Deutsche Ostexpansion vom 10. bis 13. Jh.

So weit mir bekannt, sind die ostdeutschen Städte aus "wilder Wurzel" gegründet worden oder haben sich an slawische Siedlungen angelehnt.
Wie schon gesagt, die Ortsnamen sagen auch heute noch vieles.

Brissotin: ...da der slawische Adel recht erfolgreich in die neue Ordnung integriert wurde.

Genau darum ging es mir am Anfang des Threads.
 
Zuletzt bearbeitet:
Wie schon gesagt, die Ortsnamen sagen auch heute noch vieles...

... aber eben nicht alles, wie ich bereits in Beitrag #19 (http://www.geschichtsforum.de/280960-post19.html) schrieb...
Es kommt auf die Region an: in den Tiefländern und im Lößgebiet lassen sich anhand der Ortsnamen diesbezüglich Rückschlüsse auf bereits existente slawische Siedlungen ziehen, nicht aber an den Mittelgebirgsrändern bzw. in den Mittelgebirgen (Bsp.: Erzgebirge und Erzgebirgisches Becken), wo sich Namensgebungen deutscher Gründungen bspw. nach Flußläufen richteten, welche slawische Namen hatten. Hier gibt es sowohl Anlehnung an slawische Siedlungen (z.B. Zwickau) als auch Übernahme slawischer Flur- und Gewässernamen bei deutschen Gründungen (z.B. Glauchau, Chemnitz, Oelsnitz/Erzgeb.).
 
So weit mir bekannt, sind die ostdeutschen Städte aus "wilder Wurzel" gegründet worden oder haben sich an slawische Siedlungen angelehnt.

Im Zuge der Ostsiedlung gab es zahlreiche Neugründungen von Städten, die geradezu ein Charakteristikum für diesen Prozess sind, sieht man einmal von den Rodungsbauern und den neuen Klöstern ab - meistens Zisterzienser - die benfalls die Erschließung öder Landstriche betrieben.

Zu solchen Neugründungen zählen z.B. Stralsund (1234), Rostock (1218), Stettin (1243), Kolberg (1255), Kulm (1231), Memel (1258), Königsberg (1286) usw.

Daneben gibt es freilich eine große Zahl von Städten und Dörfern, die auf eine slawische Ansiedlung zurückgehen, und schon durch ihren Namen slawischen Ursprung erkennen lassen.
 
Königsberg? Das Königsberg am Pregel? Das war doch keine Neugründung, soweit ich weiss, was es zuvor eine pruzzische ( ein litauischer Zweigstamm) Siedlung.
 
Königsberg? Das Königsberg am Pregel? Das war doch keine Neugründung, soweit ich weiss, was es zuvor eine pruzzische ( ein litauischer Zweigstamm) Siedlung.

Die Burg Königsberg wurde 1255 vom Deutschen Orden erbaut und zu Ehren des während einer Heerfahrt anwesenden böhmischen Königs Ottokar so benannt. Im Tal unterhalb des Schlossbergs entstand bald eine Siedlung, die 1286 Stadtrecht erhielt.

Insofern ist Königsberg also eine deutsche Gründung, die sich auch nicht an eine slawische Vorgängersiedlung anlehnte.
 
Insofern ist Königsberg also eine deutsche Gründung, die sich auch nicht an eine slawische Vorgängersiedlung anlehnte.

Slawen sowieso nicht, eine pruzzischen Siedlung mit ein paar Fischerhütten wird es aufgrund der Lage am Pregel schon gegeben haben. Die sog. wendischen Hansestädte (Lübeck, Wismar, Rostock, Stralsund, Greifswald) sind planvoll gegründet und angelegt worden, es war aber immer so, dass sich eine Siedlung dort oder in unmittelbarer Nachbarschaft befand. Für den Fall Wismar (gegr. wohl 1229) ist diese nicht genau lokalisiert, aber im mittelalterl. Stadtring befand sich ein Altwismartor.
 
Die sog. wendischen Hansestädte (Lübeck, Wismar, Rostock, Stralsund, Greifswald) sind planvoll gegründet und angelegt worden, es war aber immer so, dass sich eine Siedlung dort oder in unmittelbarer Nachbarschaft befand.

Ich bezweifle, ob man "immer" eine slawische Siedlung als Vorgänger ausmachen kann. Es gibt deutsche Gründungsstädte ohne eine vorangehende slawische Ansiedlung, und andere, die eine slawische Vorgängerin haben. In der ostdeutschen Siedlungsgeschichte sind beide Formen anzutreffen, und es ist siedlungsgeschichtlich nicht korrekt, eine Variante auszuschließen.
 
Ich bezweifle, ob man "immer" eine slawische Siedlung als Vorgänger ausmachen kann.
Da stimme ich Dir grundsätzlich zu - aber hier bezog sich das "immer" ja nur auf die wendischen Hansestädte.
Und bei dieser speziellen Gruppe Städte kann ich mir das schon vorstellen. Denn die sind ja nicht irgendwo in der Pampa gegründet worden, sondern noch stärker als bei anderen Städtegründungen spielten geographische Besonderheiten eine Rolle - insbesondere eine Küstenlage mit Möglichkeit eines Hafens (in der Regel eine Flußmündung).
Es wäre schon fast erstaunlich, wenn sich an solchen speziellen Plätzen nicht schon immer wenigstens eine kleine Ansiedlung befunden hätte.

Wobei "unmittelbare Nachbarschaft" ohnehin ein dehnbarer Begriff ist - z. B. wären ein Kilometer Entfernung und Lage am anderen Flußufer für uns heute eine Vorort-Situation, damals aber eine deutlich getrennte Siedlung.

Den Begriff "Vorgänger" im Sinne von "an der Stelle der Neugründung gab es schon eine Siedlung" würde ich überhaupt eher eng auffassen, damit er noch sinnvoll sein kann.
Das müßte m. E. eine echte Siedlung sein, nicht nur einige vertreute Hütten, und eben eine enge geographische Kontinuität.
 
Da stimme ich Dir grundsätzlich zu - aber hier bezog sich das "immer" ja nur auf die wendischen Hansestädte.
Und bei dieser speziellen Gruppe Städte kann ich mir das schon vorstellen.

Bei den wendischen Hansestädten ist gibt es tatsächlich eine ähnliche Situation. Ich habe hierzu das sehr zuverlässige "Handbuch der Historischen Stätten" zu Rate gezogen, wo z.B. bei Rostock, Stralsund oder Stettin wendische Siedlungen in der Nähe der Stadtgründungen erwähnt werden.

Wie schon gesagt, ist es jedoch problematisch zu umreißen, was nun als "Vorgängersiedlung" zu gelten hat. Das Land war ja nicht menschenleer und so wird es stets in größerer oder geringerer Entfernung ein slawisches Dorf gegeben haben. Wenn aber einige Kilometer von einer solchen Siedlung entfernt eine neue Stadt gegeründet wurde, so würde ich von keiner "Vorgängersiedlung" sprechen. Die müsste - wie z.B. bei Lübeck - auf dem Boden der Vorgängersiedlung gelegen oder sich aus ihr entwickelt haben. Das ist jedoch bei den wendischen Hansestädten nicht der Fall.

Man kann also lediglich sagen, dass schon slawische Siedler eine günstige geografische Lage nutzten, indem sie dort Siedlungen errichteten.
 
Die neuen Städte im Hoch- und Spätmittelalter lagen zwar bisweilen nicht unweit von slawischen Siedlungen aber entwickelten sie sich auch daraus?
Im Fall von Bad Freienwalde und Teterow sind mir slawische Burgen in der Nähe, aber nicht auf der Fläche heutiger Städte (Gründungen des Hoch- bzw. Spätmittelalters) bekannt. Wo sich allerdings Städte aus slawischen Siedlungen direkt entwickelten, könnten sich wohl eher Einflüsse finden lassen.

Wie schon gesagt, ist es jedoch problematisch zu umreißen, was nun als "Vorgängersiedlung" zu gelten hat. Das Land war ja nicht menschenleer und so wird es stets in größerer oder geringerer Entfernung ein slawisches Dorf gegeben haben. Wenn aber einige Kilometer von einer solchen Siedlung entfernt eine neue Stadt gegeründet wurde, so würde ich von keiner "Vorgängersiedlung" sprechen. Die müsste - wie z.B. bei Lübeck - auf dem Boden der Vorgängersiedlung gelegen oder sich aus ihr entwickelt haben. Das ist jedoch bei den wendischen Hansestädten nicht der Fall.

Man kann also lediglich sagen, dass schon slawische Siedler eine günstige geografische Lage nutzten, indem sie dort Siedlungen errichteten.

Wir ergänzen uns scheinbar. :cool:

Zu einem guten Teil finden sich doch wirklich slawische Siedlungen in der Nähe, wenn es günstige geographische Vorbedingungen gab. Die Lage an Flüssen oder eine kleine Insel inmitten eines schwer zugänglichen Geländes wurde zumeist von Slawen wie späteren Siedlern nicht verschmäht, wurden damit auch Befestigungen ergänzt oder gar unnötig.
 
Wir ergänzen uns scheinbar. :cool:

Das halte ich für eine gute Entwicklung, Briso! :winke:

Zu einem guten Teil finden sich doch wirklich slawische Siedlungen in der Nähe, wenn es günstige geographische Vorbedingungen gab. Die Lage an Flüssen oder eine kleine Insel inmitten eines schwer zugänglichen Geländes wurde zumeist von Slawen wie späteren Siedlern nicht verschmäht, wurden damit auch Befestigungen ergänzt oder gar unnötig.

Ja, wie bereits gesagt wurden geografisch günstige Plätze sowohl von den Slawen als auch von den nachfolgenden deutschen Siedlern genutzt. Generell ist festzustellen, dass man in Ostdeutschland eine überwältigende Fülle von Ortsnamen findet, die unzweifelhaft slawischer Herkunft sind. Wenn ich mir hier den Shell-Atlas anschaue, so kommt vielleicht auf drei slawische Ortsnamen ein deutscher.
 
Fragt sich doch wieviele bedeutende Siedlungen es überhaupt bei den Elbslawen gab und welche Einwohnerzahl diese erreichten, um die Bedeutung für die späteren Städte in der Nähe einzuschätzen. Während mir Burgwallanlagen, Dörfer und auch eben die berühmten Tempelanlagen geläufig sind, kann ich mich momentan nicht an größere Siedlungen mit städtischem Charakter entsinnen oder dass es gar derer viele gegeben habe oder wenigstens eine Zahl, welche vergleichbar mit wenig urbanisierten Gegenden im HRR gewesen wäre.:grübel:
 
Fragt sich doch wieviele bedeutende Siedlungen es überhaupt bei den Elbslawen gab und welche Einwohnerzahl diese erreichten, um die Bedeutung für die späteren Städte in der Nähe einzuschätzen. Während mir Burgwallanlagen, Dörfer und auch eben die berühmten Tempelanlagen geläufig sind, kann ich mich momentan nicht an größere Siedlungen mit städtischem Charakter entsinnen oder dass es gar derer viele gegeben habe oder wenigstens eine Zahl, welche vergleichbar mit wenig urbanisierten Gegenden im HRR gewesen wäre.:grübel:

Bedeutende slawische Siedlungen waren das nur selten und städtischen Charakter hatte wohl kaum eine. Zur deutschen Siedlung und zum Schicksal der slawischen Sprache sagt das "Handbuch der Historischen Stätten Deutschlands":

Besondere Vorrechte erhielten diejenigen, die in bisher unkultiviertes Land vorstießen. Dies gilt besonders für die Hagensiedlungen ... Sie sind gekennzeichnet dadurch, dass sie u.U. kilometerlang sind und auf der einen Straßenseite die Höfe, auf der anderen die Felder haben. Diese Siedlungsform wurde offenbar von den Schaumburgern, den Grafen von Holstein, die ihren Stammsitz an der Weser hatten, nach Ostholstein übertragen. Sie wurde dann an der mecklenburgischen Ostseeküste weitergeführt und von dort bis nach Pommern ...

Nach Schwerin und Rostock wurden zwischen 1218 und 1250 Gadebusch, Güstrow, Parchim, Plau, Wismar, Bützow, Wittenburg, Malchow, Malchin, Boizenburg, Neustadt-Glewe, Goldberg und Kröpelin gegründet. In den nächsten 25 Jahren folgten die Städte Ribnitz, Altkalen, Sternerg, Gnoien, Dömitz, Neubukow, Röbel, Grevesmühlen, Sülze, Penzlin, Stavenhagen, Teterow, Waren, Crivitz und Krakow ...

Dieser Zugang von deutschen Siedlern machte Mecklenburg zu einem deutschen Land. Schriftsprachen waren wie in ganz Norddeutschland Latein und Mittelniederdeutsch. Dieses war auch die Sprache in den Städten und in den deutschen Siedlungen.

Das Slawische war wirtschaftlich und kulturell von so untergeordneter Bedeutung, dass aus Mecklenburg kein einziges slawisches Wort überliefert ist. Lediglich anhand der Orts- und Personennamen kann man sich ein Bild von der wendischen Sprache machen. Das Slawische erlosch mit der Zeit, wahrscheinlich gerade deshalb, weil es keinen Sprachenkampf gegeben hat. In abgelegenen Gebieten wie der Jabelheide wurde es noch bis zur Reformationszeit (!) gesprochen. Die deutsche Predigt verdrängte es auch hier

(Handbuch der Historischen Stätten Deutschlands, Band 12 Mecklenburg/Pommern, Stuttgart 1996, S. XVII f.)

Liest man die Gründungsgeschichte deutscher Siedlungen und Städte, so stößt man immer wieder auf eine slawische Burg oder eine Ansiedlung, die in der näheren oder weiteren Umgebung zuvor bestanden hat. So z.B. eine Burg am Ort des nachmaligen Schwerin, eine slawische Siedlung "Alt-Wismar" 1 km rechts des späteren Wismarer Marktes oder eine kleine Siedlung der slawischen Kessiner beim späteren Rostock.

Das alles zeigt, dass die Deutschen siedlungsgeschichtlich häufig auf den Spuren der Slawen wandelten und sei es nur aus gleichem geografischen Kalkül.
 
Dieter: ...eine slawische Siedlung "Alt-Wismar" 1 km rechts des späteren Wismarer Marktes...

Man vermutet nur ungefähr die Lage, eine exakte Lokalisierung liegt nicht vor. Wo bitte schön ist rechts vom Markt...?

PS: Ich stamme aus Wismar...
 
Dieter: Bedeutende slawische Siedlungen waren das nur selten und städtischen Charakter hatte wohl kaum eine.

Na ja, wie wertet ihr denn Ralswiek, Wolin und Alt Lübeck? Das waren überregional bedeutsame Handwerks- und Kaufmannsiedlungen.

Kürzlich wurde endlich das sagenhafte und lange gesuchte Reric ca. 6 km nördlich von Wismar gefunden (Nein, nicht beim Badeort Rerik, das ist wie Kühlungsborn eine Nazitaufe.). Es ist anhand der Grabungen sicher, dass Slawen, Franken und Wikinger zur Einwohnerschaft zählten. Der Ort umfasste mehrere Hektar.
808 überfiell Dänenkönig Göttrik den Platz und siedelte die Einwohner kurzerhand nach Haithabu um. Zu diesem Zeitpunkt war auch das Sachsenland (mit Karl im Krieg) nicht entwickelter.
 
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Nun soweit ich weiß, berichten Wulfstan und Peter von Dusburg das Königsberg an der Stelle der "alten Burg von Tuwangste" gegründet wurde.

Diese Name scheint noch lange geläufig gewesen zu sein, ich habe mal in einer ostpreussischen Sagensammlung den Namen "Twangste" als Hügel in Königsberg gelesen.
 
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