Anne Boleyn

Verzeihung. Aber auch wenn Henry VIII heute so als "Ladykiller" dasteht - es hatte einen Hintergrund.
Er braucht, um die Dynastie der Tudors am Leben zu halten, einen Sohn. Einen legitimen, keinen "Bastard".
Den Tudors war sehr wohl bewusst, welche verheerenden Auswirkungen irgendwelche Nachfolge- und Erbschaftsstreits unter Königs auf das Wohl eines Landes hatten. Letztlich waren sowohl der "100"-jährige Krieg als auch der 1. Bürgerkrieg Englands ("War of the Roses") das Ergebnis höchst unklarer Nachfolgeregelungen.
Eine Tochter, die ja erbberechtigt war, hatte den Nachteil, dass sie, falls verheiratet, dann die Regentschaft praktisch an ihren Ehemann abgab.
Wenn ein Sohn eine Französin heiratet - sehr gut, Hat man die Finger in der französischen Erbfolge drin. Wenn eine Tochter einen Franzosen, oder gar einen Schotten...

Das war die Triebfeder, weniger irgendwelche persönlichen Zuneigungen oder Abneigungen. „Natürlich“ hatte er Liebschaften, erkannte aber nur eine Sohn als legitim an, aber für einen Thronfolger reichte ein „Bastard“ halt nicht.
Und dann das nicht existente Scheidungsrecht und die politischen Verwicklungen. Der Papst wollte einfach keine Scheidung von Katharina von Aragon, weil er offenbar weitere Schwierigkeiten mit Karl V befürchtete, etc.
Und Harry Tudor hatte ja nicht ganz unrecht, trotz seines typische Renaissance-zeitlichen Verhaltens.
Erstens stand England am Rande eines Bürgerkrieges, nach dem sein einziger überlebender Sohn Edward starb, zweitens starb seine Dynastie mit seiner Tochter Elisabeth I ja aus. Die heiratete aus eben angeführten Gründen bekanntermaßen nicht.

Das Ergebnis war James Stuart, ein Schotte auf dem englischen Thron.

Thomas
PS: Das Erbrecht gestattete einer Frau nur die Nachfolge, wenn kein Sohn (mehr) vorhanden war. Sonst wäre die Nachfolgerin E.IIs ja Anne, nicht Charles.
 
Aber sie war schlussendlich der Grund, warum sich England von der katholischen Kirche losgesagt hat.
Beim Märtyrertum geht es aber darum, dass jemand für seinen Glauben stirbt oder sein Glaube zumindest der Grund für seine Hinrichtung oder Ermordung ist. Nichts davon war bei Anne Boleyn der Fall. Heinrich VIII. hatte sie satt und war obendrein enttäuscht, dass sie ihm keinen männlichen Erben gebar, das war alles.
 
Beim Märtyrertum geht es aber darum, dass jemand für seinen Glauben stirbt oder sein Glaube zumindest der Grund für seine Hinrichtung oder Ermordung ist. Nichts davon war bei Anne Boleyn der Fall. Heinrich VIII. hatte sie satt und war obendrein enttäuscht, dass sie ihm keinen männlichen Erben gebar, das war alles.
Lange geduldet hatte er sich aber auch nicht. 1533 bis 1536 währte seine Ehe.
Gut, vielleicht tickte seine biologische Uhr und er wollte keine Zeit verlieren, so hart und rational das jetzt vielleicht klingt.

Immerhin findet man:
Nach 1558 wurde Annes Schicksal von John Foxe – einem sehr konservativen Protestanten – aufgegriffen, der sie zur Schutzheiligen des englischen Protestantismus machte. Er behauptete, dass Gott ihre Unschuld und Tugend bewiesen habe, da später Elisabeth I. den englischen Thron erbte.
aus: http://de.wikipedia.org/wiki/Anne_Boleyn
 
Zuletzt bearbeitet:
Beim Märtyrertum geht es aber darum, dass jemand für seinen Glauben stirbt oder sein Glaube zumindest der Grund für seine Hinrichtung oder Ermordung ist. Nichts davon war bei Anne Boleyn der Fall. Heinrich VIII. hatte sie satt und war obendrein enttäuscht, dass sie ihm keinen männlichen Erben gebar, das war alles.

Ich wage mal zu behaupten, daß sie zur Zeit ihres Todes nicht als Märtyrerin starb, sondern im Nachhinein von verschiedenen Seiten als solche betrachtet wird. Meines Erachtens nach sollte man da den Unterschied zwischen "Anne Boleyn als historische Figur" und "Anne Boleyn als Mythos" machen. Wofür und warum sie gestorben ist, ist eine Sache, und wie sie re-interpretiert wurde, ist eine ganz andere.
 
Ja, da kannst Du recht haben. Insbesondere in der orthodoxen Kirche ist es auch so, dass mitunter bedeutende orthodoxe Monarchen, die viel für ihr Land und vor allem die Kirche leisteten und die gewaltsam umkamen, als Märtyrer verehrt werden, auch wenn ihr Tod mit ihrer Religion nichts zu tun hatte.
 
Bei der Diskussion darf aber sich nicht der Charakter Heinrichs außer Acht gelassen werden. Manchmal, wenn ich Biografien lese, hab ich den Eindruck, er hat sich wie ein quengeliges Kind verhalten, das etwas unbedingt haben wollte und nicht locker ließ, ehe er das erreicht hatte...
Das ist nicht nur dein Eindruck :friends:

Meines Erachtens nach macht das die Bemühungen Heinrichs VIII- der ja nichts von der Herrschaftszeit Elizabeths I wissen konnte- etwas verständlicher, wobei ich das Köpfen von Ehegatten dennoch grundsätzlich ablehne.
Grundsätzlich ja. Allerdings sei hier noch mit dazu erwähnt, dass sich Anne Boleyn sowohl am Hof als auch in der Öffentlichkeit wahnsinniger Unbeliebtheit erfreute und sich Heinrich durch ihre Hinrichtung sein Ansehen in der Öffentlichkeit sicherte bzw. sogar wieder aufpolierte.

Lange geduldet hatte er sich aber auch nicht. 1533 bis 1536 währte seine Ehe.
Mit Catherine Howard war er 1,5 Jahre verheiratet, mit Anna von Kleeve sogar nur 6 Monate. Aber immerhin handelte es sich bei vier seiner sechs Ehen um Liebesheiraten, was doch eher untypisch ist für die Zeit. Der alte Romantiker...

Ergänzend zur hier diskutierten Thronfolgeregelung: Zudem konnte Henry auch nicht wissen, dass seine älteste Tochter Mary (aus erster Ehe), verhältnismäßig schnell das zeitliche segnet. Ohne einen männlichen Nachkommen war Mary die erste in der Thronfolge, also die katholische und spanientreue Mary. Henry versuchte zwar mit etlichen juristischen und schließlich auch testamentarischen Winkelzügen Mary, aber auch Elisabeth von der Thronfolge auszuschließen, schlußendlich zeigt die Geschichte aber, dass es beiden Damen doch noch geglückt ist, sich den Thron zu sichern.
 
Mit Catherine Howard war er 1,5 Jahre verheiratet, mit Anna von Kleeve sogar nur 6 Monate. Aber immerhin handelte es sich bei vier seiner sechs Ehen um Liebesheiraten, was doch eher untypisch ist für die Zeit. Der alte Romantiker...
Welche waren denn Liebesheiraten?

Immerhin hatte er ja niemanden, der ihm vorschreiben konnte, wen er heiratete. Maximal konnte ihm diese oder jene Verbindung eingeredet oder ausgeredet werden. Die Ehe mit Katharina könnte man vielleicht als arrangiert bezeichnen, muss es aber auch nicht.

Kann man sagen, dass Engländerinnen gefährlicher lebten?
 
Welche waren denn Liebesheiraten?
Anne Boleyn, Jane Seymour, Catherine Howard und Catherine Parr

Immerhin hatte er ja niemanden, der ihm vorschreiben konnte, wen er heiratete. Maximal konnte ihm diese oder jene Verbindung eingeredet oder ausgeredet werden. Die Ehe mit Katharina könnte man vielleicht als arrangiert bezeichnen, muss es aber auch nicht.
Die Ehe mit Anna von Kleeve wurde ihn von Cromwell eingeredet. Zum Dank ließ ihn Heinrich kurz darauf hinrichten. :devil:
Katharina heiratete er auf ausdrücklichen Wunsch seines Vaters hin. Ich glaube es war sogar sein letzter Wille, da Heinrich VII. dafür einiges drehen musste, damit Heinrich VIII. die Witwe seines Bruders heiraten durfte/konnte/sollte.
Tatsächliche Vorschriften in Bezug auf seine "Heiratspolitik" konnte ihm aber tatsächlich keiner machen.

Kann man sagen, dass Engländerinnen gefährlicher lebten?
Sofern sie in Heinrichs Beuteschema passten, ja. But no risc, no fun :D
 
Welche waren denn Liebesheiraten?

Bis auf zwei waren das alles "Liebeheiraten" - nur hielt die Liebe leider nie lange an und Heinrichs Liebe wirkte sich mächtig kopfverkürzend aus! :cry:

Ungeliebt war Anna von Kleve, die Heinrich als Trampel empfand, was allerdings lebensrettend war. Die letzte, Catherine Parr, fungierte beim rheuma-, gicht-, diabetes und syphilisgeplagten Monarchen höchstens noch als Krankenschwester. :D
 
Bis auf zwei waren das alles "Liebeheiraten" - nur hielt die Liebe leider nie lange an
Auch wenn das jetzt wahnsinnig rational und abgebrüht klingt, aber welche Liebe tut das schon?

und Heinrichs Liebe wirkte sich mächtig kopfverkürzend aus! :cry:
Auch nur zu 50 Prozent ;)

Ungeliebt war Anna von Kleve, die Heinrich als Trampel empfand, was allerdings lebensrettend war.
Nun, optisch hat sie ihm wohl wirklich nicht zugesagt, charakterlich aber dafür schon, seine "gute Schwester".

Die letzte, Catherine Parr, fungierte beim rheuma-, gicht-, diabetes und syphilisgeplagten Monarchen höchstens noch als Krankenschwester. :D
Immerhin als wesentlich jüngere Krankenschwester. Nichts desto trotz entging sie nach einer Intrige Stephen Gardiners auch nur knapp dem Schafott.
 
Auch wenn das jetzt wahnsinnig rational und abgebrüht klingt, aber welche Liebe tut das schon?

Zerbrochene Liebesbeziehungen wirken sich heute in der Regel nicht mehr lebensbedrohend aus! Das ist der kleine, aber lebensverlängernde Unterschied. :trost:

Nun, optisch hat sie ihm wohl wirklich nicht zugesagt, charakterlich aber dafür schon, seine "gute Schwester".

Ich vermute mal, die guten Charaktereigenschaften der Anna haben Heinrich VIII. weniger interessiert. So san's halt, de Mannsleut! :scheinheilig:
 
Nichts desto trotz entging sie nach einer Intrige Stephen Gardiners auch nur knapp dem Schafott.
Genau das ist die Frage : War Heinrich bei den ganzen Mördereien denn immer Täter, oder war er nicht selbst auch Getriebener ?

Soweit ich es gelesen habe, gab es einen erbitterten Machtkampf um die wahre Konfession, wobei mal die eine und mal die andere Fraktion die Oberhand gewann und dies auch jeweils durch Platzierung einer entsprechenden Frau an Heinrichs Seite zu untermauern versuchte (und umgekehrt natürlich).

Der Sturz von Anna Boleyn war jedenfalls stark intrigenlastig. Sie wusste, dass das Terrain vermint war, und dass die wirkungsvollste Waffe der Vorwurf des Ehebruchs war. Daher vermied sie es sorgsam, sich mit einem Mann allein in einem Raum aufzuhalten, mit Ausnahme ihres Bruders. Folglich blieb für die Intriganten nur noch die Möglichkeit übrig, sie des Inzests zu beschuldigen - was dann auch tatsächlich zum "Erfolg" führte.

Hat ein König, der so unter politischen Druck steht überhaupt die Möglichkeit, an seiner Frau festzuhalten, wenn sie einmal des Ehebruchs schuldig gesprochen wurde ? Würde er sich dann nicht selbst eine Blöße geben, die zum Verlust seines Throns und ggf. Kopfes führen würde ? Scheidung würde hier vielleicht als Zeichen der Schwäche gedeutet, und sie in ein Kloster zu stecken hätte ihm jede Möglichkeit genommen, noch einen Sohn zu zeugen.
 
Die Ehe mit Anna von Kleeve wurde ihn von Cromwell eingeredet. Zum Dank ließ ihn Heinrich kurz darauf hinrichten. :devil:

Eine kleine Info am Rande: Das war nicht der Grund, warum Cromwell hingerichtet wurde. Es spielte nur am Rande eine Rolle.
Heinrich war unzufrieden mit Anna von Kleve, das stimmt. Doch auch hier hätte Cromwell seinen Kopf retten können, wenn da nicht der Hochadel gewesen wäre, für den Cromwell nur ein Emporkömmling gewesen war.

LG:winke:
 
Ich vermute mal, die guten Charaktereigenschaften der Anna haben Heinrich VIII. weniger interessiert. So san's halt, de Mannsleut! :scheinheilig:
Wo du Recht hast... :D Wobei sich die beiden nach ihrer Ehe wirklich gut verstanden haben.

Hat ein König, der so unter politischen Druck steht überhaupt die Möglichkeit, an seiner Frau festzuhalten, wenn sie einmal des Ehebruchs schuldig gesprochen wurde ? Würde er sich dann nicht selbst eine Blöße geben, die zum Verlust seines Throns und ggf. Kopfes führen würde ? Scheidung würde hier vielleicht als Zeichen der Schwäche gedeutet, und sie in ein Kloster zu stecken hätte ihm jede Möglichkeit genommen, noch einen Sohn zu zeugen.
Ich meine, dass da eher einige Faktoren zusammenkamen. Heinrichs Verliebtheit hatte definitiv ihr Ende gefunden, schließlich pflegte er bereits seine Affaire mit Jane Seymour. Zudem brauchte er immer noch seinen Stammhalter, Kloster fällt in der Tat also auch aus. Eine Scheidung war zusätzlich nicht möglich, weil Katharina ja noch lebte und er eigentlich auch nicht von ihr geschieden war. Eine erneute Heirat hätte also der gleichen schwierigen Vorbereitungen bedurft, wie es bei der Ehe mit der Boleyn bereits der Fall war. Nimmt man dann noch die höfischen Intrigen gegen die allseits unbeliebte Anne Boleyn (die sie teilweise durchaus selbst zu verantworten hatte), dann ist der Weg zum Schafott nicht mehr weit.

Eine kleine Info am Rande: Das war nicht der Grund, warum Cromwell hingerichtet wurde. Es spielte nur am Rande eine Rolle.
Heinrich war unzufrieden mit Anna von Kleve, das stimmt. Doch auch hier hätte Cromwell seinen Kopf retten können, wenn da nicht der Hochadel gewesen wäre, für den Cromwell nur ein Emporkömmling gewesen war.
Weiß ich doch, meine Bemerkung war auch nicht so ernst gemeint. Aber es schadet vielleicht nicht, das nochmal explizit hervorzuheben.
 
Ungeliebt war Anna von Kleve, die Heinrich als Trampel empfand, was allerdings lebensrettend war.

Es ist zwar etwas off-topic, aber gibt es eigentlich außer Henrys Aussagen bezüglich Anne of Cleves Aussehen auch noch andere Beschreibungen von Zeitzeugen über ihr Aussehen und ihren *räusper* Geruch?
 
Es ist zwar etwas off-topic, aber gibt es eigentlich außer Henrys Aussagen bezüglich Anne of Cleves Aussehen auch noch andere Beschreibungen von Zeitzeugen über ihr Aussehen und ihren *räusper* Geruch?
Soweit ich weiß, wird mittlerweile bezweifelt, dass die "flandrische Mähre" tatsächlich so hässlich war. Auf die Schnelle hier ein Bericht des spanischen Botschafters der das erste Treffen zwischen Heinrich und Anna miterlebt hat:
Primary Sources: The first meeting of Anne of Cleves and Henry VIII and their marriage, 1539-1540
Also ich finde da nichts von einer hässlichen Braut, auch nichts von einer Reserviertheit seitens Heinrich, ganz im Gegenteil.

Hier noch das Holbein-Gemälde von Anna von Kleve, bei dem der Gute in der Darstellung angeblich zu sehr übertrieben hätte:
Site officiel du musée du Louvre
 
Soweit ich weiß, wird mittlerweile bezweifelt, dass die "flandrische Mähre" tatsächlich so hässlich war.

Auch ich habe das gehört......

Aber nichts desto trotz, hat sie Heinrich nicht gefallen.

So wie ich weiß, war sie dann eine liebe Freundin. Sie blieb ja auch in England.

Gruß
 
Soweit ich letztens gehört habe, blieb Anna von Kleve in England, weil sie Heinrich zuliebe den katholischen Glauben (zumindest im Ansatz) angenommen hat. Somit wollte ihr Bruder sie nicht mehr bei sich aufnehmen.
Allerdings bin ich mir nicht ganz sicher, in wie weit das stimmt. Ich werde das noch einmal nachlesen.
 
Hier noch das Holbein-Gemälde von Anna von Kleve, bei dem der Gute in der Darstellung angeblich zu sehr übertrieben hätte:
Site officiel du musée du Louvre

Sie habe wirklich sehr schwere Augenlider gehabt und eine breite Nase. Außerdem habe sie nicht die elegante französische Mode getragen, die damals am englischen Hofe üblich war, sondern die deutsche Tracht, die eher plump und reizlos wirkte. Und anscheinend war sie der englischen Sprache nicht mächtig.

Da die Quelle hier aber das Buch "Ungeliebte Königin" von Helga Thoma ist (also eher ein Buch zum schmökern) weiß ich nicht, inwieweit man dem Glauben schenken darf...
 
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