zu, ist allerdings, daß diese noch so viel Münzen dabeihatten.

Aber nun noch mal zu dem Grassodenwall. Es wird ja immer gesagt, es gäbe zwei Möglichkeiten.

1. Römisches Bauwerk, dann war es Caecina.

2. Germanisches Bauwerk.

Auf gar keinen Fall, so steht es auch im Grassodenwall-Thread geschrieben, war es ein römisch-germanischer Wall.

Aber genau das halte ich für möglich. Caecina ist unwahrscheinlich, wie in den vorstehenden Beiträgen dargelegt; aber es könnte sehr wohl ein
römisches Bauwerk sei, vielleicht angelegt in den Jahren 1 - 8 (nur mal, um
Jahreszahlen zu nennen), und zwar einfach zur Absicherung des Hellweges gegen vom Kalkrieser Berg fließendes Wasser, um einen besseren
Marschweg zu haben (vielleicht wurde er vor der Varusschlacht oft benutzt?) Dies erklärt die Drainage- oder Wassersammelgräben auf der dem Berg zugewandten Südseite, es erklärt die Durchbrüche und die Gräben quer zum Weg, wodurch das Wasser in das Moor abgeleitet wurde.
Die Römer brauchten über diese Abflüsse nur ein paar Bohlen zu legen -
Brücken waren nicht erforderlich -, und konnten dann auch mit Troß den Weg benutzen - vorausgesetzt, der Regen war nicht zu stark, für Wolkenbrüche reichte das Bauwerk wohl nicht.

Als nun ein Teil der Römer dem letzten Lager, wo Varus den Tod fand, entkommen war, und die Germanen ließen einen Teil absichtlich entkommen, um die Kampfkraft der Römer weiter zu schwächen,
hatte Arminius schon den Plan, das römische Entwässerungsbauwerk gegen seine Erbauer zu nutzen. Die Germanen überholten mit frischen, ausgeruhten Kräften
die Römer und mußten nun, in Kalkriese angekommen, nur noch ein paar
Grassoden auf den ja bereits bestehenden Wall werfen, um ihm eine für den neuen Zweck passende Höhe zu geben.

- Spekulatius Ende -
 
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