Nibelungensage/Nibelungenlied

geschichtsmango

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Hallo,
Ich würde gerne wissen was der Unterschied zwischen der Nibelungensage und dem Nibelungenlied ist. Ich habe gelesen, dass das Nibelungenlied die schriftliche Fixierung der Nibelungensage ist, was doch aber bedeuten würde, dass der Inhalt derselbe ist?! :grübel:
 
Das Nibelungenlied ist ein mittelhochdeutscher Epos. Um diesen gibt es einen Sagenkreis, der sich in verschiedenen anderen Epen und Stücken wiederfindet. Da wären die Sigurdlieder und das Atlilied, die Þiðreks saga af Bern, Dietrichs Flucht das Rabenschlachtlied und die ganze Epik um Theoderich den Großen/Dietrich von Bern, das Hildebrandslied, der Waltharius und der Waldere. Diese ungeordneten Stücke sind z.T. altskandinavisch, angelsächsisch, deutsch, im Falle des Waltharius sogar lateinisch, sie decken einen Zeitraum vom 9. bis zum 14. Jahrhundert ab. Will sagen, es handelte sich um einen weit verbreiteten Sagenkreis.
 
Also ist das Nibelungenlied Teil eines Sagenkreises = Nibelungensage?
Die verschiedenen Werke sind also von völlig verschiedenen Autoren und aus verschiedenen Orten entstanden? Wie ist es dann dazu gekommen, dass sie einen Sagenkreis bilden?
 
Das Nibelungenlied ist ein mittelhochdeutscher Epos. Um diesen gibt es einen Sagenkreis, der sich in verschiedenen anderen Epen und Stücken wiederfindet. Da wären die Sigurdlieder und das Atlilied, die Þiðreks saga af Bern, Dietrichs Flucht das Rabenschlachtlied und die ganze Epik um Theoderich den Großen/Dietrich von Bern, das Hildebrandslied, der Waltharius und der Waldere. Diese ungeordneten Stücke sind z.T. altskandinavisch, angelsächsisch, deutsch, im Falle des Waltharius sogar lateinisch, sie dekcen einen Zeitraum vom 9. bis zum 14. Jahrhundert ab. Will sagen, es handelte sich um einen weit verbreiteten Sagenkreis.
Nicht ganz, Dietrichs Flucht, das Rabenschlachtlied, Hildebrandslied zählen zur Dietrichepik. Waltharius, Waldere, Lied vom hürnen Seyfrid und die betreffenden Lieder der Edda, aber auch die Erwähnungen im Beowulf (Sigmund und Fitela) zählen zur Nibelungensage. Die Sagen um Dietrich von Bern und den Nibelungen überschneiden sich aber teilweise, siehe Nibelungenlied, Thidrekssage, Biterolf - und Dietleib-Epos.

Im Groben kann man sagen, dort wo Siegfried (im Norden Sigurd) und dessen Familie sowie Gunther, Hagen, Brünhild oder Kriemhild eine tragende Rolle spielen, spricht man von der Nibelungensage. Es gibt übrigens auch färöische Nibelungenlieder und dänische Nibelungenballaden.

Also ist das Nibelungenlied Teil eines Sagenkreises = Nibelungensage?
Die verschiedenen Werke sind also von völlig verschiedenen Autoren und aus verschiedenen Orten entstanden? Wie ist es dann dazu gekommen, dass sie einen Sagenkreis bilden?
ja. die Sagen wurden mündlich weitergegeben. So kennen wir ein älteres Hildebrandslied aus dem 9. Jh. und ein jüngeres Hildebrandslied aus dem 15. Jh.. Es handelte sich wohl zunächst um Stammessagen. Die Nibelungensage dürfte vor allem über die Franken überliefert worden sein, welche allerdings auch dann wohl die Sagen der Burgunder und Westgoten, deren Gebiete sie erobert hatten, in sich aufnahmen. Die Dietrichsage scheint von den Ostgoten über die Bayern vermittelt worden zu sein.
In der Kudrunsage scheint sich vor allem sächsisches, angelsächsisches und skandinavisches Sagengut erhalten zu haben.
Im Laufe der Zeit verschmolz das Sagengut, wurde umerzählt und auch reduziert.
:winke:

Nur am Rande: Ich will demnächst mit einem Bekannten ein tschuwaschisches Lied der Nibelungensage herausgeben.
 
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Nicht ganz, Dietrichs Flucht, das Rabenschlachtlied, Hildebrandslied zählen zur Dietrichepik. Waltharius, Waldere, Lied vom hürnen Seyfrid und die betreffenden Lieder der Edda, aber auch die Erwähnungen im Beowulf (Sigmund und Fitela) zählen zur Nibelungensage. Die Sagen um Dietrich von Bern und den Nibelungen überschneiden sich aber teilweise, siehe Nibelungenlied, Thidrekssage, Biterolf - und Dietleib-Epos.

Eben, sie überschneiden sich, gehören deshalb m.E. zu demselben Sagenkreis: Die Protagonisten in dem einen Epos sind eben nur Nebenfiguren in dem anderen Epos.
Keine Berührung besteht etwa zur Gralsepik (obwohl im Parzival das Nibelungenlied zitiert wird) oder zur Arthursepik. Gralsepik und Arthursepik berühren sich wiederum.
 
Nein Dietrichs Flucht, das Rabenschlachtlied, Hildebrandslied gehören nicht zur Nibelungensage. Die Nibelungen spielen hier keine Rolle. Nibelungensage und Dietrichepik werden als unterschiedliche Sagenkreise betrachtet.

Der Beowulf auch nicht. Hier werden aber erstmals Sigmund uns dessen Sohn Fitela erwähnt. Die Siegfriedgestalt ist erst in Verschriftlichungen des 13.Jh. erwähnt. Der Waltharius erwähnt als erstes Gunther und Hagen. Im Waltharius wird wahrscheinlich auch als erstes der Nibelungenname genannt, indem Gunthers Mannen an einer Stelle als Franci nebulones bezeichnet werden.
 
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Zunächst einmal ist es doch so, dass Dietrich mit seinen Gefährten, allen voran Hildebrand, einen breiten Raum im Nibelungenlied, zweiter Teil einnimmt. In der Dietrichsepik, und zwar sowohl in der altnordischen Þiðreks saga, als auch im Rabenschlachtepos kommt wiederum SigurdR bzw. Siegfried vor. Dietrich besiegt Siegfried, der daraufhin sein Gefolgsmann wird. Auch Brynhild kommt, zumindest in der Þiðreks saga vor: hier sitzt sie nördlich der mundiafjöll (die Alpen) auf einer Burg in Svava (Schwaben).
 
Ja in der Thidrekssaga sind ja im Prinzip sämtliche Sagen enthalten und gesammelt worden. Ich hatte sie auch nicht ausgenommen. Siegfried oder Sivrit spielt im Rabenschlachtepos keine tragende Rolle. Ich kann ja auch nichts für die Einteilung. Aber ich denke, man geht davon aus, dass beide Sagenkreise ursprünglich getrennt waren, so dass man die späteren Vermischungen nicht beachtet. Ich glaube, es ist auch nicht so wichtig.

Im Übrigen ist bis heute nicht ganz geklärt, wer die Nibelungen eigentlich sind.))
 
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So kommt ja Dietrich in den nordischen Liedern erst an anderer Stelle vor.

Naja, im Waldere (10. Jahrhundert, und damit schon einer der früheren Belege) in dem Hagen und Gunter eine tragende Rolle spielen, wird Đeodric als Vorbesitzer des Schwertes genannt, welches nun im Besitz des Sprechers sei (wer dieser Sprecher ist, wird nicht ganz klar). Der Waldere ist eine recht frühe Manifestation des gesamten Sagenkreises, selbst wenn man diesen nicht in einen engeren Nibelungensagenkreis und einen eigenen Dietrichsagenkreis unterteilt.
 
Und genau hier liegt doch das Problem. Der Waltharius und der Waldere sind mit die frühesten Manifestationen des Nibelungensagenkreises wie des Theoderichsagenkreises (wenn man die beiden denn unbedingt trennen will). Also schon im 9. Jahrhundert, lange bevor die wirklich ausführlichen Zeugnisse auftauchen, sind beide Sagenkreise verknüpft. Die Geschichten beider Sagenkreise gehen auf die Völkerwanderungszeit (VWZ) zurück und auch auf die Supremats- und Adoptionspolitik des historischen Theoderich, der dynastische Verbindungen zu allen Germanenkönigreichen aufzubauen versuchte, unter anderem eben auch zu den Burgunden (Theoderichs Tochter Ariadne Ostrogotha heiratete Sigismund den Heiligen, der wiederum in einem Brunnen ertränkt wurde).
 
Der Waltharius erwähnt Theoderich nicht. Nur weil im Waldere Dietrich erwähnt wird, zählt der Waldere aber nicht zur Dietrichepik. Dietrich taucht ja in der Handlung nicht auf. Auch wenn hier Wieland erwähnt wird, zählt der Waldere ja nicht zur Wielandsage. Es zeigt zwar, dass der Dichter des Waldere die Dietrichsage und Wielandsage kannte, bedeutet aber noch keine wirkliche Verbindung der Sagenkreise.

Theoderich war durch Chlodwigs Frau auch mit Chlodwig verwandt. Aber der Sagenkreis dürfte über die Bayern weitergegeben worden sein. Die familiäre Verbindung zwischen Ostgoten und Franken erklärt nicht die Fülle des überlieferten Stoffes.

Die ersten Überlieferungen der Theoderich - und Ostgotensage finden wir schon bei Jordanis. Ein Großteil von Jordanis Gotengeschichte dürfte schon Sagenüberlieferung sein. Schön kann man dies bereits bei der Sage um Ermanarichs Tod sehen, die ja ebenfalls bei Jordanis bereits überliefert wird, dann in der Edda und den Quedlinburger Annalen auftaucht und wohl auch in die Dietrichsage eingegangen ist, allerdings unter Abwandlung.
 
Im Übrigen ist bis heute nicht ganz geklärt, wer die Nibelungen eigentlich sind.))
Ganz vielleicht nicht, aber ein bisschen schon. Immerhin kommt der Name Nibelung auf vielen Urkunden vor. Etwa 1160 urkundet ein Nibelung als Schatzmeister von Worms.

Ob er wohl Schatzmeister des Nibelungenschatzes war? :scheinheilig:
 
Nibelung kommt auch im Nibelungenlied als Vorname vor. ;-)
Bekanntermaßen heißen die Könige, die Siegfried erschlug und beraubte, Nibelung und Schilbung.

Entscheidender Punkt für die Zusammengehörigkeit von Dietrich- und Nibelungensage scheinen mir eben die Personen. Hier wird ein heroisches Zeitalter beschrieben. Ebenso wie Tantaliden, Herakliden, die Helden der griechischen Sage, sind sie miteinander verwandt und verschwägert, tauchen in unterschiedlichsten Sagen auf. Die anderen Helden der mittelalterlichen Dichtung tauchen aber nie in Nibelungensagen auf. Zun den Rittern König Artus und den Paladinen Kaiser Karls ist dieser Kreis klar abgegrenzt. Im Nibelungenlied taucht plötzlich ein Dietrich von Bern in Etzels Gefolge auf, alles völlig normal. Die Ritter der Tafelrunde gelangen jedoch in ihren Aventuiren nie zu den Nibelungen oder dem Dietrich von Bern. Sprich der Artus-Kreis ist von der Nibelungensage getrennt, der Dietrich-Kreis nicht.
 
Der Waltharius erwähnt Theoderich nicht.

Richtig, da war ich unpräzise. Ich will es präziser fassen: im Waldere wird Theoderich erwähnt. Der Waldere - der nur fragmentarisch überliefert ist - verbindet damit beide Sagenkreise. Der Waltharius erwähnt Theoderich nicht. Allerdings sind Waltharius und Waldere in etwa gleich alt und erzählen im Wesentlichen dieselbe Geschichte, zumindest entspricht der Waltharius dem Teil des Waldere der erhalten ist.

Die ersten Überlieferungen der Theoderich - und Ostgotensage finden wir schon bei Jordanis. Ein Großteil von Jordanis Gotengeschichte dürfte schon Sagenüberlieferung sein. Schön kann man dies bereits bei der Sage um Ermanarichs Tod sehen, die ja ebenfalls bei Jordanis bereits überliefert wird, dann in der Edda und den Quedlinburger Annalen auftaucht und wohl auch in die Dietrichsage eingegangen ist, allerdings unter Abwandlung.

Das kann ich so nicht teilen. Jordanes erzählt nicht die Sage, Jordanes gibt den historischen Stoff wieder. In den QLBler Annalen steht der Kompilator vor dem Problem, dass er nicht zwischen Sagenstoff und historischer Überlieferung unterscheiden kann. Er war damit im Übrigen nicht alleine, aber anderen ist die Diskrepanz wenigstens aufgefallen (etwa Frutolf von Michelsberg).
 
Sind die sinngemäß gleichen Aussagen in den Quedlinburger Annalen und der Edda eigentlich als Volksage mündlich überliefert worden oder hat man da antike Autoren, in diesem Fall Jordanes als Quelle genutzt?
 
Man muss hier die historiographische (Jordanes) und die epische Tradition (in Versprosa) trennen. Verse dienten nicht allein dichterischen Zielen sondern halfen auch zu memorieren (6 x 6 ist 36, ist der Lehrer noch so fleißig....; 3-3-3, bei Issos Keilerei; 7-5-3 Rom schlüpft aus dem Ei....).
In der älteren Edda wird sogar der Verdacht geäußert, Þioðrecr habe mit Guðrún (das ist die Frau, die in der nordischen Tradition die Rolle Kriemhildes innehat) geschlafen. Urheberin dessen ist eine Magd Atlis/Attilas: Herkia.
 
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