Ein paar Anmerkung muss ich aber dann doch machen:
Es sind Forschungsergebnisse lange verschwiegen worden. Und wenn an den Theorien der Archäologen vor Ort Kritik geübt wird, wird dies gleich als Anfeindung hingestellt. Insbesondere dies unwissenschaftliche Verhalten, beleidigte Leberwurst zu spielen, statt zu erklären, hat mich sehr skeptisch gemacht. Zur Wissenschaft gehört nämlich, sich der Kritik zu stellen. Ich habe selbst erlebt, wie Politik und Wirtschaft mit der Geschichte umgehen, weshalb ich eine Vermutung habe, wie das zustande kam. Hier hilft doch nur Eines: miteinander Reden. Die Einen müssen ihrer Skepsis Ausdruck verleihen dürfen, ohne dass ihnen vorgeworfen wird "contra hominem" zu argumentieren. Und die anderen müssen Irrtümer aufklären und erklären. Aber die Ersten müssen sie auch ernst nehmen und die Argumente bedenken, statt sofort "aber" oder "Verschwörung" zu brüllen. Man stelle sich vor, die Physiker und Meteorologen hätten aufgehört, ihre Theorien zur Klimaerwärmung immer wieder vorzutragen und zu erklären. Wo Wissenschaft nicht einer Meinung ist und die Öffentlichkeit sich einmischt, funktioniert es nur so.
Dann sind auch die archäologischen Funde nicht ganz so eindeutig, wie oft dargestellt. Ein paar Dinge muss man z.B. leicht früher datieren (z.B. lorica segmentata - erst Claudius, dann Tiberius, jetzt Augustus). Aber: einer neu gefundenen Quelle, die nichts Neues bringt, insbesondere keine neuen Fragen aufwirft, ist nicht zu trauen. Wer also die These von der "Varusschlacht im Osnabrücker Land" angreifen will, muss sich die Forderung gefallen lassen, erst einmal lang erkannte Gesetzmäßigkeiten von Historie und Archäologie zur Kenntnis zu nehmen. Ich habe in diesem Thread ja schon mehrfach angedeutet, dass die antike Geschichtsschreibung nicht immer wörtlich zu nehmen ist. Anschauliche Einzelheiten zu Schlachten - Klirren der Schwerter, Herabfallende Baumwipfel im Sturm - haben sich die Geschichtsschreiber meist nur ausgedacht. Nachzulesen z.B. bei Dieter Flach, Einführung in die römische Geschichtsschreibung. Darmstadt 1985. Zweite, verbesserte Auflage, Darmstadt 1992.
Aber wenn z.B. behauptet wird, das es in Kalkriese keinen 'Germanicus-Horizont' gebe, dann muss man sich Nachfragen gefallen lassen. Laut Tacitus war er mit mehreren Legionen am Ort der Niederlage, hat das Schlachtfeld verändert und wurde sogar - hier ist Tacitus nicht ganz klar, ob noch vor Ort oder beim Abmarsch - dort überfallen. Selbst klein Fritzchen merkt: Kein Germanicus - kein Ort der Varusschlacht. Mangelnde Funde können oft dem Zufall zugeschrieben werden, hier wird aber behauptet, dass es diesen 'Horizont' nicht gibt.
Ein paar Anmerkungen und Fragen meinerseits:
zu Punkt eins:
Welche Forschungsergebnisse meinst du denn konkret?
Und warum hat man diese (absichtlich) verschwiegen?
Und muß man durch diese einst verschwiegenen aber offensichtlich jetzt vorhandenen Ergebnisse den Fundplatz neu bewerten, bzw. den generellen Befund infrage stellen?
zu Punkt zwei:
Zustimmung!
zu Punkt drei:
Dieser Punkt ist natürlich ein wenig heikel.
Ein eigenständiger Germanicus Horizont ist zumindest fraglich, da zwischen dem Haltener- und einem möglichen Germanicus Horizont nur wenige Jahre liegen. Und natürlich ist es möglich, daß hier falsche Bewertungen existieren. Funde am Rhein oder Bentumersiel können hier demnächst evt. Antworten geben. In Kalkriese gibt es allerdings wohl keine Anzeichen für den Germanicus, siehe z.B. die Münzreihe. Auch der Befund in Kalkriese spricht eher gegen Germanicus. Die mit Sicherheit nachgewiesenen Plünderungen in Kalkriese deuten auf einen großen Sieg der Germanen hin. Ein solch großer Erfolg ist eigentlich in den Quellen nur durch die Varusschlacht überliefert. Die überlieferten Schlachten der Germanicus Feldzüge haben allerdings die Römmer für sich entschieden. Nun war das insbesondere bei der Caecina Schlacht vieleicht etwas knäpplich. Allerdings können wir, wenn wir den Tacitus lesen davon ausgehen, daß die Römer mit einem blauen Auge davongekommen sind. Aber auch in dieser Schlacht sind sie wohl nicht Hals über Kopf geflohen und haben ihre gesamte Ordung verloren. Sie werden wohl Tote und Verletze geborgen haben und mitgenommen haben. Somit passen die Plünderungen und Verschrottungen einfach nicht zu Germanicus.
Und noch etwas:
Wenn es um Anfeindungen geht, dann gibt es bezügl. Kalkriese genügend Beispiele. Gerade die Anfeindungen, welche die Archäologen vor Ort in Kalkriese in der Vergangenheit erleiden mußten, sprechen da durchaus Bände. Die Diskussion um den Ort der Varusschlacht endet nicht selten in persönlichen Anfeindungen bis hin zur Polemik - oder gar in einer Strafanzeige wegen Subventionserschleichung. Und wie polemisch oder beleidigend diese Diskussion geführt werden kann, haben wir nicht zuletzt auch in diesem Forum, bzw. in diesem Thread erlebt.
Mein persönlicher, zugegeben subjektiver Eindruck ist dabei immer, daß die Kalkriese Gegner irgendwann an einen Punkt kommen, wo es mit sachlichen Argumenten nicht mehr weitergeht. Auch ich war zwischenzeitlich in all den Jahren innerhalb dieses Themas durchaus der Caecina Theorie zugetan. Allerdings hat mich die Argumentation diverser Mitdiskutanten letzlich vom Gegenteil überzeugt.
Kalkriese hat letztlich einen wirklich großen Vorteil gegenüber den anderen 700 und mehr Theorien zur Örtlichkeit der Varusschlacht:
Ein breites Spektrum an ärchäologischen Funden. Und da kann ich die schriftlichen Quellen noch so sehr in die oder eine andere Richtung interpretieren. Letztlich ist Papier geduldig und in Kalkriese habe ich etwas zum "Anfassen". Und die Indizien
kette spricht eher für Varus. Auch weil diese Kette von Indizien die Quellen durchaus bestätigen.
Beweise für die Anwesenheit der Varuslegionen gibt es nach wie vor nicht und es ist fraglich, ob ein solcher Beweis jemals gefunden - und anerkannt:still: wird.
Auch die Frage einer Neubewertung der Funde durch andere Universitäten, wie flavius-sterius sie ins Gespräch gebracht hat, ist nicht nachzuvollziehen. Die Funde liegen doch vor und sind veröffentlicht (Kalkriese 1-6). Ich denke, wenn es da irgendwelche neueren Erkenntnisse geben würde, hätten wir längst davon gehört.
Momentan scheint die Ära der großen Funde in Kalkriese vorbei zu sein. Allerdings vergeht auch viel Zeit für die Auswertung der vorhandenen Artefakte - das sollte man nie vergessen. Hinzu kommt, daß selbst größere Teile vom Oberesch zumindest grabungstechnisch noch garnicht erforscht sind. Und wie sieht es mit den Flugsandzonen im Norden des Engpasses aus? All das wirft Fragen (wohl auch für zukünftige Archäologengenerationen) auf. Und Achim Rost untersucht derzeit eher das Umfeld in Hinblick auf
conflict landscape. Es geht dort in Kalkriese also auch um andere interessante Dinge und zwar abseitsder ewigen Frage:
Varus: ja oder nein.
Man sollte diesen absolut bedeutenden Fundplatz nicht ewig an dieser Frage messen. Wir sollten alle froh sein, daß dieser Platz existiert und das er es wert ist weiterhin erforscht zu werden. Und es sind nicht die Ärchäologen vor Ort die nur dem Varus hinterherrennen. Es ist, nennen wir es breite Öffentlichkeit, die nach weiteren aufsehnerregenden Ergebnissen dürstet. Varus, ja oder nein. Aber in Wirklichkeit geht es dort um viel mehr...
Ich habe fertig...:grübel: