Heilkraft des Todes - Die Europäer als Kannibalen

lynxxx

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Eigentlich passt es gar nicht zu Naturwissenschaft, eher zu Aberglauben, aber da hier auch andere medizinische Threads existieren, war ich mal so frei.

"Die Heilkraft des Todes

Von Philip Bethge

Waren die Europäer einst Kannibalen? Bis zum Ende des 18. Jahrhunderts war Menschenfleisch fester Bestandteil der Medizin.

Das Fleisch, so rät das Rezept, sei "in kleine Stücke oder Scheiben" zu schneiden und mit "Myrrhe und ein wenig Aloe" zu besprenkeln, dann für einige Tage "in Weingeist" einzuweichen.

"An der trockenen Luft" müsse es schließlich hängen. Dann werde es am Ende "vergleichbar mit geräuchertem Fleisch" sein - und "nicht stinken". Der deutsche Pharmakologe Johann Schröder notierte diese Worte im 17. Jahrhundert. Indes, hier ist nicht von Katenschinken oder Rinderlende die Rede. In der Anleitung geht es um den "frischen Kadaver eines rothaarigen Mannes", "etwa 24 Jahre alt", der "gehängt, gerädert oder geköpft" werden und dann "einen Tag und eine Nacht in Sonne und Mond" gelegen haben sollte - bei "heiterem Wetter", wohlgemerkt."

Geschichte: Die Heilkraft des Todes - SPIEGEL ONLINE - Nachrichten - Wissenschaft
 
Ist ja interessant. Ist das nicht vielleicht ein Widerpsruch zum "Aufschneiden" von Menschenleichen? Ich meine Da Vinci war wegen dieser Praxis ein Ketzer, obwohl er so das Verständnis für den menschlichen Körper förderte. Oder lieg ich da jetzt in einem Punkt falsch bzw. geh ich die Problematik falsch an? :grübel:

Ok, wenn ich Da Vinci jetzt angebe, sollte ich vielleicht auch erwähnen, dass es zu seiner Zeit geächtet war, Tote zu sektieren. Die katholische Kirche hatte das nur an Hingerichteten geduldet. Ist das jetzt vielleicht der Punkt, wo ich mir selbst widerspreche? :red:

LG Naphae
 
Stimmt, das anatomisch begründete Sezieren sollte doch eigentlich erlaubt sein, wenn man schon das Herz aufisst...

Mich wundert nur, wie lange sich dieser Kannibalismus noch hielt.
 
Da kam erst letztens eine Doku auf N24 über den Kannibalismus.
Da wurden selbst Seeleute vor Gericht gestellt (in England), weil sie einen Kameraden aufgegessen haben, um zu überleben. Das war damals jedoch eine gängige Praxis. Die Angeklagten wurden jedoch nach 6 Monaten Haft wieder freigelassen. Es war nur ein Exempel, um den Kannibalismus endlich abzuschaffen. Leider habe ich vergessen, in welchem Jahrhundert. :(

Aber das ist ja eine andere Form des Kannibalismus. Dieses Beispiel ist ja aus der Not heraus, wie man selbst im Zweiten Weltkrieg noch solche Beispiele kennt.

Aber im Grunde widersprachen sich den Menschen doch im 15. Jahrhundert selbst. Wie rechtfertigten diese ach so Gläubigen denn ihr Handeln?
 
Es muss wohl was mit der Legitimierung der Aufnahme der Lebensenergie des verkürzten Lebens zu tun haben. Es wird ja nicht aus Hunger gegessen und getrunken, sondern als "Arznei". Zu Zeiten des "Medicus" kann ich mir es sehr gut vorstellen, im 17./18. Jh. hat es mich dann doch gewundert, dachte der Aberglaube wäre da schon in solchen krassen Fällen mehr zurückgedrängt.
 
vielleicht,nur eine Vermutung,damit,dass die Hingerichteten in ihren Organen und Muskeln ja noch nicht verbrauchte Lebenskraft hatten und die wollte man sich durch Aufnahme(Verspeisen) aneignen.
auserdem waren es ja Verbrecher denen mußte man ja auch kein Begräbnis in geheiligter Erde zukommen lassen
war zu langsam Lynxxx kann schneller tippen als ich
 
Ich glaube, der Aberglaube kann manchmal stärker sein als die Aufklärung. Manchmal ist es vielleicht der letzte Strohhalm, den man packt. ;) Wenn ich im Sterben liegen würde und es kommt jemand, der mir erzählt, dass ich das Blut oder was auch immer trinken sollte, um die Lebensenergie aufzufüllen, würde ich das tun. Zumindest in dieser Zeit, wo die Handhabung dieser Praxis noch nicht so lang zurück liegt, bzw. der Aberglaube stärker ist, als das Wissen. ;)

Irgendwie ein blödes Beispiel, aber ihr wisst, wie ich das mein. :D
 
Irgendwie ein blödes Beispiel, aber ihr wisst, wie ich das mein. :D

Ich denke schon .
Würde man heute propagieren , dass Froschlaich und Fledermausfett
ausgezeichnete Anti-Aging - Mittel sind , würden entsprechende
Produkte nicht lange auf sich warten lassen :rofl:
Und Stammzellen-Therapie ist nicht so fern vom og mittelaterlichen
Nutzen menschlicher Teile:motz:

Kannibalismus ist uns doch nicht so fern , wie gern gedacht wird.
Neulich berichtete eine Doku über die Kannibalismus-Praxis japanischer
Soldaten während des WK II auf Neuguinea - als der Nachschub ausblieb.
Oder wie war das , als in den 80ern in den Hochanden ein Verkehrsflugzeug
abstürzte ?
Vom Kannibalismus trennt uns die ethische Schwelle und die kann unter
verzweifelten Umständen auch heute noch fallen , denk ich.
 
Ich glaube, wir haben die selbe Doku gesehen, Treibsand. ;)

In der Not frisst der Teufel fliegen. Ich denke, wir wissen, wohin Not führen kann. Und der Überlebenswille ist stärker, als alles Ethische.
 
Wie gesagt, ich sehe da einen kleinen Unterschied, ob ich Teile eines Menschen esse/aufstreiche/inhaliere, weil ich länger oder besser leben will, oder ein Zipperlein oder auch stärkeres Leiden lindern will, oder aus einer existentiellen Not heraus die Proteine eines gebratenen Unterschenkels zu schätzen weiß...
 
Wie gesagt, ich sehe da einen kleinen Unterschied, ob ich Teile eines Menschen esse/aufstreiche/inhaliere, weil ich länger oder besser leben will, oder ein Zipperlein oder auch stärkeres Leiden lindern will, oder aus einer existentiellen Not heraus die Proteine eines gebratenen Unterschenkels zu schätzen weiß...


Da gab es mal eine Flugzeugabsturz über den Anden, in den 70ern glaube ich .
Und das ist kein Scherz, die haben sich gegenseitig versprochen, wenn sie tod sind, nehmt mein Fleisch.
Ich würde sagen, das würde ich nie machen. Aber ich war auch noch nicht in so einer Situation.
http://www.freenet.de/freenet/wissenschaft/geschichte/gegenwart/kannibalenflug/index.html
 
Zuletzt bearbeitet:
Wie gesagt, ich sehe da einen kleinen Unterschied, ob ich Teile eines Menschen esse/aufstreiche/inhaliere, weil ich länger oder besser leben will, oder ein Zipperlein oder auch stärkeres Leiden lindern will, oder aus einer existentiellen Not heraus die Proteine eines gebratenen Unterschenkels zu schätzen weiß...


Ja , dieser Unterschied ist klar vorhanden.

Ich sehe jedoch in der Praxis der alten Rezepturen erstmal , das man sich
wohl der Leichen von Hingerichteten bedient hat, falls überhaupt.
Naja - uns erscheint das makaber - wie sah man das damals ?
Mittelalterlicher Aberglaube und bewusste Bezüge auf alchemistische
Fertigkeiten könnten eine noch grössere Rolle gespielt haben .
Sprich - man könnte zwar auf dieses "absolut heilkräftige " Rezept
verwiesen haben - jedoch in der Praxis auf bestimmte Zutaten verzichtet
haben.
Auch der Glaube heilt und der Placebo -Effekt - den haben die alten
Kurpfuscher bestimmt gekannt.=)
 
Da gab es mal eine Flugzeugabsturz über den Anden, in den 70ern glaube ich .
Und das ist kein Scherz, die haben sich gegenseitig versprochen, wenn sie tod sind, nehmt mein Fleisch.
Ich würde sagen, das würde ich nie machen. Aber ich war auch noch nicht in so einer Situation.
Kannibalismus aus Not
Ja, meinte Treibsand oben schon.
Hatten wir es nicht auch schon in einem anderen expliziten Kannibalen-Thread?
Wie dem auch sei, hier geht es ja vor allem um "medizinisch" indizierten Kannibalismus.

Gute Nacht und schöne Träume... :D
 
Wir versuchen ja schon eine Erklärung zu finden, warum gläubige Menschen auf so eine Art der Medizin zurückgreifen, ohne auch nur Angst zu haben, dafür in die Hölle zu kommen. ;) Schließlich könnte man das doch als Verbrechen gegen Gott ansehen, oder? Ist das jetzt schon wieder OT? *g*

Der gleiche Wunsch geht an dich zurück, lynxxx... :D
 
Hier gehen aber nun einige Sachen durcheinander: Kannibalismus aus der Not heraus und Kannibalismus aus Aberglauben. Um sinnvoll über das Thema zu diskutieren, wäre es vielleicht besser, dass wir die ganzen Unfälle, nach denen Kannibalismus zum Notnagel wurde, mal ad acta legen und uns auf den "medizinischen" Kannibalismus konzentrieren. Dieser ist - laut Artikel - belegt bei den Römern und dann erst wieder seit dem späten MA.

Das Konzept des Kannibalismus ist dem Mittelalter nicht fremd, aber es wirkt auf auch auf das Mittelalter befremdlich. So schreiben die Verfasser des Priesterkönigsbriefes, die wohl pro-staufisch einzuordnen sind:

"In tribus Indiis dominatur magnificentia nostra, ettransit terra nostra ab ulteriore India, in qua copus sancti Thomae apostoli requiescit, per desertum, et progreditur ad solis ortum et redit per declivum in Babilonem desertam iuxta turrim Babel. Septuaginta duae provinciae serviunt nobis, quarum paucae sunt christianorum, et unaqueque habet regem per se, qui omnes sunt nobis tributarii. [...] Habemus alias gentes, quae solummodod vescuntur carnibus tam hominum quam brutorum animalium et abortivorum, quae nunquam timent mori. Et cum ex his aliquis moritur, tam parentes eius quam extranei avidissime comedunt eum, dicentes: 'Sacratissimum est humanam carnem manducare'."

Übersetzung:

"Über drei Indien herrscht unsere Hoheit, und unser Land erstreckt sich vom jenseitigen Indien, in dem der Leib des heiligen Apostels Thomas ruht, über die Wüste hinweg bis zum Aufgang der Sonne und reicht im Westen bis zum verlassenen Babylon nahe dem Turmbau von Babel. 72 Provinzen, von denen nur wenige in christlicher Hand sind, sind uns zu Diensten und eine jede hatihren eigenen König; diese sind uns abgabepflichtig. [...] Wir herrschen über andere Volksstämme, die sich nur von Fleisch ernähren, sowohl Menschen- als Tierfleisch und besonders Frühgeburten, und diese fürchten nicht, sterben zu müssen. Und wenn einer von ihnen stirbt, verspeisen ihn Verwandte und Freunde und behaupten: 'Menschenfleisch verzehren ist unser heiligstes Tun.'"

Ich möchte auch behaupten, dass nicht das Mittelalter, sondern der Übergang zur Neuzeit der eigentliche Beginn solch medizinisch-kannibalischer Praktiken ist. Warum? Weil die Menschen, um entsprechende Heilvorstellungen zu entwickeln grundlegende Ideen der menschlichen Anatomie benötigten. Und hier steht nun mal Leonardo da Vinci ganz wiet vorne. Ich sehe diese Form des Kannibalismus als typisches Renaissance-Phänomen und dieses war sicher nicht weit verbreitet (also nicht geographisch sondern gesellschaftlich gesehen).
Die den Kannibalismus verurteilende Literatur ist doch eher abundant. Da kann man Defoe nennen, den wohl jeder gelesen hat und andere mehr. Ein Bsp. aus Hispanoamerika von Fray Pedro de Aguado, Historia de Santa Marta y Nuevo Reino de Granada (2. Hälfte 16. Jhdt.). Er beschreibt ein Ereignis im Norden Kolumbiens:

"Ivanse cada dia muriendo de los españoles que los yndios flecharon en el acometimiento que a Machin de Oñate hizieron, y el dia que levantaron este vltimo çerco murieron once españoles juntos en bien trabajosa muerte, y estos y todos los demas que murian eran enterrados en el lugar donde tenian los caballos, porque no fuesen halladas por los yndios las sepulturas y desenterrados los muertos para comer, porque esta malvada gente es tan canibal, o a lo menos lo era en este tiempo, que por comer de vn español, cabaran todo vn campo donde presumieran que estava enterrado, solo por auerles dado en la ymaginaçion que comiendo ellos carne despañoles auian de ser valientes y animosos guerreros."

Übersetzung:

"Von den Spaniern starben jeden Tag einige und die Indianer trafen mit dem Rohr, welches sie dem Machin de Oñate gemacht hatten. Und an dem Tag, an dem sie die letzte Belagerung aufhoben, starben elf Spanier einen mühevollen Tod und diese und alle anderen, die starben wurden an dem Ort beerdigt, wo sie die Pferde [stehen] hatten, damit die Gräber nicht von den Indios gefunden und die Toten zur Verspeisung ausgegraben würden. Es war zu dieser Zeit, als diese, um einen Spanier zu verspeisen, ein ganzes Feld umgegraben hätten, auf dem sie sein Grab vermuteten, und dies nur, weil sie die Vorstellung hatten, dass sie durch das Essen spanischen Fleisches kühne und mutige Krieger werden müssten."

Das wichtige an dieser Quelle ist mir nicht die Haltung der Indios zum Kannibalismus, sondern die Haltung der Europäer.
 
Da kam erst letztens eine Doku auf N24 über den Kannibalismus.
Da wurden selbst Seeleute vor Gericht gestellt (in England), weil sie einen Kameraden aufgegessen haben, um zu überleben. Das war damals jedoch eine gängige Praxis. Die Angeklagten wurden jedoch nach 6 Monaten Haft wieder freigelassen. Es war nur ein Exempel, um den Kannibalismus endlich abzuschaffen. Leider habe ich vergessen, in welchem Jahrhundert. :(


Das Ereignis ist ein recht prominentes und wurde auch im angehängten Gemälde (Théodore Géricault, Das Floß der Medusa, 1819) verarbeitet.

Nähere Infos gibt es auch hier:
http://de.wikipedia.org/wiki/Medusa_(Schiff)


Zum eigentlichen Thema:

Ich kenne das Werk von Johann Schröder nicht, doch der Spiegel zitiert ja daraus, deshalb hier noch mal zur Erinnerung das, was vom Spiegel zitiert wurde:


In der Anleitung geht es um den "frischen Kadaver eines rothaarigen Mannes", "etwa 24 Jahre alt", der "gehängt, gerädert oder geköpft" werden und dann "einen Tag und eine Nacht in Sonne und Mond" gelegen haben sollte - bei "heiterem Wetter", wohlgemerkt.


Das Rezept fordert also die "Zutaten" von einem Menschen, der ein Verbrechen begangen hatte, einem, der sich selbst durch seine schlimmen Taten aus der christlichen Gemeinschaft ausmanövriert hatte. Obschon die Verachtung des Körpers als "ärmliches Kleid der Seele" von kirchlichen Einrichtungen propagiert wurde, war er dennoch Tempel der Seele vor dem Tode und wartet nach der Heilsgeschichteauf die Auferstehung (auführlich etwa bei Augustinus in De civitate dei geschildert). Deshalb hätte es von kirchlich-institutioneller Seite auch Einschreitungen gegeben, hätte man sich an Solchen zu schaffen gemacht, die bei ihrem Tode noch immer den Anschein von einem guten Lebenswandel vorzuweisen hatten. Von Montpellier weiß ich, dass dort ab dem 14. Jahrhundert von der weltlichen Gerichtsbarkeit jährlich zwei Leichen an die medizinische Fakultät "gespendet" wurden und Sixtus IV. sprach sich ausdrücklich für die Sektion der Körper von denjenigen aus, die aus der kirchlichen Gemeinschaft ausgeschieden waren. Aus der Geschichte der Pharmazie waren mir bisher (bis auf die Mumien) keine menschlichen Rohstoffe zur Zubereitung von Medikamenten bekannt. Ich wage jedoch zu behaupten, dass sie wohl gänzlich von Menschen stammten, die außerhalb der christlichen Gemeinschaft standen.
 

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Laut des Artikels im Spiegel von dieser Woche (26.01.2009) den ich in seiner schritlichen Form vor mir habe, hielt sich der medizinische Kannibalismus bis Ende des 18. Jahrhunderts, bzw. bis zu dem Zeitraum als die Aufklärung so weit fortgeschritten war, dass selbst die Ärzte diese Praktiken nicht mehr gut hießen.
 
Tag zusammen (ein besonderes Hallo an @lynxxx),

für das Jahr 2010 ist eine große Wanderausstellung zum Thema Richtstätten in Arbeit, ich bin als Archäologe im Team, dass das Konzept erstellt, und diesen Komplex "Medizin, Aberglaube usw." möchte ich gerne an einer Station thematisieren. Die Arbeiten am Konzept laufen bereits. Näheres zur Ausstellung (Ort, Zeit usw.) zu gegebener Zeit in diesem GF.

gp
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Ich glaube, der Aberglaube kann manchmal stärker sein als die Aufklärung.
So einfach ist aber nicht. Aberglaube und Aufklärung sind nicht unbedigt als Widersprüche zu verstehen.
Viel mehr ist es so, dass Aufklärung und Renaissance auch Blütezeiten okkulter Praktiken waren. Magisches Denken war besonders bei frühen Naturwissenschaftlern weit verbreitet. Gerade Paracelsus, gern als Vater der modernen Medizin gehandelt, war ja im Grunde Hermetiker, also der Alchemie, Astrologie und Magie verfallen. Die von ihm im Sinne der Hermetik propagierte Heilkraft von Quecksilber, ist Quacksalberei im wahrsten Sinne des Wortes. (Ebenso war Isaac Newton Alchemist; Okkultismus ist quasi der Ursprung der Naturwissenschaft.)
Sowohl die Viersäftelehre als auch die Hermetik können heute gern ins Reich des Aberglaubens abgeschoben werden, damals fanden sie Anklag bei der intelektuellen Elite.
Ich denke gerade die alte, auf Hippokrates zurückgehende Säftelehre, dass Krankheiten durch ein Ungleichgewicht von Blut, Lymphe und schwarzer und weißer Galle versucht werden, spielt bei der Idee der Heilkraft von Menschenblut eine Rolle.

Zumindest rücken diese Praktiken gewisse Aspekte des Antisemitismus und der Hexenverfolgung in ein anderes Licht.
In einer Gesellschaft mit einer solchen Medizin ist der Gedanke, dass Menschen Salben aus Kinderfett herstellen oder dass Juden rituell christliche Kinder schächten, gar nicht so abwegig, wie er heute erscheint.
 
Zuletzt bearbeitet:
So einfach ist aber nicht. Aberglaube und Aufklärung sind nicht unbedigt als Widersprüche zu verstehen.

In einer Gesellschaft mit einer solchen Medizin ist der Gedanke, dass Menschen Salben aus Kinderfett herstellen oder dass Juden rituell christliche Kinder schächten, gar nicht so abwegig, wie er heute erscheint.
Und die Vorstellungen des Mittelalters waren bei der breiten Bevölkerung vielleicht noch nicht ganz vergessen. Kranke wallfahrten noch immer an Orte mit bes. heilkräftigen Reliquien oder versuchten solche zu erwerben.
MW ging die katholische Lehre davon aus, daß ein winziger Körperteil, Haare, Fingernägel die ganze Ausstrahlung und Wirkung eines Heiligen besäßen.
 
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