Die DDR - Warum hat den Menschen in der DDR das Leben nicht gefallen?

ob eine mehrheit in der DDR mit den verhältnissen zufrieden war oder nicht, traue ich mir nach gegenwärtigem erkenntnisstand nicht zu, zu beurteilen.

Gerade das kann man nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand und den Aussagen einer Unmenge von Zeitzeugen klar beantworten: Die Mehrheit der DDR-Bürger war mit den herrschenden Verhältnissen unzufrieden, da sie Meinungsfreiheit, Reisefreiheit, Pressefreiheit, den Schutz vor staatlicher Willkür und so "banale" Dinge wie jederzeit erhältliche Konsumgüter in breiter Auswahl und auf Westniveau wünschten.

Damit ist nicht gesagt, dass die DDR ein Jammertal war, denn das Arbeitsleben, Feste im Jahreslauf, Familie und Urlaub machten - wie überall im Westen - millionenfach stimmige Biografien aus.
 
PS: die ersten diktaturen (im alten rom) waren gar nicht so grundsätzlich negativ zu beurteilen. wenn ich mich richtig erinnere, ging es darum, dem staat in kriegs-/krisenzeiten ein schnelleres handeln und eingreifen zu ermöglichen.
Im Nachhinein dachte ich mir schon, daß dieser Einwand kommen könnte.
...
Für die Römische Republik aus der Zeit v. Chr. gilt dies also nicht, da eine Diktatur für Kriegszeiten in der damaligen Verfassung verankert war und auch nicht als unmoralisch angesehen wurde, sondern eine militärische Notwendigkeit war, wie du ja selbst schreibst.
Damit sind wir in diesem Punkt durchaus einer Meinung und brauchen das nicht weiter ausdiskutieren.

Zumal man selbst bei Wikipedia weiß:
Die römische Diktatur schrieb:
... Im antiken Rom war der dictator vor Sulla ein nur in höchster Not besetztes Amt an Stelle der sonst üblichen Doppelherrschaft der beiden Konsuln. Der Auftrag des Diktators und sein Aktionsbereich waren fest umrissen. Er wurde von einem der Konsuln im Auftrag des Senats für einen Zeitraum von nicht mehr als sechs Monaten ernannt, in der Frühzeit, um das Land gegen einen Feind zu verteidigen, später um innere Unruhen zu bekämpfen. Er durfte weder die Verfassung ändern noch Kriege erklären und auch keine neuen Steuern für römische Bürger erheben. Innerhalb dieser Grenzen konzentrierte sich die Macht des römischen Volkes, die sonst an mehrere Institutionen delegiert war, in seinen Händen. Die Konsuln wurden zu Untergebenen des Diktators, Befugnisse der Volkstribunen wurden außer Kraft gesetzt, ebenso das Berufungsrecht der römischen Bürger vor Strafgerichten.

Die römische Diktatur kann mit der modernen kaum gleichgesetzt werden, sondern ist eine institutionalisierte Form der Krisenregierung für einen Notstand des Staates. Sie beseitigte Hemmnisse der Kollegialverfassung von Magistrat und Konsulat, die die Kriegsführung erheblich erschwerten. Von einer Diktatur im heutigen Wortsinn unterscheidet sie, dass es sich um eine legitime Institution handelte, die in ihrer Machtfülle und Dauer eingeschränkt war...
Von Diktatur ? Wikipedia

Ich denke, an der Stelle brauchen wir dann wohl wirklich nicht weiter zu diskutieren... :fs:
 
Gerade das kann man nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand und den Aussagen einer Unmenge von Zeitzeugen klar beantworten: Die Mehrheit der DDR-Bürger war mit den herrschenden Verhältnissen unzufrieden (...)
Damit ist nicht gesagt, dass die DDR ein Jammertal war, denn das Arbeitsleben, Feste im Jahreslauf, Familie und Urlaub machten - wie überall im Westen - millionenfach stimmige Biografien aus.


Zitat:

"In ihre persönliche Zukunft blicken die meisten (...) zuversichtlich - für ihr eigenes Land sehen allerdings eher schwarz. ..."

Zufriedenheit - Unzufriedenheit?

persönliches Empfinden contra Staat im Allgemeinen?

Von wann stammt das wohl?!?

http://nachrichten.t-online.de/umfr...-die-eigene-zukunft-positiv/id_15530676/index

oder hier etwas Ähnliches:

http://www.bz-berlin.de/archiv/mcki...ner-sind-die-mecker-meister-article35958.html

gruß!
 
Zuletzt bearbeitet:
Gerade das kann man nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand und den Aussagen einer Unmenge von Zeitzeugen klar beantworten: Die Mehrheit der DDR-Bürger war mit den herrschenden Verhältnissen unzufrieden (...).


... wenn man aber nur die unzufriedenen zählt und die zufriedenen ignoriert bzw. sie belehrt, dass sie eigentlich zu unrecht zufrieden sind/waren, dann ist der erkenntnisstand natürlich von vornherein eingeengt. so eine art "sich selbst erfüllende prophezeiung" (sozialpsychologie). man nimmt nur das wahr, was einen in dem bestätigt, was man ohnehin schon denkt. das, was dem eigentlich widerspricht, wird abgewertet und/oder ignoriert.

gruß!
 
(...)

Im Nachhinein dachte ich mir schon, daß dieser Einwand kommen könnte.
Jedoch schrieb ich ja:

Für die Römische Republik aus der Zeit v. Chr. gilt dies also nicht, da eine Diktatur für Kriegszeiten in der damaligen Verfassung verankert war und auch nicht als unmoralisch angesehen wurde, sondern eine militärische Notwendigkeit war, wie du ja selbst schreibst.
Damit sind wir in diesem Punkt durchaus einer Meinung und brauchen das nicht weiter ausdiskutieren.


guten abend barbarossa,

und ich habe diesen deinen einwand ebenfalls erwartet. ;) waren wir nicht schon mal an so einem punkt? um nur die DDR verurteilen zu "brauchen", aber nicht auch andere staatswesen, die ebenso wenig demokratisch waren, verweist man dann auf die - ich nenne es mal so - "zeitverschiebung".

wenn im mittelalter menschen an grenzen erschossen wurden oder nicht frei entscheiden durften, wo sie leben, dann war das "nicht so schlimm" (denn das war damals nun mal so üblich)??? ich frage, ich unterstelle nicht.

aber gelten nicht gewisse ideale der mitmenschlichkeit schon seit zirka 2000 jahren? z.b. "liebe deinen nächsten wie dich selbst" oder "wenn dir einer auf die linke wange haut, dann halte ihm auch die rechte hin" (oder so) mitmenschlichkeit, barmherzigkeit, friedfertigkeit sind keine erfindungen des 20. jahrhunderts!

und plädierte hier nicht jemand dafür, staatswesen unabhängig davon zu beurteilen, wie sich die menschen darin (privat) fühlten? war die DDR "besser" oder "schlechter" als z.b. preußen im 19. jahrhundert? oder frankreich im 18. jahrhundert? oder england im 17. jahrhundert?

gruß!
 
Zuletzt bearbeitet:
Würde ich mir auch nicht zutrauen, wobei ich allerdings die Wahrnehmung Anfang 1990 aus Gesprächen hatte, dass die Unzufriedenheit durchgehend geäußert wurde.

Das mag aber an meinen damaligen Gesprächspartner gelegen haben. Man darf auch die Gruppe nicht übersehen, die vom System profitiert haben. Die werden sicherlich anders geurteilt haben.

Im Übrigen ist schwierig zu fassen (wurde oben schon angesprochen), was unter "Verhältnissen", "Zufriedenheit" und "Beurteilung" verstanden werden soll. Festellen kann man jedenfalls das Ereignis, dass dieses politische System durch eine friedliche Bewegung abgesetzt worden ist. Frühere Versuche, Unzufriedenheit zum Ausdruck zu bringen, sind unter Anwendung von Gewalt gescheitert. Ähnliche Vorgänge konnte man in weiteren Ländern Osteuropas beobachten.
(Hervorhebung von mir.)


... achso, zu dieter noch, ich meinte meinen (!) erkenntnisstand.

ansonsten:

es gab auch 1917 eine revolution.

es gab auch 1848 eine revolution.

es gab 1789 (?) eine revolution.

kann man da irgendeine parallele ziehen zwischen der "wegrevolutionierten" DDR und den anderen, von revolutionen betroffenen staaten? das würde mich ja mal denn doch interessieren.

gruß!
 
... wenn man aber nur die unzufriedenen zählt und die zufriedenen ignoriert bzw. sie belehrt, dass sie eigentlich zu unrecht zufrieden sind/waren, dann ist der erkenntnisstand natürlich von vornherein eingeengt. so eine art "sich selbst erfüllende prophezeiung" (sozialpsychologie). man nimmt nur das wahr, was einen in dem bestätigt, was man ohnehin schon denkt. das, was dem eigentlich widerspricht, wird abgewertet und/oder ignoriert.

Sind wir jetzt im Bereich der Glaskugel angekommen?

Die "Unzufriedenen" haben dieses System abgesetzt, soweit die Fakten. Nun kann man den "Zufriedenen" beliebig Beeinflussung unterstellen, in der Passivität zu verharren. Interessant und störend ist dabei, dass die resistenten Vertreter des Systems - ich sortiere sie mal bei den "Zufriedenen" ein - gleich mit resigniert und die Mauer geöffnet haben.

P.S. Dass die DDR für die Menschen besser war als Frankreich im 18. und England im 17. Jahrhundert (#270), würde ich auch unterschreiben. Die Messlatte ist dann allerdings nicht sonderlich hoch, verglichen mit dem Ende des 20. Jahrhunderts in Mitteleuropa.
 
ansonsten:
es gab auch 1917 eine revolution.
es gab auch 1848 eine revolution.
es gab 1789 (?) eine revolution.

kann man da irgendeine parallele ziehen zwischen der "wegrevolutionierten" DDR und den anderen, von revolutionen betroffenen staaten? das würde mich ja mal denn doch interessieren.

Natürlich, Unzufriedenheit breiter Teile des Volkes mit den Umständen.

Ach ja: 1917 gab es übrigens zwei Revolutionen. Die "Unzufriedenheit" kann man für den Februar bei breiten Teilen des Volkes annehmen. Bei der vom Oktober wäre ich hinsichtlich der berühmten "Massen" zweifelnd.:winke:
Oktoberrevolution ? Wikipedia
 
(...)

P.S. Dass die DDR für die Menschen besser war als Frankreich im 18. und England im 17. Jahrhundert (#270), würde ich auch unterschreiben. Die Messlatte ist dann allerdings nicht sonderlich hoch, verglichen mit dem Ende des 20. Jahrhunderts in Mitteleuropa.

das möchte ich festhalten und frage dich, warum dann "das SED-regime" der DDR als "verbrecherisches regime" dargestellt wird, aber frankreich im 18. und england im 17. jahrhundert nicht?

gruß!
 
das möchte ich festhalten und frage dich, warum dann "das SED-regime" der DDR als "verbrecherisches regime" dargestellt wird, aber frankreich im 18. und england im 17. jahrhundert nicht?

Halten wir es doch beide fest.

Die Qualifizierung "verbrecherisch" betr. DDR ist eine juristische und ergibt sich im 20. Jahrhundert aus zB
Radbruchsche Formel ? Wikipedia

bzgl. des Schießbefehls, einfacher noch aus

Menschenrechte ? Wikipedia

wie unterschrieben in der KSZE-Schlussakte von Helsinki, Korb I,7. Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten, einschließlich der Gedanken-, Gewissens-, Religions- oder Überzeugungsfreiheit.


Übrigens hatte ich einen Vergleich der Lebensbedingungen angesprochen ("die DDR war für die Menschen besser als"), die Qualifikation "verbrecherisch" ist wieder Interpretation von Dir.


P.S. Die Bezeichnung "SED-Regime" würde ich nicht in Anführungszeichen setzen, da wohl unumstritten für den Zeitraum 1949-1989. Oder siehst Du das Regime als fraglich an?
 
Zuletzt bearbeitet:
das möchte ich festhalten und frage dich, warum dann "das SED-regime" der DDR als "verbrecherisches regime" dargestellt wird, aber frankreich im 18. und england im 17. jahrhundert nicht?

Weil man jeden Kontext aus der Zeit heraus verstehen muß...

Im 17. und 18. Jh. waren absolutistische Herrschaftsordnungen gemäß Gottesgnadentum nahezu unverrückbar, und die geistige Strömung der Aufklärung war gerade erst in ihrem Entstehen begriffen bzw. wirkte noch nicht derart nachhaltig; im 20. Jh. aber konnte jeder Mensch der sog. zivilisierten Welt auf ein Weltbild zurückgreifen, welches durch die Toleranzgedanken bzgl. konkurrierender Weltanschauungen sowie durch Humanismus und Aufklärung geprägt war. Das ist der Unterschied...

wenn im mittelalter menschen an grenzen erschossen wurden oder nicht frei entscheiden durften, wo sie leben, dann war das "nicht so schlimm" (denn das war damals nun mal so üblich)??? ich frage, ich unterstelle nicht.

Wenn ich hier jetzt gemein wäre, würde ich Dich um Beispiele im europäischen Mittelalter bitten, wo Menschen an Grenzen erschossen wurden, aber ich lasse das an der Stelle...

Auch hierbei gilt wieder die allgemeine Betrachtungsmethode des Historikers, den Kontext aus der Zeit heraus zu verstehen.
Dabei stoßen wir dann bspw. darauf, daß
1. nicht jeder Mensch des europäischen Mittelalters ein Unfreier war, der in diesem Fall in der Tat den Herrschaftsbereich seines Herrn nicht ohne dessen Zustimmung verlassen durfte, und daß
2. Unfreie im europäischen Mittelalter durchaus eine bessere Rechtstsellung bis zur personenrechtlichen Freiheit oder sogar sozialen Aufstieg erreichen konnten: erstgenanntes z.B. durch langjähriges selbständiges Bewirtschaften von abgelegenen Gütern, wodurch ihnen Sonderrechte gewährt wurden, zweitgenanntes z.B. durch besondere Leistungen als unfreie Dienstmannen im Kriegsdienst (so entstand der Dienstadel/Ministerialadel)

Anm.: Zum wiederholten Male fällt mir in Diskussionen auf, daß es offenbar unheimlich schwerfällt, an die Menschen; Gesellschaften und Ereignisse vormoderner Epochen keine modernen Wertmaßstäbe anzulegen, andererseits aber bei Betrachtung von Diktaturen der Neuesten Geschichte ein Verzicht auf rezente Wertmaßstäbe beinahe eingefordert wird...
 
guten abend barbarossa,

und ich habe diesen deinen einwand ebenfalls erwartet. ;) waren wir nicht schon mal an so einem punkt? um nur die DDR verurteilen zu "brauchen", aber nicht auch andere staatswesen, die ebenso wenig demokratisch waren, verweist man dann auf die - ich nenne es mal so - "zeitverschiebung".

wenn im mittelalter menschen an grenzen erschossen wurden oder nicht frei entscheiden durften, wo sie leben, dann war das "nicht so schlimm" (denn das war damals nun mal so üblich)??? ich frage, ich unterstelle nicht.

aber gelten nicht gewisse ideale der mitmenschlichkeit schon seit zirka 2000 jahren? z.b. "liebe deinen nächsten wie dich selbst" oder "wenn dir einer auf die linke wange haut, dann halte ihm auch die rechte hin" (oder so) mitmenschlichkeit, barmherzigkeit, friedfertigkeit sind keine erfindungen des 20. jahrhunderts!

und plädierte hier nicht jemand dafür, staatswesen unabhängig davon zu beurteilen, wie sich die menschen darin (privat) fühlten? war die DDR "besser" oder "schlechter" als z.b. preußen im 19. jahrhundert? oder frankreich im 18. jahrhundert? oder england im 17. jahrhundert?

gruß!

Hallo @flitzpiepe,
ich hätte dir jetzt eine ganz ähnliche Antwort gegeben, wie @timotheus, deshalb kopiere ich seine Antwort hier noch einmal hinein und schließe mich dieser Antwort an.

Weil man jeden Kontext aus der Zeit heraus verstehen muß...

Im 17. und 18. Jh. waren absolutistische Herrschaftsordnungen gemäß Gottesgnadentum nahezu unverrückbar, und die geistige Strömung der Aufklärung war gerade erst in ihrem Entstehen begriffen bzw. wirkte noch nicht derart nachhaltig; im 20. Jh. aber konnte jeder Mensch der sog. zivilisierten Welt auf ein Weltbild zurückgreifen, welches durch die Toleranzgedanken bzgl. konkurrierender Weltanschauungen sowie durch Humanismus und Aufklärung geprägt war. Das ist der Unterschied...
(...)
Auch hierbei gilt wieder die allgemeine Betrachtungsmethode des Historikers, den Kontext aus der Zeit heraus zu verstehen.
Dabei stoßen wir dann bspw. darauf, daß
1. nicht jeder Mensch des europäischen Mittelalters ein Unfreier war, der in diesem Fall in der Tat den Herrschaftsbereich seines Herrn nicht ohne dessen Zustimmung verlassen durfte, und daß
2. Unfreie im europäischen Mittelalter durchaus eine bessere Rechtstsellung bis zur personenrechtlichen Freiheit oder sogar sozialen Aufstieg erreichen konnten: erstgenanntes z.B. durch langjähriges selbständiges Bewirtschaften von abgelegenen Gütern, wodurch ihnen Sonderrechte gewährt wurden, zweitgenanntes z.B. durch besondere Leistungen als unfreie Dienstmannen im Kriegsdienst (so entstand der Dienstadel/Ministerialadel)...

Demokratie, Menschenrechte, Religions- und Meinungsfreiheit - das alles hat sich erst im Laufe der letzten 500 Jahre entwickelt und waren Dinge, die bis dahin völlig unbekannt waren.

Wenn du jedoch die polititschen Verhältnisse der DDR mit denen in Preußen bzw. des Deutschen Reiches des 19. Jh. vergleichen möchtest, dann muß man wohl feststellen, daß z. B. auswandern im 19. Jh. anscheinend leichter war, als in der "DDR", welche 100 Jahre später existierte, die Menschen also um 1870 z. T. schon freier waren, als in der SED-Diktatur.
Hier noch ein Link zum nachlesen: Auswanderung - Zeno.org
 
...wenn im mittelalter menschen an grenzen erschossen wurden oder nicht frei entscheiden durften, wo sie leben, dann war das "nicht so schlimm" (denn das war damals nun mal so üblich)??? ich frage, ich unterstelle nicht.

aber gelten nicht gewisse ideale der mitmenschlichkeit schon seit zirka 2000 jahren? z.b. "liebe deinen nächsten wie dich selbst" oder "wenn dir einer auf die linke wange haut, dann halte ihm auch die rechte hin" (oder so) mitmenschlichkeit, barmherzigkeit, friedfertigkeit sind keine erfindungen des 20. jahrhunderts!...

Aber in einem Punkt muß ich dir schon recht geben: aufgeschrieben wurden die von dir erwähnten Werte, welche seit ca. 2000 Jahren in der Bibel stehen, schon - wahrscheinlich mehr als Forderung an die Gläubigen. Den Status eines Gesetzbuches hat die Bibel aber meines Wissens nie erlangt.
Aber es ist schon richtig, daß auch die Kirche selbst sich lange Zeit nicht an ihre eigenen Gebote hielt.

Aber nun die Gegenfrage an dich @flitzpiepe:
Selbst wenn noch so schöne Menschenrechte und humanistische Werte als Gesetz aufgeschrieben worden sind - wie sollen diese Gesetze in die Praxis umgesetzt werden, wenn niemand da ist, der sie durchsetzt, das heißt, wenn es keine freien Medien, keine legale politische Opposition und keine unabhängige Justiz gibt?

Und hier schließt sich der Kreis zu meinem Beitrag #262, in dem ich schrieb:
Weil ein Staatswesen grundsätzlich danach zu beurteilen ist, wie es mit Andersdenkenden und auch mit tatsächlichen Straftätern umgeht. Hierbei gelten allerdings die zur jeweiligen Zeit anerkannten menschenrechtlichen und moralischen Vorstellungen, Richtlinien bzw. internationale Verträge (sofern es sie bereits gibt) als Maßstab. Solche moralischen Vorstellungen, Richtlinien bzw. internationale Verträge gelten als Maßstab auch für die Staatsform selbst.
(...)
...eine Diktatur (Zusatz von mir: der jüngeren Neuzeit) ist als Staatsform grundsätzlich negativ zu bewerten. Denn Diktaturen haben es an sich, die Bürgerrechte stark einzuschränken, wie z. B.:

- die Meinungs- und Pressefreiheit,
- fehlender Pluralismus in der Politik und
- das eigene Volk bis in den intimen privaten Bereich hinein zu bespitzeln,

- den Polizei und Militärapparat extrem aufzublähen oder gar die Gesellschaft zu uniformieren

Grundsätzlich sind in einer Diktatur alle Kontrollmöglichkeiten der amtierenden Regierung auf Grund der gerade aufgezählten Punkte ausgeschaltet, was insbesondere Korruption und Machtmißbrauch Vorschub leistet.
Der fehlende Pluralismus in einer Diktatur führt zwangsläufig zu einer hohen Anzahl von politischen Gefangenen, die auf Grund der fehlendenden Freiheit der Medien und der Justiz auch keine Möglichkeiten der Beschwerde oder gar Klage gegen eine inhumane Behandlung in einer JVA haben. Eine solche inhumane Behandlung ist politischerseits meist sogar aus Gründen der Einschüchterung o. ä. erwünscht.

In einer echten Demokratie sind derartige Auswüchse annähernd ausgeschlossen. Kommen sie doch einmal vor, müssen sich die Bürgerrechtler die Fragen stellen, ob sie sich ausreichend vehement für die Bürgerrechte eingesetzt und Verletzungen der Bürgerrechte verfolgt und eingeklagt haben.
 
Ich habe die DSU als einen Versuch, Bayern zu exportieren, empfunden und dabei eine gewisse Braunfärbung gesehen.

Das ist nur bedingt richtig.
Gegründet wurde die DSU als Zusammenschluß einer ganzen Reihe von winzigen Splittergruppen (ich war im Janurar ´90 selbst auf einem Gründungsparteitag solch einer Spitterpartei dabei - das war ein Kreis von ca. 15 Leuten).
In Zuge des Wahlkampfes zur Volkskammerwahl wurde die "Allianz für Deutschland" (CDU-Ost, Demokratischer Aufbruch und DSU) stark von den Unionsparteien finanziell unterstützt. Bei der DSU hatte ich den Eindruck, daß sie besonders stark von der CSU unterstützt wurde weil sie darin scheinbar die Chance sah (mein persönlicher Eindruck), über diese Partei mehr Einfluß in der DDR zu erlangen. Eine wie auch immer geartete "leichte Braunfärbung" habe ich nicht beobachtet. Sie war die konservativste Partei innerhalb des Parteienbündnisses, mehr nicht.
Darüber hinaus trat in einem der neuen Bundesländer (Sachsen oder Thüringen - ich weiß jetzt nicht mehr so genau, müßte ich erst nachschauen) auch noch eine CSU zu den Landtagswahlen 1990 an.
 
guten abend,

silesia:

P.S. Die Bezeichnung "SED-Regime" würde ich nicht in Anführungszeichen setzen, da wohl unumstritten für den Zeitraum 1949-1989. Oder siehst Du das Regime als fraglich an?

ich verstehe nicht, warum wir jetzt anfangen wollen, über den begriff "regime" bzw. "SED-regime" zu diskutieren. wenn du ihn für richtig hältst, dann benutze ihn halt. :winke:

silesia

Übrigens hatte ich einen Vergleich der Lebensbedingungen angesprochen ("die DDR war für die Menschen besser als"), die Qualifikation "verbrecherisch" ist wieder Interpretation von Dir.

du irrst auch hier: ich habe weder die DDR noch die anderen genannten staaten als verbrecherisch interpretiert, sondern hier eine vokabel anderer (!) benutzt. deshalb die anführungszeichen.


timotheus

Weil man jeden Kontext aus der Zeit heraus verstehen muß...

ja und nein. an dieser stelle kreisen wir. wir hatten diesen punkt nämlich schon, aber natürlich musst du mir nicht zustimmen, wenn ich sage, wir sollten verstehen und bewerten in der geschichtsbetrachtung voneinander trennen. das ist meine meinung. ich behaupte, wir können uns gar nicht 100%ig in das damalige denken hineinversetzen, denn dann würden wir ja so denken wie damals. wir können immer nur aus heutiger sicht bewerten - nur jeweils mehr oder weniger "wohlwollend".

verstehen bedeutet, dass ich weiß, warum die DDR eine mauer baute (z.B. um die massenabwanderung nach westdeutschland zu unterbinden, weil dadurch die wirtschaft zusammenzubrechen drohte). bewerten bedeutet, dass man das z.b. als freiheitsberaubung auffasst und deshalb nicht gut findet. auch andere bewertungen sind möglich - je nach politischem lager, also dem "wohlwollen" oder der "abneigung" gegenüber der DDR. (dieses trennen von verstehen und bewerten funktioniert auch zu anderen zeiten)

ich finde allerdings, du vermischst beides. doch nur so kannst du die DDR geißeln für etwas, was in anderen staaten, die du aber nicht geißeln willst (das ist nämlich der punkt!!!) und/oder zu anderen zeiten durchaus auch passierte. das ist jedoch keine ergebnisoffene analyse historischer ereignisse, sondern eine rein ergebnisgeleitete (man sucht sich die passenden fakten und argumente, um ein ergebnis, das bereits vor der untersuchung feststeht, nur noch zu bestätigen). ich finde das unwissenschaftlich!!!

barbarossa

Wenn du jedoch die polititschen Verhältnisse der DDR mit denen in Preußen bzw. des Deutschen Reiches des 19. Jh. vergleichen möchtest, dann muß man wohl feststellen, daß z. B. auswandern im 19. Jh. anscheinend leichter war, als in der "DDR", welche 100 Jahre später existierte, die Menschen also um 1870 z. T. schon freier waren, als in der SED-Diktatur.

wenn du dann wiederum 100 oder 200 jahre zurückgehst, dann siehst du, dass es durchaus in "deutschen landen" auch verbote gab auszuwandern. ich erinnere mich da an abwerbungen ausländischer herrscher (stichwort wolgadeutsche), muss aber zugeben, dass ich keinen beleg und keinen genauen fakt bei der hand habe. letztlich zeigt dein hinweis wieder, was ich meine: du suchst dir nur die fakten heraus, die deine bereits vorhandene meinung über die DDR stützen. was dem widerspricht, wird ignoriert oder geleugnet oder schlecht geredet oder abgewertet. übrig bleibt, was übrig bleiben soll. das ist zwar alles menschlich verständlich - so wie wenn wir auch privat jemanden nicht mögen ("auf dem kieker haben"), aber zur "wahrheitsfindung" trägt es wenig bei, vielmehr verstellt und verzerrt es den blick.

barbarossa

Selbst wenn noch so schöne Menschenrechte und humanistische Werte als Gesetz aufgeschrieben worden sind - wie sollen diese Gesetze in die Praxis umgesetzt werden, wenn niemand da ist, der sie durchsetzt, das heißt, wenn es keine freien Medien, keine legale politische Opposition und keine unabhängige Justiz gibt?

ich verstehe nicht so richtig, was du damit sagen willst. vielleicht interpretiere ich dich also falsch und bitte dann um nachsicht! in den jahrhunderten "vor der DDR", gab es da schon freie medien, legale politische oppositionen??? da wäre also die DDR in diesem sinne nichts besonderes?!? oder willst du damit sagen, dass, weil es ja noch keine freien medien gab, man den damaligen staaten nachsehen muss, dass menschliche werte noch nicht so sehr beachtet wurden? willst du folter im mittelalter damit rechtfertigen, dass es noch keine freien medien gab, die darüber berichten konnten? ich glaube, dann fußt dein geschichtsverständnis aber auch nicht gerade auf dem "verstehen aus der zeit heraus".

ich verstehe, warum sie im mittelalter folterten (ein stichwort, weil es sonst zu weit führen würde: der geist ist willig, aber das fleisch ist schwach) und dennoch werde ich folter immer als unmenschlich bewerten! (übrigens auch in der DDR, sollte es dort sowas gegeben haben.) wie könnte man denn sagen: folter im mittelalter war ok, aber heuzutage ist folter nicht mehr in ordnung?!?

gruß!
 
Zuletzt bearbeitet:
flitzpiepe schrieb:
...wenn du dann wiederum 100 oder 200 jahre zurückgehst, dann siehst du, dass es durchaus in "deutschen landen" auch verbote gab auszuwandern. ich erinnere mich da an abwerbungen ausländischer herrscher (stichwort wolgadeutsche), muss aber zugeben, dass ich keinen beleg und keinen genauen fakt bei der hand habe. letztlich zeigt dein hinweis wieder, was ich meine: du suchst dir nur die fakten heraus, die deine bereits vorhandene meinung über die DDR stützen. was dem widerspricht, wird ignoriert oder geleugnet oder schlecht geredet oder abgewertet. übrig bleibt, was übrig bleiben soll. das ist zwar alles menschlich verständlich - so wie wenn wir auch privat jemanden nicht mögen ("auf dem kieker haben"), aber zur "wahrheitsfindung" trägt es wenig bei, vielmehr verstellt und verzerrt es den blick.
Ok - war ein Beispiel, das zwar richtig ist, was jedoch aus vielem anderen, was auch nicht unserem Verständnis von Freiheit entspricht, herausgezogen ist.
War eben nur ein Beispiel, daß man im Jahre 1870 in Sachen Freiheit schon mal weiter war, als in der DDR. Übrigens: Die Polen durften ja nach Westberlin und Westdeutschland... :hmpf:
Damit will ich es auch bewenden lassen.

flitzpiepe schrieb:
...ich verstehe nicht so richtig, was du damit sagen willst. vielleicht interpretiere ich dich also falsch und bitte dann um nachsicht! in den jahrhunderten "vor der DDR", gab es da schon freie medien, legale politische oppositionen??? da wäre also die DDR in diesem sinne nichts besonderes?!? oder willst du damit sagen, dass, weil es ja noch keine freien medien gab, man den damaligen staaten nachsehen muss, dass menschliche werte noch nicht so sehr beachtet wurden? willst du folter im mittelalter damit rechtfertigen, dass es noch keine freien medien gab, die darüber berichten konnten? ich glaube, dann fußt dein geschichtsverständnis aber auch nicht gerade auf dem "verstehen aus der zeit heraus".

ich verstehe, warum sie im mittelalter folterten (ein stichwort, weil es sonst zu weit führen würde: der geist ist willig, aber das fleisch ist schwach) und dennoch werde ich folter immer als unmenschlich bewerten! (übrigens auch in der DDR, sollte es dort sowas gegeben haben.) wie könnte man denn sagen: folter im mittelalter war ok, aber heuzutage ist folter nicht mehr in ordnung?!?

gruß!
Ja tut mir leid, aber du hast mich völlig falsch verstanden.
Betrachte meine beiden letzten Beiträge allgemein auf ein beliebiges Staatswesen und nicht unbedingt nur auf die DDR bezogen, dann kommst du sicher darauf, was ich meine.
Natürlich ist Folter grausam und zwar zu allen Zeiten, aber Macht korrumpiert und führt zu Machtmißbrauch und die einzige Möglichkeit, Korruption und Machtmißbrauch einzudämmen, ist eine poltische Opposition, freie Medien und eine unabhängige Justiz. Diese drei haben sich nun mal erst im Laufe des ausgehenden 19. Jh. und im Laufe des 20. Jh. zu dem entwickelt, was sie heute sind - in Deutschland eben mit den Rückschlägen zweier Diktaturen.
So meinte ich das.
 
guten morgen, barbarossa und alle anderen,

ich muss mich mal teilweise selbst zitieren, um noch etwas ergänzen zu können:

Zitat: timotheus

Weil man jeden Kontext aus der Zeit heraus verstehen muß...
timotheus


ja und nein. an dieser stelle kreisen wir. wir hatten diesen punkt nämlich schon, aber natürlich musst du mir nicht zustimmen, wenn ich sage, wir sollten verstehen und bewerten in der geschichtsbetrachtung voneinander trennen. das ist meine meinung. ich behaupte, wir können uns gar nicht 100%ig in das damalige denken hineinversetzen, denn dann würden wir ja so denken wie damals. wir können immer nur aus heutiger sicht bewerten - nur jeweils mehr oder weniger "wohlwollend". (...)


ist es nicht auffällig, dass je länger eine zeit zurückliegt, desto "wohlwollender" (nachsichtiger) wir/ihr über die damaligen missstände und/oder verbrechen zu urteilen bereit sind/seid?! warum eigentlich???

genauer gesagt, desto nachsichtiger ist die "bürgerliche geschichtsbetrachtung", denn in der DDR kamen weder die sklavenhaltenstaaten der antike noch die folternden feudalstaaten des mittelalters in diesem sinne ungeschoren davon, ohne dass jedoch einfach alles geredet wurde. es wurde auch anerkannt und entsprechend positiv gewertet, was es damals bereits an fortschritten gab (attische demokratie usw.)

diese art der geschichtsbetrachtung halte ich für richtig.

schließt euch an! :friends:

gruß!
 
Weil man jeden Kontext aus der Zeit heraus verstehen muß...

Im 17. und 18. Jh. waren absolutistische Herrschaftsordnungen gemäß Gottesgnadentum nahezu unverrückbar, und die geistige Strömung der Aufklärung war gerade erst in ihrem Entstehen begriffen bzw. wirkte noch nicht derart nachhaltig; im 20. Jh. aber konnte jeder Mensch der sog. zivilisierten Welt auf ein Weltbild zurückgreifen, welches durch die Toleranzgedanken bzgl. konkurrierender Weltanschauungen sowie durch Humanismus und Aufklärung geprägt war. Das ist der Unterschied...



Wenn ich hier jetzt gemein wäre, würde ich Dich um Beispiele im europäischen Mittelalter bitten, wo Menschen an Grenzen erschossen wurden, aber ich lasse das an der Stelle...

Auch hierbei gilt wieder die allgemeine Betrachtungsmethode des Historikers, den Kontext aus der Zeit heraus zu verstehen.
Dabei stoßen wir dann bspw. darauf, daß
1. nicht jeder Mensch des europäischen Mittelalters ein Unfreier war, der in diesem Fall in der Tat den Herrschaftsbereich seines Herrn nicht ohne dessen Zustimmung verlassen durfte, und daß
2. Unfreie im europäischen Mittelalter durchaus eine bessere Rechtstsellung bis zur personenrechtlichen Freiheit oder sogar sozialen Aufstieg erreichen konnten: erstgenanntes z.B. durch langjähriges selbständiges Bewirtschaften von abgelegenen Gütern, wodurch ihnen Sonderrechte gewährt wurden, zweitgenanntes z.B. durch besondere Leistungen als unfreie Dienstmannen im Kriegsdienst (so entstand der Dienstadel/Ministerialadel)

Anm.: Zum wiederholten Male fällt mir in Diskussionen auf, daß es offenbar unheimlich schwerfällt, an die Menschen; Gesellschaften und Ereignisse vormoderner Epochen keine modernen Wertmaßstäbe anzulegen, andererseits aber bei Betrachtung von Diktaturen der Neuesten Geschichte ein Verzicht auf rezente Wertmaßstäbe beinahe eingefordert wird...


Dieser Einwand ist nicht nur berechtigt, sondern auch sozusagen die "Geschäftsgrundlage" für jede sinnvolle historische Diskussion. Das ist eigentlich selbstverständlich!
 
@flitzpiepe: ...genauer gesagt, desto nachsichtiger ist die "bürgerliche geschichtsbetrachtung", denn in der DDR kamen weder die sklavenhaltenstaaten der antike noch die folternden feudalstaaten des mittelalters in diesem sinne ungeschoren davon, ohne dass jedoch einfach alles geredet wurde. es wurde auch anerkannt und entsprechend positiv gewertet, was es damals bereits an fortschritten gab (attische demokratie usw.)

Du willst auf die marxistische Geschichtsschreibung hinaus, wonach die Geschichte eine Geschichte des Klassenkampfes ist. Durch diese Brille wurde alles bewertet.

Spartakus wollte danach nicht selber an die Fleischtöpfe, sondern die Sklavenhaltergesellschaft beseitigen. Religionsgeschichte wurde fast gänzlich ausgeklammert und wenn, dann in negativem Kontext. Der Hitler-Stalin-Pakt wurde totgeschwiegen, um die Besetzung Ostpolen durch die Rote Armee zu rechtfertigen, wurden verdrehte Argumente gebraucht, die weit über die Schmerzgrenze eines gesunden Menschenverstandes hinaus gingen. Stauffenberg wurde kleingeredet, er war ja ein reaktionärer Offizier und wollte angeblich im Osten weiter Krieg führen. Ich könnte die Liste endlos weiterführen.

diese art der geschichtsbetrachtung halte ich für richtig.
Dann wirst du nicht viel Freude an unseren Diskussionen haben.
 
Zurück
Oben