@Dido
Es gibt durchaus noch Naturreligionen, die dieselben Dinge verehren wie untergegangene Kulturen, nämlich Naturgewalten. Allerdings gibt es wirklich nur diese zwei Ausprägungen: Gottglaube und Verehrung von Naturgewalten, welche nicht mit dem Geist erfasst werden können.
Diese beiden Ausprägungen brauchen natürlich nicht zwangsläufig denselben Ursprung haben.
Vermutlich sprichst du den animistischen Glauben an beseelte bzw. von geistigen Mächten gesteuerte Naturphänomene an. Genau dieser Glaube aber ist der Ursprung des späteren Götter- und Gottglaubens. Es reicht, auf das bekannteste Beispiel zu verweisen: Jahwe, der Gott der Juden, war ursprünglich ein Wettergott, den ein Nomadenstamm, die Habiru (= Hebräer), als ihren Schutzgott verkulteten. Im AT finden sich Stellen, die auf diese Naturfunktion Jahwes hinweisen, z.B.1 Kön 18 und Nah 1,3-5.
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@Ravenik
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Auf die Idee zu kommen, dass es nur einen Gott geben könnte, ist also keine so bahnbrechende geistige Leistung, dass sie in der Geschichte der Menschheit nur einmal erbracht worden sein kann.
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>Ich denke, es war durchaus eine bahnbrechende Leistung, wie das Beispiel der Entwicklung des jüdischen Monotheismus zeigt. Allerdings war es weniger eine "geistige" Leistung im Sinne einer theologischen creatio ex nihilo, sondern ein langwieriger Prozess, in dem Jahwe aus politischen Motiven gegen Konkurrenzgötter wie El und Baal ausgespielt wurde, ohne den polytheistischen Kontext zunächst in Frage zu stellen. Einige kontingente Ereignisse (Zerstörung des Tempel, Deportation der Elite nach Babylon) mussten hinzukommen, um die Durchsetzung des Jahwe als Alleingott zu ermöglichen. Bei der Abfassung der jüdischen Heiligen Schrift wurden dafür verwendete traditionelle Texte monotheistisch "überarbeitet", d.h. polytheistische Stellen "korrigiert" (einige Stellen wurden übersehen, bei der griechischen Übersetzung z.T. aber wieder glattgebügelt, siehe meinen Post ´Genese des Monotheismus´). <o
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Auch der zoroastrische Monotheismus verdankt sich kontingenten Umständen. Zum einen drohte der vedisch-polytheistische Priesterstand, dem Zarathustra angehörte, empfindlich an Macht zu verlieren. Der Grund war die enorme Expansion des persischen Reichs unter Dareios, die das Volk mit neuen, mit dem Vedismus konkurrierenden Religionen in Kontakt brachte. Zum anderen benötigte das Reich eine stabilisierende Religion, die sich von anderen Religionen abhob. Zarathustras innovatives Konzept schlug beide Fliegen mit einer Klappe: Er schuf eine Religion, die auf ganz neuartige Weise das Individuum ansprach: Auf dem Spiel stand das individuelle Seelenheil in Form von endgültiger Erlösung oder Verdammnis. Die Entscheidung zwischen Gut und Böse war unrevidierbar, da Geschichte nun auf den finalen Kampf zwischen Licht und Finsternis abzielte. Dieses dramatische Konzept wurde von den jüdischen Theologen übernommen (Apokalyptik) und natürlich auch von den Christen.<o
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Beide Beispiele zeigen, wie bahnbrechend und keineswegs selbstverständlich die "Leistung" war.
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@Buschhons<o
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Es ist ja in vielen Beiträgen schon zu genüge darauf hingewiesen worden, dass innerhalb der Entwicklungsgeschichte verschiedener Religionen natürlich immer wieder Austausch mit benachbarten oder irgendwie in Kontakt gekommenen Religionen und religiösen Kulturen stattgefunden hat. <o
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"Austausch" scheint mir ein zu schwacher Begriff zu sein. Die in Indien entstandene vedische Religion, die sumerische Religion und die ägyptische Religion entstanden relativ unabhängig voneinander, sie bildeten aber die Grundlage für alle anderen späteren Religionen im Mittelmeerraum, auch für das Judentum, aus dem das Christentum und der Islam hervorgingen. Nur drei Beispiele: die alttestamentliche Sintflut ist ein Aufguss der in sumerischen Mythen erzählten Sintflut (die ihrerseits durch mesopotamische Überschwemmungskatastrophen angeregt wurde). Die Erschaffung des Adam aus Lehm findet ihr Vorbild im Gilgamesch-Epos. Der Moses-Mythos ist die Variante eines babylonischen Mythos um einen König.<o
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Im Christentum findet sich praktisch gar kein Element, das nicht aus anderen Religionen ableitbar wäre (primär natürlich Judentum, aber auch Zoroastrismus, hellenistische Mysterienreligionen und ägyptische Religion). <o
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1.) göttliche Offenbarung als gemeinsamer Ursprung, die an verschiedenen Orten zu unterschiedlichen Zeiten die gleichen Erkenntnisse hervorrufen könnte (beschäftigen sich wohl in erster Linie Theologen mit, kann der Historiker wenig zu sagen)
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In "Offenbarungen" mischen sich zwei Faktoren:<o
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1) ekstatische Erfahrung einer übersinnlichen Dimension<o
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2) mythologische Vorstellungen<o
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1) entspringt schamanistischen Techniken, 2) einer jeweils tradierten Mythologie. Ekstatische Erfahrungen kann man bei Zarathustras mazdaistischer "Offenbarung" zugrunde legen (sein Lehrer war ein Schamane), bei den diversen "Visionen" der israelitischen Propheten (z.B. Daniel) und sicher auch im christlichen Bereich (´Paulus´ z.B.). Ohne mythologischen Kontext wären solche Erfahrungen mystisch (= Verschmelzung von Ich und apersonaler ´kosmischer Energie´). Mazdaistische, israelitische und christliche Offenbarungen aber standen in mythologischen Kontexten - die Erfahrung wurde daher in konkret-symbolisierender Weise verarbeitet, statt in abstrakt-philosophischer (Mystik des Parmenides, des Vedanta und des Buddhismus).<o
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2.) die „Natur“/ das „Wesen“ des Menschen als gemeinsamer Ursprung, weil womöglich bspw. der Mensch in Lateinamerika in mancher Hinsicht gleich tickt wie der Mensch in Mesopotamien und anderswo, auch ohne jeden Austausch (beschäftigen sich sicher Anthropologen, bestimmt auch Psychologen, evtl. auch Philosophen? mit)
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Das ist, denke ich, die einzig zutreffende Option. Das "Gleichticken" entspricht dem, was Ken Wilber ´Bewusstseinsstufen´ nennt, also Ebenen des Denkens und Fühlens, die universell im Geist aller Menschen angelegt sind und sich im Laufe der kognitiven und sozialen Entwicklung entfalten. Relevant für die Entstehungsfrage der Religion sind die Stufen des magischen und des mythischen Denkens, wie sie Jean Piaget für die kindliche Entwicklung herausgearbeitet hat. Das magische Denken ist charakteristisch für Sippen- und Stammeskulturen, das mythische für die daraus entstehenden staatlichen Einheiten (Hochkulturen). Komplexe Gebilde wie z.B. der sumerische Staat müssen auf eine Weise religiös überdacht sein, die bei Stämmen noch nicht nötig ist, nämlich in Form großer Erzählungen mit einer ausgefeilten Typologie von Göttern. Solche Entwicklungen geschehen nicht zufällig, sondern entspringen universellen Denkmustern.<o
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3.) ein historischer gemeinsamer Ursprung
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Nicht nur sehr unwahrscheinlich, sondern unmöglich.<o
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