Vergleich: Europäischer und osmanischer Feudalismus

Dieter schrieb:
Die Nachwirkungen dieser Einstellung waren noch 1922 und in den folgenden Jahren spürbar, als die kleinasiatischen Griechen das Land hatten verlassen müssen. Damals wurde nicht selten die Frage gestellt, ob das türkische Element hinlänglich zahlreiche und fähige Wirtschaftsfachleute würde stellen können, um im neuen türkischen Nationalstaat ohne die gewohnte Vermittlung der levantinischen Geschäftsleute auszukommen. Die Sorge erwies sich dann freilich als unbegründet.

Da kann ich dir nur beipflichten. Die Auswirkungen sind allerdings bis heute gegenwärtig. Musst nur mal nach Zentralanatolien fahren. :winke:
 
...
3. ...
- traditionelle Handelswege (Mediterran) über arab. Zwischenhandel sind durch türk. Zölle nicht mehr lukrativ (Verteuerung der Waren)
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Moin, da du es grade woanders erwähntest:

Hast du Zoll-Listen oder dergleichen vorliegen, um mal zu schauen, wie die Zölle vor den Osmanen und danach waren?

Aufschlüsselung der Gründe von Verteuerungsraten bei Produkten?

Preislisten der Waren (auch nach Kaufkraft) vor den Osmanen und danach?

Achja, und Dieter, noch ne Ergänzung zu deinem letztem Post hier: In den letzten Jahren haben Auswertungen von Dokumente ergeben, dass die Türken doch stärker in den Handel involviert waren, wie man noch vor einigen Jahrzehnten dachte.
 
Zuletzt bearbeitet:
Hast du Zoll-Listen oder dergleichen vorliegen, um mal zu schauen, wie die Zölle vor den Osmanen und danach waren?

Aufschlüsselung der Gründe von Verteuerungsraten bei Produkten?

Preislisten der Waren (auch nach Kaufkraft) vor den Osmanen und danach?

Nein; das habe ich leider nur der Sekundärliteratur entnommen: darin ist von allgemeinen Zöllen für Handelswaren die Rede, von der Marktsteuer der nach Konstantinopel/Istanbul eingeführten Waren (bac-ı bazar) sowie von der Sondersteuer auf wertvolle Waren (damga resmi).
 
Und demnach wurden die Waren teurer, als die Osmanen Ägypten/Konstantinopel eroberten? Um wieviel Prozent?
 
Und demnach wurden die Waren teurer, als die Osmanen Ägypten/Konstantinopel eroberten? Um wieviel Prozent?

Ich schrieb doch bereits, daß ich dazu leider keine Zahlen geschweige denn Prozentangaben vorliegen habe.
Außerdem wollte ich mit meinen diesbezüglichen Ausführungen auch nicht den Eindruck vermitteln, daß ich den Osmanen deswegen den Schwarzen Peter zuzuschieben gedenke: schließlich ist das Erheben von Zöllen u. dgl. weder eine osmanische Eigenheit noch eine osmanische Erfindung.

Was ich für mich aber rein nach Logik erschließen kann, ist ein Wandel wegen der Veränderung der Bedingungen für den Levantehandel.
Da steht zunächst die Tatsache, daß Venedig nach dem Fall von Konstantinopel mit Sultan Mehmed II. am 18.04. 1454 einen Vertrag schließen mußte, in welchem es die osmanische Hegemonie im Ostmediterran anerkannte, dafür aber gegen Zahlung von Zöllen etc. (relative) Handelsfreiheit im Osmanischen Reich gewährt bekam. Da die Venezianer seit dem 14. Jh. zudem ihre Kontoreien in der Levante nach und nach verloren hatten, waren sie zwar traditionell Zwischenhändler (Makler) zwischen Orient und Okzident geblieben, dies aber eben nicht mehr alleinstehend.
Nun kann man den Venezianern sicherlich einiges nachsagen; mangelnde Geschäftstüchtigkeit u.ä. gehörte aber mit Sicherheit vor 1600 nicht dazu. Sprich: Wenn für die Erlangung bzw. Sicherung von (relativer) Handelsfreiheit - die ja ehedem nie vollständig (d.h. gänzlich uneingeschränkt) sein kann (u.a. auch wegen der für Staaten/Territorien notwendigen Verzollungen u. dgl.) - zusätzlich finanzielle Mittel aufgewendet werden müssen (weil eben bspw. die Abwicklung über frühere Niederlassungen nicht mehr möglich ist, da diese verlorengegangen sind) und dabei zudem (aus mit dem Verlust von Niederlassungen einhergehenden Gründen) die Zahl der Zwischenhändler steigt, so ist Verteuerung von Waren eine sich aus ökonomischen Gesetzmäßigkeiten ergebende logische Folge.
Die Verteuerung ergibt sich ergo aus der Verkettung von Zöllen u.ä. Abgaben und gestiegener Anzahl der Zwischenhändler, von denen logischerweise jeder Einzelne auch seinen Teil verdienen will (schließlich lebt ein Händler bekanntlich vom Handel).

Daß spätere Kapitulationen des Osmanischen Reichs - u.a. eben auch mit Venedig - bereits im 16. Jh. diesbezüglich einige Erleichterungen (da bspw. Zollprivilegien) für die Europäer brachten, steht dabei außer Frage.

Anm.: Daß ich im besagten Abschnitt - im Gegensatz zu meinen Ausführungen an anderer Stelle - seinerzeit die venezianischen Zwischenhändler nicht benannt hatte, liegt daran, daß diese auch schon in den Jahrhunderten zuvor ihre diesbezügliche exklusive Stellung innehatten.
 
Außerdem wollte ich mit meinen diesbezüglichen Ausführungen auch nicht den Eindruck vermitteln, daß ich den Osmanen deswegen den Schwarzen Peter zuzuschieben gedenke: schließlich ist das Erheben von Zöllen u. dgl. weder eine osmanische Eigenheit noch eine osmanische Erfindung.

Die Sachlage ist doch völlig klar und erfordert keine neuen historischen Tiefbohrungen. Die abendländischen Staaten wollten den osmanischen Zwischenhandel ausschalten, der die Gewinne natürlich schmälerte. Insofern suchten sie entsprechende geografische Optionen, die ihnen das erlaubten.

Es wäre aber vermutlich verfehlt, die Entdeckungsfahrten allein kaufmännischem Kalkül zuzuschreiben, denn es spielte auch die Suche nach wertvollen Ressourcen (Bergbauprodukte u.ä.) sowie der Missionsgedanke eine Rolle.
 
Ich frage "unerschrocken" nochmals nach, auch wenn ich dafür wieder einen Roten Stern erhalte:

Selbst wenn die Zahl der Zwischenhändler gestiegen sein sollte. Wer sagt denn, dass daraus zwangsläufig die Waren teuer beim Kunden in Westeuropa ankamen?
Vielleicht haben ausserdem die Osmanen genau die gleichen oder gar geringere Preise, Zölle gefordert, wie zuvor die Araber, Byzantiner, usw. Es mag vielleicht die Anzahl an Zwischenhändlern gestiegen sein, andererseits fielen durch osmanische Eroberungen einige Grenzen weg, weil nun ein einheitlicher und relativ sicherer Wirtschaftsraum entstand (Sicherheit der Waren und Reiseroute=Veringerung der Kosten und Preissenkung der Waren), z.B. entlang der Seidenstrasse fast von Azerbaidschan bis Istanbul, und nicht mehr auf dieser Route diverse Fürstentümer ihre Abgaben verlangten, z.B. die Karamaniden, die Eretna, die Germiyan, usw.?
 
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Selbst wenn die Zahl der Zwischenhändler gestiegen sein sollte. Wer sagt denn, dass daraus zwangsläufig die Waren teuer beim Kunden in Westeuropa ankamen?

Dies "Geheimnis" kann dir der Kunde jedes Outletcenters entschlüsseln: Ein Direktverkauf ab Fabrik macht die Ware erheblich billiger, da die Gewinne zwischengeschalteter Großhändler und Kaufleute entfallen.

Der osmanische Zwischenhandel schmälöerte also die Marge der abendländischen Kaufleute, da sie die Ware nicht direkt vom Produzenten beziehen konnten.

Dieser Sachverhalt ist lediglich kaufmännisches Einmaleins!!
 
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