Eben darum geht es in dem Film mit Kirk Douglas, der großartig einen Offizier spielte, der ohnmächtig zusehen muss, wie seine Männer füsiliert werden, nur um die Sinnlosigkeit eines Befehls zu kaschieren, den ein General gegeben hat, um sich selbst zu profilieren.
Was ist das für ein Argument? Einem Film vorzuwerfen, er hielte sich nicht ganz an die Romanvorlage, ist so ziemlich das Letzte.
Merke: Ein Film steht - wie auch ein Buch - erstmals für sich selbst.
Sehe ich ähnlich. Aber dabei spielt schon der amerikanische Markt eine Rolle, in dem die Zuschauer es gewohnt sind, dass Sprache und Lippenbewegungen synchron laufen. Diese Erwartung muss bedient werden: Mit einem Remake mit möglist amerikanischen Schauspielern.
Ruhig, ganz ruhig!
Ich sage ja gar nichts gegen den Film, im Gegenteil- ich halte ihn für einen guten Film, sogar für einen der besten deutschen Filme in den letzten Jahren.
Ich werfe dem Film oder dem Regisseur auch nichts vor, ich stelle lediglich Tatsachen fest, ich stelle fest, dass das Drehbuch die Romanvorlage von Remarque so verfremdet hat, dass das Original kaum noch zu erkennen ist.
Wenn Disney sich zu einem Remake von Schneewittchen entschließen würde, und in dem Streifen taucht dann Rotkäppchen auf und es wird eine ganz andere Geschichte erzählt- dann kann das Studio eben nicht so tun, als habe man Schneewittchen erzählt.
Wenn ein Regisseur Romeo und Julia von Shakespeare aufführt. Der Zuschauer Romeo und Julia erwartet, und es wird die West Side Story aufgeführt, es wird eine ganz andere Geschichte erzählt, mit anderen Handelssträngen, anderen Figuren, anderem Plot, dann kann
ein guter Regisseur vielleicht einen neuen Klassiker schaffen- er kann aber nicht vorgeben, dass er Romeo und Julia aufgeführt hat.
Wenn der Räuber Hotzenplotz aufgeführt wird- und es mischt dann Jim Knopf oder Rotkäppchen mit- dann regt sich im Publikum Protest- weil das Publikum eine gewisse Erwartung hat.
Wenn man ins Theater geht, hat man gewisse Erwartungen wenn Schiller, Brecht oder Shakespeare aufgeführt werden. Dann will man sehen wie die unterschiedlichen Schauspieler die Rollen interpretieren: Man kann Henry V. pathetisch spielen wie Laurence Olivier oder düster wie Kenneth Branagh. Man erwartet die Interpretation von Shylock oder Macbeth zu sehen, aber eben nicht dass der Regisseur eine ganz neue Geschichte erzählt. Es gibt eine Menge Filme, durchaus gute und sehenswerte, die haben das Original so sehr verfremdet, dass die Vorlage kaum noch zu erkennen ist. Manche Verfilmungen von Klassikern der Weltliteratur sind selbst Klassiker geworden.
Das Dschungelbuch wurde etliche Male verfilmt. Die einzige Verfilmung, die sich auch nur einigermaßen an Kiplings Klassiker hält ist ein sowjetischer Zeichentrickfilm. Von dem Letzten Mohikaner hält sich keine einzige an das Original. Der Fernseh-Vierteiler von der Seewolf mit dem unvergessenen Raimund Harmstorff ist selbst ein Klassiker geworden- Er hält sich aber nicht genau an das Original, verarbeitet vielmehr mehrere Werke von London (Abenteuer des Schienenstrangs, Die Fahrt der Razzle Dazzle, Der Seewolf). Es gibt eine Menge Klassiker Verfilmungen, die wirklich gut sind, manche sind selbst Klassiker geworden. Viele, die literarische Vorlagen nicht kennen, halten das für das Original.
Es ist nichts dagegen einzuwenden, Motive anderer Autoren zu verwerten, es ist aber doch ein Stück weit unredlich, wenn man literarische Vorlagen verwurstet, im Grunde eine ganz andere, eigene Geschichte erzählt und vorgibt, das sei das Original. Wenn man einen Klassiker verfilmt, dann versucht man als Regisseur ja auch den Erfolg einer Marke mitzunehmen, etwas, das schon Erfolg hatte.
Wenn man Effi Briest oder die Buddenbrooks verfilmen will, oder wenn man sich als Zuschauer die Buddenbrooks ansehen will, dann hat man eine gewisse Erwartung. Wenn ein Regisseur dann auf die Idee kommt, es wäre ja eine tolle Idee, mal die Geschichte von Herman Hagenström oder Moritz Hagenström weiterzuspinnen. Mag ja sein, dass das originell sein kann, das ist dann aber nicht Thomas Mann, und ein Zuschauer, dem das auffällt und der eben Thomas Mann und die Buddenbrooks sehen will- der kann das natürlich monieren.
Interessant finde ich, dass du sonst dafür plädierst, dass Klassiker nicht verändert werden dürfen, dass es (durchaus zu Recht) zu kritisieren ist, wenn Werke anderer Autoren umgeschrieben, und verfremdet werden, dass das Original gar nicht mehr erkennbar ist.
Mir aber wirfst du genau das vor- das sei kein Argument.
Ich halte ja Im Westen nichts Neues für einen guten Film, der Film produziert starke Bilder. Aber die Vorlage wurde ja nun tatsächlich so stark verändert, dass der Klassiker kaum noch erkennbar ist- wenn man eine ganz eigene Geschichte erzählt- dann kann das ja durchaus eine gute Story, ein guter Plot sein, über die Qualität des Werks ist damit noch nichts gesagt- aber man verfilmt dann eben keinen Klassiker, man verwurstet ihn.
Wenn man das dann dem Publikum als das Original verkaufen will- dann wird der Zuschauer, der das Original kennt protestieren- und das zu Recht.
Wenn Rotkäppchen draufsteht- und Schneewittchen ist drin- dann kann man nicht so tun, als ob man Rotkäppchen inszeniert hat, dann kann man sich nicht mit einer Marke schmücken.