@ Barbarossa - gerade In Hennigsdorf war gut zu beobachten. Ein traditionelles Stahlwerk, riesengroß, Produktions-Hallen z.T. noch aus der Wilhelminischen Zeit, einst ein Hochleistungsbetrieb. Ich habe noch Photos
von meinem ersten Besuch dort 1990! Das Werk war in einem (für westl. Verhältnisse) unglaublichen Zustand. Fast keine Glasfläche (auch in den Dächern), die nicht zerborsten war! Überall lag Schrott. Unzählige Maschinen verrotteten und dümmelten seit Jahren vor sich hin, weil sie zu warten oder gar zu reparieren im Plan nicht vorgesehen war.
Derselbe Zustand bei der LPG ! Soviel Schrott auf einem Haufen, sogenannte Landmaschinen, hab ich nie zuvor gesehen! Und daselbe Bild auch bei kleineren Betrieben.
Und wenn "man nun" auf die Eigenenergie, die Eigeninitiative, das Anpacken der Einheimischen setzte .....
Oh nein; ein neuer "Gott" war ja entstanden - der INVESTOR ( der aber nicht aus der östl. Richtung kam ). Gegen den hatte der "Halbgott Treuhand" wenig Chance - ersterer diktierte den Markt, zweiterer schüttete das Füllhorn aus, im guten Glauben, damit das Richtige zu tun!
Es wird schon alles von alleine kommen, denn, wir sind ja "der Speckgürtel von Berlin".
Aber, etwa in die Landwirtschaft investieren ? Nö - wie Unkraut trieben wuchsen die Autohäuser und Gebrauchtwagenhänder auf dem Boden - BMW und Opel waren der Renner - Landmaschinen ? Wozu das denn - sicher, das alte Heimatlied "Märkische Heide, Märkischer Sand" klingt gut - aber, schau Dir mal die sandigen Böden an, das Grundwasser kaum 50 cm tief, wenn man da nicht "richtig" dran arbeitet, holst Du da nichts raus - aber: Reitställe und Golfplätze sind ja jetzt gefragt, und vor allem Kapitalanlegerwohnungen mit bis zu sagenhaften 50 % Sonderabschreibung und nahezu zinslosen Darlehen aus dem "Topf für Wiederaufbau".
Naja, die Ernüchterung kam ganz von selbst, nur im "Blauen Wunder" hat man erst so richtig Spaß daran gefunden "Speckgürtelwurst" zu produzieren! - Landwirtschaftl. Flächen verwucherten, sie warteten nicht etwa auf dem Bauer oder Gärtner, nein sie warteten auf den Investor. Und immerhin, wenn man erst den Niederneuendorfer See als Freizeit-Gebiet in die Vermarktung nimmt - mit Hotel- und Jachtanlagen bis nach Spandau,
( der erste Jachthafen war auch schon nach vier Jahren fertig ) und einen Wohnpark angelegt, der Tausenden von Menschen neuen Wohnraum ermöglicht!
Die Zahl der Arbeitslosen wurde immer größer, denn, eine Reaktivierung des ehem. Stahlwerks war nicht möglich (wohl auch nicht gewollt) - die Riesengrundstücksflächen, die zu dem Stahlwerk gehörten, sind doch viel wichtiger. Die industriellen Großinvestoren (Z.B. Daimler) fanden nicht das, was sie erhofften um weiter zu investieren, und auch die Schweden mußten "gesund schrumpfen" um überhaupt weitermachen zu können.
Nur eins blühte - der Wohnraum-Markt! Überall hingen Schilder "zu vermieten" - zu verkaufen - Preisnachlass - Notverkauf - usw.
Und das alles hatte mit der "westlichen Politik" und auch mit der "Treuhand" recht wenig zu tun! Man hatte ja weitgehend die "heimischen Organisationen" belassen; selbst die Einheimischen schimpften, weil man die "alten Seilschaften" wieder hat groß werden lassen.
Es war viel zu wenig Eigeninitiative da, vermutlich, weil man das halt nicht gelernt hatte. Man glaubte blauäugig daran, daß das Wunder von ganz allein geschehen würde, und freilich, dies glaubten offenbar leider auch die Politiker!
Man hatte die Folgen der Beendigung des Wettrüstens allenthalben nicht richtig vorausgesehen, denn, weltweit brachen die Stahlmärkte und die Folgeindustrien zusammen. Nicht nur in Deutschland (West) brach eine zuvor nie gekannte Insolvenzlawine herein. Keine der drei vorherigen Rezessionen war mit dem vergleichbar, was die 90iger-Jahre mit sich brachten.
Wiedervereinigung und "Wende" sind damit zwei historische Ereignisse, die ich z.B. bewußt getrennt nenne. Leider kam die Wende für die Wiedervereinigung zum falschen Zeitpunkt.
Es wird daher wohl noch einige Jahrzehnte dauern, bis die Geschichte, die Wiedervereinigung insgesamt wird würdigen können! Und wenn man nun hierzu noch die Problematik hinzunimmt, die durch die "neue Art von Völkerwanderung" entstanden ist, muß man (so denke ich ) ganz besonders darüber staunen, wie die Schlechteste demokratische Regierungsform - eine große Koalition der eigentlich beiden politischen Gegner - die Probleme langsam aber sicher in Griff zu bekommen scheint!
Das notwendige Kapital, welches eine demokratische Regierung braucht und das nun aber auch ein Volk (im Erfolgsfalle) schuldet, ist (verdientes) Vertrauen! Ich z.B. habe dieses Vertrauen und auch die Zuversicht, denn, was brächte es auch, Dinge schlecht zu reden, die insgesamt gut sind ?
salu, jeanne