die Aussagen von Eggenstein sind doch eindeutig.
Ja, zu Kamen-Westick. Aber sonst?
In der älteren Zeit (Augustus) treten in geringerem Umfang Denare, also Silbermünzen auf, die wohl hauptsächlich als Rohstoff galten. Hätten sie ebenfalls als Zahlungsmittel gegolten, so wären in der germanischen Siedlung in Nachbarschaft zum augusteischen Lager von Anreppen mehr Münzen aufgetreten (es waren aber insgesamt nur fünf).
Das ist eine Fehlinterpretation des archäologischen Befundes. Münzen kommen vor allem als Horte in den Boden. Horte werden aber nur in Krisenzeiten vergraben, manchmal können sie, z.B. wegen des Ablebens des Besitzers oder seiner Vertreibung nicht mehr geborgen werden. Aus der geringen Anzahl der in Anreppen verlorenen Münzen jetzt also Rückschlüsse über die Durchdringung der germanischen Welt mit römischen Geld zu ziehen, ist fehlerhaft. Mit dem gleichen Argument könntest Du im Übrigen "beweisen", dass die Römer keine Geldwirtschaft kannten, da auch im römischen Bereich, vor allem im ländlichen Raum weiterhin Tauschhandel stattfand und der numismatische Befund der Provinzen dem der Germania libera sehr ähnlich ist. Sprich: auch hier gibt es Siedlungen, in denen gar keine Münzen zu finden sind, die Vergrabungsschwerpunkte von Horten in den an die Germania libera angrenzenden Provinzen sind dieselben wie die Vergrabungsschwerpunkte in der Germania libera.
Ich habe übrigens den Bekannten meines Vaters, den Archäologen aus dem Landesamt, gestern besucht und zum Thema ausführlicher befragen können.
Vereinfachend sagte er, man könne sich das so vorstellen: Die Germanen um Christi Geburt, darin sei man sich in der Forschung einig, verwendeten
römische Münzen NICHT als Geld. Sie betrachteten die Denare so, wie wir heute kleine Medaillons betrachten. Schön anzusehen und durchaus auch mit einem Tauschwert. Jedoch war der Wert nicht exakt festgelegt (wie in einem Geldsystem) sondern konnte sich nach der Attraktivität des Bildchens richten. (Klingt witzig, aber Jungs sammeln und tauschen ja auch Fussballbilder

feif

. Zur Not konnte man die kleinen Scheibchen auch noch einschmelzen und zu Schmuck weiter verarbeiten.
Die Anmerkung mit der Attraktivität entspricht durchaus der Tacitus-Stelle, dass die inneren Germanen auf die
bigatos stünden, die Münzen, auf denen Zweigespanne abgebildet waren. Wenn ich die archäonumismatische Literatur aber richtig verstehe, finden sich zwar die
serratos, also die gezackten Münzen recht häufig wieder, aber die
bigatos, also die Bildermünzen, kommen zwar vor heben sich aber nicht statistisch ab.
Einigkeit in der Forschung kann ich dahingehend erkennen, dass den Germanen der Nominalwert der Münzen abging und sie den Edelmetallwert wichtiger nahmen. Heißt das jetzt, dass sie kollektiv den Nominalwert nicht kannten oder nicht verstanden hätten? Ich habe ein wenig recherchiert und fand einen Text aus einer vergangenen Zeit, aus einem Staat, der nicht mehr existiert, dessen Verfasser aber heute Mitglied des DAI ist:
Rudolf Laser:
Die römischen und frübyzantinischen Fundmünzen auf dem Gebiet der DDR. Berlin 1980. Der schreibt im Kapitel III.1.
Römische Fundmünzen bis zum Ende des 1. Jahrhunderts (
145 v.u.Z - 96 u.Z.):
Im Arbeitsgebiet kennzeichnen die früheste Phase des römischen Münzumlaufes republikanische Denare, wenige südgallische Asse sowie von 9 Fundorten stammende barbarisierte Nachprägungen augusteischer Denare überwiegend vom Gaius-Lucius-Typ.
Hier eine zwischengeschaltete Anmerkung von mir: taq des Gaius-Lucius-Typs dürfte das Jahr 4 n. Chr. gewesen sein, da die beiden als Thronfolger designierten Enkel Augustus 2 und 4 n. Chr. starben, von ihrem Großvater also überlebt wurden. Mehr Informationen dazu in Zanker, Paul:
Augustus und die Macht der Bilder. München 2003.
Leider macht Laser keine Angaben, was die barbarisierten Nachprägungen sind: Betrugsversuche, also Fälschungen, oder korrekt abgewogenes Edelmetall. In beiden Fällen hätten die Germanen aber erkannt, was Geld bedeutet. In dem einen Fall hätten sie Bedarf an Geld gehabt, so dass sich sich am römischen Geld orientierten und es nachprägten, um den Bedarf zu decken, in dem anderen Fall, also wenn es sich um Fälschungen gehandelt hätte, hätten sie den Geldwert für andere erkannt und versucht, diese mit gefälschtem Geld zu betrügen.
Die These, dass es sich um "Bestechungsgelder" handelte, schließt er aus. [...] Die Begierde der Germanen um Christi Geburt, das zeigen die archäologischen Forschungen, galt nicht vornehmlich Münzen, sondern römischen Waren, also Werkzeugen, Geräten und Waffen.
Das hat niemand in Abrede gestellt. (Allerdings haben das mehrere nicht verstanden.)
Mein Bekannter sagte außerdem, dass das Mitführen der "Kriegskasse" bei den Varuslegionen ungewöhnlich wäre, da dazu kein Anlass bestand. Die Auszahlung fand in den Lagern statt. Die vielen Silbermünzen von Kalkriese bleiben also rätselhaft.
Meiner Information zufolge - leider weiß ich nicht mehr, woher genau - wurde die Kriegskasse aber beim Signifer aufbewahrt, was zur engeren Bindung der Soldaten an das Feldzeichen führen sollte. Wenn Dein Bekannter aber meint, dass das Geld nicht mitgeführt wurde, weil es für die Soldaten bestimmt war, dann muss es doch einen anderen Zweck erfüllt haben. Was liegt näher als "Bestechungsgelder" (ich habe den Begriff bsiher vermieden, weil er so negativ klingt, damals solches Verhalten aber nicht negativ belastet war). Außerdem wird bei dieser Argumentation immer eines vergessen: Dass die Germanen Waren und Technologie bevorzugten, was - wie gesagt - nie in Abrede gestellt wurde, sagt nur etwas über die Germanen aus, was auch nur geschlussfolgert wird. Über die Römer sagt das nichts aus. Wenn ich als Quintilius Varus in Rom und Syrien meine Erfahrung gemacht habe, dass ich mit Geld Stillhalten oder Teilhabe an einem politischen Plan erkaufen kann, dann liegt es doch nahe, dass ich solches auch in meinem neuen Betätigungsgebiet versuche. Also selbst dann, wenn die Germanen gar kein Interesse an Geld gehabt hätten (Konjunktiv!!!), wäre dies noch kein ausreichender Widerspruch dazu, dass Varus für seine germanischen Verbündeten Geld mitführte.
Noch einige Worte zur angeblichen Autarkie der Germanen: Schon Cäsar spricht von römischen Händlern, die ihm Informationen über das Innere Germaniens geben und Tacitus spricht von
lixae, römischen Wanderhandwerkern, die in Germanien arbeiten. 25. v. Chr., also zwischen Cäsars strafexpeditierenden Rheinüberschreitungen und dem Versuch Germanien als Grenzmark Galliens zu erobern, gibt es unter M. Vinicius einen römischen Vorstoß nach Germanien, weil Germanen römische Händler ermordeten.