Sachsenkriege vor Karl und deren Quellen

El Quijote schrieb:
Ich kann die Stelle bei Einhard partout nicht finden.
Ich vermute einmal, du hast in Einhards Vita Karoli Magni nachgesehen; es gibt aber die sogenannten Einhard-Annalen, die lediglich nach Einhard benannt sind.
El Quijote schrieb:
Zur Zahlenangabe 4500 in den Annales Regni Francorum ...
Ich bin da kein Fachmann, aber die Schreibweise der Ziffer 4500 geht meines Wissens auf die alte römische Schreibweise (I) = Tausend zurück, wobei man die Klammern im Frühmittelalter wohl weggelassen hat. Die Zahl 496 scheidet aus, weil die Zahl 4 wohl schon IV lautete; dasgleiche gilt dann für die genannte Alternativdeutung.
timotheus schrieb:
Du hast die These bzw. Vermutung von Gustav Faber mißverstanden.
Die These von Gustav Faber habe ich nicht mißverstanden. Die in den Reichsannalen angegebene Zahl wurde u.a. von Gustav Faber angezweifelt, da diese Zahl in den Einhard-Annalen aber wieder auftaucht, gelangte er zu dem oben dargestellten Schluß, wonach in den Einhard-Annalen ein Übertragungsfehler vorliegen müsse. Zu diesem Schluß wird Gustav Faber wohl aufgrund der Nachricht in den Annales Petaviani verleitet, die meines Wissens aber gleichfalls in ihrer Anwendung auf die Ereignisse in Verden angezweifelt wird.
timotheus schrieb:
Fabers These kann weder belegt noch widerlegt werden, da auch nicht endgültig festgestellt werden kann, ob nun ein Kopist einen Abschreibfehler gemacht hat oder nicht.
Die These von Gustav Faber setzt voraus, daß die Ziffer für die Zahl 4500 in den Reichsannalen nach dem Übertragungsfehler in den Einhard-Annalen eingefügt worden ist. Sollte sich dies grundsätzlich als unrichtig herausstellen, dann erweist sich auch Gustav Fabers These als unrichtig. Gustav Faber setzte für seine These u.a. zwei Fehler in unterschiedlichen Urkunden voraus, weshalb seiner Annahme nur vereinzelt gefolgt wird.
 
Die Zahl 496 scheidet aus, weil die Zahl 4 wohl schon IV lautete


Die Schreibweise "IIII" hat sich nicht nur das ganze Mittelalter hindurch, sondern bis hinein in die Neuzeit gehalten. Wer sich den Spaß macht, gelegentlich alte Bücher, Dokumente oder Inschriften zu betrachten, ist sicher schon auf zahlreiche Beispiele gestoßen. Man findet sogar beide Schreibweisen im selben Schriftstück nebeneinander.

Siehe auch: http://de.wikipedia.org/wiki/Römische_Zahlen
 

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Die in den Reichsannalen angegebene Zahl wurde u.a. von Gustav Faber angezweifelt, da diese Zahl in den Einhard-Annalen aber wieder auftaucht, gelangte er zu dem oben dargestellten Schluß, wonach in den Einhard-Annalen ein Übertragungsfehler vorliegen müsse. Zu diesem Schluß wird Gustav Faber wohl aufgrund der Nachricht in den Annales Petaviani verleitet, die meines Wissens aber gleichfalls in ihrer Anwendung auf die Ereignisse in Verden angezweifelt wird.
Die These von Gustav Faber setzt voraus, daß die Ziffer für die Zahl 4500 in den Reichsannalen nach dem Übertragungsfehler in den Einhard-Annalen eingefügt worden ist. Sollte sich dies grundsätzlich als unrichtig herausstellen, dann erweist sich auch Gustav Fabers These als unrichtig. Gustav Faber setzte für seine These u.a. zwei Fehler in unterschiedlichen Urkunden voraus, weshalb seiner Annahme nur vereinzelt gefolgt wird.

Faber geht es doch vordergründig gar nicht um die Zahl 4500, sondern um die Formulierung decollati (sunt) bzw. decollabat (auf welche Annalen er sich dabei nun wirklich bezieht, müßte geklärt werden).
Die drei mir bekannten Thesen (Fabers These ist nur eine davon) hatte ich bereits genannt: http://www.geschichtsforum.de/showpost.php?p=178494&postcount=24
 
Ich vermute einmal, du hast in Einhards Vita Karoli Magni nachgesehen;
Das ist richtig.
es gibt aber die sogenannten Einhard-Annalen, die lediglich nach Einhard benannt sind.
OK. Leider habe ich nur die deutsche Übersetzung davon gefunden, nicht den lateinischen Urtext. Allerdings kann man die sogenannten Einhardsannalen nicht als eine von den Annales Regni Francorum unabhängige Quelle benutzen, welche die Aussage der ARF bestätigen würde, da es sich lediglich um eine durch Zusätze modifizierte Variante der ARF handelt.
Ich bin da kein Fachmann, aber die Schreibweise der Ziffer 4500 geht meines Wissens auf die alte römische Schreibweise (I) = Tausend zurück, wobei man die Klammern im Frühmittelalter wohl weggelassen hat.
Ich ja auch nicht. Mir ist nur die römische Schreibweise <M> für 1000 bekannt. Es kann ja sein, dass die <I> hier tatsächlich für 1000 stehen. Es wäre sicher nicht mir als allererstem aufgefallen, dass da anstelle von vier <M> vier <I> stehen. ;) Trotzdem bin ich noch nicht restlos überzeugt.
Dass die alten Römer die Tausend tatsächlich durch ein eingeklammertes (I) dargestellt haben sollen ist mir neu und ich habe auch meine Zweifel daran, da graphische Zeichen ohne Lautwert (die Interpunktion) sich eigentlich erst seit dem Mittelalter etappenweise entwickelt haben.
 
Zuletzt bearbeitet:
hyokkose schrieb:
Die Schreibweise "IIII" hat sich nicht nur das ganze Mittelalter hindurch, sondern bis hinein in die Neuzeit gehalten.
Die Zahl 496 kann mit der Subtraktionsmethode regelgerecht (nur CD ist zulässig) dennoch nicht zutreffend sein; sie lautet: CCCCLXXXXVI. Die Alternativdeutung wäre erst noch an anderen Beispielen als richtig zu belegen. Eine Übereinstimmung der Reichsannalen mit den Einhard-Annalen ist glaubhafter.
timotheus schrieb:
Faber geht es doch vordergründig gar nicht um die Zahl 4500, sondern um die Formulierung decollati (sunt) bzw. decollabat (auf welche Annalen er sich dabei nun wirklich bezieht, müßte geklärt werden).
Gustav Fabers These ist nicht wirklich sinnvoll, wenn die Reichsannalen eindeutig von 4500 hingerichteten Sachsen berichten. Er setzt voraus, daß die Zahl 4500 in den Reichsannalen ursprünglich nicht stand bzw. unterstellt die oben genannte Alternativdeutung; was aber erst noch zu belegen wäre.
timotheus schrieb:
Matthias Becher geht lediglich so weit, die Zahl von 4500 enthaupteten Sachsen als stark übertrieben zu bezeichnen. Er stützt sich dabei v.a. darauf, daß es keine archäologischen Spuren gibt, die sonst eigentlich vorhanden sein müßten.
Fehlende Spuren sind kein Hinweis auf eine übertriebene Zahl. Karl führte bekanntlich auch zehntausend Sachsen ins Frankenland. Die enthaupteten Sachsen wurden aber nach ihrer Hinrichtung sicherlich bestattet (nicht notwendigerweise in Verden) oder wurden in den Fluß geworfen.
timotheus schrieb:
Andreas Kalckhoff äußert in seinem Buch "Karl der Große - Profile eines Herrschers" sogar, daß die Zahl von etwa 500 Hingerichteten angenommen werden sollte.
Diese Annahme will im Grunde nur das eigentliche Ausmaß von diesem Ereignis fernhalten, weil die Quellen eben besagen, daß Sachsen in Verden hingerichtet wurden. Die vermuteten Zahlen reichen von nur vier Hingerichteten über 450 (Kalckhoff nennt eben 500) zu viertausend Hingerichteten.
timotheus schrieb:
Die dritte Interpretation (Namen eines Vertreters habe ich leider nicht) schließlich deutet es so, daß sich dies auf sächsische Geiseln beziehe. Begründet wird dies mit der im Mittelalter üblichen und verbreiteten Praxis, daß Geiseln als Bürgen für Eide, Schwüre, Verträge etc. gestellt und bei Nichteinhaltung dieser meist getötet wurden.
Diese Annahme ist nicht haltbar, da die Sachsen die Hingerichteten von Verden an Karl aushändigten, nachdem klar war, daß Widukind sich wieder zu den Nordmannen begeben hatte. Die Geiseln wurden vermutlich nicht hingerichtet. Man weiß von einem Hathumar, der als sächsische Geisel schon früh zu den Franken kam, aber in Würzburg zum Geistlichen erzogen wurde.
El Quijote schrieb:
Allerdings kann man die sogenannten Einhardsannalen nicht als eine von den Annales Regni Francorum unabhängige Quelle benutzen, welche die Aussage der ARF bestätigen würde, da es sich lediglich um eine durch Zusätze modifizierte Variante der ARF handelt.
Weil das so ist, sind die zeitnahen Einhard-Annalen ein Beleg für die Richtigkeit der Reichsannalen.
El Quijote schrieb:
Trotzdem bin ich noch nicht restlos überzeugt. Dass die alten Römer die Tausend tatsächlich durch ein eingeklammertes (I) dargestellt haben sollen ist mir neu und ich habe auch meine Zweifel daran, da graphische Zeichen ohne Lautwert (die Interpunktion) sich eigentlich erst seit dem Mittelalter Etappenweise entwickelt haben.
Sieh dir dazu bitte noch einmal den von hyokkose oben angegebenen Wikipedia-Artikel an.
 
Ja, den habe ich nachträglich gelesen. Du meinst das Kapitel für die Schreibweise mit Apostrophus, wonach sich die römische Schreibweise für 1000 im Altertum aus dem griechischen phi entwickelt habe. Aber Darin steht auch, dass seit dem ersten vorchristlichen Jahrhundert das M für die 1000 benutzt wurde. Da stellt sich nach wie vor die Frage: warum nur dass I ohne CIƆ für die Darstellung der 1000 benutzt worden sein soll.

Und nochmal: die ARF sind der Ursprungstext der Einhardsannalen. Die letzteren können daher kein Beleg für die Richtigkeit sein, weil es sich hier um eine Abschrift handelt!
 
Zuletzt bearbeitet:
@Horst: Ich würde nicht so weit gehen, über verschiedene Deutungen urteilen zu wollen, welche im Laufe der letzten Jahre Gegenstand akademischer Diskussionen waren bzw. sind und über deren Bewährung aktuell laufende Forschungsarbeit erst endgültig Aufschluß geben kann. Aus diesem Grund habe ich drei mir bekannte Thesen zum Thema "Blutgericht bei Verden" hier vorgetragen - nicht mehr und nicht weniger.
Anm.: Die karolingische Geschichtsschreibung ist gegenwärtig generell Gegenstand einer akademischen Diskussion, wobei das Kapitel der Sachsenkriege Karls nur eines von vielen ist - vgl. dazu auch http://iasl.uni-muenchen.de/rezensio/liste/kaeuper.html



Nun zu den Punkten, die meine bisherigen Ausführungen betreffen...

Gustav Fabers These ist nicht wirklich sinnvoll, wenn die Reichsannalen eindeutig von 4500 hingerichteten Sachsen berichten. Er setzt voraus, daß die Zahl 4500 in den Reichsannalen ursprünglich nicht stand bzw. unterstellt die oben genannte Alternativdeutung; was aber erst noch zu belegen wäre.

Noch einmal: Faber setzt nicht voraus, daß die Zahl 4500 nachträglich durch einen Abschreibfehler eingefügt worden sei. Er äußert die Möglichkeit, daß dort original delocati (sunt) bzw. delocabat stand und durch einen Fehler bei der Übernahme in die erhaltene Abschrift dann decollati (sunt) bzw. decollabat daraus wurde.

Und noch eine allgemeine Bemerkung zur Eindeutigkeit der Zahl 4500: erstens haben El Quijote und hyokkose bereits einige wichtige Punkte bzgl. lateinischer Schreibweisen vorgebracht, zweitens wissen wir doch aus den Studien der Historiker zu mittelalterlichen Quellen auch recht gut, daß nicht selten Zahlen stark nach oben "korrigiert" wurden.

Fehlende Spuren sind kein Hinweis auf eine übertriebene Zahl. Karl führte bekanntlich auch zehntausend Sachsen ins Frankenland. Die enthaupteten Sachsen wurden aber nach ihrer Hinrichtung sicherlich bestattet (nicht notwendigerweise in Verden) oder wurden in den Fluß geworfen.

Du hast zwar den anderen wichtigen Satz zur Stützung besagter These unterschlagen, nämlich den der Militärhistoriker "daß es mit den damaligen Mitteln und Möglichkeiten nicht möglich gewesen sei, eine solche Zahl von Enthauptungen an einem Tag durchzuführen", aber sei's drum...

Meines Wissens - das zugegebenermaßen nicht allumfassend ist - gab es archäologische Untersuchungen in einem Gebiet bzw. Gebieten, welche(s) für die Betrachtung relevant war(en). Dort wurden aber keine derartigen Spuren gefunden; daß dabei auch die Möglichkeit des Flusses in Betracht gezogen wurde, würde ich der Wissenschaft dabei schon zugestehen wollen.
Sicherlich könnte man nun annehmen, die Hingerichteten seien weit ab des relevanten Gebietes bestattet worden, nur ist dies nach Ansicht der Historiker mW eher unwahrscheinlich.

Diese Annahme will im Grunde nur das eigentliche Ausmaß von diesem Ereignis fernhalten, weil die Quellen eben besagen, daß Sachsen in Verden hingerichtet wurden. Die vermuteten Zahlen reichen von nur vier Hingerichteten über 450 (Kalckhoff nennt eben 500) zu viertausend Hingerichteten.

Das habe ich diesbezüglich etwas anders verstanden: mit dieser Schätzung wird unter der Voraussetzung einer tatsächlich stattgefunden Hinrichtung versucht, unter Einbeziehung der o.a. Erkenntnisse (Archäologie, Waffentechnik, Realitätsgrad der Zahlenangaben in MA Quellen) eine realistische Zahl abzuschätzen.

Diese Annahme ist nicht haltbar, da die Sachsen die Hinzurichtenden von Verden an Karl aushändigten, nachdem klar war, daß Widukind sich wieder zu den Nordmannen begeben hatte. Die Geiseln wurden vermutlich nicht hingerichtet. Man weiß von einem Hathumar, der als sächsische Geisel schon früh zu den Franken kam, aber in Würzburg zum Geistlichen erzogen wurde.

Ich nehme einmal an, Du hattest Dich bei dem Wort vertippt (s. fett hervorgehobene Korrektur)...

Aber wieso ist die These nicht haltbar?
Es wird doch nach dieser davon ausgegangen, daß sächsische Geiseln gestellt wurden, um den zuvor geleisteten Eid gegenüber Karl bzw. den Franken zu bekräftigen. Für den Fall, daß der Eid bzw. die Eide nicht eingehalten wurde(n), hätten die Geiseln nach damaliger Auffassung ihr Leben verwirkt gehabt. Und da sie - nach fränkischer Sicht - eidbrüchig wurden, wäre dieser Fall eingetreten.
Ob Widukind dabei inzwischen nach Dnemark geflohen war, ist für diese Betrachtung übrigens irrelevant.
 
El Quijote schrieb:
Aber: Darin steht auch, dass seit dem ersten vorchristlichen Jahrhundert das M für die 1000 benutzt wurde. Da stellt sich nach wie vor die Frage: warum nur dass I ohne CII für die Darstellung der 1000 benutzt worden sein soll.
M oder I wurde für die Zahl 1000 verwendet, wie eben auch IIII oder IV für die Zahl 4 verwendet wurde. Die Verwendung von M anstelle von I oder CII wurde erst im Mittelalter populär. Die Klammern konnten vermutlich weggelassen werden, wenn klar war was gemeint war. Heute sagen wir ja auch beispielsweise oft tausend und nicht eintausend.
El Quijote schrieb:
Und nochmal: die ARF sind der Ursprungstext der Einhardannalen. Die letzteren können daher kein Beleg für die Richtigkeit sein, weil es sich hier um eine Abschrift handelt!
Die Einhard-Annalen sind keine bloße Abschrift der Reichsannalen.
timotheus schrieb:
Ich würde nicht so weit gehen, über verschiedene Deutungen urteilen zu wollen, welche im Laufe der letzten Jahre Gegenstand akademischer Diskussionen waren bzw. sind und über deren Bewährung aktuell laufende Forschungsarbeit erst endgültig Aufschluß geben kann.
Bis dahin behalte ich mir vor, den ursprünglichen Quellen Glauben zu schenken.
timotheus schrieb:
Aus diesem Grund habe ich drei mir bekannte Thesen zum Thema "Blutgericht bei Verden" hier vorgetragen - nicht mehr und nicht weniger.
Ich habe ja auch lediglich darauf hingewiesen, daß diese Annahmen eindeutige Quellen umdeuten wollen.
timotheus schrieb:
Die karolingische Geschichtsschreibung ist gegenwärtig ...
Karl Hengst mißtraut der karolingischen Geschichtsschreibung. Nach der Auffassung von Karl Hengst wurden 4500 Sachsen lediglich deportiert. Es solle das "Verdener Blutbad als Phantasieprodukt fränkischer Annalistik oder, vorsichtiger gesagt, als Abschreibefehler gedeutet werden ...". Hier kann man sich also sogar etwas aussuchen; nur der Quelle an sich soll man nicht trauen.
timotheus schrieb:
Noch einmal: Faber setzt nicht voraus, daß die Zahl 4500 nachträglich durch einen Abschreibfehler eingefügt worden sei. Er äußert die Möglichkeit, daß dort original delocati (sunt) bzw. delocabat stand und durch einen Fehler bei der Übernahme in die erhaltene Abschrift dann decollati (sunt) bzw. decollabat daraus wurde.
Ich mache mir jetzt nicht die Mühe, hier wiederzugeben, was Gustav Faber zu der Zahl 4500 tatsächlich sagt. Soll die Annahme von Gustav Faber auf die Einhard-Annalen beschränkt bleiben, so halte ich dieser Annahme die Reichsannalen entgegen.
timotheus schrieb:
Und noch eine allgemeine Bemerkung zur Eindeutigkeit der Zahl 4500: erstens haben El Quijote und hyokkose bereits einige wichtige Punkte bzgl. lateinischer Schreibweisen vorgebracht, ...
Ich bin ja auch auf sie eingegangen; woraus sich die Eindeutigkeit der Zahlenangabe weiter erschließen läßt. Die Zahl 4500 kann nun einmal auch beispielsweise als die Zahl 450 zuzüglich eines Buchstaben O gedeutet werden, aber wer würde diesen Einfall wirklich ernsthaft vertreten, wenn klar ist, hierbei handelt es sich um eine Zahl.
timotheus schrieb:
... zweitens wissen wir doch aus den Studien der Historiker zu mittelalterlichen Quellen auch recht gut, daß nicht selten Zahlen stark nach oben "korrigiert" wurden.
Als Grundsatz folge ich dem auch, aber im besonderen Fall müßte man dann eben doch wieder wenigstens glaubhaft machen, hier sei übertrieben worden.
timotheus schrieb:
Du hast zwar den anderen wichtigen Satz zur Stützung besagter These unterschlagen, nämlich den der Militärhistoriker "daß es mit den damaligen Mitteln und Möglichkeiten nicht möglich gewesen sei, eine solche Zahl von Enthauptungen an einem Tag durchzuführen", aber sei's drum...
Das bedarf auch keiner Würdigung, da bei einer unterstellten Truppenstärke von 10.000 Mann die Franken sich wohl darum geschlagen haben dürften, wer der erste ist, der einem Sachsen den Kopf abschlägt.
timotheus schrieb:
Dort wurden aber keine derartigen Spuren gefunden; daß dabei auch die Möglichkeit des Flusses in Betracht gezogen wurde, würde ich der Wissenschaft dabei schon zugestehen wollen.
Sicherlich könnte man nun annehmen, die Hingerichteten seien weit ab des relevanten Gebietes bestattet worden, nur ist dies nach Ansicht der Historiker mW eher unwahrscheinlich.
Hätte man diese Spuren gefunden, so wären die Quellen bestätigt worden. Da man keine solche Spuren gefunden hat, sind die Quellen aber nicht widerlegt, was übrigens auch nicht das Anliegen der Untersuchungen war. Meines Wissens liegen solche Spuren auch nicht für die Ereignisse von Cannstatt vor.
timotheus schrieb:
Das habe ich diesbezüglich etwas anders verstanden: mit dieser Schätzung wird unter der Voraussetzung einer tatsächlich stattgefunden Hinrichtung versucht, unter Einbeziehung der o.a. Erkenntnisse (Archäologie, Waffentechnik, Realitätsgrad der Zahlenangaben in MA Quellen) eine realistische Zahl abzuschätzen.
Dazu kann ich eigentlich nur sagen, glaube nur der Statistik, die du selbst gefälscht hast (wenigstens so lange, wie keine Erhebung vorliegt).
timotheus schrieb:
Ich nehme einmal an, Du hattest Dich bei dem Wort vertippt (s. fett hervorgehobene Korrektur).
Keineswegs; solange wir beide darunter jene Menschen verstehen, die von den Sachsen ausgehändigt wurden und später auf Karls Geheiß enthauptet wurden.
timotheus schrieb:
Aber wieso ist die These nicht haltbar?
Sie setzt voraus, die Geiseln wären von den Franken nach Verden geschafft worden. Karl ließ sich aber von den Sachsen bis zu 4500 Menschen ausgehändigt.
timotheus schrieb:
Es wird doch nach dieser davon ausgegangen, daß sächsische Geiseln gestellt wurden, um den zuvor geleisteten Eid gegenüber Karl bzw. den Franken zu bekräftigen.
Das stimmt.
timotheus schrieb:
Für den Fall, daß der Eid bzw. die Eide nicht eingehalten wurde(n), hätten die Geiseln nach damaliger Auffassung ihr Leben verwirkt gehabt. Und da sie - nach fränkischer Sicht - eidbrüchig wurden, wäre dieser Fall eingetreten.
Das stimmt auch, allerdings gibt es da eben auch den Fall Hathumar.
timotheus schrieb:
Ob Widukind dabei inzwischen nach Dänemark geflohen war, ist für diese Betrachtung übrigens irrelevant.
Karl ließ sich nach den Einhard-Annalen, erst nachdem klar war, das Karl den Anstifter nicht bestrafen konnte, von den übrigen, die Widukinds Rat folgend die schwere Tat vollbracht hatten, bis zu 4500 Menschen aushändigen. Widukinds Zuflucht zu den Nordmannen ist also nicht unwichtig in diesem Zusammenhang, da die Sachsen ihn eben nicht an Karl aushändigen konnten.
 
M oder I wurde für die Zahl 1000 verwendet, wie eben auch IIII oder IV für die Zahl 4 verwendet wurde. Die Verwendung von M anstelle von I oder CII wurde erst im Mittelalter populär.



Bevor irgendwelche Nonsens-Theorien ins Kraut schießen, möchte ich mich noch einmal um eine Klarstellung bemühen:

I bedeutet immer "1" und nie "1000".

Die Verwendung von M wurde auch nicht erst im Mittelalter populär, sondern für die 1000 stand bereits seit dem Altertum M und sonst nichts.

Es ist allerdings möglich, die Buchstabenfolge IIIIM als "quattuor (iiii) milia (M)" = 4.000 zu lesen:

Steht I vor C oder M, so drückt es so viele Hunderte, Tausende aus, z.B. IIC = 200, IIIM = 3000.

http://www.ebook-bibliothek.org/kategorie_184.html
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Bis dahin behalte ich mir vor, den ursprünglichen Quellen Glauben zu schenken.

Das sei Dir unbenommen; dennoch verweise ich darauf, daß die Wissenschaft sie schon einige Zeit nicht mehr als objektive Berichterstattung betrachtet, sondern unter folgenden Aspekten der Glaubwürdigkeit:
  1. Wer hat was in wessen Auftrag geschrieben? -> Parteilichkeit
  2. Zahlen dürfen nur in bedingt Glauben geschenkt werden (Ausnahme: Listen zu Heeresaushebung, Zählung zum Heerbann u.ä.)! -> Ungenauigkeit/Verzerrung/Übertreibung

Ich habe ja auch lediglich darauf hingewiesen, daß diese Annahmen eindeutige Quellen umdeuten wollen.

Genau das ist der Punkt: es sind eben nicht so eindeutige Quellen (vgl. o.g. Aspekte der Quellenkritik), und es geht auch nicht um Umdeutung o.ä., sondern um Quelleninterpretation.

Karl Hengst mißtraut der karolingischen Geschichtsschreibung. Nach der Auffassung von Karl Hengst wurden 4500 Sachsen lediglich deportiert. Es solle das "Verdener Blutbad als Phantasieprodukt fränkischer Annalistik oder, vorsichtiger gesagt, als Abschreibefehler gedeutet werden ...". Hier kann man sich also sogar etwas aussuchen; nur der Quelle an sich soll man nicht trauen.

Abgesehen davon, daß es mir bei dem Linkverweis nicht um das "Verdener Blutbad" ging, sondern eben um die Quellenkritik bzgl. karolingischer Geschichtsschreibung allgemein, hast Du auch diesen Abschnitt einigermaßen mißverstanden.
Karl Hengst geht es nicht darum, sich eine von zwei Interpretationen "auszusuchen", sondern er äußert zwei Qualitäten der selben Lesart: "Phantasieprodukt" als quasi "scharfe" Interpretation, "Abschreibefehler" als "sanftere" Interpretation.

Ich mache mir jetzt nicht die Mühe, hier wiederzugeben, was Gustav Faber zu der Zahl 4500 tatsächlich sagt. Soll die Annahme von Gustav Faber auf die Einhard-Annalen beschränkt bleiben, so halte ich dieser Annahme die Reichsannalen entgegen.

Aber ich mache mir gern die Mühe, meine Aussage zu Fabers These ein drittes Mal zu wiederholen: es geht nicht um die Zahl 4500, sondern um die Formulierung decollati (sunt) bzw. decollabat.
Zwar mag Faber auch eine These zur Zahl 4500 formuliert haben, aber diese habe ich mitnichten hier wiedergegeben; denn ich kenne von ihm nur die zu decollati (sunt) bzw. decollabat, wonach die Möglichkeit nicht ausgeschlossen wird, es habe ursprünglich delocati (unt) bzw. delocabat geheißen...

Ich bin ja auch auf sie eingegangen; woraus sich die Eindeutigkeit der Zahlenangabe weiter erschließen läßt. Die Zahl 4500 kann nun einmal auch beispielsweise als die Zahl 450 zuzüglich eines Buchstaben O gedeutet werden, aber wer würde diesen Einfall wirklich ernsthaft vertreten, wenn klar ist, hierbei handelt es sich um eine Zahl.

Seltsam; andere - und da spreche ich nicht nur von mir - sehen die Zahlenangabe aus verschiedenen Gründen als alles andere als eindeutig an.

Als Grundsatz folge ich dem auch, aber im besonderen Fall müßte man dann eben doch wieder wenigstens glaubhaft machen, hier sei übertrieben worden.
Das bedarf auch keiner Würdigung, da bei einer unterstellten Truppenstärke von 10.000 Mann die Franken sich wohl darum geschlagen haben dürften, wer der erste ist, der einem Sachsen den Kopf abschlägt.

Da stellt sich wieder die Frage, wo von einem 10000 Mann starken Heer die Rede ist: das wäre nämlich für das Mittelalter - insbesondere das Frühmittelalter - eine sehr große Zahl.

Hätte man diese Spuren gefunden, so wären die Quellen bestätigt worden. Da man keine solche Spuren gefunden hat, sind die Quellen aber nicht widerlegt, was übrigens auch nicht das Anliegen der Untersuchungen war. Meines Wissens liegen solche Spuren auch nicht für die Ereignisse von Cannstatt vor.

Wurde etwas behauptet von "die Quellen widerlegt" oder gar davon, daß dies "Ziel der Untersuchungen" gewesen sei?
Es wurde nichts anderes geschrieben als das, was Du selbst einräumst: beim Finden solcher Spuren hätte man die Quellenaussagen belegen können. Konnte man eben aber nicht...

Dazu kann ich eigentlich nur sagen, glaube nur der Statistik, die du selbst gefälscht hast (wenigstens so lange, wie keine Erhebung vorliegt).

Ich denke, das wolltest Du so nicht geschrieben haben.
Ernsthaft: wenn ich nicht der wissenschaftlichen Arbeit - noch dazu interdisziplinärer wissenschaftlicher Arbeit - trauen soll, soll ich selbst als Laie zu Erkenntnissen gelangen, die man als sicher annehmen kann?
Sorry, aber das ist mir zu anmaßend...

Sie setzt voraus, die Geiseln wären von den Franken nach Verden geschafft worden. Karl ließ sich aber von den Sachsen bis zu 4500 Menschen ausgehändigt.
...
Karl ließ sich nach den Einhard-Annalen, erst nachdem klar war, das Karl den Anstifter nicht bestrafen konnte, von den übrigen, die Widukinds Rat folgend die schwere Tat vollbracht hatten, bis zu 4500 Menschen aushändigen. Widukinds Zuflucht zu den Nordmannen ist also nicht unwichtig in diesem Zusammenhang, da die Sachsen ihn eben nicht an Karl aushändigen konnten.

Moment: wieso hätten sich Geiseln zwangsläufig außerhalb der sächsischen Lande befinden müssen?
Erstens aber gab es seit dem Beginn der Sachsenkriege, nämlich seit der Eroberung der Eresburg, zumindest fränkische Besatzungen; zweitens stand bspw. nicht der gesamte sächsische Adel zu Widukind, sondern hatte sich christianisiert und zudem mit Karl zumindest arrangiert.

Und bzgl. Widukind: auch das stellt dennoch nicht zwangsläufig einen Widerspruch zur These bzgl. sächsischer Geiseln dar - wiewohl ich jetzt verstanden habe, worauf Du hinauswolltest; und da gebe ich Dir auch durchaus Recht, daß Widukinds Flucht nicht ganz irrelevant gewesen sein könnte. Daß aber diese Praxis - Geiseln verfallen im Falle des Eidbruches dem Spruch bzw. der Gewalt der Franken - schlicht realisiert wurde, ist Gegenstand der These - und Widukinds Verhalten lediglich ein Einflußfaktor.
Ob sich andererseits Karl ihn als Aufrührer lieber höchstselbst vorgenommen hätte, steht auf einem ganz anderen Blatt und widerspricht eben dieser These keineswegs.
Die These - wie auch die anderen - befaßt sich nun einmal damit, wie es gewesen sein kann (und etwas anderes beansprucht auch niemand), und nicht damit, wie es sonst hätte gewesen sein können (z.B. Was wäre geschehen, wenn Karls Mannen den Widukind geschnappt hätten? o. dgl.).

PS (EDIT): Ein viertes Mal wiederhole ich die verschiedenen Sichtweisen der Historiker nicht...
 
Zuletzt bearbeitet:
Karl ließ sich nach den Einhard-Annalen, erst nachdem klar war, das Karl den Anstifter nicht bestrafen konnte, von den übrigen, die Widukinds Rat folgend die schwere Tat vollbracht hatten, bis zu 4500 Menschen aushändigen. Widukinds Zuflucht zu den Nordmannen ist also nicht unwichtig in diesem Zusammenhang, da die Sachsen ihn eben nicht an Karl aushändigen konnten.


Die so genannten Einhard-Annalen muss man an der fraglichen Stelle als eine Erweiterung der substantiell mit ihr übereinstimmenden Reichsannalen betrachten. Sie zeigen sich über die Feldzüge dieses Jahres in Sachsen ungewöhnlich gut informiert, sodass an dem Quellenwert der Nachricht vom "Verdener Blutgericht" nicht zu zweifeln ist. Bedenkt man zudem, dass die geografischen Kenntnisse der fränkischen Annalisten weitgehend auf den westfälischen Raum beschränkt bleiben, so dürfte die genaue Lagebestimmung des "Blutbades" auf zuverlässigen Informationen beruhen.

Die wuchernden wissenschaftlichen Spekulationen, dieses Ereignis zu relativieren, scheitern an der klaren Aussage der Quelle, die auch eine Begründung für die Strafaktion nahelegt, nämlich Reaktionen Karls auf die Niederlage in der Schlacht am Süntel und den Rückzug Widukinds zu den Dänen.

Nachdem sich also zeigt, dass die Quelle in allen Belangen seriös und gut informiert ist, besteht keine Veranlassung, an ihrer Aussage von der Hinrichtung 4500 Aufständischer zu zweifeln.
 
hyokkose schrieb:
Bevor irgendwelche Nonsens-Theorien ins Kraut schießen, möchte ich mich noch einmal um eine Klarstellung bemühen:

I bedeutet immer "1" und nie "1000".

Die Verwendung von M wurde auch nicht erst im Mittelalter populär, sondern für die 1000 stand bereits seit dem Altertum M und sonst nichts.

Es ist allerdings möglich, die Buchstabenfolge IIIIM als "quattuor (iiii) milia (M)" = 4.000 zu lesen.
In den Reichsannalen stände demzufolge nicht die Zahl 4500 sondern die Zahl 2000 (diese Meinung wird auch tatsächlich von einigen Leuten vertreten); dann stellte sich allerdings die Frage, warum man nicht einfach die Zahl IIM verwendete. Schlußfolgerung einiger Geschichtsforscher: die Zahl lautet IIII D (=domini). Sie sei nachträglich in die Reichsannalen eingetragen worden und aus Raumnot sei domini nur mit einem D abgekürzt worden. Karl hätte also in Verden nur die Anstifter hinrichten lassen. Da die Einhard-Annalen von der Zahl 4500 wörtlich berichten, wird von Gustav Faber die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, es habe ursprünglich delocati (unt) bzw. delocabat geheißen, denn schließlich lägen die Einhard-Annalen nicht mehr in der Urschrift vor. Das würde bedeuten, die 4500 Sachsen wären umgesiedelt worden, womit Gustav Faber den engen Zusammenhang von Reichsannalen und Einhard-Annalen verläßt, auf den ja auch El Quijote oben hinweist, was wiederum nur widerspruchsfrei möglich ist, wenn eben die Zahl der Hingerichteten nachträglich als Ziffer in die Reichsannalen eingefügt worden ist. Ich kann dazu nur sagen (da ich eben kein Fachmann bin), daß mit dem von dir oben angegebene Wikipedia-Artikel die ursprüngliche Auslegung der Zahl in den Reichsannalen schlüssig erklärt werden kann.
timotheus schrieb:
Das sei Dir unbenommen; dennoch verweise ich darauf, daß die Wissenschaft sie schon einige Zeit nicht mehr als objektive Berichterstattung betrachtet, sondern unter folgenden Aspekten der Glaubwürdigkeit:
Wer hat was in wessen Auftrag geschrieben? -> Parteilichkeit
Zahlen dürfen nur in bedingt Glauben geschenkt werden (Ausnahme: Listen zu Heeresaushebung, Zählung zum Heerbann u.ä.)! -> Ungenauigkeit/Verzerrung/Übertreibung
Mir ist bewußt, daß es sich bei den Reichs- und Einhard-Annalen um fränkische Quellen handelt.
timotheus schrieb:
Genau das ist der Punkt: es sind eben nicht so eindeutige Quellen (vgl. o.g. Aspekte der Quellenkritik), und es geht auch nicht um Umdeutung o.ä., sondern um Quelleninterpretation.
Die These von Gustav Faber wandelt eine in den Reichsannalen unbestritten berichtete Hinrichtung zu einer Umsiedelung in den Einhard-Annalen um; deshalb sage ich, hier wird umgedeutet, nicht mehr ausgelegt.
timotheus schrieb:
Karl Hengst geht es nicht darum, sich eine von zwei Interpretationen "auszusuchen", sondern er äußert zwei Qualitäten der selben Lesart: "Phantasieprodukt" als quasi "scharfe" Interpretation, "Abschreibefehler" als "sanftere" Interpretation.
Im einen Fall liegt Vorsatz vor, im anderen nicht. Man kann sich also aussuchen, ob hier vorsätzlich oder fahrlässig die Quellen verändert wurden.
timotheus schrieb:
Aber ich mache mir gern die Mühe, meine Aussage zu Fabers These ein drittes Mal zu wiederholen: es geht nicht um die Zahl 4500, sondern um die Formulierung decollati (sunt) bzw. decollabat.
Das habe ich bereits beim ersten Mal verstanden.
timotheus schrieb:
Seltsam; andere - und da spreche ich nicht nur von mir - sehen die Zahlenangabe aus verschiedenen Gründen als alles andere als eindeutig an.
Ich streite ja auch nicht ab, daß es auch andere als nur dich gibt, die der Zahlenangabe in den Reichs- und Einhard-Annalen aus unterschiedlichen Gründen nicht vertrauen.
timotheus schrieb:
Da stellt sich wieder die Frage, wo von einem 10000 Mann starken Heer die Rede ist: das wäre nämlich für das Mittelalter - insbesondere das Frühmittelalter - eine sehr große Zahl.
Ich habe diese Zahl unterstellt; die man aber üblicherweise für die Stärke von Karls Heer annimmt. Eine geringere Zahl ändert grundsätzlich nichts an der denkbaren Verwirklichung der berichteten Hinrichtung an einem Tag.
timotheus schrieb:
Wurde etwas behauptet von "die Quellen widerlegt" oder gar davon, daß dies "Ziel der Untersuchungen" gewesen sei?
Es wurde nichts anderes geschrieben als das, was Du selbst einräumst: beim Finden solcher Spuren hätte man die Quellenaussagen belegen können. Konnte man eben aber nicht.
Matthias Becher schließt aus den fehlenden Funden, daß die Zahl 4500 nicht stimmen kann, oder?
timotheus schrieb:
Ich denke, das wolltest Du so nicht geschrieben haben.
Ernsthaft: wenn ich nicht der wissenschaftlichen Arbeit - noch dazu interdisziplinärer wissenschaftlicher Arbeit - trauen soll, soll ich selbst als Laie zu Erkenntnissen gelangen, die man als sicher annehmen kann?
Sorry, aber das ist mir zu anmaßend.
Ich habe lediglich darauf hinweisen wollen, daß ein Unterschied zwischen Mutmaßungen (Annahmen) und Schätzungen (Schätzverfahren) besteht; was besonders dann von Bedeutung ist, wenn am Ende unterschiedliche Ergebnisse vorliegen, die eine derartige Streuung aufweisen.
timotheus schrieb:
Moment: wieso hätten sich Geiseln zwangsläufig außerhalb der sächsischen Lande befinden müssen?
Man weiß beispielsweise von dem besagten Hathumar, daß er sich in Fulda und später in Würzburg aufgehalten hat.
timotheus schrieb:
Erstens aber gab es seit dem Beginn der Sachsenkriege, nämlich seit der Eroberung der Eresburg, zumindest fränkische Besatzungen; zweitens stand bspw. nicht der gesamte sächsische Adel zu Widukind, sondern hatte sich christianisiert und zudem mit Karl zumindest arrangiert.
Die Einhard-Annalen berichten hierzu, daß Karl sich von denen, die Widukinds Rat folgend die schwere Tat vollbracht hatten, bis zu 4500 Sachsen aushändigen ließ; also gerade nicht von dem Teil, der zu Karl stand.
timotheus schrieb:
Daß aber diese Praxis - Geiseln verfallen im Falle des Eidbruches dem Spruch bzw. der Gewalt der Franken - schlicht realisiert wurde, ist Gegenstand der These - und Widukinds Verhalten lediglich ein Einflußfaktor.
Ich erinnere hier nochmals an den Fall Hathumar; der gegen eine Hinrichtung aller Geisel spricht.
timotheus schrieb:
Ob sich andererseits Karl ihn als Aufrührer lieber höchstselbst vorgenommen hätte, steht auf einem ganz anderen Blatt und widerspricht eben dieser These keineswegs. ... Die These - wie auch die anderen - befaßt sich nun einmal damit, wie es gewesen sein kann (und etwas anderes beansprucht auch niemand), und nicht damit, wie es sonst hätte gewesen sein können (z.B. Was wäre geschehen, wenn Karls Mannen den Widukind geschnappt hätten? o. dgl.).
Die Frage, ob die sich aus den Reichs- und Einhard-Annalen ergebende Hinrichtung nicht erfolgt wäre, wenn Karl Widukind hätte bestrafen können, hat nichts mit dem Zeitpunkt der Forderung Karls zu tun (nach den Annalen eben erst, nachdem Karl erfahren hatte, Widukind sei bei den Nordmannen), ihm die 4500 Sachsen auszuhändigen. Dieser Zeitpunkt ist es aber, der gegen die These spricht, die Geiseln, die die Sachsen in den Vorjahren ausgehändigt hatten, seien in Verden hingerichtet worden.
 
Anmerkung Im Voraus: ich wiederhole jetzt wirklich nicht die verschiedenen Sichtweisen samt Erklärungen noch einmal; ich habe mehrfach versucht, ihren Grundtenor zu umreißen und darzulegen, warum verschiedene Historiker zu diesen Thesen gelangt sind. Das muß jetzt genügen, denn besser kann ich es nicht mehr schreiben - wahrscheinlich konnte ich dies nicht in genügendem Maße wiedergeben. Vielen Dank für Euer Verständnis...

Nachdem sich also zeigt, dass die Quelle in allen Belangen seriös und gut informiert ist, besteht keine Veranlassung, an ihrer Aussage von der Hinrichtung 4500 Aufständischer zu zweifeln.

Zumindest die Zahl 4500 wird - wie mehrfach nicht nur von mir geschrieben - von nicht wenigen Historikern bezweifelt.
Anm. dazu: Das ist übrigens auch die Lesart, der ich selbst am ehesten folgen kann...

Ich habe diese Zahl unterstellt; die man aber üblicherweise für die Stärke von Karls Heer annimmt. Eine geringere Zahl ändert grundsätzlich nichts an der denkbaren Verwirklichung der berichteten Hinrichtung an einem Tag.

Sicher kann man ansonsten für Karls Heer bis zu 10000 Mann annehmen, aber dabei ist folgendes zu bedenken:
  1. Karl mußte für diesen Zug nach Sachsen relativ "eilig" ein Heer zusammenstellen - wenn dies 5000 Mann waren, dann waren es schon viele. Und diese wären nicht einmal ausreichend gewesen, um 4500 Sachsen zu bewachen!
  2. Selbst die Konzentration von 5000 Mann an einem Ort(!) bedeutete die Entblößung der anderen Landesteile. Dies wiederum hätte ein nicht zu unterschätzendes Risiko dargestellt!

Matthias Becher schließt aus den fehlenden Funden, daß die Zahl 4500 nicht stimmen kann, oder?

Nicht nur daraus; er betrachtet dies in Zusammenhang mit der Glaubwürdigkeit von Zahlenangaben im mittellaterlichen Quellen allgemein (eben sofern es keine Heereszählungen oder zahlen zu einem Heerbann sind) sowie dem Fakt, daß man - nach Aussagen von Militärhistorikern - mindestens so etwas wie eine Guillotine gebraucht hätte, um eine Hinrichtung diesen Ausmaßes an einem Tag durchzuführen, mit Axt und/oder Schwert jedoch mehrere Tage ganztägig damit beschäftigt wäre.

Ich habe lediglich darauf hinweisen wollen, daß ein Unterschied zwischen Mutmaßungen (Annahmen) und Schätzungen (Schätzverfahren) besteht; was besonders dann von Bedeutung ist, wenn am Ende unterschiedliche Ergebnisse vorliegen, die eine derartige Streuung aufweisen.

Die Abschätzungen, welche ich hier vorgestellt habe, sprachen von maximal 450 bis 500 Hingerichteten - dies erscheint mir für eine abgeschätzte Obergrenze eine nicht so starke Streuung zu sein.
Die Zahl 4 kam woanders her, nämlich bzgl. Eindeutigkeit der Auslegung von "IIIID"; diese Interpretation geht in eine andere Richtung, denn sie bezieht sich allein auf den Text und kommt nicht aus dem Kontext der angeführten Abschätzungen.

Anm.: Ich bitte um Nachsicht ob der etwas makabren Rechnung, aber es läßt sich nicht viel anders schreiben...



Abschließend (nachdem ich da mal etwas weiter gesucht habe) noch eine Frage an diejenigen, welche an die Quellen im Originalwortlaut in Latein herankommen, da mich nichtsdestotrotz auch die Sache mit dem evt. (Ab-)Schreibfehler nach wie vor interessiert:
Die Formulierung mit decollati bzw. decollabat befindet sich wohl in den Annales Einhardi bzw. Annales Regnum Francorum (Annales Laurissenses Maiores Et Einhardi) - leider gibt es Online lediglich die deutsche Übersetzung z.B. auf http://www.genealogie-mittelalter.de/immedinger_widukind_sippe/reichsannalen.html
Die Formulierung in den Annales Regni Francorum (Annales Laurissenses Maiores) lautete in dem Kontext ad occidendum. Nach meinem Schnellübersetzer auf dem Rechner kann dies zwar zur Tötung heißen, aber bspw. auch zum Verderben oder gar zum (Nieder-)Fall. Wie eindeutig ist diese Stelle bzw. Übersetzung wirklich?
 
Zuletzt bearbeitet:
timotheus schrieb:
Sicher kann man ansonsten für Karls Heer bis zu 10000 Mann annehmen, aber dabei ist folgendes zu bedenken:
Karl mußte für diesen Zug nach Sachsen relativ "eilig" ein Heer zusammenstellen - wenn dies 5000 Mann waren, dann waren es schon viele.
Die Einhard-Annalen berichten, daß Karl eilig sein Heer aufbot. Es hat sich also nicht, wie in den Jahren 774 und 778, nur um einen Teil seines Heeres gehandelt. Bei deinen Überlegungen venachlässigst du auch, daß die Sachsen nicht das ganze fränkische Heer am Süntel vernichteten und jene Sachsen, die zu Karl standen, dieses Aufgebot verstärkten.
timotheus schrieb:
Und diese wären nicht einmal ausreichend gewesen, um 4500 Sachsen zu bewachen!
Für die Bewachung von 4500 Häftlingen benötigt man keine besonders große Wachmannschaft, wenn diese Häftlinge, wovon auszugehen ist, gefesselt (oder eingesperrt) waren.
timotheus schrieb:
Selbst die Konzentration von 5000 Mann an einem Ort(!) bedeutete die Entblößung der anderen Landesteile. Dies wiederum hätte ein nicht zu unterschätzendes Risiko dargestellt!
Die Häftlinge wurden von den Sachsen an die Franken übergeben. Der Aufstand dieses Jahres brach, nachdem Karl in Sachsen eingetroffen war, offenbar zusammen; Widukind hatte jedenfalls das Land verlassen.
timotheus schrieb:
... sowie dem Fakt, daß man - nach Aussagen von Militärhistorikern - mindestens so etwas wie eine Guillotine gebraucht hätte, um eine Hinrichtung diesen Ausmaßes an einem Tag durchzuführen, mit Axt und/oder Schwert jedoch mehrere Tage ganztägig damit beschäftigt wäre.
Die genannten Militärhistoriker unterstellen eine mittelalterliche Hinrichtung mit einem Henker und einer Axt; was aber nicht so abgelaufen sein wird. Karl hat wohl lediglich 500 bewaffnete Krieger auf die gefesselten Gefangenen (wie in einer Schlacht) einschlagen lassen; was innerhalb einer halben Stunde abgeschlossen sein konnte.
timotheus schrieb:
Die Abschätzungen, welche ich hier vorgestellt habe, sprachen von maximal 450 bis 500 Hingerichteten - dies erscheint mir für eine abgeschätzte Obergrenze eine nicht so starke Streuung zu sein.
Das ist lediglich die Zahl, die Andreas Kalckhoff nennt; andere nennen eben andere Zahlen. Die Zahl 500 liegt außerdem verdächtig nahe an der Zahl 496; was auf eine trügerische Deutung der Zahl IIIID hindeutet. Ob man aber allgemein die Zahlen in den fränkischen Quellen auf ein Zehntel verringern kann, wäre erst noch zu belegen. Es wären dann nämlich auch nur 1.000 (nicht 10.000) Sachsen mit Frauen und Kindern von der Elbe nach Germanien und Gallien umgesiedelt worden; demnach hätten insgesamt nur 1.000 Sachsen jenseits der Elbe und in Wigmodien gewohnt.
 
Die Einhard-Annalen berichten, daß Karl eilig sein Heer aufbot.

Sicher; nichts anderes schrieb ich ja auch in meinem Beitrag...
Allerdings verdient das Wort "eilig" besondere Beachtung, v.a. in Verbindung mit den anderen Formulierungen in den Annalen wie bspw. "keinen Augenblick zögern zu dürfen" und "schleunigst". Daraus ist mit nur wenig Phantasie zu lesen, daß Karl keine Zeit blieb, den Heerbann einzuberufen, um sein Heer in der Zahl zu versammeln, die seine volle Stärke bedeutet hätte.

Es hat sich also nicht, wie in den Jahren 774 und 778, nur um einen Teil seines Heeres gehandelt.

Ich schrieb nicht "ein Teil des Heeres" und auch nichts ähnliches in dieser Richtung, sondern von einem Heeresverband, der eben die volle Stärke des Heerbanns nicht erreichte bzw. aufgrund des schnellen Aufbruchs gar nicht erreichen konnte (vgl. oben).

Bei deinen Überlegungen venachlässigst du auch, daß die Sachsen nicht das ganze fränkische Heer am Süntel vernichteten und jene Sachsen, die zu Karl standen, dieses Aufgebot verstärkten.

Bitte keine Unterstellungen; ich habe dies im Gegenteil bei der Zahl von max. 5000 durchaus berücksichtigt!

Für die Bewachung von 4500 Häftlingen benötigt man keine besonders große Wachmannschaft, wenn diese Häftlinge, wovon auszugehen ist, gefesselt (oder eingesperrt) waren.

Wieso ist zwangsläufig davon auszugehen, daß sie bereits gefesselt waren und ihnen nicht erst vor Ort die Hände gebunden wurden?
Anm.: Jetzt erwidere aber darauf nicht, daß ich in anderen Beiträgen etwas von Geiseln schrieb; hier steht die Sichtweise "Zahl 4500 ist maßlos übertrieben" zur Diskussion. Die These von den Geiseln ist eine vollkommen andere Sichtweise, die ich zwar vorgestellt habe, der ich aber selbst übrigens nicht folge.

Die Häftlinge wurden von den Sachsen an die Franken übergeben. Der Aufstand dieses Jahres brach, nachdem Karl in Sachsen eingetroffen war, offenbar zusammen; Widukind hatte jedenfalls das Land verlassen.

Das bezieht sich auf meine Aussage von der Konzentration an einem Ort und der Entblößung anderer Landesteile.
Warum habe ich wohl explizit "andere Landesteile" geschrieben?
Die Lage in Sachsen war dennoch alles andere als stabil (es sei denn, ich unterstelle Karl, er habe vorausgesehen, daß bei seinem Eintreffen "Ruhe" einkehren würde) - einmal abgesehen davon, daß das Frankenreich auch nicht nur aus den sächsischen Landen bestand und es in anderen Teilen des Reiches ebenfalls Truppen brauchte.

Die genannten Militärhistoriker unterstellen eine mittelalterliche Hinrichtung mit einem Henker und einer Axt; was aber nicht so abgelaufen sein wird. Karl hat wohl lediglich 500 bewaffnete Krieger auf die gefesselten Gefangenen (wie in einer Schlacht) einschlagen lassen; was innerhalb einer halben Stunde abgeschlossen sein konnte.

Wer unterstellt denn etwas von "einem Henker mit einer Axt" bzw. daß es so abgelaufen sei?
Die genannten Fachleute, deren Forschungsarbeit ich übrigens schon respektiere, setzen diesbezüglich sogar das Wirken von mehreren Ausführenden voraus.
"Enthaupten" aber bedeutet - egal, wie viele Ausführende es gibt - gezieltes Schlagen, wobei schon aus verschiedenen waffentechnischen Gründen auch diese Zahl begrenzt ist. Auch geht das Ganze bei weitem nicht so schnell von statten, wie Du es Dir vielleicht vorstellst...

Das Scenario mit den 500 Bewaffneten, welche auf die Gefangenen einschlagen, kommentiere ich ansonsten nicht weiter, sondern verweise an der Stelle lediglich darauf, daß - wenn wir den in der anderen Historikersichtweise unterstellten Schreibfehler o.ä. ausschließen - es explizit heißt "ließ sie enthaupten" oder aber "decollati sunt".

Anm.: Die Argumentation widerspricht übrigens dem Festhalten am genauen Wortlaut des Textes, was Du bspw. bzgl. der Zahl 4500 vehement einforderst...

Hier noch einmal der Text auf Deutsch: http://www.genealogie-mittelalter.de/immedinger_widukind_sippe/reichsannalen.html
Und inzwischen habe ich ihn auch auf Latein gefunden: http://www.digitale-sammlungen.de/~...l?id=00000868&fip=217.227.85.4&no=8&seite=199

Das ist lediglich die Zahl, die Andreas Kalckhoff nennt; andere nennen eben andere Zahlen. Die Zahl 500 liegt außerdem verdächtig nahe an der Zahl 496; was auf eine trügerische Deutung der Zahl IIIID hindeutet.

Frage: Willst Du meine Beiträge unbedingt mißverstehen?
Sorry, aber auch hierzu schrieb ich explizit "maximal", denn keine andere vernünftige Abschätzung als eine obere Grenze ließe sich auf Basis der genannten Daten gewinnen (und wäre übrigens auch nicht das Ziel, denn unterhalb dieser Grenze kann man dann sehr wohl jede niedrigere Zahl annehmen).

Wenn Du dabei eine trügerische Deutung von IIID unterstellen möchtest, steht Dir dies natürlich frei; allerdings äußern sich die Betreffenden lediglich dahingehend, daß 4500 viel zu hoch wäre - nicht mehr...

Ob man aber allgemein die Zahlen in den fränkischen Quellen auf ein Zehntel verringern kann, wäre erst noch zu belegen.

Hat denn irgendwer gesagt, daß man allgemein derartige Zahlen auf ein Zehntel verringern kann bzw. habe ich das irgendwo so zitiert?
 
timotheus schrieb:
Sicher; nichts anderes schrieb ich ja auch in meinem Beitrag.
Allerdings verdient das Wort "eilig" besondere Beachtung, v.a. in Verbindung mit den anderen Formulierungen in den Annalen wie bspw. "keinen Augenblick zögern zu dürfen" und "schleunigst". Daraus ist mit nur wenig Phantasie zu lesen, daß Karl keine Zeit blieb, den Heerbann einzuberufen, um sein Heer in der Zahl zu versammeln, die seine volle Stärke bedeutet hätte.
timotheus schrieb:
Ich schrieb nicht "ein Teil des Heeres" und auch nichts ähnliches in dieser Richtung, sondern von einem Heeresverband, der eben die volle Stärke des Heerbanns nicht erreichte bzw. aufgrund des schnellen Aufbruchs gar nicht erreichen konnte (vgl. oben).
Die Einhard-Annalen berichten: Als der König die Nachricht von diesem Ereignis erhielt, glaubte er keinen Augenblick zögern zu dürfen; schleunig bot er sein Heer auf und zog nach Sachsen. Die Quelle berichtet also nicht, Karl sei nur mit den Ostfranken und Sachsen (wie die Heerführer Adalgis, Geilo und Worad) oder mit den in der Eile zusammengebrachten Truppen aus Ripuarien (wie Theoderich) nach Sachsen gezogen. Es ist daher wahrscheinlich, daß Karl bereits den Heerbann sammelte, als ihn die Nachricht von den Ereignissen am Süntel erreichte; woraus sich sein beschleunigter Aufbruch nach Sachsen erklärt. Im Jahr 783 finden wir diese Vorgehensweise wieder, denn Karl zog sich nach Paderborn zurück, und wartete hier den Heeresteil ab, der noch aus Franken nachrücken sollte.
timotheus schrieb:
Bitte keine Unterstellungen; ich habe dies im Gegenteil bei der Zahl von max. 5000 durchaus berücksichtigt!
Entschuldigung; ich wollte dir nichts unterstellen. Ich hatte vermutet, dir sei das entgangen, weil du von Karls Zug nach Sachsen sprachst.
timotheus schrieb:
Wieso ist zwangsläufig davon auszugehen, daß sie bereits gefesselt waren und ihnen nicht erst vor Ort die Hände gebunden wurden?
Der Zeitpunkt, wann sie in Gefangenschaft geraten sind, oder die Art und Weise, wie sie in Gefangenschaft geraten sind, ist für die spätere Hinrichtung wohl nicht so bedeutsam; entscheidend dürfte sein, daß sie vor der Hinrichtung nicht ungebunden sein konnten.
timotheus schrieb:
Anm.: Jetzt erwidere aber darauf nicht, daß ich in anderen Beiträgen etwas von Geiseln schrieb; hier steht die Sichtweise "Zahl 4500 ist maßlos übertrieben" zur Diskussion. Die These von den Geiseln ist eine vollkommen andere Sichtweise, die ich zwar vorgestellt habe, der ich aber selbst übrigens nicht folge.
Es ist ja nett von dir, daß du dir meinen Kopf zerbrichst, aber das ist nicht notwendig.
timotheus schrieb:
Das bezieht sich auf meine Aussage von der Konzentration an einem Ort und der Entblößung anderer Landesteile.
Warum habe ich wohl explizit "andere Landesteile" geschrieben?
Die Lage in Sachsen war dennoch alles andere als stabil (es sei denn, ich unterstelle Karl, er habe vorausgesehen, daß bei seinem Eintreffen "Ruhe" einkehren würde) - einmal abgesehen davon, daß das Frankenreich auch nicht nur aus den sächsischen Landen bestand und es in anderen Teilen des Reiches ebenfalls Truppen brauchte.
Ich hatte deine Aussage über die anderen Landesteile zu deinen Gunsten auf Sachsen bezogen; sofern du darunter auch Aquitanien oder Italien verstanden wissen willst, so kann ich nur darauf hinweisen, daß die Lage sich ja gegenüber anderen Feldzügen, in denen Karl ganz sicher die volle Stärke seines Heeres einsetzte, nicht veränderte (vgl. dazu das folgende Jahr). Die Erklärung für das vorläufige Scheitern des Aufstandes der Sachsen, die ja immerhin einen großen Teil des fränkischen Heeres am Süntel vernichtet hatten, bleibt am Ende nur eine Vermutung, wonach sich durch Karls Erscheinen in Sachsen die Lage zugunsten der Franken veränderte.
timotheus schrieb:
Die genannten Fachleute, deren Forschungsarbeit ich übrigens schon respektiere, setzen diesbezüglich sogar das Wirken von mehreren Ausführenden voraus.
"Enthaupten" aber bedeutet - egal, wie viele Ausführende es gibt - gezieltes Schlagen, wobei schon aus verschiedenen waffentechnischen Gründen auch diese Zahl begrenzt ist. Auch geht das Ganze bei weitem nicht so schnell von statten, wie Du es Dir vielleicht vorstellst.
Das Scenario mit den 500 Bewaffneten, welche auf die Gefangenen einschlagen, kommentiere ich ansonsten nicht weiter, sondern verweise an der Stelle lediglich darauf, daß - wenn wir den in der anderen Historikersichtweise unterstellten Schreibfehler o.ä. ausschließen - es explizit heißt "ließ sie enthaupten" oder aber "decollati sunt".
Anm.: Die Argumentation widerspricht übrigens dem Festhalten am genauen Wortlaut des Textes, was Du bspw. bzgl. der Zahl 4500 vehement einforderst.
Enthaupten bedeutet nichts weiter, als das Abschlagen des Kopfes (beispielsweise mittels einer Axt oder eines Schwertes). Hinrichten bedeutet lediglich, der Verurteilte kann sich nicht verteidigen. Die Beschränkung aus waffentechnischen Gründen kann ja wohl kaum bedeuten, Karl habe nicht 500 Schwerter und Äxte oder bereitwillige Krieger zusammenbringen können. Wie lange braucht wohl ein erfahrener Krieger, um neun gefesselten Menschen den Kopf abzuschlagen (500 x 9 = 4500)? Die Einhard-Annalen berichten: ... ließ er sich bis zu 4500 aushändigen und sie zu Verden an der Aller alle an einem Tag enthaupten. Wo du da einen Widerspruch zu meinen Äußerungen siehst, kann ich nicht erkennen.
timotheus schrieb:
Frage: Willst Du meine Beiträge unbedingt mißverstehen?
Nein, ich kann deinen Beiträgen folgen; du meinen hoffentlich auch.
timotheus schrieb:
Sorry, aber auch hierzu schrieb ich explizit "maximal", denn keine andere vernünftige Abschätzung als eine obere Grenze ließe sich auf Basis der genannten Daten gewinnen (und wäre übrigens auch nicht das Ziel, denn unterhalb dieser Grenze kann man dann sehr wohl jede niedrigere Zahl annehmen).
Du hast eine obere und eine untere Schranke angegeben. Zu beiden Schranken habe ich etwas gesagt.
timotheus schrieb:
Wenn Du dabei eine trügerische Deutung von IIIID unterstellen möchtest, steht Dir dies natürlich frei; allerdings äußern sich die Betreffenden lediglich dahingehend, daß 4500 viel zu hoch wäre - nicht mehr.
Der Streit unter jenen, die diese Zahl für zu hoch halten, geht eben darum, um welche Zahl es sich genau gehandelt haben könnte. Da hierüber aber meines Wissens keine Einigung vorliegt, gehe ich von naheliegenden Zusammenhängen aus; eben eine Fehleinschätzung der Zahl IIIID oder eine pauschale Verringerung auf ein Zehntel.
timotheus schrieb:
Hat denn irgendwer gesagt, daß man allgemein derartige Zahlen auf ein Zehntel verringern kann bzw. habe ich das irgendwo so zitiert?
Nein, du hast deine untere Schranke nicht begründet.
 
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