Fragen zur deutschen Königszählung und zur deutschen Identität

Selbst dieser angebliche Besitzanspruch "der Deutschen", weil man Karl "den Großen" im 14. Jh. möglicherweise "als Deutschen Herrscher" ansah birgt schon einen Fehler in sich. Tatsächlich war es ein ungeschriebenes Gesetz, daß stets der König von Italien einen Anspruch auf die Kaiserkrone hatte.

Ich glaube eher, dass das eine reine Machtfrage ist. Zur Zeit Karls, war eben er der mächtigste Herrscher in Europa, und daher hat er sich die Krone verdient. Das galt dann für Otto genauso wieder.
Seit dem hat sich der Brauch eingebürgert, dass die Kaiserkrone für die deutschen Könige reserviert sei.
Da hätte es wohl mächtig Stunk gegeben, wenn ein anderer europäischer Herrscher die für sich beansprucht hätte.
 
Ich glaube eher, dass das eine reine Machtfrage ist. Zur Zeit Karls, war eben er der mächtigste Herrscher in Europa, und daher hat er sich die Krone verdient.
Im Falle Karls des Großen hatte die Vergabe der Kaiserkrone durch den Papst einen ganz bestimmten Zweck:
Karl kam der Bitte des Papstes nach, das Langobardenreich zu zerschlagen, das zu jener Zeit Rom bedrohte. Nachdem Byzanz seiner Funtion als Schutzmacht für die Stadt auf Grund der ständigen Bedrohung von außen nicht mehr nachkommen konnte, benötigten die Päpste eine neue Schutzmacht, welche sie im aufstebenden Frankenreich fanden. Die Kaiserkrone sollte die Franken an Italien binden und sie an ihre "Aufgabe" erinnern. Diese Rechnung ging auf.
Das galt dann für Otto genauso wieder.
Seit dem hat sich der Brauch eingebürgert, dass die Kaiserkrone für die deutschen Könige reserviert sei...
Und auch Otto I. der Große zog nach Italien, ließ sich erst zum König von Italien krönen (951) und dann erst zum Kaiser (962).
Da hätte es wohl mächtig Stunk gegeben, wenn ein anderer europäischer Herrscher die für sich beansprucht hätte.
Richtig.
Dazu hätte dieser andere europäische Herrscher erst Italien erobern müssen, was zur Zeit Ottos I. bereits eine völlige Niederlage - vielleicht sogar die Zerstörung des Reiches - bedeutet hätte.
 
Zuletzt bearbeitet:
Heinrich I. war nie Kaiser und bspw. Konrad I. vor ihm auch nicht. Dennoch wurden sie beide mitgezählt.

Das König Heinrich I. mitgezählt wird, ist vermutlich auch Kaiser Heinrich II. (dem Heiligen) zu verdanken. Dieser hatte nähmlich seinen Urgroßvater probagandistisch zum "kaiserlichen Vater", also rückwirkend zum Kaiser gemacht. Damit wollte Heinrich II. die herzoglich-bayrischen Heinriche gegenüber den kaiserlich-sächsischen Ottonen ebenbürtig, also vom kaiserlichen Blute, machen.

Quelle: "Heinrich II. (1002-1024)" von Stefan Weinfurter
 
Aber Heinrich I ist doch keine Ausnahme, sondern eher die Regel...
Liste der römisch-deutschen Herrscher ? Wikipedia
Sowie ich die Liste lese, wird jeder König mit nummeriert...
Wobei hier wieder die Nummerierung der modernen Geschichtsschreibung vorliegt, nicht die zeitgenössisch-offizielle. Das da was nicht stimmen kann siehst du z. B. bei Ludwig IV., den es zweimal gibt:

1.) Ludwig IV. das Kind - Ostfränkischer König (900–911)
2.) Ludwig IV., der Bayer - Römischer König ab 1314, Lombardischer König ab 1327, Römischer Kaiser (1328–1347)

Bei der offiziellen Nummerierung bekam Ludwig "das Kind" niemals die Nr. IV, so wie Ludwig "der Deutsche" auch offiziell nicht Ludwig II. war.
 
Das mag ja sein, trotzdem steckte die Ausbildung eines Nationalgedankens bis ins späte Spätmittelalter noch in den Kinderschuhen. Was das HRR ausmachte, war nicht die Idee eines "Deutschtums", sondern die In-Tradtion-Stellung mit dem römischen Reich. Denk doch mal an die Vier-Reiche-Lehre, dann wird es klarer!

Hier habe ich eine Textstelle aus "Kleine Deutsche Geschichte" von Hagen Schulze gefunden:

Die "Denkschrift über das Vorrecht des Römischen Reichs" des kölnischen Stiftsgeistlichen Alexander von Roes, schon Ende des 13. Jahrhunderts geschrieben, wurde jetzt wiederentdeckt und machte in zahlreichen Ausgaben die Runde. Darin hieß es: "Man soll also wissen, daß Karl der Große, der heilige Kaiser, mit Zustimmung und im Auftrag des römischen Papstes ... bestimmt und befohlen hat, daß das römische Kaisertum auf immer bei der rechtmäßigen Wahl der deutschen Fürsten bleibe ..."

Außerdem steht im Buch:

Aber auch dem französischen Nachbarn gegenüber demonstrierten deutsche Gelehrte ihr (...) Selbstbewusstsein. Dass Karl der Große Vorgänger der französischen Kapetinger-Dynastie gewesen sei (...), erklärt Jakob Wimpfeling in seiner "Epitome Germanorum" von 1505 für eine lächerliche Behauptung. Tatsächlich sei Karl ein "Teutscher" gewesen, der über Franzosen geherrscht habe, während niemals ein Franzose oder Gallier römischer Kaiser gewesen sei - Beweis genug für die Überlegenheit der Deutschen über die Franzosen.
 
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Nun ja, mit einem Überblickswerk zu argumentieren...

Aber da Du ja scheinbar ein Fan von Hagen Schulze bist:

"So wuchsen im Laufe des 11. und 12. Jahrhunderts "regnum" und "teutonicum" allmählich zusammen. Die deutsche Nation war und blieb aber eine undeutliche Angelegenheit, weil es nach dem Fall der Staufer jahrhundertelang keiner Dynastie gelag, sich die deutsche Königskrone dauerhaft zu sichern. [...] Die deutsche Nation stand im Schatten der starken, mythenmächtigen Reichsidee und auch die politischen Symbole waren dem Reich zugeordnet, nicht dem Königtum: Die Heilige Lanze, die Reichskrone, der Reichsthron Karls des Großen im Achener Dom."

aus: Hagen Schulze, Staat und Nation in der europäischen Geschichte, München 2. Auflage 2004, S. 115f.

Mein lieber Simlicius,

erkläre mir doch bitte, warum du meine Aussage nochmals zitiert hast und wo sie Deiner Meinung nach in Widerspruch zu dem von Dir Zitierten steht. Das ist mir nämlich noch nicht klar geworden .
 
Aber da Du ja scheinbar ein Fan von Hagen Schulze bist:

Das bin ich überhaupt nicht. Ich stimme dem Mann in seinen Schlussfolgerungen gar nicht zu. Er ist jemand, der auf das Annolied verweist, aber zwei Zeilen darunter schreibt, damals hätte noch kein Schwein gewusst, dass er Deutscher war. Dass aber das Annolied ein frühes deutsches Zusammengehörigkeitsgefühl eindeutig aufzeigt, die Menschen von ihrem Deutschtum durchaus wussten, wird dabei von ihm verschwiegen.

Dass ich die beiden Zitate aus seinem Buch gefischt habe, liegt daran, dass sie eben nicht von ihm sind. Er zitiert nur historische Quellen.

Mein lieber Simlicius,

erkläre mir doch bitte, warum du meine Aussage nochmals zitiert hast und wo sie Deiner Meinung nach in Widerspruch zu dem von Dir Zitierten steht. Das ist mir nämlich noch nicht klar geworden .

Ich habe diese Zitate gebracht, weil ich versprochen hatte, sie herauszusuchen, nämlich hier: "Ich muss noch aus einem Buch ein Zitat aus einer anderen mittelalterlichen Schrift suchen, in der Karl der Große als Deutscher erwähnt wird." Und da ich bisher hauptsächlich mit Dir darüber gesprochen habe, habe ich Dich zitiert.
Ich halte meine Versprechen, wenn es mir irgendwie möglich ist.
 
Ich hingegen stimme Hagen Schulze in seinen Schlussfolgerungen durchaus zu. Man kann diese Sache eben nicht einseitig betrachten und genau das tut er: Verschweigt nicht, dass es durchaus Tendenzen gab, die so etwas wie "Deutschtum" propagierten, ist ab er dennoch Realist genug, um die Reichsidee als tonangebend für das politische Konstrukt HRR anzusehen.

Dass aber das Annolied ein frühes deutsches Zusammengehörigkeitsgefühl eindeutig aufzeigt, wird dabei von ihm verschwiegen.

Wo verschweigt er das denn? Hätte er gewollt, dass seine Argumentation absichtlich an den Quellen vorbei in die Richtung "Nichtnationalgedankentum" geht, hätte er es doch unter den Tisch fallen können. Ich weiß ja nicht, in welchem Semester Du bist, aber bei gesunder Quellenkritik komme ich allein durch das Annolied nicht zu dem Schluß, dass es ein frühes deutsches Zusammengehörigkeitsgefühl gab.

Wo wir gerade beim Thema sind: Könntest Du mir vielleicht noch erkären, welchen Territorien und Gebieten Du dieses Zusammengehörigkeitsgefühl zuerkennst?

Noch einmal zur Quellenkritik:

Alexander von Roes und Jakob Wipheling (den ich persönlich nicht mehr als mittelalterlichen Menschen ansehe, aber gut...) verfolgten mit ihren Behauptungen einen bestimmten Zweck. Wenn Du Dir den mal überlegst, dann wird vielleicht klarer, warum sie sich aus heutiger, unreflektierter Sicht, so lesen, als wäre durchaus schon ein ausgeprägter deutscher Nationalgedanke vorhanden.
 
Die "Denkschrift über das Vorrecht des Römischen Reichs" des kölnischen Stiftsgeistlichen Alexander von Roes, schon Ende des 13. Jahrhunderts geschrieben, wurde jetzt wiederentdeckt und machte in zahlreichen Ausgaben die Runde. Darin hieß es: "Man soll also wissen, daß Karl der Große, der heilige Kaiser, mit Zustimmung und im Auftrag des römischen Papstes ... bestimmt und befohlen hat, daß das römische Kaisertum auf immer bei der rechtmäßigen Wahl der deutschen Fürsten bleibe ..."
Wenn das da so steht, dann ist das:
entweder eine klare Geschichtsfälschung im 13. Jh., denn bis zum Aussterben der ostfränkischen Linie der Karolinger im Jahre 911 war das Reich eindeutig eine Erbmonarchie mit allen nachteiligen Auswirkungen, wie z. B. die dynastischen Erbteilungen des Reiches,
oder Karl der Große hat tatsächlich bereits eine solche Verfügung für den Fall eines Aussterbens seiner Dynastie erlassen. Letzteres wäre dann imho äußerst interessant, das einmal zu untersuchen.
:grübel:
 
Karl hat definitiv keine derartige Regelung getroffen. Die Schrift des Alexander von Roes steht am Beginn einer Entwicklung, die sich über das Weistum Ludwigs des Bayern zum Wahlkönigtum bis hin zur Goldenen Bulle von 1356 fortsetzt. Es wird was ganz typisches mittelalterliches gemacht: Ein Versuch, Ansprüche mit Tradition zu begründen.

Als Fälschung würde ich derartiges nicht bezeichnen, weil ich den Begriff als zu anachronistisch empfinde. Horst Fuhrmann hat mal einen schönen Essay über "Fälschungen im Mittelalter" verfasst, in dem er diese Meinung vertritt.
 
Als Fälschung würde ich derartiges nicht bezeichnen, weil ich den Begriff als zu anachronistisch empfinde. Horst Fuhrmann hat mal einen schönen Essay über "Fälschungen im Mittelalter" verfasst, in dem er diese Meinung vertritt.
Als Ver-fälschung der historischen Zusammenhänge würde ich es schon bezeichnen, wenn im 13. Jh. das Verfahren der Königswahlen Karl dem Großen zugesprochen wird obwohl das gar nicht stimmt.
 
Wo verschweigt er das denn? Hätte er gewollt, dass seine Argumentation absichtlich an den Quellen vorbei in die Richtung "Nichtnationalgedankentum" geht, hätte er es doch unter den Tisch fallen können. Ich weiß ja nicht, in welchem Semester Du bist, aber bei gesunder Quellenkritik komme ich allein durch das Annolied nicht zu dem Schluß, dass es ein frühes deutsches Zusammengehörigkeitsgefühl gab.

1) Ich bin in gar keinem Semester. Das kommt erst noch. Ich beschäftige mich bisher ausschließlich privat mit der deutschen Geschichte.

2) Er nennt Quellen, das ist wahr, aber er interpretiert sie für den Leser gleich dahingehend, dass sie, um es kurz zu fassen, nichts bedeuten. Genauso handhaben es viele andere. Nur ein Beispiel (nicht von Schulze): Walthers Preislied. Dort stehen unmissverständliche (, an das Deutschlandlied erinnernde) Verse zu Deutschland und dem deutschen Volk. Deutsche Frauen seien wunderschön, deutsche Männer klug, deutsche Zucht gehe über alles, im deutschen Land wohne alle Herrlichkeit. Und was muss man dann als Interpretation für den normalen Bürger lesen? Dass Walther diese Zeilen ja nur für seinen Geldgeber geschrieben habe, treu nach dem Motto: Wes Brot ich ess, des Lied ich sing. Das mag sein: Trotzdem muss es ein eindeutig vorhandenes deutsches Zusammengehörigkeitsgefühl gegeben haben, ob Walther die Verse aus patriotischem Eifer oder aus obigem Grund geschrieben hat: Er hätte sie nicht schreiben können, wenn es kein Zusammengehörigkeitsgefühl gegeben hätte, denn kein Mensch würde ein nicht vorhandenes Volk so preisen oder preisen lassen.

Und genauso verhält es sich mit allen anderen Quellen, dem Annolied eingeschlossen: Man gesteht, dass es solche Aussagen gegeben hat, interpretiert sie aber gleich für den Leser dergestalt, dass sie rein gar nichts aussagen und es kein deutsches Zusammengehörigkeitsgefühl gegeben habe.

3) Wenn es kein Zusammengehörigkeitsgefühl zur Zeit des Annoliedes gegeben hätte, enthielte es kein deutsches Sendungsbewusstsein. Dort ist eben ausschließlich die Rede davon, dass die Deutschen Cäsar halfen, nicht die Polen, nicht die Franzosen, nicht die Spanier, sondern die Deutschen. Warum hätte man eine Geschichte erfinden sollen, um ein gar nicht existierendes deutsches Volk künstlich in die Vergangenheit zu verlegen?

Wo wir gerade beim Thema sind: Könntest Du mir vielleicht noch erkären, welchen Territorien und Gebieten Du dieses Zusammengehörigkeitsgefühl zuerkennst?

Walther beschreibt Deutschland "von der Elbe bis zum Rhein und wieder hierher an Ungarns Grenze".

(den ich persönlich nicht mehr als mittelalterlichen Menschen ansehe, aber gut...)

Was ich auch mit keinem Wort tat. Die Jahresangabe 1505 sollte eigentlich genügen, denn zu wissen, dass das nicht mehr Mittelalter ist, solltest Du mir gerade noch zugestehen.

Alexander von Roes und Jakob Wipheling (...) verfolgten mit ihren Behauptungen einen bestimmten Zweck. Wenn Du Dir den mal überlegst, dann wird vielleicht klarer, warum sie sich aus heutiger, unreflektierter Sicht, so lesen, als wäre durchaus schon ein ausgeprägter deutscher Nationalgedanke vorhanden.

Ich bin sehr auf Deine Erklärung gespannt. Ich, als normaler Bürger, der noch nicht studiert, kann Dir jedenfalls nur die Antwort geben: Sie mögen mannigfaltige Gründe gehabt haben.
Fakt ist, dass sie von Deutschland und dem deutschen Volk sprachen und sie das nicht getan hätten, wenn es damals noch keine Idee vom deutschen Volk und von Deutschland gegeben hätte, denn man kann von keinem Volk und von keinem Land sprechen, das es nicht gibt.

Ich bin aber wirklich auf Deine "reflektierte" Sicht gespannt, sehr sogar.

Wenn das da so steht, dann ist das:
entweder eine klare Geschichtsfälschung im 13. Jh., denn bis zum Aussterben der ostfränkischen Linie der Karolinger im Jahre 911 war das Reich eindeutig eine Erbmonarchie mit allen nachteiligen Auswirkungen, wie z. B. die dynastischen Erbteilungen des Reiches,
oder Karl der Große hat tatsächlich bereits eine solche Verfügung für den Fall eines Aussterbens seiner Dynastie erlassen. Letzteres wäre dann imho äußerst interessant, das einmal zu untersuchen.
:grübel:

Die Sache wurde so zurechtgerückt, wie man's brauchte. Aber man sieht: Im 13. Jh. hat man Karl dem Großen nachgesagt, Deutscher gewesen zu sein. Er habe das römische Kaisertum auf die Deutschen übertragen.
Das Annolied ist ja auch nichts anderes als eine Geschichtsfälschung, als eine künstliche Verlängerung der deutschen Geschichte um 1.000 Jahre. Auch damit wollte man zum Ausdruck bringen, dass die Deutschen bereits zu Roms Glanzzeiten den Anspruch auf die Kaiserkrone erwirkt hätten.
 
Zuletzt bearbeitet:
Nur, um eines klarzustellen: Ich behaupte nicht, wie mir von Dir unterstellt wird, dass es kein deutsches Zusammengehörigkeitsgefühl im Sinne eines "Kulturnationen-Embyos" gegeben hat. Die Diskussion begann mit der Frage, ob die Idee eines deutschen Königtums im Hochmittelalter maßgeblicher war als die Reichsidee und das wird von mir noch immer entschieden mit einem "Nein" beantwortet.

Er nennt Quellen, das ist wahr, aber er interpretiert sie für den Leser gleich dahingehend, dass sie, um es kurz zu fassen, nichts bedeuten.

Tja, damit wäre das Berufsbild des Historikers erfasst - Quellen nach bestem Wissen zu interpretieren. Wer sich eine eigene Meinung bilden will: Ad fontes!


Walther beschreibt Deutschland "von der Elbe bis zum Rhein und wieder hierher an Ungarns Grenze".

Du teilst diese Meinung? Ich habe explizit nach Deiner Sicht der Dinge gefragt.

Was ich auch mit keinem Wort tat. Die Jahresangabe 1505 sollte eigentlich genügen, denn zu wissen, dass das nicht mehr Mittelalter ist, solltest Du mir gerade noch zugestehen.

Schön, es war jedoch gut, es noch einmal zu betonen, da wir uns hier bisher nur mit mittelalterlichen Quellen auseinandergesetzt haben.

Fakt ist, dass sie von Deutschland und dem deutschen Volk sprachen und sie das nicht getan hätten, wenn es damals noch keine Idee vom deutschen Volk und von Deutschland gegeben hätte, denn man kann von keinem Volk und von keinem Land sprechen, das es nicht gibt.

Da hätte ich gern noch mal die Stelle, wo ich dem widerspreche. Da liegt nämlich bei uns beiden der Hase im Pfeffer: Du unterstellst mir eine Meinung, die ich nicht vertrete.


Ich bin aber wirklich auf Deine "reflektierte" Sicht gespannt, sehr sogar.

Ganz einfach: Die Bestrebungen der Zeit gingen dahin, das Kaisertum als möglichst eigenständige und christliche Insitution darzugstellen. Das mündete, wie ich eben schon schrieb, mit dem Umweg über den Kurverein zu Rhense mit der Ordnung der Königswahl durch die Goldene Bulle.

Kommentar zu Wimpfeling spar ich mir, denn erstens gehört er nicht mehr ins Mittelalter und zweitens schrieb ich ja bereits, dass die "Idee Deutschtum" über die Jahrhunderte hinweg ja immer stärker wurde.

Die Sache wurde so zurechtgerückt, wie man's brauchte.

Gab es jemals eine Zeit, in der das nicht geschah?
 
Zuletzt bearbeitet:
...Er hätte sie nicht schreiben können, wenn es kein Zusammengehörigkeitsgefühl gegeben hätte, denn kein Mensch würde ein nicht vorhandenes Volk so preisen oder preisen lassen.

Und genauso verhält es sich mit allen anderen Quellen, dem Annolied eingeschlossen: Man gesteht, dass es solche Aussagen gegeben hat, interpretiert sie aber gleich für den Leser dergestalt, dass sie rein gar nichts aussagen und es kein deutsches Zusammengehörigkeitsgefühl gegeben habe.

3) Wenn es kein Zusammengehörigkeitsgefühl zur Zeit des Annoliedes gegeben hätte, enthielte es kein deutsches Sendungsbewusstsein. Dort ist eben ausschließlich die Rede davon, dass die Deutschen Cäsar halfen, nicht die Polen, nicht die Franzosen, nicht die Spanier, sondern die Deutschen. Warum hätte man eine Geschichte erfinden sollen, um ein gar nicht existierendes deutsches Volk künstlich in die Vergangenheit zu verlegen?
(...)
Fakt ist, dass sie von Deutschland und dem deutschen Volk sprachen und sie das nicht getan hätten, wenn es damals noch keine Idee vom deutschen Volk und von Deutschland gegeben hätte, denn man kann von keinem Volk und von keinem Land sprechen, das es nicht gibt...
Die Entstehung einer "deutschen Identität" war sehr fließend und hat eine sehr lange Zeit in Anspruch genommen.
Hier noch ein paar Daten um die Langwierigkeit dieses Prozeßes zu verdeutlichen:

- Mit der zweiten "Lautverschiebung" entstand ab etwa zw. 500 - um 750 die älteste schriftlich bezeugte deutsche Hochsprache - das "Althochdeutsche", das bis etwa 1050 bestand.

- Das Wort "thiutisk" erscheint erstmals 786 in der latinisierten Form "theodisce" und bezeichnet die "Volkssprache", also die fränkischen Dialekte im Gegensatz zur lateinischen- bzw. den romanischen Sprachen. Das zugrundeliegende Wort "teut-" stammt aus dem Indoeuropäischen und bedeutet "Volk".

- Die erste urkundliche Erwähnung der Staatsbezeichnung „Regnum Teutonicum" erscheint im Jahre 920.
Jedoch konnte sich diese Staatsbezeichnung nicht durchsetzen, da sich die Könige sich in der Folgezeit weiterhin „rex Francorum" nannten – eine Bezeichnung, die jedoch problematisch war, da auch die französischen Könige diesen Titel trugen, was als ein Anspruch der Ostfranken auch auf deren Reich verstanden werden konnte. Mit der Kaiserkrönung dominierte jedoch ohnehin die Bezeichnung „Romanorum Imperator Augustus" (Erhabener Römischer Kaiser), um so den Machtanspruch auf das Gesamtreich (einschließlich Italiens und Burgunds) zu unterstreichen. Auf Grund dieses Machtanspruchs führten die Staufer ab 1138 den Titel „Rex Romanorum" ein.


- Etwa um 1100 tauchen Umschreibungen wie "in diutischem lande, "diutisches lant" u.ä. auf, etwa ab 1500 spricht z.B. Ulrich Hutten von den "deutschen Landen". Singular "Deutschland" ist also noch nicht vertreten, wohl aber die "deutsche Nation". Sie tritt als "Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation" (Nationis Germanicae – hier jedoch im Unterschied zum Begriff "Teutonicum") im 15. Jh. auf und bezeichnete einschränkend die deutschen Teile des Reichsgebiets im Unterschied zu Italien und Burgund.
:fs:

 
Da hätte ich gern noch mal die Stelle, wo ich dem widerspreche. Da liegt nämlich bei uns beiden der Hase im Pfeffer: Du unterstellst mir eine Meinung, die ich nicht vertrete.

Du sagtest:
Das mag ja sein, trotzdem steckte die Ausbildung eines Nationalgedankens bis ins späte Spätmittelalter noch in den Kinderschuhen.
Vielleicht meintest du damit eine Verbindung von Nation und Reich. Aber für mich liest es sich, als ob du die Kenntnis von der deutschen Nation im Hochmittelalter abstreitest.

An der Stelle möchte ich Simplicius noch einmal beipflichten:
ich finde es sehr müßig, immer und immer wieder Behauptungen der Art zu hören, dass es im Mittelalter (manche gehen soweit und sagen bis ins 18./19. Jhd) kein Wissen um die deutsche Nation gab.
Ich bin mir nicht sicher, wie diese Annahmen zustande kommen. Vermutlich wird die moderne Staatsvolkdefinition von "Nation" als einzig gültige angeführt. Ja, die wird im Mittelalter sicher keine oder nur eine untergeordnete Rolle gespielt haben. Das Wissen von einem Sprach- oder Kulturvolk muss im 11. Jahrhundert existiert haben, sonst hätte niemand darüber schreiben können.

@Barbarossa

- Die erste urkundliche Erwähnung der Staatsbezeichnung „Regnum Teutonicum" erscheint im Jahre 920.
Du verweist sicher auf die Abschrift der Salzburger Annalen aus dem 13. Jhd. Soweit ich weiß, ist es überaus umstritten, ob dieser Term im Original auch vorhanden war, weil er für die Zeit isoliert stünde.

Jedoch konnte sich diese Staatsbezeichnung nicht durchsetzen, da sich die Könige sich in der Folgezeit weiterhin „rex Francorum" nannten....
Offensichtlich hat sie sich durchgesetzt für den deutschen Reichsteil. Vom "regnum francorum orientalum", spricht im 12. Jhd niemand mehr.

- Etwa um 1100 tauchen Umschreibungen wie "in diutischem lande, "diutisches lant" u.ä. auf, etwa ab 1500 spricht z.B. Ulrich Hutten von den "deutschen Landen". Singular "Deutschland" ist also noch nicht vertreten, wohl aber die "deutsche Nation". Sie tritt als "Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation" (Nationis Germanicae – hier jedoch im Unterschied zum Begriff "Teutonicum") im 15. Jh. auf und bezeichnete einschränkend die deutschen Teile des Reichsgebiets im Unterschied zu Italien und Burgund.
Das hast du ja schön von Wikipedia kopiert ;P
So ist das scheinbar... einer behauptet etwas, und schon gilt es als unumstößlich. Ich hatte in der Diskussionsseite zu dem Artikel ebenfalls auf die zeitgenössische frühneuhochdeutsche Übersetzung der Goldenen Bulle aus dem 14. Jhd hingewiesen, in der von "Dutschelant", also einer zusammengesetzten, singularen Form, gesprochen wird.

Für mich steckt kein Widerspruch dahinter, ob man von einem "Deutschland" oder von "deutschen Landen" spricht, wie man es heute ebenfalls umgangssprachlich manchmal tut.
 
Vielleicht meintest du damit eine Verbindung von Nation und Reich. Aber für mich liest es sich, als ob du die Kenntnis von der deutschen Nation im Hochmittelalter abstreitest.

Weil ich sagte, dass die Ausbildung eines Nationalgedankens noch in den Kinderschuhen steckte? Das wäre ja so, als würde ich die ontologische Existenz eines Kleinkinds bestreiten.


An der Stelle möchte ich Simplicius noch einmal beipflichten:
ich finde es sehr müßig, immer und immer wieder Behauptungen der Art zu hören, dass es im Mittelalter (manche gehen soweit und sagen bis ins 18./19. Jhd) kein Wissen um die deutsche Nation gab.
Ich bin mir nicht sicher, wie diese Annahmen zustande kommen. Vermutlich wird die moderne Staatsvolkdefinition von "Nation" als einzig gültige angeführt. Ja, die wird im Mittelalter sicher keine oder nur eine untergeordnete Rolle gespielt haben. Das Wissen von einem Sprach- oder Kulturvolk muss im 11. Jahrhundert existiert haben, sonst hätte niemand darüber schreiben können.

Jetzt hört doch mal auf, so zu tun, als ob hier behauptet wurde. Erinnert mich irgendwie an eine Geschichte, in der Windmühlen vorkamen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Hier vielleicht nicht, aber anderswo ist das eine beliebte und anerkannte Behauptung.

Definiere doch mal bitte was du meinst mit der Aussage: "aber anderswo ist das eine beliebte und anerkannte Behauptung." Wo liegt anderswo und wer stellt diese Behauptungen auf (bitte mit Quellenangaben)?
 
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