Man stößt immer wieder auf Darstellungen des britischen Luftangriffs auf Mönchengladbach-Rheydt am 11./12. Mai 1940. Was ich dazu gefunden habe, ist hier aufbereitet.
Vorwiegend in nicht-militärischen, zudem besonders in revisionistischen Darstellungen zum Weltkrieg wird der Angriff als erster Bombenangriff auf eine deutsche Stadt, als ein Terrorangriff, Flächenbombardement, Bombenangriff auf und Beginn des Bombenkrieges rein gegen die Zivilbevölkerung gekennzeichnet. Es wird dazu vom „moral bombing“ und vom Angriff auf die Wohngebiete gesprochen. Diese Darstellungen sind unrichtig.
Zum Hintergrund:
Am 10.5.1940 begann im Westen die deutsche Offensive, der sog. Fall Gelb. Dabei wurde im hier interessierenden Abschnitt die belgische Grenze von zwei deutschen Panzerdivisionen überschritten (3. und 4. PD). Ihr folgten die zurück gestaffelten Teile der 20. ID (mot.), sowie weiterer Infanteriedivisionen (1., 61.) nach. Die IDs bewegten sich mit Truppenteilen vom 11.-13. Mai 1940 auch durch den Raum Mönchengladbach-Rheydt, wobei die Bahnlinien nach Westen und Südwesten genutzt wurden (Jacobsen, Fall Gelb).
Die alliierten Luftstreitkräfte wurden in recht planlosen und unkoordinierten Anweisungen aufgefordert (Boog, in DRZW 6, S. 452ff.), Luftangriffe gegen diese deutschen Bodenoperationen vorzunehmen, wobei sich die rapide verschlechternde militärische Lage am Boden auswirkte. Angriffe östlich des Rheins waren zur der Zeit vom War Cabinett untersagt. Ein Schwerpunkt der Angriffe sollten dabei die Maasbrücken bei Maastricht darstellen, über die deutsche Truppen nach Westen strömten. Ein anderer Schwerpunkt waren die Bahn- und Straßenlinien. Aufgrund des Mangels an Bombern wurde zusätzlich auch das Bomber Command beauftragt, Angriffe zu führen. Dieser Angriff des BC wurde gegen die Verbindungslinien bei Mönchengladbach sowie im Raum bis Aachen bestimmt. Er sollte wie üblich nachts durchgeführt werden, aufgrund der verlustreichen Erfahrungen aus 1939. Der Angriff forderte 4 Todesopfer auf deutscher Seite in Mönchengladbach. Beteiligt waren die 18., 51., 58. und 77. Squadron. Nach Chorley, Royal Air Force Bomber Command Losses, Band 1 (1939-1940) wurden drei britische Flugzeuge abgeschossen..
Luftangriffe auf Städte außerhalb des Konzeptes von „moral bzw. area bombing“ lassen sich grundsätzlich in drei Kategorien einordnen:
a) im unmittelbaren Zusammenhang und räumlicher Nähe zu militärischen Operationen
b) als Angriffe auf befestigte Städte in analoger Anwendung der Haager Landkriegsordnung
c) als begrenzte Bombenangriffe auf militärische Ziele, die in oder in unmittelbarer Nähe von Städten liegen. Dazu gehören militärisch nutzbare Anlagen wie Bahnhöfe, Schienen- und Straßenwege, Wasserstraßen, Flughäfen, Rüstungsbetriebe, Häfen.
Alle drei Kategorien von Luftangriffen wurden 1939 nach ganz herrschender Meinung (vgl. Spaight, Air Power and War Rights, schon aus 1924) als vom Kriegsrecht gedeckt betrachtet, obgleich der Abschluß einer speziellen Luftkriegsordnung vor dem Krieg gescheitert war.
Zu diesem Zeitpunkt waren dem BC Angriffe auf deutsche Städte ohne Zusammenhang mit militärischen Bodenoperationen untersagt. Der Angriff auf Mönchengladbach-Rheydt, wie auch die anderen Angriffe in dieser Nacht nach Kategorie c) stellt insofern keine Eskalation des Bombenkrieges dar. Er wurde angeordnet, weil das alliierte Oberkommando fälschlicherweise hinter dem belgischen Raum zu diesem Zeitpunkt auch das Schwergewicht der deutschen Offensive vermutete. Tatsächlich war der Raum Mönchengladbach, die Straßen und Schienenwege zum Zeitpunkt des Angriffes von deutschen Truppen regelrecht verstopft. Dagegen wurden die durch Südbelgien/Luxemburg auf Sedan vorstoßenden Verbände und ihr Aufmarsch kaum behelligt.
Bei früher erfolgten Angriffen wurde das Ruhrgebiet vom BC ausgenommen, um keine Provokationen für deutsche Luftangriffe alliierte Städte auszulösen. Zur Bombardierung vorgegeben wurden vor dem 11.5.1940 auf deutschem Gebiet nur militärische Ziele gemäß c) - für a) und b) fehlten die Anlässe -, bei denen die Gefahr einer versehentlichen Bombardierung der Stadt weitestgehend ausgeschlossen war. Der Angriff auf Mönchengladbach wurde wie damals üblich, weil technisch bedingt, in Einzelanflügen durchgeführt. Die Treffergenauigkeit war gering, Zielmarkiereungen nicht vorhanden. Über Flugroute, Flughöhe etc. konnte jede Besatzung selbst entscheiden, nächtliche Formationsflüge waren nicht durchführbar (Neillands, The Bomber War, Arthur Harris and the Allied Bomber Offensive 1939-1945).
Der Bombenangriff als Begleiterscheinung einer militärischen Großoperation im Westen wurde auch durch die deutsche Führung als solcher ausdrücklich erkannt (und als unerheblich und planlos gegen die Verkehrswege zur bedrohten Front, nicht als Vergeltungs- oder Terrorangriffe gewertet; Boog, DRZW 6, S. 452). Er wurde somit auch nicht als Angriff auf die Zivilbevölkerung, sondern als gegen die Verbindungslinien gerichtet erkannt. Die Luftverteidigung im Westen berichtete ab dem 10. Mai 1940 ausschließlich von Einzelangriffen (am 10.5. auf die Krupp-Werke und 2 Kohlebergwerke, am 11.5. gegen Oberwesel, in der folgenden Nacht gegen 15 Einzelziele im Raum Aachen-Mönchengladbach-Düsseldorf-Viersen). Berichtet wird von nur geringfügigen Schäden, so dass auch keine Reaktionen für die deutsche Luftabwehr für notwendig gehalten wurden (Walter Grabmann, The German Air Defences, 1957, Studie für die US-Luftwaffe, Teil I, S. 285).
Umgekehrt hatte die Luftwaffe bereits bis zu diesem Tag Bombenangriffe auf Städte in großem Umfang vorgenommen, die mit dem unmittelbaren Zusammenhang zu militärischen Operationen begründet worden sind.
Weitere Darstellungen in der Literatur, zB:
Veale (Advance to Barbarism, 1953) formuliert zu dem Angriff wie folgt: “the first deliberate breach of the fundamental rule of civilized warfare that hostilities must only be waged against the enemy combatant forces". Friedrich, Der Brand, S. 77 spricht lapidar von Angriffen auf Straßen und Schienenwege in Mönchengladbach und nennt es den Auftakt zum Bombenkrieg auf deutschem Boden. Genauer ist Richards, RAF 1939-1945, Band I, S. 115. Er erwähnt Angriffe auf die „Exits“ von Mönchengladbach, wobei im militärisch-operativen Sinn die Straßen- und Schienenwegenetze gemeint sind. Weiter wird richtig dargestellt, dass der Angriff zur Blockade der deutschen Truppenbewegungen nach Westen angeordnet worden ist. Die Bomber Command War Diaries, S. 42 (von Middlebrook/Everitt) weisen für den 12.5.1940 folgendes Ziel des Angriffs: „spezielle, als Ziel bestimmte Straßen und Eisenbahnverbindungen“.
Gibt es weitere Anmerkungen/Einwendungen zu diesen Vorfall? Ergänzungen sind sehr erwünscht, wobei mich bei der Zusammenstellung das häufige unkritische Zitieren erstaunt hat.
Vorwiegend in nicht-militärischen, zudem besonders in revisionistischen Darstellungen zum Weltkrieg wird der Angriff als erster Bombenangriff auf eine deutsche Stadt, als ein Terrorangriff, Flächenbombardement, Bombenangriff auf und Beginn des Bombenkrieges rein gegen die Zivilbevölkerung gekennzeichnet. Es wird dazu vom „moral bombing“ und vom Angriff auf die Wohngebiete gesprochen. Diese Darstellungen sind unrichtig.
Zum Hintergrund:
Am 10.5.1940 begann im Westen die deutsche Offensive, der sog. Fall Gelb. Dabei wurde im hier interessierenden Abschnitt die belgische Grenze von zwei deutschen Panzerdivisionen überschritten (3. und 4. PD). Ihr folgten die zurück gestaffelten Teile der 20. ID (mot.), sowie weiterer Infanteriedivisionen (1., 61.) nach. Die IDs bewegten sich mit Truppenteilen vom 11.-13. Mai 1940 auch durch den Raum Mönchengladbach-Rheydt, wobei die Bahnlinien nach Westen und Südwesten genutzt wurden (Jacobsen, Fall Gelb).
Die alliierten Luftstreitkräfte wurden in recht planlosen und unkoordinierten Anweisungen aufgefordert (Boog, in DRZW 6, S. 452ff.), Luftangriffe gegen diese deutschen Bodenoperationen vorzunehmen, wobei sich die rapide verschlechternde militärische Lage am Boden auswirkte. Angriffe östlich des Rheins waren zur der Zeit vom War Cabinett untersagt. Ein Schwerpunkt der Angriffe sollten dabei die Maasbrücken bei Maastricht darstellen, über die deutsche Truppen nach Westen strömten. Ein anderer Schwerpunkt waren die Bahn- und Straßenlinien. Aufgrund des Mangels an Bombern wurde zusätzlich auch das Bomber Command beauftragt, Angriffe zu führen. Dieser Angriff des BC wurde gegen die Verbindungslinien bei Mönchengladbach sowie im Raum bis Aachen bestimmt. Er sollte wie üblich nachts durchgeführt werden, aufgrund der verlustreichen Erfahrungen aus 1939. Der Angriff forderte 4 Todesopfer auf deutscher Seite in Mönchengladbach. Beteiligt waren die 18., 51., 58. und 77. Squadron. Nach Chorley, Royal Air Force Bomber Command Losses, Band 1 (1939-1940) wurden drei britische Flugzeuge abgeschossen..
Luftangriffe auf Städte außerhalb des Konzeptes von „moral bzw. area bombing“ lassen sich grundsätzlich in drei Kategorien einordnen:
a) im unmittelbaren Zusammenhang und räumlicher Nähe zu militärischen Operationen
b) als Angriffe auf befestigte Städte in analoger Anwendung der Haager Landkriegsordnung
c) als begrenzte Bombenangriffe auf militärische Ziele, die in oder in unmittelbarer Nähe von Städten liegen. Dazu gehören militärisch nutzbare Anlagen wie Bahnhöfe, Schienen- und Straßenwege, Wasserstraßen, Flughäfen, Rüstungsbetriebe, Häfen.
Alle drei Kategorien von Luftangriffen wurden 1939 nach ganz herrschender Meinung (vgl. Spaight, Air Power and War Rights, schon aus 1924) als vom Kriegsrecht gedeckt betrachtet, obgleich der Abschluß einer speziellen Luftkriegsordnung vor dem Krieg gescheitert war.
Zu diesem Zeitpunkt waren dem BC Angriffe auf deutsche Städte ohne Zusammenhang mit militärischen Bodenoperationen untersagt. Der Angriff auf Mönchengladbach-Rheydt, wie auch die anderen Angriffe in dieser Nacht nach Kategorie c) stellt insofern keine Eskalation des Bombenkrieges dar. Er wurde angeordnet, weil das alliierte Oberkommando fälschlicherweise hinter dem belgischen Raum zu diesem Zeitpunkt auch das Schwergewicht der deutschen Offensive vermutete. Tatsächlich war der Raum Mönchengladbach, die Straßen und Schienenwege zum Zeitpunkt des Angriffes von deutschen Truppen regelrecht verstopft. Dagegen wurden die durch Südbelgien/Luxemburg auf Sedan vorstoßenden Verbände und ihr Aufmarsch kaum behelligt.
Bei früher erfolgten Angriffen wurde das Ruhrgebiet vom BC ausgenommen, um keine Provokationen für deutsche Luftangriffe alliierte Städte auszulösen. Zur Bombardierung vorgegeben wurden vor dem 11.5.1940 auf deutschem Gebiet nur militärische Ziele gemäß c) - für a) und b) fehlten die Anlässe -, bei denen die Gefahr einer versehentlichen Bombardierung der Stadt weitestgehend ausgeschlossen war. Der Angriff auf Mönchengladbach wurde wie damals üblich, weil technisch bedingt, in Einzelanflügen durchgeführt. Die Treffergenauigkeit war gering, Zielmarkiereungen nicht vorhanden. Über Flugroute, Flughöhe etc. konnte jede Besatzung selbst entscheiden, nächtliche Formationsflüge waren nicht durchführbar (Neillands, The Bomber War, Arthur Harris and the Allied Bomber Offensive 1939-1945).
Der Bombenangriff als Begleiterscheinung einer militärischen Großoperation im Westen wurde auch durch die deutsche Führung als solcher ausdrücklich erkannt (und als unerheblich und planlos gegen die Verkehrswege zur bedrohten Front, nicht als Vergeltungs- oder Terrorangriffe gewertet; Boog, DRZW 6, S. 452). Er wurde somit auch nicht als Angriff auf die Zivilbevölkerung, sondern als gegen die Verbindungslinien gerichtet erkannt. Die Luftverteidigung im Westen berichtete ab dem 10. Mai 1940 ausschließlich von Einzelangriffen (am 10.5. auf die Krupp-Werke und 2 Kohlebergwerke, am 11.5. gegen Oberwesel, in der folgenden Nacht gegen 15 Einzelziele im Raum Aachen-Mönchengladbach-Düsseldorf-Viersen). Berichtet wird von nur geringfügigen Schäden, so dass auch keine Reaktionen für die deutsche Luftabwehr für notwendig gehalten wurden (Walter Grabmann, The German Air Defences, 1957, Studie für die US-Luftwaffe, Teil I, S. 285).
Umgekehrt hatte die Luftwaffe bereits bis zu diesem Tag Bombenangriffe auf Städte in großem Umfang vorgenommen, die mit dem unmittelbaren Zusammenhang zu militärischen Operationen begründet worden sind.
Weitere Darstellungen in der Literatur, zB:
Veale (Advance to Barbarism, 1953) formuliert zu dem Angriff wie folgt: “the first deliberate breach of the fundamental rule of civilized warfare that hostilities must only be waged against the enemy combatant forces". Friedrich, Der Brand, S. 77 spricht lapidar von Angriffen auf Straßen und Schienenwege in Mönchengladbach und nennt es den Auftakt zum Bombenkrieg auf deutschem Boden. Genauer ist Richards, RAF 1939-1945, Band I, S. 115. Er erwähnt Angriffe auf die „Exits“ von Mönchengladbach, wobei im militärisch-operativen Sinn die Straßen- und Schienenwegenetze gemeint sind. Weiter wird richtig dargestellt, dass der Angriff zur Blockade der deutschen Truppenbewegungen nach Westen angeordnet worden ist. Die Bomber Command War Diaries, S. 42 (von Middlebrook/Everitt) weisen für den 12.5.1940 folgendes Ziel des Angriffs: „spezielle, als Ziel bestimmte Straßen und Eisenbahnverbindungen“.
Gibt es weitere Anmerkungen/Einwendungen zu diesen Vorfall? Ergänzungen sind sehr erwünscht, wobei mich bei der Zusammenstellung das häufige unkritische Zitieren erstaunt hat.