Nebenkriegsschauplätze zur provinzialrömischen Archäologie in D und Nachbarländern

Na ja, klar steht das da und so sollte es der Leser wohl verstehen, aber heißt es deswegen gleich, dass es stimmen muss?

Deine Frage lief darauf hinaus, wie es gemeint ist.

Kann es nicht auch so gemeint sein, dass eine kleinere Anzahl Schiffe die Landungspunkte mehrmals angelaufen haben und man so auf insg. "1000" Transporte gekommen ist. Die "1000" Schiffe wären dann eher symbolisch gemeint. :grübel:

Wie es gemeint ist, kann man eindeutig beantworten.


Ob das Gemeinte dann auch den historischen Tatsachen entspricht, ist wieder eine andere Frage.
Zu dieser Frage habe ich geschrieben:
Das wissen wir natürlich nicht.
Wir wissen auch nicht, wie Tacitus auf die Zahl gekommen ist.
Es ist nicht unwahrscheinlich, dass er da sehr großzügig "aufgerundet" hat.

Ich denke, da sind wir uns einig.




Und so ein Shuttle-System könnte ja sehr gut funktionieren, wenn große Schiffe bis zur Mündung fahren und kleiner die Fracht im Shuttelmodus zum Zielort bringen!
Das sind jetzt zwei verschiedene Aspekte:

1. Gab es zwei Flotten, eine für den Seetransport und eine für den Flusstransport? Das wäre nicht von vornherein undenkbar. Tacitus spricht ja immerhin einerseits von Schiffen, die den Wellengang aushalten, andererseits von Schiffen mit flachem Kiel. Allerdings müssen auch die Flusschiffe erst einmal dahin gebracht werden, wo sie gebraucht werden.

2. Gab es ein Shuttle-System mit verhältnismäßig wenigen Schiffen, die hin und her pendelten? Das würde ich ausschließen.
 
Fossa drusiana, Bentumersiel.

Ja den meinte ich. Aber selbst dann bist du noch nicht an der Emsmündung, geschweige denn Weser oder Elbe.

Zwischen einem Flußschiff wie einem Navis Iusoria oder gar einer Brahme und einer Triere gab es aber noch andere Schiffstypen, die die Triere sogar zunehmend ablösten in der Kaiserzeit. Gerade bei den Flußflotten gab es wahrscheinlich eher weniger Trieren. Kleinere und mittlere Liburnen (einreihige oder zweireihige Biremen) dürften für diese Aufgabe aus offenem Meer und Flußschiffahrt besser geeignet gewesen sein.
 
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Kann es nicht auch so gemeint sein, dass eine kleinere Anzahl Schiffe die Landungspunkte mehrmals angelaufen haben und man so auf insg. "1000" Transporte gekommen ist. Die "1000" Schiffe wären dann eher symbolisch gemeint. :grübel:

Das ist sehr interessant!
Ich persönlich finde die gesamten Schilderungen des Tacitus in dieser Hinsicht zumindest fragwürdig. Die erste Frage ist doch zunächst einmal wieviele Legionäre und Hilfstruppen dem Germanicus zur Verfügung standen. Tacitus schreibt immer von 8 Legionen. Das ist durchuas glaubhaft, aber was bedeutet dies in konkreten Zahlen? 40.000 Mann oder 60.000 oder gar 80.000? Wir wissen es nicht.

Und dann ist da ja auch diese seltsame Geschichte von der Belagerung eines Kastells an der Lippe. Nicht das ich diese anzweifeln würde. Aber Germanicus rückt mit 6(!) Legionen aus um diese Belagerung aufzulösen.
Konkret bedeutet dies, daß Germanicus kurz vor Beginn des eigentlichen Feldzuges mit immerhin 3/4 seiner Streitmacht aufbricht nach Germanien um diese Belagerung aufzulösen. Dann kehrt er mit dieser großen Streitmacht von Germanien wieder auf an den Rhein um diese Truppen zu verschiffen um sie wiederum nach Germanien zu bringen? Wäre es nicht logischer diese 6 Legionen, die sich in Germanien befanden weiter über Land an die Ems zu bringen, anstatt sie umständlich an den Rhein zurückzuführen um sie dann zu verschiffen?

Eine andere Frage ist natürlich auch der durchaus enge Zeitrahmen zum Aufbau, bzw. Neubau einer solchen Flotte. Germanicus hatte einen durchaus verlustreichen Feldzug hinter sich und mußte danach erst einmal eine Menge Geld zur Finanzierung des Feldzugs 16 n.Chr. aufbringen. Diese Geld aufzutreiben war sicherlich zeitaufwendig. Auch eine mögliche Neuorganisation der Rheinlegionen nach dem Feldzug 15 n.Chr. wird einige Zeit in Anspruch genommen haben. Der Aufbau einer solch gewaltigen Flotte in so kurzer Zeit ist zumindest fraglich.
 
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Tacitus gibt uns ja in Tac. ann. I die Information, dass Germanicus mit vier Legionen an die Ems geshippert sei. In Tac. ann. II ist er dann mit acht Legionen an die Emsmündung geshippert. Demzufolge musste er gar nicht die Schiffe für die gesamte sondern nur für die halbe Mannschaft (nach)rüsten lassen.
Was nun die Frage angeht, warum er von Aliso nicht sofort weitergezogen ist: Der Befehl, die Flotte auszurüsten war ja zuerst gegeben worden. Der Entsatz Alisos war eine nicht eingeplante Notwendigkeit, die vielleicht sogar noch die eigentlichen Feldzugsplanungen durcheinanderwarf.
 
Und man darf nicht vergessen das die Legionen auch jede Menge Nahrungsmittel brauchten. Und für mehrere Legionen dürfte es einfacher gewesen sein die Nahrungsmittel über die Nordsee und dann die Ems zu transportieren, als über Land mit vielen Wagen, am besten im Gegenverkehr.
Und falls man zwischen Seeflotte und Binnenflotte unterschieden hat, wird man auch ein größeres Lager an der Emsmündung benötigt haben um die Ladung von einem Fahrzeug auf ein anderes zu bekommen.
Bezüglich der 6 oder 8 Legionen. Waren die Wege im Freien Germanien überhaupt in der Lage solche Menschenmassen in kurzer Zeit zu verkraften? Auch wenn es eine Art Pioner in der Legion gab? Das wage ich auch zu zweifeln.

Apvar
 
Wie wäre es ,ein Schleppsystem in Betracht zu ziehen:
großer ,seegängiger Transporter nimmt die Mannschaftr auf und schleppt zwei kleinereFlußboote (mit Proviant) bis zur Flussmündung,wo die Boote zum Einsatz kommen.
So würde ich es jedenfalls gemacht haben,wenn ich Drusus oder Germanicus gewesen wäre.

Oder man baut die Flussboote zerlegbar aus leicht transportablen,vorgefertigtn Teilen-
das wäre Variante B
 
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Und man darf nicht vergessen das die Legionen auch jede Menge Nahrungsmittel brauchten. Und für mehrere Legionen dürfte es einfacher gewesen sein die Nahrungsmittel über die Nordsee und dann die Ems zu transportieren, als über Land mit vielen Wagen, am besten im Gegenverkehr.

Das ist richtig. Wissenschaftler schätzen, daß die Kosten des Landtransports um bis zum 50-fachen höher lag, als zu Wasser. Wobei die Kosten des Landtransports mit der Entfernung überproportional anstiegen.

ORBIS: The Stanford Geospatial Network Model of the Roman World

Ein Grund warum die Römer ihre Expeditionen möglichst nahe an Flüssen wie der Lippe oder Ems planten. Man hat auch große Versorgungslager gefunden, die nach ihrer Struktur wohl weniger Truppen als Material beherbergten. Auch ansonsten liegen die Lager nahe an Lippe, Lahn oder Main.

Wenn ich mich recht erinnere, dann hat auch Julianus bei seinem Feldzug gegen die Perser etwa 1000 Schiffe am Oberlauf des Euphrat gebaut. Die Zahl ist also nicht so furchtbar abwegig. Vieles davon sicher Transportschiffe für Material und Pferde. Man plante sogar einen Kanal zum Tigris, der aber nicht realisierbar war. Sein Heer lag in der Größenordnung der Heere des Drusus oder Germanicus.

Ohne Flotte war die Reichweite einer großen römischen Armee eher beschränkt, sofern man sich nicht aus dem eroberten Land ernähren konnte. Oder es wurde verdammt teuer bis zu unmöglich.

Das Problem an Germanien ist die Orientierung der Flüsse hin zur Nordsee. Die konstruktionsbedingt nur wenig hochseetüchtigen römischen Schiffe, hatten da aber hohe Risiken, da gerade die kleineren Schiffstypen bei hohem Wellengang gerne der Kiel brach, womit sie sofort absoffen. Eine sichere Versorgung war also gerade über die Nordsee nur bei ruhigem Meer möglich. Das Zeitfenster war damit jahreszeitlich bedingt noch schmaler als im Mittelmeer. Und selbst dann blieb die Nordsee immer noch unberechenbarer. Von den Besonderheiten des Wattenmeers mal ganz abgesehen.

Die Römer haben es dennoch getan und sind mit riesigen Armeen durch Germanien gezogen. Eine logistische Leistung, die man nicht hoch genug bewerten kann.
 
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Das ist richtig. Wissenschaftler schätzen, daß die Kosten des Landtransports um bis zum 50-fachen höher lag, als zu Wasser.

In Kriegsgebieten ist das nicht nur eine Kostenfrage.

Ein Heer, das sich nicht auf sichere Nachschublinien verlassen kann, muss seinen Proviant selbst mitschleppen. Peter Kehne hat am Modell eines Expeditionsheeres mit 25.000 Mann, 3.800 Pferden und 7.000 Maultieren berechnet, dass die Operationszeit eines solchen Heeres "ohne weitere Logistik auf insgesamt 24 Tage befristet" gewesen wäre - im Idealfall!

Denn wenn "für fortgesetzte Kampfhandlungen oder Eilmärsche, die für das zwingend notwendige Fouragieren bzw. Weiden keine Zeit ließen, oder für absehbare Züge durch karge Gegenden die Gesamtfuttermenge von 9 kg pro Pferd/Tag und 6 kg pro Maultier/Tag mitgeführt werden musste", wurde es richtig eng:
"Bei einer Tragkapazität von 135 kg hätte ein Pack-Maultier dann gerade einmal seine eigene Ration für 22 Tage transportieren können".
 
So weit so gut.

Der "Shutle" Gedanke ist zwar interessant aber wohl tatsächlich zu verwerfen. Und natürlich ist die Versorgung einer solch großen Armee per Schiff wesentlich günstiger und ökunomischer.

Das wirft allerdings nur neue Fragen auf.

Die spannende Frage bleibt die nach der Größe der Armee. Die 8 Legionen werden sicher nicht ihre Sollstärke erreicht haben. Die Stützpunkte am Rhein und auch in Germanien mussten geschützt werden. Zu den Legionen kamen dann natürlich die Hilfstruppen. Dazu kam evt. auch schwereres Kriegsgerät, welches transportiert werden mußte. Und natürlich Pferde - viele, wohl tausende Pferde. Und natürlich Verpflegung für 8 Legionen plus Hilfstruppen plus Pferde etc. Man kann nur mutmaßen, wie hoch allein der Frischwasserbedarf und die Menge an Getreide war. Da muß man sich eher fragen, ob 1000 Schiffe überhaupt ausreichend waren! Und sind die dann alle gleichzeitig aufgebrochen? Was muß das ein Gedränge in der Emsmündung gewesen sein!

Und auch der weitere Feldzug stellt hohe Anforderungen an die Logistik. Da muß es entlang der Ems große Stapellager etc. gegeben haben. Das wiederum kostet Zeit. Offensichtlich hat Germanicus aber durchaus wertvolle Zeit verloren durch den Marsch der 6 Legionen an die Lippe und dem anschliessenden Neubau und natürlich Weihung des Altars für Drusus. Und woher wußte man von der Zerstörung des Grabhügels für die Varuslegionen, welche Tacitus erwähnt? Der Hügel kann sich wohl nicht in unmittelbarer Nähe von Aliso befunden Haben. Brepohl vermutet in der Zerstörung des Drususaltars und der Belagerung des Kastells eine Kriegslist des Arminius um Zeit zu gewinnen. Ein Gedanke der sicherlich nicht von der Hand zu weisen ist, denn diese Zeit fehlte für den eigentlichen Feldzug. Nach wie vor ist unbekannt wo an der Lippe sich dieses Kastell (Aliso?) befand. Aber würde eine Belagerung zu nahe an der Mündung der Lippe Sinn machen? Und je nachdem sind es dann vom Lipperaum nur wenige Tagesmärsche bis zur Ems oder gar Weser.

Und das wirft dann die Frage auf, ob die Mehrzahl der Legionäre zunächst den Landweg Richtung Ems/Weser genommen hat und die Flotte eher den Transport von Kriegsgerät, Pferden, Getreide/Verpflegung übernommen haben könnte.

Eine andere Frage die Brepohl durchaus zurecht aufwirft:
Wenn ich die Streitmacht möglichst lange von langen Fußmärschen befreien möchte (auch aus logistischen Gründen), warum dann die Anlandung an der Ems und zwar am linken Ufer? Warum nicht gleich an der Weser?

Zumindest viele Fragen und Ungereimtheiten.
Vieleicht haben wir das auch schon irgendwo diskutiert. Aber ich erinnere mich nicht...:weinen:

(vergl. auch Brepohl: Arminius gegen Germanicus, Der Germanicus Feldzug 16 n.Chr. und seine Hintergründe, Aschendorff Verlag 2008).
 
Das berührt in Teilen die Dublettentheorie. Die Dublettentheorie meint, dass Germanicus im Jahr 16, anders als 15, nicht zur Ems sondern zur Weser gefahren sei und all die Missgeschicke eben dort geschehen seien. Das würde auch die Angrivarier a tergo (Tac. ann. II, 8) erklären. Das Problem ist, dass, wenn man der Dublettentheorie folgt, neue Probleme auftauchen, die man ohne Dublettentheorie nicht hätte. Wenn man das Angrivariorum defectio a tergo zu Ampsivariorum defectio a tergo konjektiert, löst sich das Problem in Luft auf. Wenn man dagegen an den Angrivariern festhält, dann hätte es an der Weser ein ganz schönes Hin und Her gegeben. Da hätten die Römer die Weser überquert (Emsüberquerung Tac. ann. II, 8 als Weserüberquerung gelesen) um dann nach der Überquerung plötzlich Arminius gegenüberzustehen (Tac. ann. II, 9: Flumen Visurgis Romanos Cheruscosque interfluebat.) und es würden noch mehrere Weserüberquerungen folgen müssen. Wenn man die Emslandung als Emslandung liest, hat man genau zwei Weserüberquerungen: Vor und nach den Schlachten von Idistaviso und dem Angrivarierwall. Wobei - Punkt für die Dublettentheorie - von der Weserüberquerung nach Idistaviso respektive nach dem Angrivarierwall nirgends mehr die Rede ist. Allerdings noch mal ausdrücklich, dass man an der Ems die Schiffe besteigt und in See sticht (Tac. ann. II, 23: per flumen Amisiam Oceano invexit).
 
Tacitus schreibt immer von 8 Legionen. Das ist durchuas glaubhaft, aber was bedeutet dies in konkreten Zahlen? 40.000 Mann oder 60.000 oder gar 80.000? Wir wissen es nicht.

Richtig; weder müssen die Legionen vollständig mit allen Kohorten vor Ort gewesen sein, noch muss da i-was Sollstärke gehabt haben.

Und dann ist da ja auch diese seltsame Geschichte von der Belagerung eines Kastells an der Lippe. Nicht das ich diese anzweifeln würde. Aber Germanicus rückt mit 6(!) Legionen aus um diese Belagerung aufzulösen.

Hier ist mE schon zu fragen, ob das sechs (ganze) Legionen meint, oder i-welche Truppenteile aus sechs unterschiedliche Legionen. Ich kenne die Stelle nicht (und mein Latein... naja...), aber so als Feldherr würde ich mir für diese Kommando-Aktion eher die "besten" Einheiten aus den Truppen zusammensuchen, die ich hab; schon damit das mit dem Rückzug im Zweifelsfall besser klappt als anno 9...
 
Abgesehen davon, daß die Textstelle eindeutig von 6 Legionen spricht und nicht von Cohortes oder einer Vexillatio:

Die Römer haben aus den unterschiedlichsten Gründen Vexillationes gebildet. Aber daß sie im Rahmen einer Kampagne eine Vexillatio aus mehreren der teilnehmenden Legionen für einen Kampfeinsatz gebildet hätten, wäre mir neu.

Üblicherweise haben sie gemischte Verbände von ca. 2000 Mann gebildet (1000 schwere Infantrie, 500 leichte Infantrie und 500 Kavallerie). Aber auch da kamen die 2000 Mann schwere Infantrie aus einer Einheit oder maxmal zwei wenn Auxiliarkohorten. Diese Sub-Struktur eines Exercitus findet man am späteren Limes oder auch im Krieg Vespasians in Palaestina. Aber Elite-Einheiten aus 6 Legionen zusammenziehen halte ich für abwegig.

Andererseits glaube ich nicht, daß hier nur 6 Legionen antraten. Legionen waren alleine kaum kampffähig. Tacitus unterschlägt hier die Auxiliareinheiten. Hätte er nur von legiones geschrieben, dann hätte er wie so oft legiones als synonym zu exercitus benutzt. Aber er sagt ausdrücklich sex legiones. Also ist ihm die Anzahl wichtig.
 
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Legionen waren alleine kaum kampffähig.

Das ist etwas überspitzt ausgedrückt. ;)

Tacitus unterschlägt hier die Auxiliareinheiten.
Unterschlagen ist ein negativ konnotiertes Wort, ich denke nicht, dass du das so meinst. Tacitus schrieb für seine römischen Zeitgenossen bzw. zukünftige Römer, er hatte vielleicht eine Leserschaft in 50 oder 100 Jahren vor Augen, keine Leserschaft 1400 bis 1900 Jahre später, die in völlig anderen Gesellschaften lebte. Er musste davon ausgehen, dass, wenn er sechs Legionen schrieb, seine Leser wissen würden, dass Legionen normalerweise nicht in ihrer Nominalstärke dafür aber begleitet von Auxiliartruppen und Reiterei auftraten. Das war das praktische Wissen seiner Zeit. Was uns selbstverständlich ist, sparen wir uns ja auch aufzuschreiben.
 
Ipse audito castellum Lupiae flumini adpositum obsideri, sex legiones eo duxit.

Auch dieser Satz sollte zum Nachdenken anregen. In Germanien lagen 8 Legionen. Aber warum sollte Germanicus die Rheinfront entblößen und damit dem Feind Einfälle ins Hinterland bieten ? Eine Rheinüberschreitung der Germanen war nach dem Varusdesaster Augustus größte Angst gewesen. Hier sollte man mal drüber nachdenken. Nochmal, Tacitus war kein militärischer Idiot.
 
In Germanien lagen 8 Legionen. Aber warum sollte Germanicus die Rheinfront entblößen und damit dem Feind Einfälle ins Hinterland bieten ?

Es kam eigentlich nie vor, daß ein exercitus vollständig ausrückte. Auch die 3 Legionen des Varus dürften schwer unterbesetzt gewesen sein.

Ein beträchtlicher Teil der Legionäre war mit der zivilen Administration betraut. Die konnte ein Kommandeur nicht vollständig abziehen. Von der Cohors millaria in Vindolanda wissen wir, daß von 750 Mann nur 300 im Camp waren. Der Rest hatte Wichtigeres zu tun. Und das war kein Einzelfall.

Die Belgica hatte zu dieser Zeit noch lange keine eigenen Truppen zur Verwaltung; wahrscheinlich wurde die gesamte ehemalige Comata noch mit Personal der Rheinlegionen verwaltet, wie zu Drusus Zeiten.

Man rechnet hier mit mindestens 500-1000 Mann je Statthalter einer Provinz (Singulari). Dazu kam Personal für den Procurator Tres Galliae. Sicher kam damals noch die Kohorte(n) nahe der Münze in Lugdunensis vom Rhein. Dazu kamen Restverbände zur Grenzsicherung, mindestens aber Wachmannschaften für die Standorte.

Am Beispiel von Arrians Bericht über die Schlacht gegen die Alanen kann man das ganz gut fassen. Auch wenn diese Schlacht 100 Jahre später stattfand. Er zog 1.5 von 2 Legionen zusammen, dazu alle Alae und alle Equitata. Ebenso alle schweren Auxiliareinheiten der Infantrie und alle Bogenschützen. Zurück blieben wohl nur eine halbe Legion und wenige klassisch leichte Infanterieinheiten der Hilfstruppen. Insgesamt zog er etwa 2/3 seines Exercitus zusammen. Wobei bedingt durch die Prioritäten ein höherer Anteil an Kavallerie und Fernkampfeinheiten entstand. Ein Exercitus im Feld unterscheidet sich also in seiner Zusammensetzung von einem Exercitus im Frieden.

Ein Kommandeur entblößte seine Provinz also nicht, wenn er einen Feldzug startete. Er zog aber auch nicht eine Vexillation aus 6 Legionen zusammen.
 
Als der illyrische Statthalter Messalinus vom pannonischen Aufstand überrascht wurde, hatte er nur die "halbvolle" (semiplena) 20. Legion zur Verfügung, berichtet Velleius Paterculus (II,112):
"praepositus Illyrico subita rebellione cum semiplena legione vicesima circumdatus..."
 
Klar ist natürlich, daß die Gesamtzahl des römischen Heeres sicherlich nicht genau beziffert werden kann. Brepohl geht in seinem Buch von einer Gesamtzahl von ca. 80.000 Mann aus. Er fügt dabei Tacitus, Ann II, 16,3 an. Dort beschreibt Tacitus die römische Aufstellung der Truppen bei Idistaviso.
Die Zahl von 80.000 wird soweit mir bekannt in der Literatur des öfteren angenommen. Mir erscheint diese Zahl persönlich allerdings ein wenig hoch. Natürlich mußte Germanicus eine Anzahl Legionäre an den Stützpunkten am Rhein zurücklassen. Im Gegensatz zu Varus hatten seine Legionen aber keine Aufgaben im Inneren von Germanien zu erledigen (ausser die Bewachung von Aliso). Daraus könnte man schliessen, daß die Stärke der Germanicus Legionen ein wenig höher als die der Varus Legionen war. Vieleicht bei etwa 4000 Mann pro Legion? Da kommt man auf insgesamt 32.000 Mann. Dieselbe Zahl an Hilfstruppen und man landet bei 64.000 Mann.
Hinzu kommen vieleicht Reitereinheiten, Spezialtruppen, Trossknechte etc.
Vieleicht ist die Gesamtzahl von 80.000 doch nicht unrealistisch.

Ich widerspreche hier meinen eigenen Prinzipien.
Ich melde mich im August zu diesem Thema noch einmal wieder.
Dann liegen bekanntlich die ersten Spekulatius wieder im Regal...:rofl:
 
Im Gegensatz zu Varus hatten seine Legionen aber keine Aufgaben im Inneren von Germanien zu erledigen

Aber sicher doch. Das hatte ich oben auch schon angemerkt. Alle Legionen stellten massiv Personal an Provinzen ohne Legionen im weiteren Umkreis ab.

Die Adminstration der Belgica, wozu damals noch die beiden Militärbezirke des linksrheinischen Germaniens zählten, gehörten in jedem Fall zu den Kernaufgaben. Hatte die Belgica damals überhaupt einen Statthalter, oder war das Germanicus offizieller Posten?

Und mit größter Wahrscheinlichkeit wurden auch noch Teile des Personals für die Lugdunensis, Aquitania und Raetien, was damals wohl noch von einem Praefekten verwaltet wurde iirc, abgestellt. Inwieweit man all diese Leute einfach so abziehen konnte ist unklar.

Mehr als 60 Mann pro Centuria wären aber schon sehr verwunderlich.

Die gleiche Anzahl Hilfstruppen kann man zu dieser Zeit auch noch nicht rechnen. Meines Wissens gibt es aber dazu genauere Zahlen. Dazu kamen aber im Falle des Germanicus noch 4? Kohorten der Prätorianer.
 
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Im Gegensatz zu Varus hatten seine Legionen aber keine Aufgaben im Inneren von Germanien zu erledigen

Aber sicher doch. Das hatte ich oben auch schon angemerkt. Alle Legionen stellten massiv Personal an Provinzen ohne Legionen im weiteren Umkreis ab.

Die Administration der Belgica, wozu damals noch die beiden Militärbezirke des linksrheinischen Germaniens zählten, gehörten in jedem Fall zu den Kernaufgaben. Hatte diese größere Belgica damals überhaupt einen Statthalter, oder war das Germanicus offizieller Posten?

Und mit größter Wahrscheinlichkeit wurden auch noch Teile des Personals für die Lugdunensis, Aquitania und Raetien, was damals wohl noch von einem Praefekten verwaltet wurde, abgestellt. Ebenso für den Prokurator Tres Galliae. Inwieweit man all diese Leute einfach so abziehen konnte ist unklar.

Mehr als 60 Mann pro Centuria wären aber schon sehr verwunderlich.
Die Legionen des Varus waren eher noch viel schwächer, da er auch noch viele Aussenposten in der Germania Magna betrieb. Manche Historiker glauben Hinweise zu erkennen, Arminius habe das sogar forciert.

Bei den Hilfstruppen kann man zu dieser Zeit auch nicht von 50:50 ausgehen. Bei Germanicus kommen aber noch 4 (?) Prätorianerkohorten dazu.
 
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