Wirtschaft und Thesaurierung bei den Germanen zur Zeitenwende

Plus der Eingeschmolzenen, der Rückläufer plusplusplus.

Wenn ich das richtig verstanden habe, geht es aber zusätzlich um die Datierung. Und das nach 100 ein wesentlicher Münzumlauf (mit steigendem Niveau) stattgefunden hat, dann möglicherweise auch in der Fläche, wird doch nicht bestritten,

... oder?

Nur mal so ein Beispiel: eine Münze aus dem Jahr 90 v. Chr., 190 Jahre vor Deiner magischen 100 n. Chr.
Ein Denar aus der Zeit der römischen Republik, roundabout 2000 Jahre alt.
für 200 Euro von einem Händler, aus keiner obskuren Quelle.
Für so manche Münze der frühen BRD wird von Sammlern deutlich mehr gelöhnt.
Das freie Spiel des Marktes, Angebot und Nachfrage bestimmen den Preis:devil:

Es gibt ganze Wagenladungen von den Dingern, in jedem Römermuseum liegen ein paar Handvoll, was sie noch in den Magazinen haben wird ein vielfaches sein.
 
Zuletzt bearbeitet:
Nur mal so ein Beispiel: eine Münze aus dem Jahr 90 v. Chr., 190 Jahre vor Deiner magischen 100 n. Chr.

Das heutige Angebot läßt mE kaum Rückschlüsse zu:

- Geldkreislauf in den römischen Gebieten
- Hypothesen über die Zirkulation von der Prägung bis Oder/Elbe (welche Umlaufgeschwindigkeiten gab es überhaupt, sind die quantifizierbar? Beispiel: beträgt der Weg von Münzen von der Prägung bis in die fraglichen Gebiete 50-100 Jahre oder 2-5?)

Das dann Massen im Umlauf waren - in späteren Jahrhunderten - wurde doch noch nicht bestritten, oder? Man kann doch auch hier nur einen Prozeß der Veränderung betrachten.
 
Das heutige Angebot läßt mE kaum Rückschlüsse zu:

- Geldkreislauf in den römischen Gebieten
- Hypothesen über die Zirkulation von der Prägung bis Oder/Elbe (welche Umlaufgeschwindigkeiten gab es überhaupt, sind die quantifizierbar? Beispiel: beträgt der Weg von Münzen von der Prägung bis in die fraglichen Gebiete 50-100 Jahre oder 2-5?)
Man kann doch auch hier nur einen Prozeß der Veränderung betrachten.


Alles richtig.

Aber es verbietet explizit den Rückschluss, "es wurde ja kaum was gefunden, die paar Hortfunde..."
Wenn die heute nicht gleich eine ganze Milchkanne voll finden, wird der gemeldete Fund gerade mal eben zur Kenntnis genommen.

Das dann Massen im Umlauf waren - in späteren Jahrhunderten - wurde doch noch nicht bestritten, oder?
Die genannte Münze ist aus dem Jahr 90 vChr, hatte also zu Varus schon 90 Jahre Zeit im Boden zu verschwinden. Und alle anderen Prägungen aus der Zeit ebenso, nichtsdestotrotz ist sie preisgünstig zu erwerben, von privat etwa zur Hälfte des genannten Händlerpreises.
Ergo: Es gibt ein erhebliches Angebot.
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Umlaufdauer ist tatsächlich ein Problem und Numismatiker können sich dem Zeitpunkt des Zusammenkommens eines Hortes nur durch die Statistik behelfen, wobei hier auf Erfahrungswerte zurückgegriffen wird.
Für die lange Umlaufdauer führe ich ja immer wieder gerne polnische Hortfunde an, die Schlussmünzen aus dem 10. Jhdt. haben, wo es aber durchaus vorkommt, dass einige kaiserzeitliche Münzen sich als Ausreißer darunter befinden, die also 700 bis 800 Jahre älter sind, als die Schlussmünze. Klar ist, dass so ein Hort erst nach dem Prägejahr der Schlussmünze vergraben worden sein kann. Damit bildet das Prägejahr den vorläufigen terminus post quem. Dann werden die Münzen nach Prägejahren gruppiert. Meist gibt es eine ganz bestimmte, relativ enggefasste Streuung von Jahren, aus denen das Gros der Münzen stammt; auffällig häufig - aber nicht immer - gehört die Schlussmünze zu dem Zeitraum, aus dem auch die meisten Münzen stammen. Aufgrund der Statistik wird dann der Zeitraum von meist wenigen Prägejahren mit dem höchsten Münanteil als der Zeitraum, in dem der Schatz zusammengekommen ist, angesehen. Aber das ist, wie gesagt natürlich nur eine statistische Annäherung, die aber in vielen Fundumständen die einzig mögliche Datieurngsmethode darstellt.
Die relative Sicherheit dieser Methode lässt sich aus dem Umstand herleiten, dass es immer wieder vergrabungslose Zeiträume gibt bzw. die Fund mit Schlussmünzen aus dem gleichen Zeitraum sich häufen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Umlaufdauer ist tatsächlich ein Problem und Numismatiker können sich dem Zeitpunkt des Zusammenkommens eines Hortes nur durch die Statistik behelfen, wobei hier auf Erfahrungswerte zurückgegriffen wird.
.

Klar, schrieb ich oben, älter als die jüngste Münze im Hort kann er nunmal nicht sein.

Die wissenschaftlich ausgewerteten Funde meine ich aber gar nicht, es gibt, mMn wesentlich mehr Funde, die überhaupt gar nicht wissenschaftlich ausgewertet wurden oder werden, weil sie viel zu unspektakulär sind, keine neuen Erkenntnisse bringen können, ganz abgesehen von denen, die überhaupt nie zur Kenntnis der Wissenschaft gelangen. Eine Handvoll Münzen der römischen Republik stellen nämlich keine "Himmelsscheibe von Nebra" dar, die können frei und ohne Einschränkungen verkümmelt werden.
 
Hallo ihr Lieben :winke:

habe gerade mit einem Bekannten telefoniert, der Archäologe im Landesamt für Denkmalpflege Niedersachsen ist (der kennt übrigens auch Herrn Wolters aus Tübingen gut). Dieser sagte mir, dass die Frage nach der Geldwirtschaft in Germanien in Fachkreisen sehr kontrovers diskutiert wird (genau wie hier....:)). Für die frühe Kaiserzeit (Augustus) kann man sie nahezu ausschließen. Für die späteren Jahrhunderte (2.-4.Jh.) sei sie jedoch durchaus anzunehmen. Wie gesagt, festlegen wollte er sich nicht, da in dieser Frage vieles ungeklärt ist.
Das deckt sich übrigens mit den Aussagen des Artikels über die röm. Kaiserzeit in Westfalen (von Georg Eggenstein) den silesia hier verlinkt hatte.

@silesia: Vielen lieben Dank übrigens dafür :)



Für die ältere Kaiserzeit (Augustus):
„Die Germanen in Anreppen bezogen zwar in erheblichem Umfang römische Güter, wirtschafteten aber auf ihre traditionelle Art und Weise.(…) Es ist vielmehr von einer wirtschaftlichen Zusammenarbeit, einem Güteraustausch zwischen zwei selbständigen Gruppen auszugehen. Dafür sprechen als archäologische Anhaltspunkte auch die vereinzelt in Abfallgruben des Militärlagers entsorgten einheimischen Gefäße, die als Behältnisse für Warenlieferungen, z.. Honig oder Milchprodukte, interpretiert werden können.“ (Eggenstein, S.54)



Römische Münzen der frühen Kaiserzeit treten besonders in den germanischen Siedlungen auf, an denen Metallverarbeitung stattfand (Warburg-Daseburg, Kamen-Westick, Soest-Ardey). Die Münzen treten zusammen mit verschiedenen Metallgegenständen, Barren und Bruchmetall auf. (S.63) „Das germanische Interesse an römischen Münzen aus Silber und Gold erklärt sich demnach aus dem Wert des Materials, das man problemlos einschmelzen und anderweitig verwenden konnte.“ (S.65)



Für die jüngere Kaiserzeit (ab ca. Antoninius Pius):
„Eine der wesentlichen kulturgeschichtlichen Entwicklungen in den Jahrzehnten nach Christi Geburt ist die starke Zunahme des Warenstroms aus dem Imperium in der jüngeren Römischen Kaiserzeit etwas ab dem fortgeschrittenen 2.Jahrhundert. Überhaupt sind erheblich mehr Fundstellen in die jüngere Kaiserzeit zu datieren als in den älteren Abschnitt.“
„Der ganz überwiegende Teil der spätrömischen Fundmünzen besteht aber nicht aus Edelmetall, sondern aus Kupfer und Bronze. Der Rohstoffwert dieser Stücke für die Metallverarbeitung ist naturgemäß nur recht gering.“ Eggenstein schließt deshalb für diese Phase eine Geldwirtschaft in Westfalen nicht aus.
„Dabei gehört der weitaus größte Teil der Münzen in die erste Hälfte des 4.Jahrhunderts, die Zeit des Kaisers Constantin und seiner Söhne.“ (…) Während in den vorangegangenen Jahrhunderten Edelmetallmünzen, insbesondere Denare, einen großen Teil der Münzen ausmachen, bestehen die Fundmünzen der constantinischen Ära fast alle aus Kupfer.“ (S.65)“






Fazit:
Die Verwendung von Münzen als Zahlungsmittel (und nicht Rohstoff) wird erst für die jüngere Kaiserzeit (ab 2.Jh.) angenommen.
Ihr habt also alle irgendwie Recht gehabt....



LG Nicole:)
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Dieser sagte mir, dass die Frage nach der Geldwirtschaft in Germanien in Fachkreisen sehr kontrovers diskutiert wird (genau wie hier....:)). Für die frühe Kaiserzeit (Augustus) kann man sie nahezu ausschließen.

Ausgangspunkt der ganzen Diskussion war ursprünglich, was die Bestimmung des Geldes des Varus war - sofern denn die bei Kalkriese gefundenen Münzen überhaupt aus dem Tross des Varus stammten. In der Forschung wird angenommen, dass es sich um die Kriegskasse oder einen Teil davon der Legion handelte, die bei Kalkriese in Kämpfe verwickelt war, was sehr plausibel ist. Aber im Verlaufe der Diskussion entwickelte sich die These, dass das Geld anderen Zwecken dienen sollte. Ich äußerte u.a. dass es vielleicht Gefolgschaften stärken und Entscheidungsprozesse befördern sollte. Das ist aus anderen Kontexten in Antike und Mittelalter bekannt - ja bis heute, nur dass es heute in unseren demokratisch verfassten Gesellschaften als Korruption aufgefasst wird, während es in den antiken und mittelalterlichen Gesellschaften als ein legitimes Mittel galt und offen praktiziert wurde.
Daraufhin wurde behauptet, dass die Germanen überhaupt gar kein Interesse am Geld zeigten - und eben daraus entwickelte sich die Diskussion. Dass die Germanen eine eigenständige Geldwirtschaft gehabt hätten, wurde dabei von kaum jemandem behauptet, dies waren lediglich die Unterstellungen derjenigen, die meinten, dass die Germanen nun gar kein Interesse an Geld gehabt hätten und auch den Wert von Geld nicht erkannt hätten. Dass Geld auch und gerade als Metallwert angesehen wurde und deshalb auch in Werkstätten landete, ist kein Widerspruch sondern eine Vervollständigung des Bildes.
 
Die Umlaufdauer ist tatsächlich ein Problem und Numismatiker können sich dem Zeitpunkt des Zusammenkommens eines Hortes nur durch die Statistik behelfen, wobei hier auf Erfahrungswerte zurückgegriffen wird.

Danke, El Quijote, das hellt meine beschränkten Kenntnisse (und nur rückwärtigen "technischen" Vermutungen dazu) etwas auf. :winke:

Ich hatte ein Problem damit, mir die Transportwege und möglichen Geldströme vorzustellen. Die Zeiträume konnten also sehr lang sein, und Umlaufgeschwindigkeiten sind wohl nur in diesen Extremintervallen eingrenzbar.
 
Alles richtig.

Aber es verbietet explizit den Rückschluss, "es wurde ja kaum was gefunden, die paar Hortfunde..."
Wenn die heute nicht gleich eine ganze Milchkanne voll finden, wird der gemeldete Fund gerade mal eben zur Kenntnis genommen.


Die genannte Münze ist aus dem Jahr 90 vChr, hatte also zu Varus schon 90 Jahre Zeit im Boden zu verschwinden. Und alle anderen Prägungen aus der Zeit ebenso, nichtsdestotrotz ist sie preisgünstig zu erwerben, von privat etwa zur Hälfte des genannten Händlerpreises.
Ergo: Es gibt ein erhebliches Angebot.

Die angebotenen Münzen lassen auch nicht immer auf die Herkunft schließen. So werden in den USA auch römische Münzen angeboten, obwohl es dort keine Römer gab! Und die meisten römischen Münzen werden halt noch im ehemaligen Gebiet des römischen Imperium gefunden.
Somit ist diese Aussage von Dir sehr relativ.....
 
Die angebotenen Münzen lassen auch nicht immer auf die Herkunft schließen. So werden in den USA auch römische Münzen angeboten, obwohl es dort keine Römer gab! Und die meisten römischen Münzen werden halt noch im ehemaligen Gebiet des römischen Imperium gefunden.
Somit ist diese Aussage von Dir sehr relativ.....


Naütrlich ist die Aussage relativ, natürlich weiß keiner wo die jeweils angebotenen Münzen gefunden wurden.
Es ging mir lediglich darum, aufzuzeigen, dass die wissenschaftlich erfassten und dokumentierten Hortfunde nur einen sehr geringen Teil der heute noch vorhandenen Menge umfassen, daher ein Rückschluss auf den tatsächlichen Geldeinsatz nicht zulassen.
 
Und genau das habe ich die ganze Zeit behauptet! Allerdings gegen Euren "erbitterten" Widerstand....

Du solltest aufmerksamer lesen. Der Artikel spricht von Münzen als Rohstoff zur Metallverarbeitung, sagt aber auch:

Bisher ging man davon aus, dass die Germanen keine Geldwirtschaft, sondern einen reinen Tauschhandel praktizierten, einen Bedarf an Münzgeld hätten sie eigentlich nicht gehabt. Das germanische Interesse an römischen Münzen aus Silber und Gold erklärt sich demnach aus dem Wert des Materials, das man problemlos einschmelzen und anderweitig verwenden konnte. Allgemein können wir für den westfälischen
Raum ein erstaunlich hohes Aufkommen römischer Münzen konstatieren.
In Kamen-Westick sind rund 1200 Münzen gefunden worden (Abb. 16). Somit ist Westick der reichste Fundplatz in Westfalen und benachbarten Gebieten des freien Germanien, gefolgt von Castrop-Zeche Erin und Soest-Ardey, die ebenfalls jeweils mehrere Hundert Münzen geliefert haben. In auffälliger Weise konzentrieren sich die Münzfunde im Einzugsbereich des Hellwegs, dem westfälischen Teilstück der West-Ost-Kontinentalverbindung, deren überragende Bedeutung für das Mittelalter auch schriftlich überliefert ist. Der ganz überwiegende Teil der römischen Fundmünzen besteht aber nicht aus Edelmetall, sondern aus Kupfer bzw. Bronze. Der Rohstoffwert dieser Stücke für die Metallverarbeitung ist naturgemäß nur recht gering.

Sprich: Die These vom reinen Tauschhandel muss neu überdacht werden. Das Problem ist, dass der Artikel sich meist nur zu Münzen zwischen dem 3. und 5. Jahrhundert konkret genug äußert, andere Äußerungen, zu frühkaiserzeitlichen Münzen sind interpretabel: man kann es so oder so verstehen. Z.B.:
Vollauf bestätigt wurde diese Sonderstellung durch spektakuläre Neufunde, die seit den 1990er Jahren auf dem Ackergelände gesammelt worden sind. Allein die Zahl der römischen Münzen aus Kupfer, Silber und Gold hat sich dadurch auf rund 1200 Exemplare erhöht. Zudem belegen diese Entdeckungen, dass hier bereits in der Zeit um Christi Geburt eine
Siedlung bestand, die offenbar kontinuierlich bis in das 6. Jahrhundert bewohnt war.
Stammen die Münzen jetzt aus dem gesamten Zeitraum, oder nur aus dem späteren Zeitraum, vorwiegend dem 4. Jhdt.?
 
Hallo Ihr Lieben,

die Aussagen von Eggenstein sind doch eindeutig.
Der überwiegende Teil der Münzen stammt aus der jüngeren Kaiserzeit (insbesondere Constantin und später) und sind meistens aus Kupfer. Für diese Zeit wird ein Geldhandel nicht ausgschlossen, weil offen bleibt, weshalb so große Mengen an unedlem Metall nach Germanien kamen.
In der älteren Zeit (Augustus) treten in geringerem Umfang Denare, also Silbermünzen auf, die wohl hauptsächlich als Rohstoff galten. Hätten sie ebenfalls als Zahlungsmittel gegolten, so wären in der germanischen Siedlung in Nachbarschaft zum augusteischen Lager von Anreppen mehr Münzen aufgetreten (es waren aber insgesamt nur fünf).

Für die jüngere Kaiserzeit (ab 2.Jh.):
„Eine der wesentlichen kulturgeschichtlichen Entwicklungen in den Jahrzehnten nach Christi Geburt ist die starke Zunahme des Warenstroms aus dem Imperium in der jüngeren Römischen Kaiserzeit etwas ab dem fortgeschrittenen 2.Jahrhundert. Überhaupt sind erheblich mehr Fundstellen in die jüngere Kaiserzeit zu datieren als in den älteren Abschnitt.“
„Dabei gehört der weitaus größte Teil der Münzen in die erste Hälfte des 4.Jahrhunderts, die Zeit des Kaisers Constantin und seiner Söhne.“ (…) Während in den vorangegangenen Jahrhunderten Edelmetallmünzen, insbesondere Denare, einen großen Teil der Münzen ausmachen, bestehen die Fundmünzen der constantinischen Ära fast alle aus Kupfer.“ (S.65)“


Lieben Gruß
Nicole:)
 
Hallo ihr Lieben :winke:, habe noch etwas:

Ich habe übrigens den Bekannten meines Vaters, den Archäologen aus dem Landesamt, gestern besucht und zum Thema ausführlicher befragen können.
Vereinfachend sagte er, man könne sich das so vorstellen: Die Germanen um Christi Geburt, darin sei man sich in der Forschung einig, verwendeten
römische Münzen NICHT als Geld. Sie betrachteten die Denare so, wie wir heute kleine Medaillons betrachten. Schön anzusehen und durchaus auch mit einem Tauschwert. Jedoch war der Wert nicht exakt festgelegt (wie in einem Geldsystem) sondern konnte sich nach der Attraktivität des Bildchens richten. (Klingt witzig, aber Jungs sammeln und tauschen ja auch Fussballbilder :pfeif:). Zur Not konnte man die klienen Scheibchen auch noch einschmelzen und zu Schmuck weiter verarbeiten.

Auch über diese Sache haben wir gesprochen:
Ausgangspunkt der ganzen Diskussion war ursprünglich, was die Bestimmung des Geldes des Varus war - sofern denn die bei Kalkriese gefundenen Münzen überhaupt aus dem Tross des Varus stammten. In der Forschung wird angenommen, dass es sich um die Kriegskasse oder einen Teil davon der Legion handelte, die bei Kalkriese in Kämpfe verwickelt war, was sehr plausibel ist. Aber im Verlaufe der Diskussion entwickelte sich die These, dass das Geld anderen Zwecken dienen sollte. Ich äußerte u.a. dass es vielleicht Gefolgschaften stärken und Entscheidungsprozesse befördern sollte.

Zuerst einmal musste er schmunzeln. Die These, dass es sich um "Bestechungsgelder" handelte, schließt er aus. Sie kursiere seit geraumer Zeit in der Presse und der populärwissenschaftlichen Literatur. Die Begierde der Germanen um Christi Geburt, das zeigen die archäologischen Forschungen, galt nicht vornehmlich Münzen, sondern römischen Waren, also Werkzeugen, Geräten und Waffen. Diese hätten bei Germanen viel mehr Überzeugungskraft gehabt, als die kleinen Silberscheibchen.
Ähnliches steht übrigens auch bei Eggenstein:
"Daneben gibt es natürlich noch weitere Möglichkeiten des Warentransfers von Römern zu Germanen, z.B. als Beutegut, Soldzahlung oder als Geschenke an die Stammeseliten mit dem Ziel der politischen Einflussnahme. Bemerkenswert ist, dass außer Waren auch Technologie nach Germanien transferiert wurde." Eggenstein, S.65)
Mein Bekannter sagte außerdem, dass das Mitführen der "Kriegskasse" bei den Varuslegionen ungewöhnlich wäre, da dazu kein Anlass bestand. Die Auszahlung fand in den Lagern statt. Die vielen Silbermünzen von Kalkriese bleiben also rätselhaft. Er sagte, es spricht vieles für die Varusschlacht bei Kalkriese, allerdings seien noch einige Widersprüche und Zweifel vorhanden. Man könne sich noch nicht festlegen.

Er hat mir noch so viele interessante Dinge zum Thema erzählt, die ich hier allerdings nicht alle wieder geben kann. :winke: Er hat mir ein aktuelles Buch "Die Schlacht im Teutoburger Wald- Arminius, Varus und das römische Germanien" von R. Wolters mitgegeben, auf das ich schon sehr gespannt bin.

LG Nicole :)
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
die Aussagen von Eggenstein sind doch eindeutig.
Ja, zu Kamen-Westick. Aber sonst?

In der älteren Zeit (Augustus) treten in geringerem Umfang Denare, also Silbermünzen auf, die wohl hauptsächlich als Rohstoff galten. Hätten sie ebenfalls als Zahlungsmittel gegolten, so wären in der germanischen Siedlung in Nachbarschaft zum augusteischen Lager von Anreppen mehr Münzen aufgetreten (es waren aber insgesamt nur fünf).
Das ist eine Fehlinterpretation des archäologischen Befundes. Münzen kommen vor allem als Horte in den Boden. Horte werden aber nur in Krisenzeiten vergraben, manchmal können sie, z.B. wegen des Ablebens des Besitzers oder seiner Vertreibung nicht mehr geborgen werden. Aus der geringen Anzahl der in Anreppen verlorenen Münzen jetzt also Rückschlüsse über die Durchdringung der germanischen Welt mit römischen Geld zu ziehen, ist fehlerhaft. Mit dem gleichen Argument könntest Du im Übrigen "beweisen", dass die Römer keine Geldwirtschaft kannten, da auch im römischen Bereich, vor allem im ländlichen Raum weiterhin Tauschhandel stattfand und der numismatische Befund der Provinzen dem der Germania libera sehr ähnlich ist. Sprich: auch hier gibt es Siedlungen, in denen gar keine Münzen zu finden sind, die Vergrabungsschwerpunkte von Horten in den an die Germania libera angrenzenden Provinzen sind dieselben wie die Vergrabungsschwerpunkte in der Germania libera.


Ich habe übrigens den Bekannten meines Vaters, den Archäologen aus dem Landesamt, gestern besucht und zum Thema ausführlicher befragen können.
Vereinfachend sagte er, man könne sich das so vorstellen: Die Germanen um Christi Geburt, darin sei man sich in der Forschung einig, verwendeten
römische Münzen NICHT als Geld. Sie betrachteten die Denare so, wie wir heute kleine Medaillons betrachten. Schön anzusehen und durchaus auch mit einem Tauschwert. Jedoch war der Wert nicht exakt festgelegt (wie in einem Geldsystem) sondern konnte sich nach der Attraktivität des Bildchens richten. (Klingt witzig, aber Jungs sammeln und tauschen ja auch Fussballbilder :pfeif:). Zur Not konnte man die kleinen Scheibchen auch noch einschmelzen und zu Schmuck weiter verarbeiten.
Die Anmerkung mit der Attraktivität entspricht durchaus der Tacitus-Stelle, dass die inneren Germanen auf die bigatos stünden, die Münzen, auf denen Zweigespanne abgebildet waren. Wenn ich die archäonumismatische Literatur aber richtig verstehe, finden sich zwar die serratos, also die gezackten Münzen recht häufig wieder, aber die bigatos, also die Bildermünzen, kommen zwar vor heben sich aber nicht statistisch ab.
Einigkeit in der Forschung kann ich dahingehend erkennen, dass den Germanen der Nominalwert der Münzen abging und sie den Edelmetallwert wichtiger nahmen. Heißt das jetzt, dass sie kollektiv den Nominalwert nicht kannten oder nicht verstanden hätten? Ich habe ein wenig recherchiert und fand einen Text aus einer vergangenen Zeit, aus einem Staat, der nicht mehr existiert, dessen Verfasser aber heute Mitglied des DAI ist:
Rudolf Laser: Die römischen und frübyzantinischen Fundmünzen auf dem Gebiet der DDR. Berlin 1980. Der schreibt im Kapitel III.1. Römische Fundmünzen bis zum Ende des 1. Jahrhunderts (145 v.u.Z - 96 u.Z.):

Im Arbeitsgebiet kennzeichnen die früheste Phase des römischen Münzumlaufes republikanische Denare, wenige südgallische Asse sowie von 9 Fundorten stammende barbarisierte Nachprägungen augusteischer Denare überwiegend vom Gaius-Lucius-Typ.
Hier eine zwischengeschaltete Anmerkung von mir: taq des Gaius-Lucius-Typs dürfte das Jahr 4 n. Chr. gewesen sein, da die beiden als Thronfolger designierten Enkel Augustus 2 und 4 n. Chr. starben, von ihrem Großvater also überlebt wurden. Mehr Informationen dazu in Zanker, Paul: Augustus und die Macht der Bilder. München 2003.
Leider macht Laser keine Angaben, was die barbarisierten Nachprägungen sind: Betrugsversuche, also Fälschungen, oder korrekt abgewogenes Edelmetall. In beiden Fällen hätten die Germanen aber erkannt, was Geld bedeutet. In dem einen Fall hätten sie Bedarf an Geld gehabt, so dass sich sich am römischen Geld orientierten und es nachprägten, um den Bedarf zu decken, in dem anderen Fall, also wenn es sich um Fälschungen gehandelt hätte, hätten sie den Geldwert für andere erkannt und versucht, diese mit gefälschtem Geld zu betrügen.


Die These, dass es sich um "Bestechungsgelder" handelte, schließt er aus. [...] Die Begierde der Germanen um Christi Geburt, das zeigen die archäologischen Forschungen, galt nicht vornehmlich Münzen, sondern römischen Waren, also Werkzeugen, Geräten und Waffen.
Das hat niemand in Abrede gestellt. (Allerdings haben das mehrere nicht verstanden.)

Mein Bekannter sagte außerdem, dass das Mitführen der "Kriegskasse" bei den Varuslegionen ungewöhnlich wäre, da dazu kein Anlass bestand. Die Auszahlung fand in den Lagern statt. Die vielen Silbermünzen von Kalkriese bleiben also rätselhaft.
Meiner Information zufolge - leider weiß ich nicht mehr, woher genau - wurde die Kriegskasse aber beim Signifer aufbewahrt, was zur engeren Bindung der Soldaten an das Feldzeichen führen sollte. Wenn Dein Bekannter aber meint, dass das Geld nicht mitgeführt wurde, weil es für die Soldaten bestimmt war, dann muss es doch einen anderen Zweck erfüllt haben. Was liegt näher als "Bestechungsgelder" (ich habe den Begriff bsiher vermieden, weil er so negativ klingt, damals solches Verhalten aber nicht negativ belastet war). Außerdem wird bei dieser Argumentation immer eines vergessen: Dass die Germanen Waren und Technologie bevorzugten, was - wie gesagt - nie in Abrede gestellt wurde, sagt nur etwas über die Germanen aus, was auch nur geschlussfolgert wird. Über die Römer sagt das nichts aus. Wenn ich als Quintilius Varus in Rom und Syrien meine Erfahrung gemacht habe, dass ich mit Geld Stillhalten oder Teilhabe an einem politischen Plan erkaufen kann, dann liegt es doch nahe, dass ich solches auch in meinem neuen Betätigungsgebiet versuche. Also selbst dann, wenn die Germanen gar kein Interesse an Geld gehabt hätten (Konjunktiv!!!), wäre dies noch kein ausreichender Widerspruch dazu, dass Varus für seine germanischen Verbündeten Geld mitführte.

Noch einige Worte zur angeblichen Autarkie der Germanen: Schon Cäsar spricht von römischen Händlern, die ihm Informationen über das Innere Germaniens geben und Tacitus spricht von lixae, römischen Wanderhandwerkern, die in Germanien arbeiten. 25. v. Chr., also zwischen Cäsars strafexpeditierenden Rheinüberschreitungen und dem Versuch Germanien als Grenzmark Galliens zu erobern, gibt es unter M. Vinicius einen römischen Vorstoß nach Germanien, weil Germanen römische Händler ermordeten.
 
Zuletzt bearbeitet:
Das ist eine Fehlinterpretation des archäologischen Befundes.

Dann müssen sich die Archäologen wohl geirrt haben. Wenn die Germanen in unmittelbarer Nachbarschaft zum Kastell Anreppen eine Siedlung hatten und dort mit den Römern handelten, dann müßten bei Geldgebrauch auch dort eine größere Anzahl von Münzen zu finden sein. Das ist nicht zu verwechseln mit Hortfunden in Krisenzeiten. In römischen Standorten und Lagern werden römische Münzen einzeln oder in kleinen Gruppen gefunden, ohne größere Horte. Horte sind allerdings für die archäologische Forschung wesentlich interessanter.

Einigkeit in der Forschung kann ich dahingehend erkennen, dass den Germanen der Nominalwert der Münzen abging und sie den Edelmetallwert wichtiger nahmen.

Das habe ich die ganze Zeit versucht Dir hier zu erklären.




.


Das hat niemand in Abrede gestellt. (Allerdings haben das mehrere nicht verstanden.)

Ach ja?....Das habe ich von Dir anders in Erinnerung. Soll ich Dir hier Deine Äußerungen zu diesem Thema heraussuchen?

Wenn ich als Quintilius Varus in Rom und Syrien meine Erfahrung gemacht habe, dass ich mit Geld Stillhalten oder Teilhabe an einem politischen Plan erkaufen kann, dann liegt es doch nahe, dass ich solches auch in meinem neuen Betätigungsgebiet versuche. Also selbst dann, wenn die Germanen gar kein Interesse an Geld gehabt hätten (Konjunktiv!!!), wäre dies noch kein ausreichender Widerspruch dazu, dass Varus für seine germanischen Verbündeten Geld mitführte.

War Varus so senil, daß er nicht bemerkt hat, daß die Germanen überhaupt keine Geldwirtschaft hatten? Varus wurde doch unterstellt, daß sie nichts menschliches an sich hatten, außer die Sprache und die Gestalt. Und diese Germanen sollten sich mit römischer Zinspolitik auseinandersetzen?

Noch einige Worte zur angeblichen Autarkie der Germanen: Schon Cäsar spricht von römischen Händlern, die ihm Informationen über das Innere Germaniens geben und Tacitus spricht von lixae, römischen Wanderhandwerkern, die in Germanien arbeiten. 25. v. Chr., also zwischen Cäsars strafexpeditierenden Rheinüberschreitungen und dem Versuch Germanien als Grenzmark Galliens zu erobern, gibt es unter M. Vinicius einen römischen Vorstoß nach Germanien, weil Germanen römische Händler ermordeten.

Das habe ich doch auch schon mehrmals geäußert: Manche Stämme hatten überhaupt kein Interesse am römischen Handel, während andere im Tauschgeschäft mit römischen Händlern standen. Aber eine germanische Geldwirtschaft erkennst Du darin nicht, oder etwa immer noch?
 
Noch ein kleines Wolters Zitat als Betthupferl:

"Denn innerhalb des Römischen Reiches war der Nennwert einer Münze entscheidend, in den Gebieten außerhalb der Geldwirtschaft bestimmte hingegen nur die tatsächlich vorhandene Metallsubstanz den Wert einer Münze."
Quelle: Reinhard Wolters; DIE RÖMER IN GERMANIEN; S.91
 
War Varus so senil, daß er nicht bemerkt hat, daß die Germanen überhaupt keine Geldwirtschaft hatten?



Da wird doch der Hund in der Pfanne verrückt.

Und das steht im 197. Beitrag zu diesem Thema.


Mein Vorschlag: Cherusker wird zum Sieger der Diskussion ernannt. Und dieser Thread geschlossen. Sowas von Unbelehrbarkeit und Zirkelbeweisen habe ich noch selten erlebt.
 
Dann müssen sich die Archäologen wohl geirrt haben.
Nicht die Archäologen, sondern Nicole H.



Wenn die Germanen in unmittelbarer Nachbarschaft zum Kastell Anreppen eine Siedlung hatten und dort mit den Römern handelten, dann müßten bei Geldgebrauch auch dort eine größere Anzahl von Münzen zu finden sein.
Von "müssen" kann gar keine Rede sein - oder schmeißt Du Dein Geld weg?
Normalerweise müssen wir davon ausgehen, dass Geld nicht verloren wird.
Ich empfehle daher nochmal die Lektüre von Wolters/Stoess oder auch Howgego, Christopher: Geld in der Antiken Welt. Geld in der Antiken Welt. Was Münzen über Geschichte verraten. In beiden Texten kannst Du nachlesen, dass Münzen, sowohl in Räumen mit primärer Geldwirtschaft, sowie in Räumen mit sekundärer Geldwirtschaft vor allem in Krisenzeiten verloren gehen, als nicht gehobene Hortfunde. Daneben gibt es noch rituelle Niederlegungen, meist in Sümpfen oder feuchten Senken. In Siedlungen - römischen, wie germanischen - tauchen Münzen eher selten auf.

Das habe ich die ganze Zeit versucht Dir hier zu erklären.
Nein, Du hast die ganze Zeit versucht, mir Aussagen unterzuschieben, die ich nicht gemacht habe.

War Varus so senil, daß er nicht bemerkt hat, daß die Germanen überhaupt keine Geldwirtschaft hatten? Varus wurde doch unterstellt, daß sie nichts menschliches an sich hatten, außer die Sprache und die Gestalt. Und diese Germanen sollten sich mit römischer Zinspolitik auseinandersetzen?
Du weißt doch selber ganz genau, dass Varus als Sündenbock dargestellt wurde. Was die literarischen Texte über ihn berichten ist demenstprechend mit Vorsicht zu genießen.

Das habe ich doch auch schon mehrmals geäußert: Manche Stämme hatten überhaupt kein Interesse am römischen Handel, während andere im Tauschgeschäft mit römischen Händlern standen. Aber eine germanische Geldwirtschaft erkennst Du darin nicht, oder etwa immer noch?
Ja, eine sekundäre Geldwirtschaft erkenne ich durchaus. Warum gehst Du z.B. gar nicht auf die barbarisierten Nachprägungen ein?

Noch ein kleines Wolters Zitat als Betthupferl:

"Denn innerhalb des Römischen Reiches war der Nennwert einer Münze entscheidend, in den Gebieten außerhalb der Geldwirtschaft bestimmte hingegen nur die tatsächlich vorhandene Metallsubstanz den Wert einer Münze."

Das wurde nie bestritten - aber mit Zitaten um mich schmeißen kann ich auch:

"Tam diu Germania vincitur": Römische Germanensiege und Germanensieg-Propaganda bis zum Ende des 1. Jahrhunderts n.Chr. Bochum 1989, ebefalls Wolters:
Die Gründe für die Erhebung sind nicht klar ersichtlich, ein zu staarres und vielleicht auch hartes Vorgehen des militärischen Oberberfehslhabes P. Quinctilius Varus bei der Geldeintreibung und Rechtsprechung [...] spielten eine Rolle.
Der einzige Grund, warum ich diese Stelle nicht schon zuvor zitierte ist, dass ich sie für einen Lapsus Wolters halte, auf dem ich keine Argumnetation aufbauen wollen würde. Denn ich glaube nicht, dass die Germanen über so viel römisches und keltisches Geld verfügten, dass man sinnvoll hätte Steuern eintreiben können - und wir wissen ja auch, dass die Friesen ihre Tribute an die Römer in Form von Auerochsenfellen abführten.
 
Zurück
Oben