Um was es mir ging, war der Unterschied zwischen Anspruch (an den Begriff) und Wirklichkeit.
Da bin ich auf jeden Fall deutlich bei Dir.
Man muß sich natürlich in erster Linie das Inhaltliche anschauen, nicht blind den Etiketten glauben.
In beiden Systemen beschreibt ihn der Begriff "Strafgefangener" ...
Gleicher Begriff, gleicher Zustand, gleicher Sachverhalt ? Reden wir in beiden Fällen tatsächlich von einem Strafgefangenen, dürfen wir an ein und dem selben Begriff "kleben", nur weil Grundzüge der Definition "Srafgefangener" gegeben sind ?
Gutes Beispiel.
Ich sehe Deinen Punkt, der ist auch plausibel.
Trotzdem würde ich in der Tat sagen, daß in beiden Fällen "Strafgefangener" die richtige Bezeichnung ist.
Auch wenn wir die Gesetze im zweiten Beispiel für falsch halten - sie sind trotzdem ein Regelsystem. Und wer sich daran hält, bleibt unbehelligt.
Eine solche Option hat ein Sklave normal nicht.
Umgekehrt ist die Zwangsarbeit beim Strafgefangenen nur ein Nebenaspekt, der Herrscher sperrt ihn nicht ein, um Geld zu verdienen, er wird ihn auch nicht verkaufen. Meist wird er nach Verbüßung der Zeit auch entlassen.
Generell ist es m. E. wenig sinnvoll, die genauen Lebensbedingungen zum Maßstab zu machen. Ob jemand knapp am Verhungern ist oder in Luxus lebt, ob er gequält wird oder selber andere quält - das macht die Unterscheidung zwischen Sklaverei und Leibeigenschaft etc. nicht aus.
Es geht um die gesellschaftliche Stellung und die juristische Bewertung.
Und da bleibt eben ein Strafgefangener auch ein solcher, ob er nun im Luxusknast alle Annehmlichkeiten genießt oder im Steinbruch malocht.
Und ein Sklave kann in Ketten auf der Galeere mißhandelt werden - oder als hoher Würdenträger einen eigenen Palast haben.
Vielleicht hatte ein Leibeigener in Preußen eine
Anlaufstelle, eine Schiedsstelle oder einen Obmann ...
Im Prinzip hatte er die. Obwohl ich Deine Zweifel teile, wie wirksam das in der Praxis sein konnte.
Der wesentliche Schutz von Abhängigen - wohl auch in Rußland - bestand wohl nicht in wenig durchsetzbaren Gesetzen, sondern in sozialen Normen.
Diese wirken in vormodernen Gesellschaften deutlich stärker als juristische Klauseln.
Es wäre für einen Edelmann völlig undenkbar gewesen, ohne rechtlichen Anspruch einem Abhängigen das Schwein zu stehlen. Das ging gegen das Ehrgefühl und er wäre bei seinen Standesgenossen unten durch gewesen.
Und es wäre natürlich auch dumm gewesen - denn mit solchen Willkürakten hätten die Herren den Abhängigen die letzte Motivation genommen, produktiv zu sein und ihre wirtschaftliche Basis zu verbessern.