Poincaré besucht Russland im Juli 1914

Du liest ja auch die falschen Bücher. Der Trend geht eindeutig Richtung aktuellem wissenschaftlichen Fachbuch.:cool:

Falsch Gandolf, leider völlig daneben.:S
Der Trend geht eindeutig zum Zweitbuch.
Wenn Du Dich lediglich in der "Hildebrand-Schule" bewegst, kommst Du natürlich nie zu einem unabhängigen Urteil. Immer zwei Meinungen hören/lesen, am besten konträre.
Dialektisches Denken ist angesagt, auch etwas, was Ihr Jungspunde von einem Altersblonden lernen könnt.;)

Der Blankoscheck des 5.07.1914 stellte, so betrachtet, nur noch die politische Sanktionierung des seit Jahrzehnten ins Auge gefassten Konfliktfalls dar.

Kann man zustimmen. Auch globaler betrachtet. Und analog dem Titel dieses Threads kann man die Frage stellen: Hatte Deutschland eine Option zum Blankoscheck?

Die Vorstellung, eingekreist zu werden (zB durch die Marinekonvention), stellt für Hildebrand gerade das Motiv für das Entstehen des Kriegsentschlusses der Mittelmächte dar. Kriegsentschluss aus Angst vor den düsteren Zukunftsaussichten (Einkreisung). Unabhängig davon, wie man die Marinekonvention bewertet, das daraus entstehende "lieber jetzt als später" stellt nun mal kein Hineinschlittern in den Krieg dar.

Aber der Schlußstein zur Einkreisung war es. Ansonsten Zustimmung. Das "Hineinschlittern" ist auch mehr auf die Europäer insgesamt gemünzt.

Die englisch-russische Marinekonvention wird von Wissenschaftlern wie Hildebrand, Mommesen, etc. nicht übersehen, sondern die lassen das erforschen.

Ist doch gut so.

Und dann schreibst Du, der würde das Ignorieren..

Das hast du vermutlich falsch verstanden.
Ich meinte dies im Kontext zum deutsch/britischen Krisenmanagement des 1913er Balkankrieges. Grey hat Vertrauen verloren in Berlin, durch seine offensichtlichen Unwahrheiten.
Es gibt ein Dokument aus diesen Tagen indem Zimmermann sinngemäß äußert: "Er (Grey) hat ihn (Lichnowski) wieder eingewickelt, wir müssen ihn (Lichnowski) gelegentlich über unsere Petersburger Erkenntnisse informieren"
Das ist nicht der Boden auf dem die Substanz zu gemeinsamem Krisenmanagement "Julikrise 1914" wächst.

Übrigens ist hinlänglich bekannt, dass das Deutsche Reich seine Verhandlungsbereitschaft nur vortäuschte. Später, als Bethmann Hollweg klar wurde, dass er den Krieg nicht auf Serbien lokalisieren kann, versuchte der seine Strategie Richtung Verhandlungslösung zu ändern: zu spät und zu halbherzig. Da forderte Moltke von Conrad bereits die Mobilmachung bei gleichzeitiger Zusage der deutschen Mobilmachung.

Inzwischen kann man auch lesen, dass die Haldane-Mission nun absolut nicht "ehrlich" gemeint war. Die Analyse der damaligen Reichsleitung insofern zutreffend war.

Was bleibt?
Keine Pazifisten zu finden. Leider.
 
Die Vorstellung, eingekreist zu werden (zB durch die Marinekonvention), stellt für Hildebrand gerade das Motiv für das Entstehen des Kriegsentschlusses der Mittelmächte dar. Kriegsentschluss aus Angst vor den düsteren Zukunftsaussichten (Einkreisung). Unabhängig davon, wie man die Marinekonvention bewertet, das daraus entstehende "lieber jetzt als später" stellt nun mal kein Hineinschlittern in den Krieg dar..

Ganz richtig.

Am Schluß seines detaillierten Werkes stellt Schröder genau dieses fest: die Befürchtungen zur Marinekonvention (des kleinen eingeweihten Kreises im Deutschen Reich!) stellten lediglich "Hintergrundrauschen" dar, es gibt keinen einzigen konkreten link zwischen Aktivitäten in der Juli-Krise und diesen Entwicklungen.
 
Am Schluß seines detaillierten Werkes stellt Schröder genau dieses fest: die Befürchtungen zur Marinekonvention (des kleinen eingeweihten Kreises im Deutschen Reich!) stellten lediglich "Hintergrundrauschen" dar, es gibt keinen einzigen konkreten link zwischen Aktivitäten in der Juli-Krise und diesen Entwicklungen.

Überrascht es, wenn ich dies für die falsche Vorgehensweise halte? In diesem Fall eine Beweislastumkehr vorzunehmen ist doch daneben.

Während einer schweren Krise und drohendem Weltkrieg werden Verhandlungen über gemeinsame Seekriegsführung zweier potentieller Kriegsgegner bekannt. Bei einem dieser beiden hofft man noch darauf, dass der evt. doch "draußen" bleibt.
Wenn dieser Fakt tatsächlich "keine Rolle" gespielt haben soll, ist dies so außergewöhnlich, dass der Nachweis mehr bedarf, als "das fehlen eines konkreten Links".

Es ist ein Allgemeinplatz, trotzdem: 1914 ist nicht 1939
 
Falsch Gandolf, leider völlig daneben.:S
Der Trend geht eindeutig zum Zweitbuch.
Wenn Du Dich lediglich in der "Hildebrand-Schule" bewegst, kommst Du natürlich nie zu einem unabhängigen Urteil. Immer zwei Meinungen hören/lesen, am besten konträre.
Dialektisches Denken ist angesagt, auch etwas, was Ihr Jungspunde von einem Altersblonden lernen könnt.;)
Dialektik ist eine philosophische Betrachtungsweise, keine Methode historische Sachverhalte aufzuarbeiten.:nono:

Wenn Du der Frage nachgehen möchtest, wer die Verantwortung dafür trägt, dass es in Zusammenhang mit dem Attentat von Sarajevo 1914 zum Ausbruch des 1. WK kam, müsstest Du mehr als die "8 Wälzer" lesen, von denen Du in Deinem Beitrag # 81 sprichst. Eigentlich müsstest Du zunächst einmal das Handwerk eines Historikers erlernen und Dich dann in die einschlägigen Archive bewegen, Akten lesen, Aufzeichnungen lesen, etc. von der Sekundärliteratur ganz zu schweigen. Das alles würde mehrere Jahre dauern, in denen Du keine Zeit mehr hättest für jährlich 2.000 Forumsbeiträge. Und was würde dabei herauskommen? Professoren wie Hildebrand, Mommsen, Wehler, etc. haben das ihr Leben lang gemacht und sind - das ist wie bereits gepostet die ganz herrschende Meinung - zur Überzeugung gelangt, dass die deutsche Verantwortung für den Ausbruch des 1. WK schwer wiegt (siehe mein Beitrag # 86). Worin soll also der Nutzen von Deiner "Ich-quäl-mich-höchstpersönlich-durch-8-Wälzer"-Vorgehensweise liegen? Deine hierbei gewonnenen "Antithesen" sind doch allenfalls Attitüden Deiner Uninformiertheit, Irrtümer, Denkfehler, etc. Ich selber bin da bescheidener und blase mich nicht von der Made zum Wurm auf, nur weil ich die ein oder andere Primärquelle gelesen habe.

Wer sich also zuverlässig über die "Julikrise 1914" informieren möchte, wird an den aktuellen wissenschaftlichen Fachbüchern nicht vorbeikommen. Der Umstand, dass die ganz herrschende Meinung die "Kriegsschuld" eher bei den Mittelmächten verortet als bei den Alliierten ist nicht - wie Du unterstellst - einer bestimmten "Denkschule" geschuldet sondern den Fakten.

Altersblonde Dialektiker? Kennst Du eigentlich das Buch von Christian Schmidt: „>>Wir sind die Wahnsinnigen ...<<“ Joschka Fischer und seine Frankfurter Gang" (1998)? Viele "Dialektiker" entwickeln sich leider zu "Dogmatiker", was mit deren Neigung zusammenhängt, selbst dort Antithesen zu bilden, wo die "reale Welt" eindeutig ist.

Aber vielleicht sollten wir uns über Dialektik und ihre Bedeutung für die Geschichtswissenschaft in einem anderen Strang unterhalten. Für die Kriegsschuld gibt es übrigens auch andere Stränge: z.B. den hier.
 
Während einer schweren Krise und drohendem Weltkrieg werden Verhandlungen über gemeinsame Seekriegsführung zweier potentieller Kriegsgegner bekannt. Bei einem dieser beiden hofft man noch darauf, dass der evt. doch "draußen" bleibt.

Das würde ich nicht so abwerten.

Schröder gibt sich die Mühe, jeden Akteur zu analysieren, der über die britisch-russischen Gespräche informiert war. Bei keinem findet er in den Quellen konkrete Hinweise. Beweisen lassen sich nur die relativ harmlosen Störmanöver in London (siehe oben).

Danach regelt sich dann die "Beweislast": wenn hier ein Zusammenhang - etwa zur Eskalation, zum Blankoscheck etc. - behauptet wird, müßten die Quellen doch entsprechende Besorgnisse oder Hinweise aus Gesprächen oder Akten ergeben? Ist aber speziell krisennah nicht der Fall, weswegen die prima facie-Sicht nicht ausreicht (es gab nur frühere, etwas versandete Besorgnisse oder eben spätere (Nachkriegs-)Bekenntnisse zur Besorgnis in den Memoiren). Es verbleibt nach Schröder nur das "Hintergrundrauschen" - eine Selbstverständlichkeit.
 
Zu Schröders 800-Seiten-Diss. über die Marinekonvention findet sich bei sehepunkte eine Rezension von Michael Epkenhans aus der ich mir erlaube folgendes zu zitieren:
"Nun wäre es allerdings verkehrt, wie Schröder in seiner sehr dichten, quellengesättigten Studie deutlich macht, die Marinegespräche zu überschätzen, denn alle Entscheidungsträger in Berlin waren sich über die schwierige außenpolitische Lage des Reiches im Klaren. "Im Vergleich mit den anderen Faktoren, welche die deutsche Politik im Juli 1914 beeinflussten, war die Episode um die Marinekonvention in einem spezifischen Sinne bedeutsam und trug insgesamt als ein erheblich verstärkender, wenn auch nicht ursächlicher Faktor zur Gestaltung des Berliner Risikokurses in der Julikrise bei." (725). Indem sie das Misstrauen in die englische Politik zu einem Zeitpunkt verstärkte, als das Zarenreich massiv aufrüstete und der eigene Bündnispartner immer schwächer wurde, trugen sie dazu bei, im Juli 1914 einen Kurs einzuschlagen, der sich schließlich als katastrophal erweisen sollte."
Quelle: SEHEPUNKTE - Rezension von: Die englisch-russische Marinekonvention - Ausgabe 7 (2007), Nr. 9 - Hervorhebungen durch Gandolf
Fazit: die Episode um die Marinekonvention war mehr als "Viel Lärm um Nichts", aber überschätzen sollte man sie auch nicht (also doch eher Hintergrundrauschen).

PS: zur Marinekonvention habe ich im GF auch mal was geschrieben: http://www.geschichtsforum.de/258000-post8.html
 
Zuletzt bearbeitet:
Danke, da steht doch mal was nachvollziehbares:

"Im Vergleich mit den anderen Faktoren, welche die deutsche Politik im Juli 1914 beeinflussten, war die Episode um die Marinekonvention in einem spezifischen Sinne bedeutsam und trug insgesamt als ein erheblich verstärkender, wenn auch nicht ursächlicher Faktor zur Gestaltung des Berliner Risikokurses in der Julikrise bei." (725). Indem sie das Misstrauen in die englische Politik zu einem Zeitpunkt verstärkte, als das Zarenreich massiv aufrüstete und der eigene Bündnispartner immer schwächer wurde, trugen sie dazu bei, im Juli 1914 einen Kurs einzuschlagen, der sich schließlich als katastrophal erweisen sollte."


Hervorhebungen von mir.
 
Eben, Hintergrundrauschen bei der eigenen Entscheidung ("trugen sie dazu bei ... einen Kurs einzuschlagen") für den "Eventualpräventivkrieg" (Fritz Kern), nicht Bestimmung zum Krieg.
 
Zuletzt bearbeitet:
Fazit: die Episode um die Marinekonvention war mehr als "Viel Lärm um Nichts", aber überschätzen sollte man sie auch nicht (also doch eher Hintergrundrauschen).

... so auch das Schlußwort von Schröder.
http://www.geschichtsforum.de/483477-post48.html

1. Befürchtete Verfestigung des Dreiverbandes und Einkreisungssorge
2. mögliche Beeinträchtigung des deutsch-britischen Krisenmanagements
3. Beeinflußung der deutschen Einschätzung zur möglichen britischen Haltung
4. Verschlechterung der außenpolitischen Lageeinschätzung
5. Verfestigung der Beziehung zu Ö-U

... alles vor dem 5.7.1914.

Kein ursächlicher - im Sinne von Max Weber kausaler Umstand, ohne den ein Vorgang nicht gedacht werden kann - Faktor der Julikrise. Weder die zeitgenössischen Quellen noch die retrospektiven Urteile der vier eingeweihten Personen brachten einen "Anhaltspunkt für eine außergewöhnlich hohe Gewichtung der Marinegespräche".

Schröder bezeichnet dieses selbst als als die Bedeutung der Marinekonvention relativierendes Ergebnis.
 
... so auch das Schlußwort von Schröder.
http://www.geschichtsforum.de/483477-post48.html

1. Befürchtete Verfestigung des Dreiverbandes und Einkreisungssorge
2. mögliche Beeinträchtigung des deutsch-britischen Krisenmanagements
3. Beeinflußung der deutschen Einschätzung zur möglichen britischen Haltung
4. Verschlechterung der außenpolitischen Lageeinschätzung
5. Verfestigung der Beziehung zu Ö-U

... alles vor dem 5.7.1914.

Kein ursächlicher - im Sinne von Max Weber kausaler Umstand, ohne den ein Vorgang nicht gedacht werden kann - Faktor der Julikrise. Weder die zeitgenössischen Quellen noch die retrospektiven Urteile der vier eingeweihten Personen brachten einen "Anhaltspunkt für eine außergewöhnlich hohe Gewichtung der Marinegespräche".

Schröder bezeichnet dieses selbst als als die Bedeutung der Marinekonvention relativierendes Ergebnis.


Würde mich jetzt interessieren:
Weder die zeitgenössischen Quellen noch die retrospektiven Urteile der vier eingeweihten Personen brachten einen "Anhaltspunkt für eine
wer wären diese 4 Personen gewesen?
 
Ich habe jetzt mal die Finger genommen und nachgezählt:

Jagow wusste davon, Zimmermann ebenfalls, Lichnowski wurde informiert, Ballin ins Vertrauen gezogen, Bethmann-Hollweg sicher auch, von SM weiß ich es sicher.
Sind es schon sechs. :D
Entscheidungsträger allerdings nur 4, aber - gab es viel mehr?:fs:

Die Wolffschen Veröffentlichungen waren sehr konkret und zutreffend, demnach die Öffentlichkeit auch. Haben wir einen 5. Entscheidungsträger:)
 
Dialektik ist eine philosophische Betrachtungsweise, keine Methode historische Sachverhalte aufzuarbeiten.:nono:

Wenn Du der Frage nachgehen möchtest, wer die Verantwortung dafür trägt, dass es in Zusammenhang mit dem Attentat von Sarajevo 1914 zum Ausbruch des 1. WK kam, müsstest Du mehr als die "8 Wälzer" lesen, von denen Du in Deinem Beitrag # 81 sprichst. Eigentlich müsstest Du zunächst einmal das Handwerk eines Historikers erlernen und Dich dann in die einschlägigen Archive bewegen, Akten lesen, Aufzeichnungen lesen, etc. von der Sekundärliteratur ganz zu schweigen. Das alles würde mehrere Jahre dauern, in denen Du keine Zeit mehr hättest für jährlich 2.000 Forumsbeiträge. Und was würde dabei herauskommen? Professoren wie Hildebrand, Mommsen, Wehler, etc. haben das ihr Leben lang gemacht und sind - das ist wie bereits gepostet die ganz herrschende Meinung - zur Überzeugung gelangt, dass die deutsche Verantwortung für den Ausbruch des 1. WK schwer wiegt (siehe mein Beitrag # 86). Worin soll also der Nutzen von Deiner "Ich-quäl-mich-höchstpersönlich-durch-8-Wälzer"-Vorgehensweise liegen? Deine hierbei gewonnenen "Antithesen" sind doch allenfalls Attitüden Deiner Uninformiertheit, Irrtümer, Denkfehler, etc. Ich selber bin da bescheidener und blase mich nicht von der Made zum Wurm auf, nur weil ich die ein oder andere Primärquelle gelesen habe.

Wer sich also zuverlässig über die "Julikrise 1914" informieren möchte, wird an den aktuellen wissenschaftlichen Fachbüchern nicht vorbeikommen. Der Umstand, dass die ganz herrschende Meinung die "Kriegsschuld" eher bei den Mittelmächten verortet als bei den Alliierten ist nicht - wie Du unterstellst - einer bestimmten "Denkschule" geschuldet sondern den Fakten.

Altersblonde Dialektiker? Kennst Du eigentlich das Buch von Christian Schmidt: „>>Wir sind die Wahnsinnigen ...<<“ Joschka Fischer und seine Frankfurter Gang" (1998)? Viele "Dialektiker" entwickeln sich leider zu "Dogmatiker", was mit deren Neigung zusammenhängt, selbst dort Antithesen zu bilden, wo die "reale Welt" eindeutig ist.

Aber vielleicht sollten wir uns über Dialektik und ihre Bedeutung für die Geschichtswissenschaft in einem anderen Strang unterhalten. Für die Kriegsschuld gibt es übrigens auch andere Stränge: z.B. den hier.


OT:
Dialektische Arbeitstechniken sind für den Wissenschaftler sicher ungeeignet, für den "interessierten Laien" jedoch durchaus zweckentsprechend und auch erfolgreich.:grübel:

Überhaupt ist das "nachmessen" "nachrechnen" und "nachzählen" mit Kriterien und Methoden die durchaus aus anderen Bereichen stammen können, eine recht erfolgreiche Arbeitstechnik. Jedenfalls meine Feststellung.

Aktueller Bezug: lt. Süddeutscher vom Samstag ist der Rhein knapp 100km kürzer als angegeben. In den 30ern hat sich ein Zahlendreher bei Brockhaus/Knaur eingeschlichen, und alle seither haben abgeschrieben. Ist ja eine seriöse Quelle.=)
 
OT:
Dialektische Arbeitstechniken sind für den Wissenschaftler sicher ungeeignet, für den "interessierten Laien" jedoch durchaus zweckentsprechend und auch erfolgreich.:grübel:
Zweckentsprechend doch deshalb, weil diese Technik eine besonders ätzende Form der Gesprächsführung ermöglicht: widersprechen und behaupten, der Widerspruch sei für den Erkenntnisgewinn nützlich gewesen...
Überhaupt ist das "nachmessen" "nachrechnen" und "nachzählen" mit Kriterien und Methoden die durchaus aus anderen Bereichen stammen können, eine recht erfolgreiche Arbeitstechnik. Jedenfalls meine Feststellung.
Hier stimme ich Dir zu. Das Problem der Dialektik besteht aber darin, dass die "Antithesen" häufig Hirngespinste sind, die nachzumessen schwer fällt. Es besteht die Gefahr, dass die Vernunft gegen die Vernunft ausgespielt wird und zur Synthese dann - wenn sich die Vernunft selbst ausgeschaltet hat - beliebiges und irrationales gebildet werden kann.
Aktueller Bezug: lt. Süddeutscher vom Samstag ist der Rhein knapp 100km kürzer als angegeben. In den 30ern hat sich ein Zahlendreher bei Brockhaus/Knaur eingeschlichen, und alle seither haben abgeschrieben. Ist ja eine seriöse Quelle.=)
Das Beispiel hat eigentlich nichts mit dem dialektischen Dreischritt These-Antithese-Synthese zu tun. Der Rhein ist so lang wie er lang ist.=)

Aber ich lasse mich mal auf das mitgelieferte Hintergrundbild ein. Selbstverständlich können sich auch Geschichtsprofs irren. Aber wie häufig irren sich eigentlich Hobbyhistoriker, die mal ein Quellenbändchen lesen gegenüber dem professionellen Historiker, der sein Leben lang Quellen zu einem bestimmten Themengebiet liest?
 
Zweckentsprechend doch deshalb, weil diese Technik eine besonders ätzende Form der Gesprächsführung ermöglicht: widersprechen und behaupten, der Widerspruch sei für den Erkenntnisgewinn nützlich gewesen...

Hier stimme ich Dir zu. Das Problem der Dialektik besteht aber darin, dass die "Antithesen" häufig Hirngespinste sind, die nachzumessen schwer fällt. Es besteht die Gefahr, dass die Vernunft gegen die Vernunft ausgespielt wird und zur Synthese dann - wenn sich die Vernunft selbst ausgeschaltet hat - beliebiges und irrationales gebildet werden kann.

Brainstorming, keine Gedanke ist so idiotisch, dass er nicht diskutiert werden muss...

Nein, nein. Es gibt vermutlich keine Arbeitstechnik die durch extensive Übersteigerung nicht zur Idiotie verkommt.


Das Beispiel hat eigentlich nichts mit dem dialektischen Dreischritt These-Antithese-Synthese zu tun. Der Rhein ist so lang wie er lang ist.=)

Sure:cool:
Der Ball ist rund. Das nächste Spiel ist das schwerste.

Aber ich lasse mich mal auf das mitgelieferte Hintergrundbild ein. Selbstverständlich können sich auch Geschichtsprofs irren. Aber wie häufig irren sich eigentlich Hobbyhistoriker, die mal ein Quellenbändchen lesen gegenüber dem professionellen Historiker, der sein Leben lang Quellen zu einem bestimmten Themengebiet liest?

Natürlich irren sich die Hobbyisten häufig und ständig. Es geht ja auch nicht darum einem Profi-Wissenschaftler Fehler nachzuweisen. (dazu gibt es genug Profis)

Punkt ist der, dass "ich" unter konträren Meinungen der Experten das für mich wahrscheinlichste herausfinden will.
Das verstehe ich unter dialektischer Arbeitsweise.
 
Punkt ist der, dass "ich" unter konträren Meinungen der Experten das für mich wahrscheinlichste herausfinden will.
Das verstehe ich unter dialektischer Arbeitsweise.

Vielleicht kriegt man an diesem Punkt beiderseits die Kurve zur fachlichen Diskussion (zurück).


Schröder bietet in den einleitenden Teilen auch eine Bestandsaufnahme der Diskussion.

Die Zwischenkriegsliteratur hat die Flottengespräche als Kriegsgrund zugespitzt und - auf unzureichender Quellenbasis - untersucht. Beispiele: Oncken.

Repos Position wird massiv von Zechlin (auch in den unveröffentlichten Manuskripten) und von Hölzle vertreten. Vielleicht kann man hier einiges aus deren Argumentationen sammeln.

Bei der ausländischen Literatur ist Ferguson ein müder Abklatsch der Extremposition von Wilson bzgl. der britischen Fixierung 1914 auf Fernost und Indien. Die übrige Literatur, zB Kennedy, Ekstein, Steiner, sehen das britische Interesse abgeschwächt, und eher verknüpft mit den Entwicklungen bzgl. Deutschland.
 
Vielleicht kriegt man an diesem Punkt beiderseits die Kurve zur fachlichen Diskussion (zurück).


Schröder bietet in den einleitenden Teilen auch eine Bestandsaufnahme der Diskussion.

Die Zwischenkriegsliteratur hat die Flottengespräche als Kriegsgrund zugespitzt und - auf unzureichender Quellenbasis - untersucht. Beispiele: Oncken.

Repos Position wird massiv von Zechlin (auch in den unveröffentlichten Manuskripten) und von Hölzle vertreten. Vielleicht kann man hier einiges aus deren Argumentationen sammeln.

Bei der ausländischen Literatur ist Ferguson ein müder Abklatsch der Extremposition von Wilson bzgl. der britischen Fixierung 1914 auf Fernost und Indien. Die übrige Literatur, zB Kennedy, Ekstein, Steiner, sehen das britische Interesse abgeschwächt, und eher verknüpft mit den Entwicklungen bzgl. Deutschland.

Ich weiß jetzt nicht, was Du als "meine Position" siehst. Die Flottengespräche sehe ich auch kaum als Kriegsgrund. Da ist die Fertigstellung des Nordostseekanals vermutlich wichtiger gewesen. (die großen Schiffe konnten wieder beliebig Ost-Nordsee rochieren)

Als verhängnisvoll sehe ich eher den Vertrauensverlust durch das Ableugnen des unmittelbar bevorstehenden Abschlusses dieses Abkommens. Ein Krisenmanagement zusammen mit einem Partner der einen unmittelbar zuvor angelogen hat....
Grey galt zuvor lt. Ad. v. Müller in Berlin als persönlicher Freund Lichnowskis.
Die handschriftlichen Kommentare die "SM" über Grey auf die entsprechenden Telegramme in den letzten Juli- und ersten Augusttagen schrieb, gehen von "Hallunke" (Orthografie nach SM=)) bis zu Ganove und ähnliche Dinge, die ein Gentleman nicht unbedingt über den anderen schreibt... (sinngemäß: Der Ganove will doch nur uns die Schuld am Kriegsausbruch zuschieben)

Nicht Kriegsgrund!
Aber mit entscheidend, dass man nicht konkreter auf die diversen britischen Versuche reagiert hat. (Warum denn keine Botschafterkonferenz?) ÖU massiver auf die Zehen getreten ist.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich weiß jetzt nicht, was Du als "meine Position" siehst. Die Flottengespräche sehe ich auch kaum als Kriegsgrund. ...
Als verhängnisvoll sehe ich eher den Vertrauensverlust durch das Ableugnen des unmittelbar bevorstehenden Abschlusses dieses Abkommens. Ein Krisenmanagement zusammen mit einem Partner der einen unmittelbar zuvor angelogen hat....
Aber mit entscheidend, dass man nicht konkreter auf die diversen britischen Versuche reagiert hat.

So hatte ich das auch verstanden.

Die Folge des Kenntnisstandes sehe ich allerdings nicht als forciert an (und das wird auch in der englischen Literatur problematisiert):

Warum wurden deutscherseits mit den recht konkreten Informationen über den recht unkonkreten brit./russ. "Gesprächsstand" im Mai/Juni 1914 (denen die russische Seite - speziell Marine - auch nicht enthusiastisch gegenüberstand) keine ernsthaften Versuchen unternommen, gegenzusteuern und die in einer kleinen Entspannungsphase befindlichen deutsch-britischen Kontakte zu verstärken? Weil sich die deutschen Protagonisten eines guten brit.-dt. Verhältnisses desavouiert fühlten? Stattdessen wurden die nervigen Entarnungsspielchen mit Lichnowsky und Ballin betrieben.


Noch ein Nachsatz: die Vertreter der "sozialpolitischen/sozialökonomischen/innenpolitischen Fraktion" zum Kriegsausbruch (nicht nur die Fischer-Nachfolger bzw. Fraktion einer "offensiven Außenpolitik") sehen in dem Vorgang ebenfalls eine Marginalie oder erwähnen sie nicht einmal, quasi als Randerscheinung einer bevorstehenden Implosion des Kaiserreichs (-> Schröder)


und P.S. diverse Kraftausdrücke S.M. KaWeZwo waren inflationär und nicht auf Grey beschränkt. Da lassen sich auch andere Beispiele aus 1912 finden.
 
Zuletzt bearbeitet:
Noch ein Nachsatz: die Vertreter der "sozialpolitischen/sozialökonomischen/innenpolitischen Fraktion" zum Kriegsausbruch (nicht nur die Fischer-Nachfolger bzw. Fraktion einer "offensiven Außenpolitik") sehen in dem Vorgang ebenfalls eine Marginalie oder erwähnen sie nicht einmal, quasi als Randerscheinung einer bevorstehenden Implosion des Kaiserreichs (-> Schröder)

Das ist mir auch aufgefallen!
Und dies gibt dem Dialektiker=) zu denken!:grübel:
 
Und dies gibt dem Dialektiker=) zu denken!:grübel:

Um Deine Dialektik noch ein letztes Mal zu füttern: :winke:

Fischer und sein Intimfeind Ritter sind sich völlig einig, dass die brit./russ. Marinegespräche ohne Einfluß auf den Ablauf der Juli-Krise geblieben sind.

_____
Gerade die englische Literatur setzt übrigens (soweit der Poincare-Besuch überhaupt eine Rolle spielt) bei der Frage an, ob P. genau diese brit./russ. Marinegespräche befördern wollte. Es gibt da wohl eine Passage auch in seiner Tisch-Ansprache, die darauf hindeutet. Das hat dann aber weniger mit der Juli-Krise als mit längerfristigen Strategien zu tun, und ist auch deutscherseits wohl nicht in dieser Weise interpretiert worden.
 
Zuletzt bearbeitet:
Was bislang in der Deutung des Besuches Juli 1914 völlig fehlt, ist folgender Hintergrund:

Plan XVI (1908) - 2. Marokko-Krise - Planrevision Ende 1911 - Poincares Petersburg-Besuch vom August 1912 - Loi de Trois Ans (Verlängerung Wehrpflicht aufgrund der deutschen Heeresverstärkung sowie des Dogmas vom kurzen Krieg - russische Eisenbahnanleihen, Mob-Zusagen und Liman-von Sanders-Affäre. :winke:
 
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