Alkohol in der preußischen Armee

R.A.

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Aktuell wird darüber gestritten, ob die Bundeswehr zu viel säuft:
OSTSEE-ZEITUNG.DE Titelseite

Natürlich wollen wir uns hier in tagespolitische Diskussionen dieser Art nicht einmischen.

Persönlich war ich aber überrascht, daß die Rationen so niedrig sind: Maximal zwei Dosen Bier darf ein Bundeswehr-Soldat pro Tag konsumieren.
Das liegt m. E. deutlich unter dem, was deutsche Männer dieses Alters im Schnitt konsumieren.

Und es ist wohl auch deutlich weniger, was traditionell von Soldaten konsumiert wurde.
Ich kenne aber nur konkrete Zahlen aus der englischen Navy, Trafalgar und andere ruhmreiche Siege waren ja nur möglich, weil die Mannschaft mit dem täglichen Half-Pint hochprozentigem Rum motiviert gehalten wurde.

Wie war das eigentlich in deutschen Armeen früherer Zeiten?
Hier mal als Beispiel (deswegen mal dieses Zeitalter für die Frage ausgesucht) die glorreichen Truppen des alten Fritz - ist überliefert, was die normalerweise an Bier etc. vertilgten?
 
Persönlich war ich aber überrascht, daß die Rationen so niedrig sind: Maximal zwei Dosen Bier darf ein Bundeswehr-Soldat pro Tag konsumieren.

Wer sagt das? Ich kann mich an eine derartige Beschrænkung nicht erinnern. :D
Ausgenommen war der Wachdienst - da musste man vøllig nuechtern sein.

Gruss, muheijo
 
Ich habe etwas interessantes gefunden, was ein Faktor der "Sauferei" hätte sein können.
Desertion in der preußischen Armee des 18. Jahrhunderts schrieb:
3. Warum Soldaten desertieren - die Suche nach den Motiven
3.1. Militärischer Alltag
Etliche Belege lassen darauf schließen, dass zahlreiche Desertionen durch das ,,ganz normale" Soldatenleben provoziert wurden. Bis zur Einführung begrenzter Dienstzeiten 1787 gingen Rekruten bei freiwilliger Werbung in Preußen eine Verpflichtung bis ins hohe Alter ein, ein Faktor, der durch seine Ausschließlichkeit mitunter zur Desertion zwang.42 Seitens der Vorgesetzten wurden befristete Dienstverhältnisse einfach ignoriert, oder die fällige Entlassung wurde solange verweigert, bis der Soldat selbst einen Ersatzmann aufgetrieben hatte.43 Der geringe oder rückständiger Sold war ebenfalls ein immer wiederkehrendes Motiv für Desertionen, mitunter trafen die Deserteure in diesem Fall sogar auf Verständnis von Zeitgenossen.44 Ähnlich verbreitet war die, sich bis zur Desertion steigernde, Unzufriedenheit über mangelhafte Verpflegung und Ausstattung, wofür oft das mangelhafte Bewirtschaftungssystem verantwortlich war.45
Als weitere wichtige Beweggründe für Desertionen tauchten immer wieder die Willkür von Vorgesetzten46, die alltägliche Züchtigung mit dem Stock47 oder allgemein die eingeschränkte Bewegungsfreiheit48des Soldatenlebens auf. Die Unzufriedenheit konnte sich bis zur Verzweiflung oder Depression steigern49 oder ernste psychische Erkrankungen auslösen50. Sogar bei Heiratsabsichten hatten Soldaten ihre Vorgesetzten um Erlaubnis zu fragen, und häufig waren es gerade familiäre Verpflichtungen, wegen denen Eltern die Entlassung ihrer Söhne forderten oder jene im Fall der Desertion unterstützten51.
Der Disziplin und Härte und der daneben bestehenden Langeweile52 versuchten Soldaten durch eifrigen Alkoholkonsum wenigstens für kurze Zeit zu entgehen. Oft lieferte dann gerade der Rausch den Anlass zur Desertion - sei es, dass der Alltag betrunken noch sinnloser erschien, sei es, dass man im Rausch die Rückkehr zur Einheit verpasste53: ,,In 30% der 136 untersuchten englischen Prozesse beriefen sich die Angeklagten darauf, daß sie im Rausch mehr oder weniger unabsichtlich ihre Einheit verloren hätten."54

Quelle:
Hausarbeiten.de - Desertion in der preußischen Armee des 18. Jahrhunderts - Seminararbeit*

Nach dem Exerzieren im Hof wird mit aktiven Bundeswehrsoldaten diskutiert oder man pflegt alte Trinkriten. Beim Kommando "Hand an die Kanone" greift der Soldat zum Schnaps. "Und jetzt ein scharfes Feuer", heißt es, bevor das Glas geleert wird. Wenn die leeren Gläser auf den Tisch knallen, brüllt die Garde im Chor: "Ein Hundsfott, der es nicht von Herzen meint!"

Quelle:
http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/1999/1202/none/0068/index.html
Ohne Worte...
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Bei der NVA der DDR war Alkohol für Mannschaftsdienstgrade generell verboten. Da normale Wehrpflichtige nur selten nach Hause kamen, war es Usus sich beim Ausgang zu besaufen. Die Militärstreifen (heute Feldjäger) hatten immer tüchtig zu tun. Gab es Urlaub, kamen sie oft schon volltrunken daheim an, ich erinnere mich gut an überfüllte D-Züge mit etlichen Schnapsleichen in Uniform. Natürlich war der Erfindungsreichtum groß, den Stoff irgendwie in die Kaserne zu schmuggeln. Das Soldatenleben besteht bekanntlich zu 90% aus Langerweile und Frust, also kein Wunder.
Eher könnte man die Nordsee trockenlegen...
 
Ein beliebter Spruch der Pioniere: "Was nicht überbrückt werden kann, wird ausgetrunken...":prost:
 
Ich habe etwas interessantes gefunden, was ein Faktor der "Sauferei" hätte sein können./quote]
Interessant.

Aber eigentlich war ich weniger daran interessiert, wieso die Soldaten saufen (das ist ja bei deutschen Männern traditionell völlig normal ...).

Mir geht es um die offizielle Versorgung.
Sowohl der Rum von Nelsons Matrosen wie die zwei Dosen Bier pro Kopf für die Afghanistan-Truppe gehören ja ganz offiziell zur Truppenverpflegung.
Und da hätte mich interessiert, wie das früher bei deutschen Armeen üblich war - insbesondere eben bei einem herausragenden Beispiel wie der preußischen Armee zu Zeiten des alten Fritz.
 
Bei uns im Schiff (ich war bei der Marine) gab es einen Aushang ueber einen Bericht einer amerikanischen Fregatte im Krieg gegen England (1812?)
Jedenfalls hatten die Unmengen an Rum u.æ. an Bord, und gingen auf Kaperfahrt nach England. Es wurde beschrieben, wie sie u.a. auch eine Whiskey-Destille in Schottland ueberfallen haben, wieviel Alkohol sie bei diversen Gefechten und Landgængen hinzunahmen...und dass sie, bei ihrer Ankunft zurueck in der Heimat exakt die gleiche Menge Wasser, die sie damals mitgenommen hatten, immer noch an Bord hatten, faul allerdings. :D

Ob's stimmt kann ich leider nicht nachpruefen, da ich den Namen des Schiffes nicht mehr præsent habe.

Gruss, muheijo
 
Alkohol im Krieg hat eine nicht zu unterschätzende Wirkung. Einerseits enthemmt er und andererseits hilft er, die unzähligen negativen Eindrücke, die auf den Soldaten einströmen, zu verdrängen.

Ich glaube, daß auch in modernen Armeen das nach wie vor zutrifft und man deshalb auch deutsche Soldaten in einem islamischen Land, wie Afghanistan, nicht auf 0 Promille setzt.
 
Alkoholmissbrauch

Das Leben in den Garnisonen des 18.Jahrhunderts zwischen Wachdienst und Exerzieren war von einer belastenden Eintönigkeit bestimmt. Der Genuss von Alkohol in den geselligen Runden der Schankbetriebe vertrieb nicht nur schlechte Gedanken und stärkte das Gemeinschaftsgefühl. Weil sich Spirituosen nach Erfindung des Destillation im 17.Jahrhundert schnell verbreiteten und Branntwein als billiges Getränk leicht zu erwerben war, tranken einfache Soldaten nicht nur das nahrhafte Bier, sondern zunehmend auch Branntwein, um ihren Kalorienbedarf zu decken. [Schnaps wurde in Berlin zum Getränk der Armen, Möller, Fürstenstaat oder Bürgernation, S. 236; in den Garnisonen hatten die Unteroffiziere alle Hände voll zu tun, den Alkoholmissbrauch zu minimieren, da sie selbst für mangelnde Aufsicht über Soldaten bestraft wurden, Mente, Erinnerungen, S.25]
[…]Durch die regelmäßige Ausgabe von Bier und Branntwein trug die Armee selbst dazu bei, dass Alkoholmissbräuche in einem solchen Maße vorkamen, dass 1751 sogar spezielle Befehle ausgegeben wurden mussten, um die Trinksucht einzudämmen. Soldaten kamen nicht nur betrunken zum Dienst und verhielten sich undiszipliniert in den Kasernen; beim Trinken entstanden auch Pläne für gemeinsame Straftaten. [...]

Quelle:
Soldatenfrauen in Preussen; Beate Engelen S.96f
 
Vielleicht sollte man noch erwähnen, dass Alkohol ein gängiges Mittel preußischer Werber war, um Fritzens Kanonenfutter zu rekrutieren.
 
Bei der NVA der DDR war Alkohol für Mannschaftsdienstgrade generell verboten. Da normale Wehrpflichtige nur selten nach Hause kamen, war es Usus sich beim Ausgang zu besaufen. Die Militärstreifen (heute Feldjäger) hatten immer tüchtig zu tun. Gab es Urlaub, kamen sie oft schon volltrunken daheim an, ich erinnere mich gut an überfüllte D-Züge mit etlichen Schnapsleichen in Uniform. Natürlich war der Erfindungsreichtum groß, den Stoff irgendwie in die Kaserne zu schmuggeln. Das Soldatenleben besteht bekanntlich zu 90% aus Langerweile und Frust, also kein Wunder.
Eher könnte man die Nordsee trockenlegen...

Dies trifft für die Grenztruppen der DDR nicht zu. Da Mangel an zuverlässigen Grenzsoldaten herrschte, bestand das Soldatenleben dort aus Wache und Schlaf. Durch die Unterbesetzung mussten zuverlässige Soldaten öfter raus auf Wache. Der Feind an der Grenze stand denn auch vor und hinter der Grenze. Die psychische Anspannung durch permanente Konzentration, Eintönigkeit und Dunkelheit während des Dienstes machte auf Dauer viele Soldaten während ihres Urlaubes zu Wracks.
 
Ihr dürft die Verhältnisse damals-heute nicht vergleichen. Schon allein aus dem Grund, weil Trinkwasser nicht vorhanden war, bzw. das übliche Wasser mit Keimen und Unrat versetzt war. Noch um 1800 war es deshalb üblich zu jeder Speise, selbst zum Frühstück (?) Alkohol zu konsumieren. Deshalb übrigens auch die ulkige Werbung von Apollinaris, von wegen es gäbe kein vernünftiges Wasser und die Queen musste es aus Germany holen :D !

Säfte waren ebenfalls nicht lange haltbar, damals und Möglichkeiten frische Früchte auszupressen, werden die Soldaten auch nicht gehabt haben.
 
Am 4./5. Februar 1814 lieferten sich Yorcks Truppen vor Chalons ein Gefecht mit den Franzosen. Der Magistrat der Stadt beschwerte sich später beim General, die Preußen hätten allein in dieser Nacht 57000 (!) Flaschen Champagner, den sie reichlich in den Kellern fanden, ausgetrunken.
(Quelle: Memoiren Donnersmarck zit. in Die Befreiung 1813 1814 1815 p. 365f; Langewiesche & Brandt, Ebenhausen bei München 1923)
 
Die preußischen Soldaten wurden bei Privatleuten untergebracht und versorgt. Jedem Soldaten sollten Morgen ein Glas Branntwein und ein Stück Brot ausgegeben werden. Zum Mittag hatten die Bewohner eine Suppe mit Rindfleisch und wahlweise Gemüse oder Braten zu liefern. Dazu gab es 2 Maß Bier. Am Nachmittag sollten ebenfalls zwei Maß Bier an jeden Soldaten ausgegeben werden. Auch am Abend wurden 2 Maß Bier, ein Stück Brot und ein Braten gefordert.

Der zweite preußische Einfall in die Bischofstadt Bamberg während des Siebenjährigen Krieges - 30. Mai bis 10. Juni 1758 | Zeitreisen

Macht 6 Maß pro Tag + Schnaps, ohne das was sich die Soldaten nebenbei "verschafften". Prost...
 
Wie war eigentlich der Alkoholgehalt damaliger Biere?
Deutlich schwächer - es war ja auch (wegen der schlechten Wasserqualität) echtes Grundnahrungsmittel für alle Altersstufen.
Ich erinnere mich da an ein holländisches Waisenhaus, in dem die monatliche Bierrechnung der größte Ausgabeposten war ...

Ein einfaches Bier (das man heute eigentlich nirgendwo mehr kriegt) hatte nur 1-2% Alkoholgehalt.
Nur die besseren Sorten (z. B. für den Export) hatten mehr Alkohol.
Und dann gab es natürlich das Starkbier für die Fastenzeit.
 
Das ist zwar etwas off topic, aber nur um sich den Alkohlkonsum des Normalbürgers im 18.Jh. vorzustellen:
In einem Buch aus den 1770ern wird der "Hausmutter" empfohlen, dem Gesinde zum Frühstück "einen Schluck Brantewein und ein Butterbrod" vorzusetzten, weil das am schnellsten geht und sie dann Kraft zum Arbeiten haben...
 
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