Finde ich ganz und gar nicht. Denn immerhin sind gerade Deutschland und Frankreich nunmehr seit 50 Jahren eng freundschaftlich verbunden.
Ich glaube, Freundschaft und Siegesfeiern schließen einander nicht aus. Könnte die französische Denkweise nicht einfach sein: "Die Deutschen haben endlich eingesehen, dass sie uns immer so viel Unrecht getan haben, darum können wir jetzt Freunde sein"? Dann wäre der Sieg über die Deutschen von damals natürlich trotz jetziger Freundschaft noch feiernswert.
Außerdem müssen offizielle Freundschaftsbekundungen nicht zwangsläufig der inneren Haltung entsprechen.
Angesichts der Tatsache, dass Frankreich ebenso viel Schuld zutragen hat
Das sieht man in Frankreich vermutlich anders. (Ich habe keine Ahnung, wie das die heutige französische Geschichtsschreibung sieht, aber selbst wenn sie ein differenziertes Geschichtsbild vertritt, muss das nicht unbedingt auf die in Politik und Gesellschaft verbreitete Geschichtswahrnehmung Einfluss haben - und die sind es, die darüber entscheiden, was feiernswert ist, nicht die Historiker.*)
Was wohl die lieben Freunde sagen würden, wenn hier wieder Sedanstag gefeiert werden würde?
Das ist nicht dasselbe: In Frankreich und auch sonst international würde man vermutlich die Wiederkehr des deutschen Nationalismus herbeischreiben und dabei völlig undifferenziert alles Mögliche von preußischem Militarismus über Revanchismus bis hin zum Nationalsozialismus zusammenmixen mit dem Ergebnis: "Die Deutschen sind wieder wie früher und stolz auf ihre früheren Missetaten". Frankreich hingegen kann für sich in Anspruch nehmen, sich doch nur gegen die wiederholte deutsche Aggression verteidigt - und im 1. und 2. WK letztlich gewonnen - zu haben. Denn egal wie man die Kriegsschuldfragen der einzelnen Kriege wissenschaftlich bewertet: Für den Durchschnittsfranzosen zählt vermutlich nur, dass 1870 und 1914 und 1940 die Deutschen in Frankreich eingedrungen sind und auf französischem Boden gekämpft wurde, nicht umgekehrt. Somit sind - wenn man diese vereinfachende Sichtweise zugrundelegt - natürlich die Deutschen immer die Aggressoren, während sich die Franzosen immer nur verteidigt haben. Ein Sieg in einem Verteidigungskrieg ist natürlich eher moralisch vertretbar feiernswert als ein Sieg in einem Angriffskrieg.
* Das ist nämlich der entscheidende Punkt: Darüber, was feiernswert ist oder wessen gedacht wird, entscheiden letztlich nicht Historiker, sondern in erster Linie die Politik, in zweiter Linie die Bürger. Historiker können beliebig oft wiederholen, dass man auch selbst nicht schuldlos sei. Wenn die Politik das nicht hören will, kann sie trotzdem weiterhin Feiern durchführen lassen. Die normalen Menschen werden erst recht nicht hören wollen, dass der Krieg, in dem ihre Urgroßväter gekämpft und gelitten haben, vielleicht doch nicht ganz unverschuldet war. Die Politik wiederum richtet sich meist nach dem, was die Menschen hören wollen.
In Frankreich scheint mir auch die Erinnerung an die Grande Guerre wesentlich präsenter zu sein als hierzulande: in jedem noch so kleinen Dorf findet man irgendwo ein Mémorial für die Gefallenen.
Ist das in Deutschland etwa nicht so? In Österreich steht auch in jedem Dorf ein Kriegerdenkmal, auf dem die Gefallenen und Vermissten beider Weltkriege aus diesem Dorf namentlich aufgelistet sind. (Oft wurden diese Denkmäler bereits nach dem 1. WK errichtet und nach dem 2. nur ergänzt.)
Ich weiß nicht, ob die Franzosen es sich gefallen lassen würden, wenn ihnen so mir nichts dir nichts ein Feiertag - der zudem auch emotional bedeutend ist - gestrichen würde.
Wohl kaum. Vermutlich hätten sie das Gefühl, dass ihre Ahnen und deren Leistungen nachträglich herabgewürdigt und beschmutzt (wenn man die Streichung mit der Kriegsschuldfrage begründen würde) würden.