Fragen zur deutschen Königszählung und zur deutschen Identität

Das werde ich lassen. In erster Linie bezog ich mich auf Foreneinträge, Wikipedia Diskussionen, oder Webseiten. Alles in allem habe ich die Erfahrung gemacht, dass es sich dabei um einen Streitpunkt handelt.
 
Das werde ich lassen. In erster Linie bezog ich mich auf Foreneinträge, Wikipedia Diskussionen, oder Webseiten. Alles in allem habe ich die Erfahrung gemacht, dass es sich dabei um einen Streitpunkt handelt.

Streitpunkte (wenn es dann welche sind) sind doch in der historischen Arbeit interessant. Wenn man aber einfach so mal eine These in den Raum stellt, sollte man diese Belegen können. Nicht mit Wiki oder andern Internetseiten, sondern mit Quellen und Sekundärliteratur, damit der Leser nachvollziehen und nachprüfen kann wir man auf diese These kam.
Wenn man dies nicht kann oder will, sollte man keine solchen Thesen aufstellen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ist ja nicht meine These, von daher ist es mir egal, ob dus mir glaubst, oder nicht.

Ich habe gestern beispielsweise ein pdf von einer Seite geladen, die ich wieder vergessen hab.
Darin stehen viele, meiner Meinung nach richtige Dinge, und auch einige Spekulationen.

Ich glaube die Zeitschrift oder was auch immer heißt "Königslandschaft", der Artikel "3.2 Exkurs: Wann entstand das Deutsche Reich?"

.... Mit DIUTSCHE
LANT waren die Länder der Schwaben, der Bayern,
der Sachsen und Franken gemeint, deren
Gemeinsamkeit darin bestand, dass in ihnen ähnliche
Volkssprachen herrschten. „Deutsch“ war immer noch
ein reiner Sprachbegriff. Ein im Volk herrschendes
Verständnis „als Deutsche“ kann mindestens bis zum
Ende des 11. Jahrhunderts nicht nachgewiesen
werden, die Menschen verstanden sich vielmehr als
„deutsch sprechende“ Bewohnerinnen und Bewohner
eines bestimmten Gebietes. Für Widukind von Corvey
war das Reich Ottos I. OMNIS FRANCIA SAXONIAQUE,
es bestand also aus dem Franken- und dem
Sachsenland. Von Deutschland wusste er noch
nichts.
Erst um 1150 fanden sich in der sog. „Kaiserchronik“
DÛTISCE/DIUTISKE, also „Deutsche“. Erst im späten
Mittelalter gewöhnten sich die Deutschen daran, als
Deutsche bezeichnet zu werden, und nannten sich
schließlich selbst so, ohne freilich besonders darauf
zu achten.
In späterer Zeit glaubte man, die frühe
Sprachbezeichnung ethnisch verstehen zu müssen
und der angeblichen Sprachgemeinschaft ein
Volksbewusstsein unterstellen zu können. Am Ende
stand gar die Überzeugung, über die Geschichte der
deutschen Sprache und des deutschen Volksnamens
auch die Anfänge eines Reiches für eine deutsche
Ethnie zu erkennen. Insbesondere im 19. und 20.
Jahrhundert, auch in der DDR, übertrug man einen
eng auf die Sprache bezogenen Volksbegriff ins 9.
und 10. Jahrhundert („Ein deutsches Volk entstand,
als die Menschen deutsch zu sprechen begannen.“)
Allerdings konnte dieses so konzipierte Volk als VOLK
keine Spuren in den Quellen des Mittelalters
hinterlassen, deshalb - quasi als Ersatz - mussten die
frühen Sprachbezeichnungen als Belege für das nicht
vorhandene deutsche Volk unverhältnismäßig aufgewertet
werden. Nationale Einheit aus der
Sprachgemeinschaft abzuleiten, legt allerdings einen
unhistorisch-biologistischen Volksbegriff zugrunde.
Die Bezeichnung als Deutsche war zunächst ein
gänzlich unhistorisches und apolitisches Phänomen. ...
...

Zusammenfassung
Die Geschichte einer deutschen Nation in einem
Deutschen Reich kann nicht nachgezeichnet werden.
Die Deutschen wussten im Mittelalter noch nichts von
ihrem Deutschsein.
Zu den Quellen wird genannt:
Die Ausführungen stützen sich im wesentlichen auf die sehr
umfangreich und umfassend quellengestützte
Zusammenfassung des Forschungsstandes bei Ehlers,
Joachim: Die Entstehung des Deutschen Reiches. In: Gall,
Lothar (Hg.): Enzyklopädie Deutscher Geschichte, Band 31,
München 1994, S. 17-104, Schulze, Hagen: Kleine deutsche
Geschichte, München 1996, S. 9-30, Schulze, Hagen: Gibt es
überhaupt eine deutsche Geschichte? Stuttgart 1998 und
Bautier, Robert-Henri (Hg.): Lexikon des Mittelalters,
München und Zürich 1986, S. 784-788. Aus Gründen der
Übersichtlichkeit wurde auf den Nachweis einzelner Zitate
verzichtet.
Nachtrag: über das Annolied wird da auch ein Wort verloren:
Um 1080, im „Annolied“, findet sich sowohl eine Bezeichnung im Plural (WIDER DIUTSCHE LANT) als auch im Singular (IN DIUTISCHEMI LANDE), jedoch noch
keine Substantivierung (zwar Vranken, Suâben,
Peiere, Sahsin, aber keine Deutsche).

Das habe ich am gleichen Abend nochmal kontrollgelesen. Tatsächlich werden aber "Diutischi liute" (=Deutsche Leute/"Deutsche") und "Diutschi man" erwähnt. Über Walther von der Vogelweide wird da auch kein Wort erwähnt.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ist ja nicht meine These, von daher ist es mir egal, ob dus mir glaubst, oder nicht.

Es geht doch nicht darum ob ich dir glaube oder nicht. Mir ist das ziemlich egal.

Mir geht es einfach darum, dass man, wenn man mit der historischen Methode arbeitet, eben nicht solche Sätze hinschreibt, ich zitiere noch einmal:

MacX schrieb:
aber anderswo ist das eine beliebte und anerkannte Behauptung.

Dies ist nun mal einen historische Argumentation.

Anderswo kann hier und überall sein.
Wer die Behauptungen aufstellt, dass muss der Leser wohl auch selber erraten.
 
Hm, es sollte nicht wie eine historische Argumentation klingen.
Ich wollte jetzt keine quellenbezogene Abhandlung über meine Eindrücke verfassen, die ich weiß Gott wo aufgeschnappt habe...Außerdem hat hier glaube ich auch keiner große Lust, unqualifizierte Kommentare zitiert zu bekommen.
 
Um 1080, im „Annolied“, findet sich sowohl eine Bezeichnung im Plural (WIDER DIUTSCHE LANT) als auch im Singular (IN DIUTISCHEMI LANDE), jedoch noch
keine Substantivierung (zwar Vranken, Suâben,
Peiere, Sahsin, aber keine Deutsche).
Zusammenfassung
Die Geschichte einer deutschen Nation in einem
Deutschen Reich kann nicht nachgezeichnet werden.
Die Deutschen wussten im Mittelalter noch nichts von
ihrem Deutschsein.

Das ist nämlich imho genau der springende Punkt.
Hier noch einige Gedanken von mir dazu:

Die Franken – insbesondere Karl der Große – hat die germanischen Stämme in seinem Reich vereinigt (spätestens ab etwa 750 darf man aus sprachwissenschaftlicher Sicht jedoch auf Grund der entstandenen altdeutschen Dialekte von „deutschen Stämmen“ sprechen). Dies geschah besonders bei den Sachsen jedoch gegen ihren Willen, so daß erst die Widerstände überwunden werden mußten, damit ein einheitliches Volk entstehen konnte. Solange dies nicht geschah, fühlten sich die Angehörigen des jeweiligen Stammes eben ausschließlich ihrem Stamm zugehörig. Auch war es zur Entstehung einer deutschen Identität notwendig, daß die bis dahin bestehenden Stammesstrukturen aufgebrochen und durch Reichsstrukturen ersetzt wurden – durch das sogenannte „transpersonale Königtum“. Diese Entwicklung begann im 11. Jh. und fand im 13. Jh. ihren Abschluß.
Ein weiteres Hemmnis für die Entstehung einer deutschen Identität beim einfachen Volk war sicher, daß der überwiegende Teil des Volkes des Lesens und Schreibens nicht mächtig war und wer sich keine Gedanken darüber machen muß, in welcher Sprache er nun schreibt oder liest, kann auch keinen Bezug zu seiner Sprache herstellen.
Insofern muß man also die „schreibende Zunft“ als Vorreiter im Bezug auf die Entstehung einer deutschen Identität und einer deutschen Nation ansehen, während das einfache Volk erst noch überzeugt werden musste.
 
Die Deutschen wussten im Mittelalter noch nichts von
ihrem Deutschsein.


Dieses Zitat will mir nicht einleuchten. Wen zählt denn der Autor zu "den Deutschen", die angeblich von ihrem Volk nichts wüssten, weil es das nicht gäbe?
Auf die Meinung eines Bauern im Mittelalter kann man da imo getrost verzichten.
Seine Welt beschränkte sich doch idR auf sein Gut und nahe gelegene Orte. Wie soll er sich ein Bild von politischen Zuständen auf Ebene des Reiches oder Mitteleuropas machen können?

Wenn Chronisten und Dichter im Mittelalter vom deutschen Volk schreiben, kann mir niemand erzählen, die Deutschen hätten von ihrem Deutschsein nichts gewusst, nur weil der Pöbel keine Bildung hatte. ^^
 
Dieses Zitat will mir nicht einleuchten. Wen zählt denn der Autor zu "den Deutschen", die angeblich von ihrem Volk nichts wüssten, weil es das nicht gäbe? (...) Wenn Chronisten und Dichter im Mittelalter vom deutschen Volk schreiben, kann mir niemand erzählen, die Deutschen hätten von ihrem Deutschsein nichts gewusst, nur weil der Pöbel keine Bildung hatte.
Hier mußt du zwei Dinge unterscheiden (und jetzt lies dir meine Ausführungen bitte mal intensiv durch, denn angedeutet hatte ich das in meinen vorherigen Beiträgen schon mal):

Aus sprachwissenschaftlicher Sicht gab es die deutschen Dialekte bereits mit dem Abschluß der 1. deutschen Lautverschiebung um 750 n. Chr.
Damit gab es aber noch lange kein deutsches Volk mit einer einheitlichen deutschen Identität. Die Sachsen waren z. B. zu diesem Zeitpunkt immer noch ein unabhängiger Stammesverband und fühlten sich mit nichten als Deutsche. Und so war es auch bei allen anderen Stämmen: Die Franken fühlten sich als Franken, die Alamannen als Alamannen und die Baiern als Baiern (absichtlich mit "i" geschrieben). Diejenigen, die des Lesens und Schreibens mächtig waren, wußten natürlich, in welcher Sprache sie schrieben - nämlich in einem altdeutschen Dialekt. So entstand der Ausdruck "in deutschen Landen". Gemeint waren die Stammeslande der Sachsen, Thüringer, Franken, Schwaben und Baiern, ohne daß man hier bereits eine starke Identität als Deutsche unterstellen darf, sondern eher auf die Sprache oder auf die Stammes- bzw. Territorialzugehörigkeit bezogen. Statt dessen dürfte sich zunächst eine Identität herausgebildet haben, die sich auf das gesamte HRR bezog, denn das ging im 12./13. Jh. ja weit über die "deutschen Lande" hinaus. Eine wirkliche deutsche Identität konnte sich erst im Zuge der Entstehung der "Nationalstaaten" (<-- bitte auch durchlesen!) im 18./19. Jh. herausbilden.
Auf die Meinung eines Bauern im Mittelalter kann man da imo getrost verzichten. Seine Welt beschränkte sich doch idR auf sein Gut und nahe gelegene Orte. Wie soll er sich ein Bild von politischen Zuständen auf Ebene des Reiches oder Mitteleuropas machen können?
Da stimme ich dir zu und das ist auch das, was ich im meinem Beitrag davor meinte.
Barbarossa schrieb:
Ein weiteres Hemmnis für die Entstehung einer deutschen Identität beim einfachen Volk war sicher, daß der überwiegende Teil des Volkes des Lesens und Schreibens nicht mächtig war und wer sich keine Gedanken darüber machen muß, in welcher Sprache er nun schreibt oder liest (Zusatz: weil er es nicht kann), kann auch keinen Bezug zu seiner Sprache herstellen.
(Und ich füge weiter hinzu:) ...und kann somit imho auch keine deutsche Identität für seine Person aufbauen.
:)
 
Zuletzt bearbeitet:
Statt dessen dürfte sich zunächst eine Identität herausgebildet haben, die sich auf das gesamte HRR bezog, denn das ging im 12./13. Jh. ja weit über die "deutschen Lande" hinaus. Eine wirkliche deutsche Identität konnte sich erst im Zuge der Entstehung der "Nationalstaaten" (<-- bitte auch durchlesen!) im 18./19. Jh. herausbilden.

Tut mir leid, aber das bezweifle ich arg.
Von einer gesonderten HRR Identität wäre mir nichts bekannt, höchstens von einem Anspruch der Herrschenden die Tradition des Weströmischen Reiches fortzuführen.
Mir sind auch fürs Mittelalter Schriften bekannt, in denen zwischen den Volksgruppen/Sprachgruppen streng getrennt wurde.
Wir haben in diesem Thread schon diverse zeitgenössische Äußerungen zu Tugenden der Deutschen gehört, wie man sie im Mittelalter verstand.
Eine reine Sprachgruppe ohne Zusammengehörigkeitsgefühl? Schwer vorstellbar bei solchen Äußerungen

Deutsche Männer sind wohlerzogen,
und die Frauen sind ganz wie die Engel beschaffen.
Walther von der Vogelweide

Die Schaffung des Deutschen Ordens lässt sich beispielsweise auch als einen Auswuchs einer gemeinsamen Identität lesen.

Ich gehe nicht so weit zu behaupten, dass so ein deutsches Zusammengehörigkeitsgefühl bei der einfachen Bevölkerung im gesamten Sprachraum zutreffen musste, aber bei den Gelehrten schon.
Überhaupt verstehe ich das HRR nicht als internationales Reich, nur weil auch große nichtdeutschsprachige Gebiete dazuzählten. Eher aber als ein deutschbeherrschtes Reich, dass sich jene Gebiete untertan gemacht hat.

In späteren Jahrhunderten lässt sich die deutsche Identität noch sehr viel konkreter belegen.

edit:
Damit gab es aber noch lange kein deutsches Volk mit einer einheitlichen deutschen Identität. Die Sachsen waren z. B. zu diesem Zeitpunkt immer noch ein unabhängiger Stammesverband und fühlten sich mit nichten als Deutsche. Und so war es auch bei allen anderen Stämmen: Die Franken fühlten sich als Franken, die Alamannen als Alamannen und die Baiern als Baiern (absichtlich mit "i" geschrieben). Diejenigen, die des Lesens und Schreibens mächtig waren, wußten natürlich, in welcher Sprache sie schrieben - nämlich in einem altdeutschen Dialekt.

Die frühmittelalterlichen westgermanischen Dialekte kann man wohl schwerlich als eine Sprache bezeichnen. So weit mir bekannt ist, konnten die verschiedenen Stämme nicht miteinander in ihrer Muttersprache kommunizieren.
Im 11., 12. Jahrhundert sah das aber anders aus. Das ist auch der Zeitpunkt, ab dem ich eine deutsche Volkswerdung und -identität ansetze.
 
Zuletzt bearbeitet:
Die frühmittelalterlichen westgermanischen Dialekte kann man wohl schwerlich als eine Sprache bezeichnen. So weit mir bekannt ist, konnten die verschiedenen Stämme nicht miteinander in ihrer Muttersprache kommunizieren.
Im 11., 12. Jahrhundert sah das aber anders aus.

Auf welche Fakten stützen sich diese Deine Erkenntnisse?
 
Zwar entzieht sich mir etwas, was das alles noch mit der deutschen Königszählung zu tun hat, aber kurz zu zwei Punkten...



Die Schaffung des Deutschen Ordens lässt sich beispielsweise auch als einen Auswuchs einer gemeinsamen Identität lesen.

Dem möchte ich nicht zustimmen, denn auch der Deutsche Orden war - zumindest während des Mittelalters - ein "internationaler" Orden.
Vgl. dazu bspw. Der Deutsche Orden - Entwicklung und Strukturen im Mittelalter
Der Deutsche Orden schrieb:
...
... Der Deutsche Orden war auch als Landesherr zunächst eine Korporation, ein "internationaler" geistlicher Ritterorden...
...
... Bezeichnend für den "internationalen" Charakter des Deutschen Ordens ist, daß die Regeln, Gesetze und Gewohnheiten in bis zu fünf Sprachen erhalten sind: Neben dem wohl grundlegenden Latein liegen Fassungen in Mittelhoch- und Mittelniederdeutsch, in Mittelfranzösisch sowie in Mittelniederländisch vor...

Desweiteren ist dabei hinzuzufügen, daß sich der Deutsche Orden neben seinen Kommenden im Heiligen Land und seinen Balleien im HRR (wo übrigens auch nicht alle auf rein deutschsprachigem Gebiet lagen; siehe z.B. Kammerballei Böhmen oder Ballei Lamparten (Lombardei)) auch außerhalb des Reiches niedergelassen hatte: zu nennen sind hier die Ballei Armenien, die Ballei Apulien, die Ballei Frankreich (sic!), die Ballei Romanien (im heutigen Griechenland), die Ballei Sizilien und die Ballei Zypern.
Außerdem hatte der Orden auch keineswegs nur deutsche Brüder, ja nicht einmal nur Brüder aus dem HRR, sondern auch in ihm gab es ebenso Skandinavier, Franzosen u.a.



Die frühmittelalterlichen westgermanischen Dialekte kann man wohl schwerlich als eine Sprache bezeichnen. So weit mir bekannt ist, konnten die verschiedenen Stämme nicht miteinander in ihrer Muttersprache kommunizieren.
Im 11., 12. Jahrhundert sah das aber anders aus...

Für das Frühmittelalter sprechen wir von Althochdeutsch und Altniederdeutsch, für das Hochmittelalter von Mittelhochdeutsch und Mittelniederdeutsch - und das, obwohl wir genaugenommen linguistisch korrekt von althochdeutschen und altniederdeutschen bzw. mittelhochdeutschen und mittelniederdeutschen Dialekten sprechen müßten.
Der Beginn einer einheitlichen deutschen Sprache liegt im - eigentlich künstlich (auf Basis des Meißner Kanzleideutsch) geschaffenen - Frühneuhochdeutsch, dessen Weiterentwicklung Neuhochdeutsch sich dann ab dem 17. Jh. gegenüber dem Niederdeutsch durchsetzte, so daß Letzteres schließlich auf reines Dialektniveau herabsank.

Anm.: Althochdeutsche Sprecher hatten mit altniederdeutschen Sprechern ähnliche Verständigungsprobleme wie später mittelhochdeutsche Sprecher mit mittelniederdeutschen Sprechern. So wie sich auch noch heute bspw. ein bairischer/fränkischer/hessischer/pfälzischer Mundartsprecher ohne Bemühen der deutschen Standardsprache kaum mit einem nordniedersächsischen/ostfälischen/westfälischen/märkischen/mecklenburgischen Mundartsprecher verständigen könnte.



Auf der Tatsache, dass ich Texte aus dieser Zeit lesen kann :)

Es wäre für die Diskussion hilfreich, wenn Du einmal konkrete Beispiele nennen könntest - im konkreten Fall Textbeispiele aus dem 8. bis 12. Jh.
Und dann aber auch aus verschiedenen Regionen (niederdeutsche Sprachgebiete und hochdeutsche Sprachgebiete) :fs:
Anm.: Daß Du einen mittelhochdeutschen Text leichter lesen und verstehen kannst als einen althochdeutschen Text, dürfte dabei niemand bestritten haben...
 
Auf der Tatsache, dass ich Texte aus dieser Zeit lesen kann :)
Wie soll ich das verstehen?
a) Du kennst Texte aus dieser Zeit, in denen geschrieben steht, daß z. B. Alemannen und Franken einen Dolmetscher brauchten, um sich miteinander zu verständigen? Dann bitte ich um eine Quellenangabe, denn das würde mich sehr interessieren.
b) Du kannst die Texte zwar lesen, aber nicht verstehen und nimmst deswegen an, daß sich die Leute damals auch nicht verständigen konnten? Dann hätte ich allerdings keine weiteren Fragen.
 
Ich habe den Eindruck, dass das Wort "Dialekt" hier in verschiedenen Bedeutungen verwendet wird. Zum einen als Sprache, die sich von anderen ähnlichen Sprachen in einem so geringen Umfang unterscheidet, dass sich die Sprecher recht gut miteinander verständigen können.

In diesem Sinne gehört ein niederdeutscher Dialek in eine andere Dialektgruppe als ein alemannischer Dialekte. Wenn man will man "Niederdeutsch" (was es so nicht gibt) als eine andere Sprache alsalemanisch (was es so auch nicht gibt) bezeichnen.

Zweitens wird hier das Wort Dialekt als Abweichung von der Standardsprache ("Neuhochdeutsch") bezeichnet. Das ist eine sehr kulturzentrierte Sichtweise.

Ich selbst bin in einem niederdeutsch geprägten Umfeld aufgewachsen, und habe durch mein Leben in Süddeutschland aus Interesse auch ein bisschen badisch-alemannisch gelernt (bei der Volkshochschule).

Wenn ein Bayer akzentgefärbtes Hochdeutsch spricht und ein Hamburger akzentgefärbtes Hochdeutsch ("Missingsch") spricht, dann können sie sich u.U. noch verstehen. Keinesfalls jedoch, wenn sie ihren "Dialekt" sprechen!
 
Ich habe den Eindruck, dass das Wort "Dialekt" hier in verschiedenen Bedeutungen verwendet wird...

Um das noch einmal zu verdeutlichen (zwecks Vereinfachung via Rückgriff auf Wikipedia):
Deutsche Sprache schrieb:
...
Die deutsche Sprache ist in zwei Sprachkategorien aufgeteilt, in Hochdeutsch und in Niederdeutsch. Als hochdeutsche Sprache bezeichnet man zunächst alle kontinentalwestgermanischen Dialekte, die im frühen Mittelalter an der zweiten oder hochdeutschen Lautverschiebung beteiligt waren (alemannisch, bairisch, ost-, rhein-, mittelfränkisch, ostmitteldeutsch = ober- und mitteldeutsche Mundarten = hochdeutsche Mundarten). Die kontinentalwestgermanischen Dialekte, die diese zweite Lautverschiebung nicht oder nur zu einem sehr geringen Teil mitgemacht haben, bezeichnet man seit der frühen Neuzeit als niederdeutsche Sprachen (Niedersächsisch und Niederfränkisch)...
...
Der Beginn der neuhochdeutschen Schrift- und Standardsprache kann daher erst in überregionalen Ausgleichsprozessen des Spätmittelalters und der frühen Neuzeit gesehen werden.
Während die Standardsprache in den meisten europäischen Ländern aus dem Dialekt der jeweiligen Hauptstadt hervorgegangen ist, stellt die heutige Hochdeutsche Sprache (Standardsprache) eine Art „Kompromiss“ zwischen den mittel- und oberdeutschen Dialekten südlich der sogenannten Benrather Linie dar.

In Norddeutschland hat das Standarddeutsche, vor allem im Gefolge der Reformation als Amts- und Schulsprache, das einheimische Niederdeutsche (Niedersächsische bzw. Plattdeutsche und Niederfränkische) größtenteils verdrängt.... Aufgrund der politischen Eigenstaatlichkeit und der (teilweisen) Herauslösung aus dem Reichsverband konnte es in den Niederlanden dem Hochdeutschen nicht mehr gelingen, die einheimischen niederfränkischen Dialekte zu verdrängen. Aus diesen entwickelte sich die niederländische Sprache...
Von Deutsche Sprache ? Wikipedia
Hochdeutsche Dialekte schrieb:
Die Mundarten südlich der Benrather oder der Uerdinger Linie werden Hochdeutsche Dialekte genannt, die wiederum in mittel- und oberdeutsche Mundarten unterteilt sind. Sie bilden zusammen mit den niederdeutschen Mundarten und den niederländischen Mundarten nördlich dieser Mundartlinien das kontinental-westgermanische Dialektkontinuum. Gemeinsames Charakteristikum der hochdeutschen Dialekte ist die vollständig oder teilweise durchgeführte zweite oder (alt)hochdeutsche Lautverschiebung...

Zumeist wird Hochdeutsch im nicht-sprachwissenschaftlichen Sprachgebrauch synonym gebraucht für die Bezeichnung der Standardsprache, abgekürzt: „Deutsch”...
Von Hochdeutsche Dialekte ? Wikipedia
Standarddeutsch schrieb:
...
Mit Standarddeutsch werden alle standardisierten Sprachvarietäten im deutschsprachigen Raum bezeichnet und so von den nicht standardisierten Sprachvarietäten abgegrenzt: den Dialekten, Umgangssprachen, Fachsprachen und Soziolekten. Standardisierte Sprachvarietäten werden zur überregionalen Verständigung verwendet; eine wichtige Rolle spielen hier die unterschiedlichen (aber gleichwertigen) Standarddeutsch-Formen in Deutschland, Österreich und der Schweiz...
...
Die standarddeutschen Varietäten sind Ausgleichssprachen auf plurizentrischer Grundlage. Ein Deutsch, das mit allen Wörtern und Wendungen überall identisch ist, gibt es nicht.

Unter den Dialektgruppen weisen das Thüringische, das Anhaltische und das Ostfränkische die meisten Parallelen zum Standarddeutschen Deutschlands auf. Mit der Durchsetzung der Reformation in den nördlichen deutschen Ländern hat sich dort die Übersetzung der Bibel durch Martin Luther gegen niederdeutsche Übersetzungen durchgesetzt...
Von Standarddeutsch ? Wikipedia



Wenn ein Bayer akzentgefärbtes Hochdeutsch spricht und ein Hamburger akzentgefärbtes Hochdeutsch ("Missingsch") spricht, dann können sie sich u.U. noch verstehen. Keinesfalls jedoch, wenn sie ihren "Dialekt" sprechen!

Dem widerspreche ich nicht, wenngleich ich wegen der o.g. Spezifik aber eben lieber von Standarddeutsch statt von Hochdeutsch sprechen würde.
 
Wie soll ich das verstehen?
a) Du kennst Texte aus dieser Zeit, in denen geschrieben steht, daß z. B. Alemannen und Franken einen Dolmetscher brauchten, um sich miteinander zu verständigen? Dann bitte ich um eine Quellenangabe, denn das würde mich sehr interessieren.
b) Du kannst die Texte zwar lesen, aber nicht verstehen und nimmst deswegen an, daß sich die Leute damals auch nicht verständigen konnten? Dann hätte ich allerdings keine weiteren Fragen.

Hm, nein, was ich meinte, ist eher, dass es ab einem gewissen Zeitpunkt ein überregionales Deutsch zur Verständigung anstelle des bis dato üblichen Latein gab.
Aber mit dem 11./12. Jhd bin ich wohl offensichtlich etwas zu früh dran gewesen.


Wenn ein Bayer akzentgefärbtes Hochdeutsch spricht und ein Hamburger akzentgefärbtes Hochdeutsch ("Missingsch") spricht, dann können sie sich u.U. noch verstehen. Keinesfalls jedoch, wenn sie ihren "Dialekt" sprechen!

Würd ich nicht unbedingt sagen. Ich habe eher den Eindruck, dass wir durch moderne Massenmedien die verschiedenen deutsche Dialekte recht gut kennen. Ich stamme beispielsweise aus Mecklenburg, meine Freundin aus Bayern. Sie versteht allerdings problemlos Plattdütsch, und ich bairisch, ohne es besonders gelernt haben zu müssen. Nur mit dem sprechen siehts bei uns beiden finster aus. ^^

Dem möchte ich nicht zustimmen, denn auch der Deutsche Orden war - zumindest während des Mittelalters - ein "internationaler" Orden.

Er wurde aber durch norddeutsche Kaufleute im Heiligen Land gegründet mit der Absicht den deutschen Kreuzfahrern und Pilgern medizinische Hilfe zu bieten.
 
Hm,Ich stamme beispielsweise aus Mecklenburg, meine Freundin aus Bayern. Sie versteht allerdings problemlos Plattdütsch, und ich bairisch, ohne es besonders gelernt haben zu müssen. Nur mit dem sprechen siehts bei uns beiden finster aus. ^^

Im Mecklenburgischen kenne ich mich nun nicht aus, den Reuter kann ich auch nur auf Schriftdeutsch lesen.

Bei den Bayern etwas mehr. Dem Gerhard Schröder seine 4. stammt auch aus Bayern..... spricht aber schwäbisch:devil:
Kein Witz, in Bayern werden etliche Dialekte gesprochen, aber natürlich nur hochdeutsche.


OT: Immer lustig wenn einer sagt "Ach wissen Sie, ich spreche eigentlich meist Hochdeutsch" und ich ihm dann entgegne "Wir hier fast ausschließlich"
Es ist nur die Höflichkeit, die an Lachsalven hindert, und fast keiner merkt, dass er kräftig auf die Schippe genommen wird.:D
 
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Hm, nein, was ich meinte, ist eher, dass es ab einem gewissen Zeitpunkt ein überregionales Deutsch zur Verständigung anstelle des bis dato üblichen Latein gab.

Verstehe ich Dich nun richtig, daß Du aus der Verwendung des Latein die Schlußfolgerung ziehst, daß auf andere Weise keine Verständigung möglich war? Da wärst Du allerdings sehr auf dem Holzweg.
 
Das war meine Annahme... zumindest war Latein doch die bevorzugte Sprache der Gelehrten.

Nachtrag: das meinte ich vorhin
Das Althochdeutsche ist die älteste schriftlich überlieferte Sprachform der Völker, die sich als deutsch bezeichnen. Es war nicht einheitlich, sondern bestand aus vielen Mundarten. Erst um die Mitte des 12. Jahrhunderts entwickelte sich im mittelrheinischen Gebiet eine mittelhochdeutsche Dichter- und Literatursprache, die uns in der klassisch höfischen Ritterliteratur begegnet, in der auch keltisches Sagengut bearbeitet wurde. Begründet und getragen wurde diese Dichtung vor allem vom aufstrebenden Adel, der sich damit vom Volk abheben wollte.
Wikipedia
 
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