Turgot
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Man darf aber nicht übersehen, dass Großbritanniens Kriegseintritt auch ohne eine Verletzung der belgischen Neutralität feststand.
Dem möchte ich so nicht uneingeschränkt zustimmen, denn Großbritanniens Haltung war seit dem 01.August 1914 m.W. nach auf der Ebene der Regierung doch durch eine gewissen Unsicherheit hinsichtlich des weiteren Vorgehens gekennzeichnet. Auf der einen Seite gab es die "Falken" wie etwas Grey und Chruchill, die spätesten seit dem 03.August 1914 in den Krieg auf Seiten Frankreichs eintreten wollten. Es gab aber auch eine Partei der "Tauben", die einen Kriegseintritt gerne vermeiden wollte.
Sebastian Haffner schrieb dazu in seinem Buch: " Dem ettäuschten Chruchill sagte der Premier Asquith: Wir können nicht gegen unsere eigene Mehrheitsmeinung handeln. (....)
So weit war es. Die englisch-französische Entente war am 01.August 1914 am Zerplatzen. Von der englisch-russischen war schon gar keine Rede mehr; kein Gedanke daran, das England in ein reinen Ostkrieg eingreifen würde, solange Frankreich nichts geschah.
Demgegüber hatte die Kriegspartei -also die Minderheit des englischen Kabinetts, die sich an Frankreich moralisch gebunden fühlte und mindestens bei einem deutschen Einmarsch in Frankreich kämpfen wollte - einen schweren Stand. Grey ihr Hauptsprecher, konnte im Kabinett noch am 01.August nur eines durchsetzen: dass England der deutschen Flotte nicht erlauben sollte, in den Ärmelkanal zu dampfen und von dort aus die französische Küste anzugreifen. Und selbast daraufhin drohte noch am 02.August ein großer Teil der Minister mit Rücktritt." (1)
Das Fazit lautet also, das England bei einer defensiven Verhalten im Westen und offensiven Vorgehen im Osten, England wahrscheinlich wohl draußen geblieben wäre.
Am Abend es 01.August 1914 ließ der britische Außenminister Sir Edward Grey seinen Botschafter in Paris folgendes Telegramm zukommen:
"Nach der heutigen Kabinettssitzung sagte ich Herr Cambon, die gegenwärtige Lage unterscheide sich völlig von der durch die Marokkozwischenfälle geschaffenen Lage. In letzterer stelle Deutschland Forderungen an Frankreich, die es nicht gewähren konnte und in deren Zusammenhag wir besondere Verpflichtungen gegen Frankreich übernommen hatten. In Bezug auf sie würde die öffentliche Meinung eine Unterstützung Frankreichs seitens der britischen Regierung bis zum Äußerten gerechtfertigt haben. Jetzt wäre die Lage so, dass Deutschland bereit sei, Frankreich nicht anzugreifen, wenn Frankreich in Falle eines Krieges neutral bliebe. Wenn Frankreich daraus keinen Nutzen zu ziehen vermöge, dann deshalb, weil es durch ein Bündnis gebunden sei, an dem wir nicht beteilig wären und dessen Bestimmungen wir nicht kennen." (2)
Auf der Kabinettssitzung am 01. August 1914 konnte Grey im Kabinett lediglich durchsetzen, das England es der deutschen Kriegsmarine es nicht gestatten konnte, durch den Ärmelkanal zu fahren und dann die französische Küste anzugreifen.
Aber am 01.August 1914 schickte der deutsche Botschafter in London Fürst Lichnowsky an den Staatssekretär des AA folgende Zeilen:
"(...) Die Antwort der deutschen Regierung bezüglich der belgischen neutralität ist ungemein bedauerlich, weil die Neutralität Belgiens die Stimmungs Englands beeinflusst. (....) Sollte andererseits die belgische Neutralität durch einen der Kriegführenden verletzt werden, während der andere sie achte, so würde es außerordentlich schwierig sein, die öffentliche Stimmung Englands zu beschwichtigen." (....)
Mein Gesamteindruck ist der, dass man hier, wenn irgend möglich, aus dem Krieg herausbleiben möchte, dass aber die vom Herrn Staatssekretär dem Sir Edward Goschen erteilte Antwort über die Neutralität Belgiens einen ungünstigen Eindruck gemacht hat. (3)
Das war zwar eine verschlüsselte aber eigentlich unmissverständliche Ansage in Richtung Deutschland. Wie weit diese Botschaft nun vom Kabinett autorisiert war, weiß ich jetzt aber nicht genau.
Am 02.August 1914 auf der Kabinettsstizung waren sich die Kabinettsmitglieder auch nicht sicher, ob sie, nach Kenntnisnahme der Verletzung der Neutralität Luxemburgs handeln müssten, da die anderen Garantiemächte bisher auch untätig geblieben sind. (4)
Am 02.August kabelte Fürst Lichowsky seine Enschätzung nach Berlin, " Die Frage, ob wir bei dem Krieg gegen Frankreich das belgische Gebiet verletzen, dürfte von ausschlaggebender Bedeutung für Neutralität Englands sein." (5)
(1) Haffner, Die sieben Todsünden des Deutschen Reiches im Ersten Weltkrieg, S.33 - 34, Bergisch-Gladbach 191
(2) Imanuel Geiss, Juli 1914, S.357 -357
(3) Imanuel Geiss, Juli 1914, S.353 -354
(4) Fromkin, Europas letzter Sommer, S.302 -303, München 2005
(5) Fromkin, Europas letzter Sommer, S.305, München 2005