Was ist das Osmanische-Reich?

Auch zeitlich am Thema nähere Aussagen lassen sich finden, so holländische Flugschriften im späten 17.Jh., in denen osmanische Greueltaten propagiert wurden und schon noch bis heute wirken dürften.
Dass die Niederlande die erklärten Alliierten der Österreicher zu der Zeit waren und diese Publizistik dem Verbündeten genützt hat, scheint wohl einleuchtend. Interessant ist hierbei wiederum, dass die Osmanen als Verfolger der Christen dargestellt wurden. Dabei waren die Niederlande kurz zuvor froh gewesen, sich durch die Unabhänigigkeit, einer Gegenreformation entzogen zu haben. Vielleicht ist damit schon die Doppelzüngigkeit erkennbar.
 
Der Sultan hob die Sklaven zwangsweise und systematisch unter der christlichen Bevölkerung aus, worauf später die ebenso zwangsweise Islamisierung folgte. Auf jeweils 40 Haushalte kam ein Knabe.

Ohne die Werbung von Soldaten verharmlosen zu wollen, erfolgte sie im vielfach freiwillig. Es gab kein Gesetz, das Haushalte dazu zwang, dem König Knaben für den Militärdienst zu überlassen, die ihm dann als Sklaven ein Leben lang dienen mussten. Natürlich gab es bis zur Einführung eines gesetzlich geregelten Rekrutierungssystems gewaltsame Zwangswerbungen, die oft durch List der Werber zu Stande kamen, und besonders der Soldatenhandel ist im 18. Jh. ein schlimmes Kapitel absoluter Fürstenherrschaft. Dennoch hat die "Knabenlese" mit Sklaverei und Zwangsislamisierung eine andere Qualität als das "Pressen" von Soldaten.
 
@ Dieter
Das Kantonssystem sah ja auch eine Anwerbung für ein bestimmtes Gebiet vor. Genaue Sätze scheinen nicht vorgelegen zu haben oder wurden nicht eingehalten, die Truppen auch mal außerhalb Preußens ergänzt. Der Hauptunterschied, das ist mir bewusst, liegt eben darin, dass gerade in Preußen nie eine Zwangsmissionierung statt fand, was der preußischen Toleranzpolitik widersprochen hätte. Dass mit einer Zwangsbekehrung auch ein kultureller Verlust bzw. eine Verletzung von Identität zusammenhängt, ist für mich logisch und ich widerspreche da auch nicht, dass in der Hinsicht einfach zwischen dem europäischen und dem osmanischen Werbungen keinerlei Parallele zu finden ist.
Die Anwerbung pro Haushalte glaube ich auch aus dem Ungarischen Militärwesen zu kennen. Kommt nicht der Begriff Husar auch daher?
 
Dieter@ Besonders der Soldatenhandel ist ein schlimmes Kapitel absoluter Fürstenherrschaft
Der "Soldatenhandel" war ein legitimes Mittel, die eigene Armee zu finanzieren. vermutlich denkst du dabei an die Truppen im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg. Die Subsidiengelder wurden nachweislich in den Aufbau des Landes investiert. Übrigens war gerade in der Armee der Hessen die Zwangswerbung ausdrücklich durch Erlaß des Landgrafen verboten und wurde durchaus streng bestraft. Was natürlich nicht heißen soll, das es nicht trotzdem geschehen ist. Die Armee der Braunschweiger und Hessen war sicher nicht die schlechteste Adresse. Der Sold war relativ hoch, ein Jäger bekam 1 Pfund Sterling im Monat, ein Grenadier allerdings nur 12 shilling, und der Aufstieg bis ins Offizierskorps war auch Bürgerlichen vorbehalten. Und zwar nicht nur söhnen aus Rats- oder Offiziersfamilien.

Brissotin@ Die Anwerbung pro Haushalt kenne ich auch aus dem Ungarischen. Kommt nicht der Begriff Husar auch daher?
Das habe ich auch gelesen, es war glaube ich, in L.und F. Funcken Historische Uniformen, du kennst diese Schwarten. Die Überlieferung ist unsicher, kann aber von hus (zwanzig) hergeleitet sein. Offenbar mußte jeder 20. Haushalt einen Kavalleristen stellen.
 
@ Scorpio
Ich habe dieses Buch der Funckens nicht, nur eines.
Die Info habe ich wahrscheinlich aus einem Lexikon des Verlages der NVA, da ich es aber nicht vorliegen habe, kann ich es nicht genau sagen.

Wäre vielleicht gut, das Thema Soldatenhandel nicht über zu strapazieren, da hier in dem Thema nur eine Fußnote.:winke:
 
Liebe Freunde, worüber streitet Ihr denn hier so verbissen?

Zunächst einmal ist zu sagen, daß bei der Betrachtung eines historischen Themas nicht nach den heutigen moralischen Maßstäben zu verfahren ist.

Dieter hat jedoch insofern recht, daß sich das im Osmanischen Reich bestehende Millet System wie auch die ursprünglichen Traditionen einerseits und die Knabenlese andererseits widersprachen, ja sich eigentlich ausschlossen.
Siehe dazu folgende interessante Abhandlung: http://www.tu-berlin.de/fb1/AGiW/Auditorium/FAByzIsl/Kap9.htm
Anm.: Das betreffende Kapitel ist 3. Die Übernahme byzantinischer, altarabischer und altiranischer Kultur-, Religions- und Politiktraditionen im osmanischen Reich und dort der Abschnitt cc) Das Fortwirken byzantinischer Kirchen-, Staats- und Gesellschaftstraditionen im Osmanischen Reich

Man kann also in diesem Kontext dann schon von einer Art Doppelmoral bzw. unmoralischem Handeln sprechen.

Allerdings wird dies dem Janitscharenthema dennoch nicht ganz gerecht, wie die Abhandlung des gesamten Kontextes zeigt: http://www.tuerkenbeute.de/kun/kun_kri/Knabenlese_de.php
Hier verweise ich auch gleich auf den diesbezüglich wichtigsten Abschnitt des Textes:
Bereits im 15. Jh. hatten die Männer aus der Knabenlese die alteingesessenen, privilegierten Familien türkischer Herkunft in der Führungsschicht verdrängt.
Die Institution der Knabenlese bedeutete also für die Beteiligten nicht nur Härte und Entwurzelung, sondern den sozialen Aufstieg zur herrschenden Schicht eines Weltreiches.
Dass die Zeitgenossen dies anerkannten, beweist die Forderung der nach der Eroberung zum Islam konvertierten Bosnier, die darauf bestanden, dass die Knabenlese auch weiterhin bei ihnen stattfand.
Nicht selten versuchten sogar osmanische Familien, ihren Söhnen diese Karrieremöglichkeit zu eröffnen, indem sie sie in die Knabenlese einschmuggelten.



Ebenso sollten wir auch bei den "Soldatenwerbungen" absolutistischer Herrscher den genauen Kontext beachten, zu dem ich mich jedoch auf den Verweis zu http://www.preussenweb.de/armee1.htm beschränke, weil ich ihn jetzt hier nicht weiter ausführen will (da in diesem Thread mE einigermaßen Off Topic).







Ebenfalls Off Topic, aber ich möchte Scorpio dennoch antworten...

Brissotin@ Die Anwerbung pro Haushalt kenne ich auch aus dem Ungarischen. Kommt nicht der Begriff Husar auch daher?
Das habe ich auch gelesen, es war glaube ich, in L.und F. Funcken Historische Uniformen, du kennst diese Schwarten. Die Überlieferung ist unsicher, kann aber von hus (zwanzig) hergeleitet sein. Offenbar mußte jeder 20. Haushalt einen Kavalleristen stellen.



Da unterliegst Du mE einem kleinen Irrtum...
Ich habe das Buch gerade vor mir liegen; darin heißt es u.a. lediglich:

Funcken schrieb:
Zunächst wurden die Husaren, wo immer sie dienten, als irreguläre Truppen angesehen, die man für den Kleinkrieg benutzte, d.h., sie sollten mit dem Feind plänkeln, seine Fuhrkolonnen ausrauben, während die regulären Truppen die Regeln der "methodischen Strategie" wie einen Katechismus befolgten: mit regulären Aufmärschen, den bequemen Zeltlagern und den ehrlichen Schlachten bei Tageslicht...
Im Jahre 1734 gab es drei Regimenter...
...
Der pathetische Appell, den Maria Theresia zu Beginn des Österreichischen Erbfolgekrieges (1740/48) an ihre magyarischen "treuen Untertanen" richtete, und die stolze Antwort der Magnaten des Landes sind berühmt geworden. In Wirklichkeit kam bei dem "Moriamur pro rege nostro Maria Theresia!" (Laßt unseren König Maria Theresia in den Tod gehen!) und dem Versprechen, eine Armee von 100000 Mann zu stellen, eine Truppe von 20000 undisziplinierten, ungeübten und schlecht ausgerüsteten Rekruten heraus...
Seit 1742 wurden die Husaren-Regimenter zahlreicher, und zu Beginn des Siebenjährigen Krieges gab es insgesamt sechzehn...



Zum Begriff und der Wortherkunft - mit Bezug auf das von Dir genannte Zahlwort husz (zwanzig) - gibt http://de.wikipedia.org/wiki/Husaren wie folgt Auskunft:

http://de.wikipedia.org/wiki/Husaren schrieb:
Husaren sind eine Truppengattung der leichten Kavallerie, deren Ursprünge in Kroatien, Ungarn und Serbien zu suchen sind.
Nicht eindeutig geklärt ist die Wortetymologie, man nimmt an, dass der Begriff auf das lateinische Wort, "cursor" zurückgeht, das bedeutete "schneller Bote". Auf dem Balkan im 14. Jahrhundert zu gusar, husar transformiert bezeichnete das Wort damals einen berittenen Räuber.
Ebenso könnte der Begriff "Husar" auf das italienische "Corsaro" (Korsar, Seeräuber, Streifzügler) zurückgehen.
Eine andere mögliche Erklärung wäre das ungarische Zahlwort "húsz" (20); der Name bezöge sich dann auf Rekrutierungsmodalitäten der alten ungarischen Reiterei: 20 Häuser hatten je einen bewaffneten Reiter zu stellen.
Später wurde so die gesamte ungarische Reiterei (huszár) bezeichnet.
 
Rovere 24.10.2005, 09:30 Gerade am Balkan wurde die Oberherrschaft des Sultans von lokalen Fürsten gerne anerkannt. An erster Stelle sind da die Fürsten von Siebenbürgen zu nennen, die mit osmanischer Unterstützung gegen Habsburg standen.

Ich höre zum ersten Mall, dass sich Siebenbürgen auf dem Balkan befinden?!!


Die Behauptung, dass “Gerade am Balkan wurde die Oberherrschaft des Sultans von lokalen Fürsten gerne anerkannt”, kann man als völlig unbegründet bewerten. Ich erwähne nur den Fakt, dass die blutige Eroberung der Balkan Völker von den Osmanen 100 Jahre (zwischen 1354 und 1453) dauerte.
 
kleine Anmerkung: osmanisches Interregnum (1402-1413) und beinahe Zerschlagung des Reiches durch Timur (1402) lag dazwischen. 1394 wird die Walachei Vasall. Eroberungen sind in der Regel immer "blutig"...
 
Bdaian 26.10.2005, 14:48 So etwas nannte man "Jus prima noctis" und war im feudalen "christlichen" Europa angeblich gebräuchlich.

Ich habe jedoch noch nie gehört, dass die Osmanen dieses praktiziert hätten.


Ich auch. Das schließt aber nicht die Möglichkeit aus, dass einzelne Osmanische Feudalen in Serbien so etwas absichtlich praktizierten mit dem Ziel die christliche Bevölkerung zusätzlich zu erniedrigen.
Es gab ein ganzes System von geschriebenen und ungeschriebenen Regeln, die genau dafür dienten – die Christen im O.R. zu erniedrigen.
Beispiele: Bis zum ungefähr 1865 galt das Regel, dass eine Kirche nicht höher als einen Osmanischen Reiter sein könnte. In der Zeit, wann die Leute in Europa die wunderschönen Kathedrallen bildeten, mussten die Christen im O. R. seine Kirchen in die Erde verstecken.
Und eine wirklich originelle Osmanische Erfindung, die als Beispiel für die „religiöse Toleranz im O. R. betrachten könnte. Das so genannte Zahnrecht (auf türkisch dişhak”), oder Zahnsteuer. Das war natürlich keine wirkliche Steuer sondern etwas besonderes…. Die Muslime, insbesondere die Vertreter der Osmanischen Behörden, hatten das Recht in jedes Christliches Haus einzutreten um dort Essen zu verlangen. Nach dem Essen musste der Hausherr seinen „Gästen noch irgendwelche Summe (Geld) bezahlen. Grund dafür - die Muslime haben sich seine wertvollen Zähne mit dem christlichen Essen beschädigt.
In einer solchen Realität wohnten die Christen im Osmanen Reich.
 
Ich auch. Das schließt aber nicht die Möglichkeit aus, dass einzelne Osmanische Feudalen in Serbien so etwas absichtlich praktizierten mit dem Ziel die christliche Bevölkerung zusätzlich zu erniedrigen.

Aha...aha... :grübel:

Beispiele: Bis zum ungefähr 1865 galt das Regel, dass eine Kirche nicht höher als einen Osmanischen Reiter sein könnte.
Hahaha =)

In der Zeit, wann die Leute in Europa die wunderschönen Kathedrallen bildeten, mussten die Christen im O. R. seine Kirchen in die Erde verstecken.


Muhahahaaha
:rofl::anbetung:

Grund dafür - die Muslime haben sich seine wertvollen Zähne mit dem christlichen Essen beschädigt.
Muhrharharharhaahahaha :rofl::hukahaka::w00t1:



Uff, uff, ich muss erstmal Luft schnappen....
Ich danke dir für den Witz des Mittags!

Ich hoffe, du hast es als Witz gepostet.. wenn nicht, dann schon mal

Entschuldigung für mein Lachen! :)

Ich wollte nicht über dich lachen, nur über die Dinge im OR, die nach deiner Beschreibung passiert sind. ;)
Dann solltest du es vielleicht nochmal näher erklären. Vielleicht mit Quellenangabe? Schulbuch von Milosevic?

Kennst du übrigens englisch? Ich kenne da ein schönes Buch über das historische Selbstgefühl der Balkanvölker im Bezug zum O.R. und ihre nationalistischen Verfälschungen.
.
Schau mal in meinen thread mit interessanten ebooks, Dokumenten, etc. rein, dort findest du was zu dem Balkan, wenn's dich interessiert.


Ciao und LG, lynxxx
 
lynxxx
Dann solltest du es vielleicht nochmal näher erklären. Vielleicht mit Quellenangabe? Schulbuch von Milosevic?

Ich höre zum ersten Mal, dass Herr Milosevic auch Schulbücher verfasst hat?! Wann hatte so viel Zeit dieser Mensch?

Aber wenn ein Spezialist in Sachen „historische Selbstgefühl der Balkan Völker“ das behauptet, dann bitte schön…. Ein so großer Kenner braucht offensichtlich keine Quellenangaben. Du weißt einfach alles.
Entschuldigung für mein Lachen!

Du brauchst Dich für Dein angebliches Lachen nicht zu entschuldigen. Ich fühle mich nicht getroffen. So, weiter mit dem Lachen! Lachen macht glücklich! Und immer erstmal Luft schnappen.
 
Zuletzt bearbeitet:
wieso, ich hab doch gesagt, wo man weitere Infos finden kann: in dem "interessante Dokumente"-Thread im Bereich osm. Reich.
z.B. genauer hier.
und in den darauf folgenden Seiten gibt's weitere Artikel zum Balkan, oder den Balkan betreffend.


PS: sorry mit milosevic. :)
 
Silesia
Hallo Kiprian,
da ich kein großer Kenner des Balkans bin, hätte ich gerne die Quellenangabe zu der Zahnsteuer.
Grüße
Thomas


Das obengenante Diş Hak (Zahnrecht, Zahnsteuer) wurde im Osmanischen Reich auch als “Diş parası” bekannt. Das wurde nicht nur auf dem Balkan sondern auf dem ganzen Territorium des Osmanen Reiches praktiziert.

Zitat: “(Page 12) My first step on reaching Mosul was to present my letters to Mohammed Pashaw, the governor of the province. Being a native of Candia, he was usually known as Keritli Oglu (the son of the Cretan), to distinguish him from his celebrated predecessor of the same name. The appearance of his excellency was not prepossessing, but it matched his temper and conduct. Nature had placed hypocrisy beyond his reach. He had one eye and one ear; he was short and fat, deeply marked by the small-pox, uncouth in gestures and harsh in voice. His fame had reached the seat of his government before him. On the road he had revived many good old customs and impositions, which the reforming spirit of the age had suffered to fall into decay. He particularly insisted on dish-parasi; [2.1] or a compensation in money, levied upon all villages in which a man of such rank is entertained, for the wear and tear of his teeth in masticating the food he condescends to receive from the inhabitants.

http://mcadams.posc.mu.edu/txt/ah/Layard/DiscNineveh02.html


Es gibt diplomatische Berichte, dass “Diş parası” auch im 20. Jahrhundert (1904) in heutiger EYR Mazedonien (damals eine Osmanische Provinz) praktiziert wurde.
Falls interessiert kann ich auch zitieren!

Ist das eine "seriöse Quellenangabe" oder werden wir wieder lachen?
Ich bin bereit!
 
Zuletzt bearbeitet:
Das obengenante Diş Hak (Zahnrecht, Zahnsteuer) wurde im Osmanischen Reich auch als “Diş parası” bekannt. Das wurde nicht nur auf dem Balkan sondern auf dem ganzen Territorium des Osmanen Reiches praktiziert.



Und was hat das mit der behaupteten religiösen Diskriminierung zu tun?


Es gab ein ganzes System von geschriebenen und ungeschriebenen Regeln, die genau dafür dienten – die Christen im O.R. zu erniedrigen.

[...]

Und eine wirklich originelle Osmanische Erfindung, die als Beispiel für die „religiöse Toleranz im O. R. betrachten könnte. Das so genannte Zahnrecht (auf türkisch dişhak”), oder Zahnsteuer. Das war natürlich keine wirkliche Steuer sondern etwas besonderes…. Die Muslime, insbesondere die Vertreter der Osmanischen Behörden, hatten das Recht in jedes Christliches Haus einzutreten um dort Essen zu verlangen. Nach dem Essen musste der Hausherr seinen „Gästen noch irgendwelche Summe (Geld) bezahlen. Grund dafür - die Muslime haben sich seine wertvollen Zähne mit dem christlichen Essen beschädigt.
In einer solchen Realität wohnten die Christen im Osmanen Reich.
 
Von dieser Zahnsteuer höre ich jetzt zum ersten Mal. Wenn Kiprian dies allerdings nachweist, tja, dann habe ich was neues gelernt. Kann mir aber nicht vorstellen, dass sie überall im Osm. Reich so praktiziert wurde.
War Kreta vielleicht ein Einzelfall ? Die Unterdrückung der Christen durch die Muslime war zeitweise sehr heftig. Der Widerstand der Kreter übrigens auch, was sich an den regelmäßigen Aufständen zeigte.
Hykkose, findest du es nicht diskriminierend, wenn nur Christen von dieser "Zahnsteuer" betroffen waren ? Es war ja nicht nur die Zahnsteuer, sondern auch diverse andere Nachteile, die Christen (nur weil sie Christen waren) erleiden mussten.
Grüße
 
Von dieser Zahnsteuer höre ich jetzt zum ersten Mal. Wenn Kiprian dies allerdings nachweist, tja, dann habe ich was neues gelernt. Kann mir aber nicht vorstellen, dass sie überall im Osm. Reich so praktiziert wurde.


Kiprian hat belegt, daß sie im Irak praktiziert wurde. Allerdings nicht in Christenhäusern, sondern in "all villages in which a man of such rank is entertained".



Hykkose, findest du es nicht diskriminierend, wenn nur Christen von dieser "Zahnsteuer" betroffen waren ?


Ja, wenn...
Dafür sehe ich bislang nicht die Spur eines Beleges.



War Kreta vielleicht ein Einzelfall ?


Kreta?
Mosul liegt im Irak, nicht auf Kreta. Der Gouverneur von Mosul war Kreter; vielleicht wurden ja die Iraker von den Kretern diskriminiert???
 
Hi Kiprian, danke für die Quellen!

Nun haben wir Futter zur Diskussion. :)

So, jetzt habe ich mich auch mal dem Thema "tooth-money" Dis parasi angenommen.
Folgendes (typische!) ist herausgekommen:


A) Suche:

gebe ich "tooth-money" und "ottoman" in google international ein, erhalte ich gerade einmal zwei (!) Quellen, einmal deinen Link:

http://mcadams.posc.mu.edu/txt/ah/Layard/DiscNineveh02.html
von 1854 eines britischen Reisenden und Archäologen,

und von 1904 von Emma Paddock Telford, einer Frau, die sich sonst nur durch ein Kochbuch in google in Erscheinung tritt:
http://library.ferris.edu/~cochranr/stone/stone2b3.htm
Kochbuch für die amerikanische Hausfrau:
http://www.archive.org/details/standardpaperbag00telfrich

und wenn man ihren Text liest, dann erkennt man, welche Fantasie und unwissenschaftliche Desinformation darin steckt, denn zu der Zeit, gab durchaus schon etwas differenziertere Betrachtungen.

Dann habe ich gleiches nochmal in Google Books eingegeben.
heraus kam ein Bericht von 1859
http://books.google.com/books?vid=O...AAJ&pg=RA6-PA176&lpg=RA6-PA176&dq=tooth-money
der vollständig als PDF downloadbar ist.

dann noch ein Bericht von 1855:
http://books.google.com/books?vid=O...A601&lpg=PA601&dq=tooth-money+ottoman#PPR8,M1
auch vollständig als PDF downloadbar. Dieser bezieht sich offensichtlich auf den Bericht von 1854, bietet also keine neue Quellen.

Alle anderen wenigen Einträge, z.B. in einem Spieleforum, beziehen sich, bewußt oder unbewußt auf diese vier Quellen!


B) Erste Schlußfolgerung der Suche:

1. Auffällig ist bei allen, ihre zeitliche Nähe, nehmen wir mal die Kochbuch-Autorin raus.
2. Sie fallen etwa in eine Zeit des europäischen Philhellenismus, die auch in der Begeisterung mündete, den griechischen und auch slawischen Unabhängigkeitskrieg zu fördern, ja als Söldner mitzuwirken. Diese Begeisterung beginnend etwa in den Zwanzigern setzte sich im 19. Jh. fort.
3. Alle Berichte sind nicht etwa wissenschaftliche Abhandlungen zur Steuerpolitik des osmanischen Reiches, sondern beruhen auf Augenzeugenberichten und Unterhaltungen mit der örtlichen Bevölkerung. Keine osmanischen offiziellen Urkunden wurden untersucht. Über deren Sprachkenntnisse weiß ich nichts, hab mir nicht alles durchgelesen.


C) Ergebnis:

1. Es ist schon auffällig, das solch eine Steuer in google nicht weiter verbreitet ist, wo doch die Osmanen mit ihrer großen Bürokratie alles mögliche penibel aufgeschrieben hatten. Ich will es aber auch nicht überbewerten, denn viele der 150 Mio. Dokumente sind noch nicht erfaßt, erst recht nicht untersucht, nur 30 Mio. etwa erst katalogisiert. Selbst wenn, die Osmanisten, Historiker, etc. sind meist noch nicht so stark im Internet vertreten, meistens spielt sich noch alles offline in Zeitschriften z.B. ab. Aber ein Indiz haben wir schon.

2. Wir wissen nicht, wo oben schon angedeutet wurde, ob mit diesen Schriften eine politische Intention beabsichtigt war. Auf jeden Fall sind sie in ihrem historischen Kontext zu bewerten und die Polemiken können nicht als historische Tatsachen einfach übernommen werden.

3. Unterhaltungen mit den Einheimischen muss man genauer betrachten, selbst wenn sie so durchgeführt wurden, so heißt es noch nicht, dass alle darin vorkommenden Geschichten auch den Tatsachen entsprechen. Vielleicht will sich jemand wichtig machen, vielleicht will der Gesprächspartner für seine eigene Sache werben, vielleicht sind es nur Gerüchte, vielleicht Legenden? Es gibt da viele Unwägbarkeiten.

4. Mir scheint es fast so, als wenn die wenigen Berichte eigentlich nur aufgrund des einen Reiseberichts von 1854 erfolgten. Karl May war nicht der einzige Autor, der geflunkert hat... ;) Ist aber nur ne Vermutung.

5. Es ist sowieso sehr fragwürdig, seine Behauptungen einzig und allein auf Aussagen von ~1850 zurückzuführen. Man kann etliche Aussagen zum Osm. Reich nicht mal aufgrund von Büchern der 1985er Jahre rechtfertigen, da es seit den 2000er wieder neue Erkenntnisse und Sichtweisen gibt! (z.B. aufgrund neuer übersetzter Originalquellen)
Das ist auch meine Kritik in einem anderen Thread an die Wissensverbreitung und -verteilung im Internet. Mit zunehmenden open public-Dokumenten, von anno dazumal, denken viele User, so wie es dort steht, ist es wirklich gewesen, und es hält auch zunehmend Einzug in die Wikipedia, mit dem Kenntnisstand vom 19. Jh.!


D) Grundsätzliches

1. Man muss bei der Betrachtung der Ereignisse immer unterscheiden, zwischen der osmanischen Staatsführung, was sie erlassen hat, und den tatsächlichen Ereignissen vor Ort in der Peripherie. Man kann nicht einfach behaupten, das osm. Reich hätte dieses und jenes getan.
Schauen wir uns als Beispiel mal den Erlass von Gülhane an, der 1839 die Reformen der Tanzimat einleitete:

Darin wurde u. a. folgendes festgehalten:
- Sicherheit der Person und der Habe eines jeden Bürgers ohne Unterschied des Standes und der Religion.
- Kein Untertan meines Reiches darf in der Ausübung seine Religion, die er bekennt, gehindert werden.
- Gleichheit in der Besteuerung und andere bürgerliche Freiheiten:
„Diese kaiserlichen Konzessionen erstrecken sich auf alle Unsere Untertanen, von welcher Religion oder Sekte sie sein mögen; sie alle ohne Ausnahme sollen derselben teilhaftig werden. Eine vollkommene Sicherheit wird demnach von Uns den Bewohnern des Reiches für ihr Leben, für ihre Ehre und ihr Vermögen gewährt, wie es der geheiligte Wortlaut unseres Gesetzes erheischt.“
usw.

Dann kam auch eine allgemeine Wehrpflicht, unabhängig von der Religion, die die Christen teilweise gar nicht so gerne sahen, und lieber die Kopfsteuer (cizye) stattdessen wieder hätten. Auch kam es durch die allgemeine Gleichstellung zu Protesten der Griechen, die sich ihrer Privilegien beraubt sahen und ihre jahrhundertealte Symbiose mit der osmanischen Führung in Gefahr sahen.

Es ist häufig so, dass wenn Greuel passiert sind, diese nicht auf das Konto Istanbuls gehen, sondern z.B. durch lokale Provinzfürsten begangen oder toleriert wurden, gelegentlich sind diese auch selber von der gleichen Ethnie, wie die Beherrschten, oder es waren eigene Räuberbanden, die plündernd umherzogen, oder Janitscharen, die monatelang keinen Sold erhielten, teilweise auch Hunger litten, und diese Greuel verübten.

So gab es zu Zeiten der schwindenden Zentralmacht auch die sogenannten derebey s die ein halbautonomes Regime führten, manchmal eine Privatarmee unterhielten, sogar mal eigene Münzen prägten.

Man muss da immer differenzieren, zwischen der Zeit, wo etwas passierte, von wem etwas ausging, und ob es von der Hohen Pforte überhaupt gebilligt wurde, und ob es vielleicht auch eine Reaktion der Herrschenden war.
Es gibt zahllose Dokumente, die die Bemühungen der Hohen Pforte zeigen, die teilweise anarchischen Verhältnisse im Balkan (allein schon der Steuer wegen) zu beenden, und zeitweise gelang dieses bis zum Aufkommen des Nationalismus und Separatismus auch.

Man kann nicht immer pauschal behaupten, das "osmanische oder türkische Joch".
Z.B. gab es ein Bevölkerungswachstum im 15. und 16. Jh. auf dem Balkan, mit einer Verdoppelung der Städtebevölkerung, beispielsweise aufgrund wirtschaftlicher Stabilität und Wachstum.

Und die Kopfsteuer der Nichtmuslime wurde nicht immer als großes Übel angesehen, befreite sie doch auch vom Wehrdienst, so dass die wirtschaftlichen Aktivitäten fortgeführt werden konnten.

Dann gebe ich hier nochmals den Text wider, den ich schon mal gepostet habe, um die allgemeine Haltung zu Nichtmuslimen zu zeigen. Aus S. Farophi: Geschichte des OR.:

"Nichtmuslime gleich welcher Konfession zahlten eine cizye
genannte besondere Kopfsteuer. Bis zum Ende des 17. Jahrhunderts
wurde diese manchmal von einem ganzen Dorf als
Kollektivzahlung eingezogen; aber im Prinzip war jeder arbeitsfähige
Mann cizyepflichtig. Die Höhe der Steuer war dem
Reichtum entsprechend abgestuft.
Rechtlich gesehen waren Nichtmuslime unterprivilegiert: So
konnten sie nicht vor Gericht gegen Muslime aussagen. Im Geschäftsleben
war das ein ernstes Problem, das viele dadurch zu
lösen suchten, daß sie ihre Transaktionen in die Register des
Kadis eintragen ließen und damit beweiskräftige Dokumente
schufen. Die Häuser der Nichtmuslime durften nicht höher
sein als die ihrer muslimischen Nachbarn; es konnte vorkom
men, daß eine Kirche, auch wenn die osmanische Eroberung
schon lange zurücklag, ihrer Gemeinde weggenommen und in
eine Moschee umgewandelt wurde. Um einer Moschee zu den
nötigen Betern zu verhelfen, konnten Nichtmuslime, die in der
Nähe einer Moschee lebten, sogar gezwungen werden, ihre
Häuser zu verkaufen und umzuziehen. Aber die Praxis war oft
toleranter als Rechtssätze und Sultansbefehle; obwohl das von
offizieller Seite nicht gern gesehen wurde, lebten in manchen
Städten Anatoliens Muslime und Nichtmuslime über Jahrhunderte
hinweg in denselben Stadtvierteln zusammen.
Vor allem kamen im Gegensatz zu den europäischen Staaten
jener Epoche, in denen Vertreibungen und Hinrichtungen religiöse
Konformität erzwangen, unfreiwillige Bekehrungen zum
Islam nur relativ selten vor. Selbst manche Sklaven konnten
dem Druck, die Religion zu wechseln, widerstehen. Allerdings
hatte die Mehrheit der Sklaven, sowie die durch die Knabenlese
für den Dienst des Sultans eingezogenen jungen Männer, in
dieser Sache kaum eine Wahl. Es kam auch vor, daß Leuten, die
für die osmanische Verwaltung „Ruhestörer“ darstellten, nur
die Wahl zwischen einer schweren Strafe und der Annahme des
Islams blieb.
Die überwältigende Mehrheit aller Bekehrungen dürfte jedoch
auf freiwilliger Basis erfolgt sein. Dafür gab es etliche
Gründe. Zunächst einmal dürften die nicht enden wollenden
Religionsstreitigkeiten zwischen Orthodoxen, Katholiken und
Protestanten auf manche Südosteuropäer so abstoßend gewirkt
haben, daß sie nicht mehr bereit waren, an eine göttliche Sendung
der christlichen Kirchen zu glauben. Für weniger nachdenkliche
Menschen gab es natürlich „weltlichere“ Gründe.
Von der cizye einmal abgesehen, öffnete die Annahme des Islam
Möglichkeiten des sozialen Aufstiegs, etwa als Diener eines
Gouverneurs. Auch mögen manche Menschen es einfach
vorgezogen haben, als Untertanen „erster“ und nicht „zweiter“
Klasse zu leben. Bisweilen gab es auch Bekehrungen ganzer
Dörfer oder Familien, deren Gründe wegen Quellenmangels
meist nicht mehr nachzuvollziehen sind. Aber schon die Bedeutung
der cizye als staatlicher Einnahmequelle dürfte osmani
sehe Provinzgouverneure und Kadis davon abgehalten haben,
die Bekehrung der „Ungläubigen“ mit allzuviel Nachdruck zu
betreiben."


für weitere Infos zu dem Balkan siehe die Links, die ich schon mal gepostet habe:

http://www.hist.net/kieser/pu/erbe.html

und allgemein über den Balkan mit vielen Bildern:
http://www.deutschlandundeuropa.de/49_05/Balkan.pdf


2. Da diese Steuer so wenig Erwähnung findet, können wir davon ausgehen, dass sie, wenn überhaupt, nicht sehr weit verbreitet gewesen ist, sondern nur von lokaler Bedeutung. Im Vergleich gebt mal die Kopfsteuer in google international ein (cizye) und ihr erhält 43000 Seiten.


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So, hier breche ich mal ab. Hab keine Lust mehr. Hab etliches auch schon woanders hier im Forum geschrieben.

Aloha, LG, lynxxx
 
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